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Sonntag, 14. Juni 2015

Politiker setzen Familienfreundlichkeit aufs Spiel

Geht es um die Familienfreundlichkeit in Gütersloh, ist Bildung zentral. Zur Zeit wird diese von allen Fraktionen im Rat aufs Spiel gesetzt.

                                                                                    Foto ak2013

Elterninitiative ist zu unterstützen
Eine grundschulübergreifende Elterninitiative formuliert Kritik an den Grundschulen. Sie beanstanden ganz richtig mangelnde Sauberkeit, drangvolle Enge, Qualitätsmängel im Offenen Ganztag (OGS) und das Verschlafen der digitalen Ausrüstung. Diese Initiative ist zu begrüßen.

Probleme sitzen tiefer
Die Probleme reichen aber noch weiter: Die derzeitige Verteilung von Zugängen und Betreuungsplätzen in den Schulen setzt die Vereinbarkeit von Schule und Familie für viele Familien außer Kraft. Die städtische Planung geht an den Bedarfen der Eltern vorbei. Die im Schulentwicklungsplan prognostizierten Schülerzahlen insbesondere für die OGS weichen eklatant ab - der Bedarf an Betreuung ist größer als das Angebot. Dieser Trend eines größeren Bedarfs war lange erkennbar. In Gütersloh wurde das offenbar nicht ernst genommen - oder aber politisch abgelehnt, weil ein anderes Familienbild gewollt ist: Die Mutter am Herd.

Grundschule als negatives Beispiel
Die Grundschule Pavenstädt ist gerade Sinnbild für diese Entwicklung in Gütersloh: die Festlegung der Zügigkeit ist die erste Deckelung einer Schule in einem wachsenden Ortsteil. Die Schüler in einer Klasse bewegen sich am oberen Limit der Klassengröße. Die Abweisung von Schülern bei der Schulanmeldung ist die zweite Deckelung. Die dritte Deckelung folgt nun erstmalig mit der Begrenzung der Aufnahme von Kindern in den Offenen Ganztag. Eltern werden aktiv abgewiesen und erhalten keinen OGS-Platz.
Wer in den Genuss der Betreuung kommt, ist noch nicht entschieden. Viele Familien sind auf die Betreuung angewiesen. Die bittere Entscheidung, wer einen Platz bekommt und wer nicht, muss nun die Schule treffen. Die Entscheider in der Politik scheinen damit aus der Verantwortung entlassen. Die Schulpolitiker haben Zahlen geglaubt, die jedoch einzig darauf abzielen, bei einem angenommenen Rückgang von Schülern, Kosten zu sparen. Doch Gütersloh wird an Einwohnern wachsen. Dies bescheinigen unterschiedliche Bevölkerungsvorausberechnungen deutlich. Der Zuwachs wird fast allein durch Zuwanderung erreicht, also Familien mit Migrationshintergrund. Diese Familien benötigen für den Start besondere Unterstützung im Ganztagsbereich der Bildungsangebote.

Welche Schule bleibt?
Nun gibt es wachsende und schrumpfende Grundschulen in Gütersloh. Welche Schule überleben und welche geschlossen wird, stellt sich sehr bald. Es gibt Schulen, die in der Elternschaft als gut befunden werden und einen Sog entfachen und es gibt welche mit weniger gutem Ruf, die nicht nachgefragt werden. Auch dies muss eine politische Diskussion darüber anfachen, warum das so ist - und wie Politik darauf reagieren kann.

Vom Klassenraum zur Mensa?
Eine Lösung soll die intelligente Raumnutzung sein, die in den Grundschulen kaum real umsetzbar ist: Wie sollen Schulklassen blitzschnell in eine Mensa umfunktioniert werden, wenn noch Unterricht läuft? Das bestehende System von Halbtagsschule und Ganztagsschule müsste längst diskutiert werden, ob und wie das miteinander zusammenpasst. Kaum erklärbar ist auch, warum die Anmeldung für den Ganztag nur einjährig erfolgen kann, der berufliche Wiedereinstieg der Mütter sich aber am Geburtstag der Kinder bemisst. Einige Grundschulen haben schon vernünftige Konzepte entwickelt, dies zumeist durch Eigeninitiative.

Realität sieht anders aus
Das berührt den Aspekt der Flexibilität des Offenen Ganztags, den sich viele Eltern, vor allem berufstätige Mütter wünschen. Dies geht nur mit einer hohen Qualität und ausreichend Raum, was in eine Verbesserung der Situation für die Kinder und Eltern gleichermaßen einzahlt. Das kostet Geld und erfordert ein Bekenntnis zur Bildungspolitik und die Umschichtung im Haushalt. Zwei große Positionen sind dabei maßgeblich: die CDU will für Bildungsmehraufwand kein Geld ausgeben und der Vorstoß zur Finanzierung der Bildung durch eine erhöhte zweckgebundene Gewerbesteuer von Martin Goecke aus der SPD wurde abgelehnt. Von den kleinen Parteien kommt diesbezüglich nichts.

Diskussion ist notwendig
Viele dieser grundsätzlichen Fragen werden von der Politik nicht angesprochen. Schule hat sich sehr stark verändert. Die Vermessung im Schulentwicklungsplan aber ist unverändert und unflexibel geblieben. Verweigert die Politik weiterhin eine Diskussion über die künftige Ausrichtung insbesondere der Grundschulen, verspielt sie die Familienfreundlichkeit der Stadt schon in den frühen Jahren der Kinder.

Von fehlender Chancengerechtigkeit ist dabei noch gar nicht die Rede.