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Sonntag, 10. August 2014

Von Küchen bis Zeitung - OWL goes digital

"KogniHome" ist ein gerade gestartetes Forschungsprojekt in OWL. Ziel: ein digitales Zuhause, das vernetzt mitdenkt und das Leben einfacher macht. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, es entsteht ein Innovationscluster von 14 Institutionen und Unternehmen aus OWL. Auch die Uni Bielelfeld und die Neue Westfälische Zeitung ist als Netzwerkpartner dabei.




Vernetztes Zuhause  

"KogniHome" ist eine vernetzte Wohnung, die die Gesundheit, Lebensqualität und Sicherheit von Familien, Singles und Senioren fördert. Auf der Homepage der Universität Bielefeld findet sich dazu:

 "In dem Projekt befassen sich Partner aus Industrie, Forschung, Dienstleistung sowie Sozial- und Gesundheitswesen mit der Frage, wie sich „mitdenkende“ und „vertrauenswürdige“ technische Systeme verwirklichen lassen, die Menschen im Alltag unterstützen können. Bei der Entwicklung der technologischen Basis stehen für die Forscher auch ethische, gesellschaftliche und rechtliche Aspekte im Fokus. „Wir wollen den Wohnalltag mit neuen nützlichen Hilfestellungen anreichern, welche die Gesundheit und Sicherheit ihrer Nutzer verbessern“, sagt Professor Dr. Helge Ritter vom Exzellenzcluster CITEC. Er ist Sprecher des neuen Innovationsclusters KogniHome." 

Mit diesem Anspruch wird das Digitale direkt in die Lebensmitte der Menschen katapultiert. Bei einer Drehung von 360 Grad wird es nichts in einer Wohnung geben, welches nicht in irgendeiner Weise digitalisiert werden könnte: Dass der Kühlschrank künftig twittert, wenn er leer ist, ist schon kein Witz mehr. Küchen, Flure, Lichter, Spiegel, Schränke: Die "Dinge" werden mit uns sprechen, uns kennenlernen, unsere Verhaltensweisen - und Fehler studieren. Sie werden uns helfen und unseren Alltag erleichtern können. Im besten Fall. Dass es auch den "worst case" gibt, ja, das zu beschreiben folgt an anderer Stelle. 

Doch gerade stehen die positiven Möglichkeiten im Fokus. Und das nicht ohne Grund. Der demografische Wandel rollt unablässig auf uns zu. Die Altersungspyramdie verändert sich, nicht nur in Zahlen ablesbar, sondern auch jetzt schon für die mittlere Generation erlebbar, denn viele der alten Eltern stellen ihre heute 50-Jährigen Kinder vor die große Herausforderung: Was tun mit Oma und Opa, damit sie so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen und leben können? Diese Aufgabe meistern jetzt schon Millionen Menschen - meist eben im familiären Umfeld. Oft genug ist dabei emotionale und körperliche Überlastung pflegender oder kümmernder Angehöriger ständiger Begleiter. Mit nach oben offenen Altersgrenzen der zu Betreuenden.

Künftig werden es also noch mehr "Fälle" werden. Wir werden im Schnitt alle deutlich älter. Die Notwendigkeit an Pflege und Hilfe im eigenen Heim steigt. Das zu leisten ist eine Frage des Geldes und auch der Nachkommen. Wenn beides fehlt, wird es schwierig. Und die jetzt schon ablesbare Welle der Altersarmut besonders bei Frauen stellt die Gesellschaft schon bald auf eine harte Probe: wie damit umgehen. Da kann die Digitalisierung eine enorme Hilfestellung sein. Man muss nur bis dahin wissen, wie sie helfen kann. Im Zentrum steht dabei natürlich die eigene Wohnung. 



Die Dinge im Lebensalltag der häuslichen Umgebung können von toter Materie in helfende Materie verwandelt werden. Immer mit dem Ziel, die Selbständigkeit von Menschen zu erhalten. Die Lebensqualität zu verbessern. In dem Sinne kann man gar nicht genug intelligente Hilfsmittel herstellen und vernetzen. Vor allem den ländlichen Raum wird diese Frage ganz besonders herausfordern: wie überleben Regionen mit Überalterung? 

Das OWL-Projekt verspricht also einiges an Aufregung zu produzieren, denn einerseits wollen die Zweifel an digitalem Segen ausgeräumt werden und andererseits will man eine Gesellschaft autonom in der Versorgung halten. Was allerdings befremdet ist, dass im Projekt überhaupt keine Frauen vorzukommen scheinen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind nur Männer sichtbar und Ansprechpartner. Und das in einem Sujet, in dem Frauen traditionell verankert waren: im Haus, am Herd. Interessant. 

Das OWL-Großprojekt ist übrigens ein Teil des Förderschwerpunktes „Mensch-Technik-Interaktion im demografischen Wandel“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Hier finden sich noch zahlreiche weitere gute Ideen, an denen geforscht wird. 


OWL goes digital

OWL ist offensichtlich schon weit, was Ideen zur Digitalisierung angeht. Industrie 4.0 firmiert bereits unter "IT´s OWL" und weist spannende Impulse für künftiges Arbeit und Netzwerken auf. Ein Blick auf die Seite lohnt sich immer. 



Offensichtlich gelingt es der Region, die Grenzen zur neuen Welt zu überbrücken, den Brückenschlag anzugehen von der digitalen Gesellschaft in eine Gesellschaft, die sich in weiten Teilen noch im Prä-Digitalen befindet. 

Dazu braucht es aber auch Vermittler, Botschafter. Kenner von beiden Seiten. Einen Kommunikator, der die Sprache der Menschen spricht. In Sachen "KogniHome" hat man die regional größte Zeitung, die Neue Westfälische, mit an Bord genommen. Sie soll das Projekt begleiten und darüber berichten.

In seinem Kommentar ist der Chefredakteuer Thomas Seim offensichtlich sehr stolz auf diese Partnerschaft. Kann er auch sein. Ich aber habe mich gefragt, ob die Zeitung dabei ein so unbeteiligter Beobachter bleiben kann. Denn vor allem die Beobachter dieses Brückenschlages unterliegen einem eigenen Wandel. Hier habe ich meine Gedanken an Herrn Seim formuliert: 

Gewohnheiten haben sich geändert

Die NW berichtet über das Projekt „KogniHome“. Chef Thomas Seim schreibt in seinem Kommentar, die NW hätte auf die Anfrage des Ministeriums nicht nein sagen können: Kerngeschäft der NW sei die Produktion von Medien, die Verbreitung und Vermarktung von Informationen, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, das Erklären von komplizierten Zusammenhängen, das Zusammentragen von Infos, die jeder Bürger brauche, um sich in der realen Welt zurechtzufinden. Das könne man besser als andere. Gemeinsam mit den Partnern werde man Ideen und Verbesserungen auf den Weg bringen, die das Leben zukünftig leichter machen.

Dabei entsteht der Eindruck, die NW und ihr Kerngeschäft bleiben zukünftig unverändert. Dieser Ansatz irritiert: Schon andere dachten, sie verkaufen Nachrichten - dabei waren es nur Gewohnheiten. Demnächst liegt keine gedruckte Zeitung mehr im Hausbriefkasten, man verschwindet bei der Morgenlektüre auch nicht mehr hinter einem Quadratmeter aufgeblättertem Papier. Nicht nur die Auflagen schrumpfen, auch die Informationsbeschaffung der Menschen ändert sich. Was Zeitungen heute drucken, stand gestern schon im Netz. Zeitungen verändert das jetzt schon: Arbeitsabläufe, Deutungen und Hierarchien in der Redakteursriege. Die Zeitung alter Art tritt zur Zeit gegen das gesamte Netz an. Ein unbetroffener journalistischer Beobachter wird die NW daher nicht bleiben können: sie ist Teil einer Zukunftsvision. Für meine „Hauszeitung“ wünsche ich mir, dass sie daher auch die Veränderung der Zeitung im digitalen Zeitalter zum Thema macht. 

                                                 Fotos  ak 20113/14

Mit Projekten wie Krautreporter,Weeklys oder auch Crowspondent haben inzwischen einige kreative Köpfe den Mut gefunden, sich experimentierfreudig auf die Veränderungen einzulassen und das Digitale nicht als bedrohliches Neuland, sondern als Spielwiese für Innovationen zu verstehen. Auch sind viele Kiezblogs entstanden, die eine eigen Zeitung für ihr Viertel virtuell herausbringen. Die NW ist zwar auch im Netz vertreten, aber allein der Twitteraccount scheint ein toter Algorithmus zu sein: Kein Dialog, keine Interaktion. Und doch wird die NW bereits intern sicher darüber nachdenken. An diesem Nachdenken bin ich als Abonnentin sehr interessiert. Bitte darüber berichten und daran teilhaben lassen, wenn KogniHome gedacht wird.


Wandel hat schon begonnen

Der Wandel ist in vollem Gange. Da sind aber nicht nur die Skeptiker und die Befürworter. Da sind auch viele unterschiedliche Geschwindigkeiten: Politik, Medien, Wissenschaft, Verwaltungen und Zivilgesellschaft gehen unterschiedlich schnell mit, lernen unterschiedlich schnell. Das allein ist ein interessantes Feld, wie sich diese Schrittgrößen in Zukunft ändern werden. Beim Chef der Lokalredaktion in Gütersloh habe ich schon ein Interview angefragt, er vertröstet mich auf den Herbst, wenn deutlich wird, welche Neuerungen die NW-Lokal etablieren wird. Denn auch vor Ort gibt es unterschiedliche Tempi.