Vortrag in der Kolping-Familie in GT Foto: ak2015 |
Zur Zeit verschaffe ich mir viele Einblicke in Themen und spreche mit vielen Menschen, die in Gütersloh aktiv sind. Als Kandidatin möchte ich die Vielfalt in Gütersloh noch besser kennenlernen.
Ein Thema, welches sonst die Gesellschaft spaltet, liegt mir schon lange am Herzen: Flüchltinge und Asylsuchende. Dazu habe ich bereits mehrfach geschrieben und gearbeitet. In Gütersloh ist das glücklicherweise ein Thema, welches in der Bevölkerung auf Hilfsbereitschaft stößt und nicht auf flächendeckende Ablehnung. Es gab in der letzten Zeit mehrere Informationsveranstaltungen dazu und auch Bewegung in der Sache. Diesmal habe ich mich in der Kolping Familie informiert. Rund 65 Menschen waren zur Veranstaltung der Kolping-Familie gekommen. Konkrete Hilfe vor Ort stand im Vordergrund. Die Kirche hatte zwei Vertreter der Stadt eingeladen, zum Thema Flüchtlinge in Gütersloh zu referieren. Wolfgang Sieveking und Hugo Haupt standen Rede und Antwort.
Flucht ist global
Sie beleuchteten das globale Flüchtlingsgeschehen, denn nur in diesem Kontext kann man überhaupt ermessen, was Flucht und Vertreibung bedeuten - weltweit sind zur Zeit rund 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von der Flüchtlinge sind jahrelang unterwegs. Neun von zehn Flüchtlingen leben dabei in Entwicklungsländern. Dabei sind die Leidenswege von Männern und Frauen sehr unterschiedlich, wie man sich vorstellen kann. Es ist ein langer Leidensweg, den Menschen hinter sich haben, bevor sie über einen Verteilerschlüssel als Flüchtling nach Gütersloh kommen. Wenn sie denn den Weg nach Deutschland schaffen, Deutschland ist umgeben von sogenannten "sicheren Herkunftsländern". Wer in den sicheren Drittstaaten "Erstkontakt" zu Europa hat, muss in diesen Ankunftsländern um Asyl ersuchen.
In Gütersloh leben zur Zeit rund 500 Flüchtlinge, das Hauptherkunftsland ist momentan Syrien. Die Menschen kommen durch ein Aufnahmekontingent nach Deutschland. Nicht alle sind in städtischen Unterkünften aufgenommen. Es gibt sehr viele Menschen, die bereits in Gütersloh leben und die ihre geflüchteten Verwandten hier aufgenommen haben: unter großen Anstrengungen, denn sie müssen für ihre Angehörigen eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, durch die sie die Kosten für den Aufenthalt hier komplett übernehmen. Nur mögliche ärztliche Behandlungen werden von der Stadt getragen und später mit Hilfsmitteln anderer Stellen verrechnet.
Wer darf bleiben?
Die Diskussion am Abend kreist um die Bewertung der Menschen, dass "gut integrierte" Flüchtlinge irgendwann doch bleiben dürfen. Was ist hier "gut integriert" und was sind dann "wertvolle Mitglieder der Gesellschaft"? Das ist eine Diskussion auf Messers Schneide, denn wer hat schon das Recht, Menschen nach ihrem "Wert" zu beurteilen. Ein Teil dieser Diskussion bezog sich auch darauf, dass gerade Hochqualifizierte einen besonderen oder einen herausgehobenen Zugang bekommen, die "normalen" Menschen aber nicht. Einer Spaltung in gut und nicht-wertvoll sah man sich hier kritisch gegenüber. Gut so.
Die Quote der Abschiebung aus Gütersloh heraus sei niedrig, unter 10 Prozent erklärten die Vertreter der Stadt. Wie geht ein Staat überhaupt mit Flüchtlingen um, wurde diskutiert. Der Umgang an sich sage bereits viel über eine Gesellschaft aus, es sei grundsätzlich eine Frage der Ethik. Ein Vergleich mit anderen EU-Ländern ließ zum Schluss kommen, dass es einheitliche Standards für die Aufnahme von Flüchtlingen geben müsse. Wobei "Standard" keine Verschlechterung bedeuten dürfe.
Konkrete Hilfe
Die Frage, wann überhaupt jemand weiß, dass er bleiben darf und wie man konkret helfen kann, war zentral an dem Abend. Es wurden viele niedrigschwellige Möglichkeiten der konkreten Hilfe diskutiert. Hilfe, die für ehrenamltiche Helfer auch leistbar ist. Von der selbstorganisierten Fahrradhilfe bis zu Begleitung zu Ämtern, über Paten für Familien mit Kindern sowie auch Sprachhilfe war alles ein Thema. Es gab schon auch viele Beispiele aus anderen Kommune, wie etwa aus Verl.
Gütersloh rechnet mit einer weiteren Zuweisung von Flüchtlingen Ende März, also dieser Tage. Es werden rund 70 Personen erwartet. Das wirft Probleme der Unterbringung auf. Die Stadt sucht nach Wohnraum für die Menschen, das aber ist schwer. Auch Menschen, die hier bereits durch alle Prüfverfahren anerkannt sind, könnten eigentlich in einer eigenen Wohnung leben, diese auch bezahlen - allein, es findet sich kaum Wohnraum.
Über die Wintermonate sei es ein großes Problem gewesen, die Menschen unterzubringen, dies menschenwürdig. Problematisch sei da auch die Vielfalt der Menschen, denn es sei ein Gebot, darauf zu achten, dass die Menschen ihre kulturellen Gewohnheiten wahren können. Eine Mischung zu vieler Ethnien sei nicht immer konfliktfrei. Jetzt aber sei die Unterbringung etwas entzerrter als noch im Dezember.
Ein Blick in die Nachbarstadt könnte hier helfen, denn in Bad Oeynhausen etwa können Flüchtlinge in den bisher von Familien der britischen Streitkräfte bewohnten Häusern wohnen, die zur Zeit nach GB zurückkehren. Viele der Wohnungen und Häuser standen dort schon leer. Gute Idee auch für Gütersloh.
Beratung notwendig
Nicht nur die Kolpings sind aktiv, auch die Diakonie setzt sich für Flüchtlinge in Gütersloh ein. Der Arbeitskreis Asyl engagiert sich seit Jahren. Seit kurzem gibt es eine Beratungsstelle für Flüchtlinge - jedoch nur eine halbe Stelle für ganz Gütersloh. Die Stelle ist für drei Jahre vorgesehen, 70.000 Euro bringt die Stadt dafür auf, 50.000 die Diakonie. Dass Beratung notwendig ist, steht ausser Frage, mehr Geld und mehr Planungssicherheit wären aber schon jetzt notwendig, Flucht wird mehr als drei Jahre ein Thema sein. Da kann man sich keinen schlanken Fuß machen, weder als Stadt noch als Gesellschaft.
Bildung ist ein Schlüssel
Besonderes Augenmerk für mich war das Thema Kindergarten und Grundschule für die Flüchtlingskinder. Hier besteht das Problem der Zuweisung, denn viele Kinder können nicht "wohnortnah" beschult werden, da die Grundschulen wegen der Zügigkeitenfestlegung ablehnen können. Hier wünsche ich mir einen festen Kriterienkatalog, der festlegt, dass die Kinder von Flüchtlingen nicht mit Bussen quer durch die Stadt gefahren werden müssen, sondern direkt vor Ort zur Schule gehen können. Das würde bedeuten, dass die Schulen, die aufnehmen auch besondere Zuweisungen bekommen was Personal und Finanzen angeht.
Wie kann man helfen?
Auf die Frage "Wie können wir helfen?" antwortete Hugo Haupt sehr direkt "Was können Sie denn?" Es geht nicht allein darum, dass man aktiv helfen möchte, es geht um ein gutes Management von Möglichkeiten, so dass nicht alle das Gleiche machen und so, dass Hilfe auch Hilfe ist und nicht zusätzliche Probleme entstehen.
Es gibt einen großen Bedarf, die Arbeit der Flüchtlingshelfenden mehr zu vernetzen, um noch effektiver in der Wirkung zu sein. Es gibt bereits einen Runden Tisch dazu. Und bedenken muss man auch, dass nicht alle Flüchtlinge nur gute Erfahrungen mit Behörden gemacht haben, diese haben sie oft genug als korrupt und gefährlich erlebt, so dass staatliche Hilfe nicht nur als gut empfunden wird. Da können Organisationen und Ehrenamtliche einen anderen Zugang schaffen. Gemeinsam mit Flüchtlingen.
Der Abend hat Hoffnung gemacht, es war beeindruckend, wie ehrlich das Angebot an Hilfe rüberkam. Und es war beeindruckend, was die Stadt bereits macht - und mit wie viel Erfahrung. Auch wenn es bisher nur eine halbe Stelle der Beratung gibt.
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