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Donnerstag, 28. April 2011

Wie erfolgreich war das Verfahren zum Bürgerhaushalt?

Eine Analyse anhand eines Kriterienkatalogs

Gemeinsame Problemlösung für die Zukunft
Meine deutliche These vorweg: Beteiligungsverfahren sind aus der politischen Kultur unseres Landes nicht mehr wegzudenken. Seit ihrem Entstehen in den frühen 70er Jahren und der Weiterentwicklung in den letzten Jahrzehnten stehen wir heute vor immer differenzierterer und sogar gesetzlicher Verpflichtung dazu.

Neue Formen des Dialogs auf Augenhöhe sind gefragt. Es geht um den gemeinsamen Diskurs. Erörterung von Sachfragen und die Problemlösung stehen im Zentrum künftiger Zukunftsfähigkeit. Die hohe Komplexität in unserem Leben macht neue Formen der Begegnung und der Entscheidung notwendiger denn je. Am Anfang eines solchen Prozesses steht meistens ein deutlich umrissenes und definiertes Problem. Etwa ein Haushaltsdefizit, also Finanzloch, in einer Kommune.

Nicht nur ein Kriterium für den Erfolg
Diese Situation war auch der Beweggrund für Gütersloh, neue Wege in der Haushaltspolitik zu beschreiten. Die Genese des Bürgerhaushaltes soll hier nicht wiederholt werden, sie liegt zwischen Zwang durch Bürgerproteste bis hin zum stets geäußerten Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Verfahrens und dem ausdrücklichen Wollen der Verwaltung. Nur so viel sei in Erinnerung gerufen, dass das Verfahren, also der Ablauf zum Bürgerhaushalt an sich (inklusive einer zu erstellenden Liste der Top 30 Vorschläge) von allen Fraktionen im Finanzausschuss (!) abgesegnet wurde. Welche konkreten Kriterien für ein Gelingen erfüllt sein müssten, wurde im Vorfeld aber nicht ausreichend geklärt. Daher ist in Gütersloh zu Beginn des Verfahrens leider nur ein Kriterium stillschweigend zugrunde gelegt worden, ohne dass sich die Beteiligten real darauf geeinigt hätten: die Quote der Beteiligung. Die Marge der Beteiligungsquote anderer vergleichbarer Städte von rund 1,5 bis 2,0 Prozent galt als Messlatte für das Gelingen des Bürgerhaushaltes in Gütersloh. Dieser Wert speiste sich jedoch eher aus den Erfahrungswerten des begleitenden Partners Zebralog/Fraunhofer Institut als dass er selbständig von den politisch Verantwortlichen in der Stadt „gesetzt“ worden wäre.

Erreicht wurden in Gütersloh am Ende 1,7 Prozent Beteiligung. Diese Quote allerdings wurde schon während des Verfahrens und auch im Nachklang durch Teile der Ratsfraktionen mehrfach in Zweifel gezogen. Daran gekoppelt schwang daher bereits zum Ende des Online-Verfahrens auch immer schon die Frage mit, ob das Verfahren eine Wiederholung finden würde.

Gemeinsamer Kriterienkatalog ist notwendig
Um nun am Ende einen gemeinsamen Diskurs über das Verfahren führen zu können und eine abschließende Bewertung zu ermöglichen, bedarf es der Spielregeln, die allen Beteiligten bereits von Anfang an deutlich sind - und die von allen akzeptiert werden. Beteiligung braucht also Kriterien, anhand derer am Ende für alle messbar ist, ob und wie Beteiligung effektiv war. Das Zugrundelegen eines einzelnen Kriteriums für das Gelingen oder Scheitern eines Bürgerhaushaltes jedoch verengt die Möglichkeit der Bewertung deutlich. Viele Aspekte eines Beteiligungsverfahrens geraten dabei aus dem Blickfeld. Diese zusätzlichen Aspekte aber sind notwendig, um die Komplexität eines solchen Verfahrens ablichten und bewerten zu können.

Jetzt steht die Stadt also am Ende dieses ersten Bürgerhaushaltes. Die Frage der Bewertung steht im Raum: Ist er gelungen oder nicht?

Kriterien der Bewertung
Folgende zusätzliche Kriterien könnten daher für die Bewertung herangezogen werden (siehe dazu auch: Kubicek, Herbert, Lippa, Barbara und Koop, Alexander: Erfolgreich beteiligt? Nutzen und Erfolgsfaktoren internetgestützter Bürgerbeteiligung, Gütersloh 2011, Verlag Bertelsmann Stiftung)

  • Ressourcen / Kosten
  • Innovation und Professionalisierung
  • Mobilisierung
  • Transparenz
  • Verbindlichkeit
  • Repräsentativität
  • Nutzerfreundlichkeit
  • Qualität der Beiträge
  • Zufriedenheit der Nutzer
  • Akzeptanz
  • Anschlussfähigkeit
  • Erhöhung der Demokratieeinstellung
  • Nachhaltigkeit
  • Effizienz

Kriterium 1 (von 14): Kosten und Ressourcen
Die Kosten respektive die bereitgestellten Ressourcen von 70.000 Euro für die Online-Plattform sind immer wieder in die Kritik geraten. Dem gegenüber stehen jedoch die 164.000 Euro, die der Rat der Stadt dem Beratungsunternehmen Rödl&Partner für die Unterbreitung von Haushaltskonsolidierungsvorschlägen 2008 gezahlt hat. Diese Gelder wurden zudem im nicht-öffentlichen Teil der Gremien abgestimmt. Es gilt also abzuwägen, was politisch höher zu bewerten ist: die Vorschläge von der „Stange“ eines Beraters, die es hundertfach gleich gibt oder aber die breite Einbeziehung der eigenen Bevölkerung, die ihr Wissen und ihre Kenntnisse der Stadt in den Prozess mit einbringt? Zudem gilt hier, politisch zu bewerten, was mehr zählt: die hohe Legitimation von Entscheidungen durch die eigene Bürgerschaft oder das Know-how Externer, deren Ergebnisse große Proteste ausgelöst haben - bis hin zur Demonstration gegen Kürzungen im Bildungsbereich vor dem Rathaus. Ressourcen wurden darüber hinaus aus der Verwaltung der Stadt bereitgestellt, so zeigte sich die Betreuung der Online-Phase als eine Querschnittsaufgabe der gesamten Stadtverwaltung mit den jeweiligen Fachbereichen im „backoffice“, die den Moderator (Zebralog/Fraunhofer Institut) bei seiner Arbeit effektiv unterstützt hat. Die Verwaltung hat sich mit der laufenden fachlichen Aufnahme der Vorschläge als ein Sparringpartner gezeigt, der zwar Grenzen aufgezeigt hat, wenn die Handlungshoheit der Stadt überschritten wurde, aber auch Hinweise zur Konkretisierung aus allen Fachbereichen liefern konnte. Note: sehr gut

Morgen geht es weiter mit Teil 2: Kriterium 2 und 3.