Wie erfolgreich war das Verfahren zum Bürgerhaushalt?
Eine Analyse anhand eines Kriterienkatalogs
Heute
Kriterium 13 (von 14) Effizienz
Die Frage der Effizienz ist an zwei Punkten messbar: Zum einen ist es die mögliche Einsparsumme. Eine konkret eingesparte Summe ist dabei auf dem Portal Bürgerhaushalt nicht abrufbar, hier werden auch nach Beschluss über den Gesamthaushalt im Rat am 25. März 2011 immer noch die Zwischenergebnisse dokumentiert, dies zwar nach Teilhaushalten, aber eben nicht aktuell: https://www.buergerhaushalt.guetersloh.de/inhalt/erreichte-summen
Auch in den Protokollen der Gremien findet sich hier keine „Zahl“. Ebenso finden sich dazu keine Anhaltspunkte in den Haushaltsreden der Fraktionen sowie der Bürgermeisterin. Leider hat das wenig mit Transparenz und Messbarkeit oder Zielerreichung zu tun. Ein Defizit.
Andererseits spiegelt sich die Effizienz auch in der Quantität der nutzbaren Vorschläge:
Mit den einzelnen Vorschlägen ist sehr unterschiedlich verfahren worden. Von der Top-30-Liste der bestbewerteten Vorschlägen sind nur drei Vorschläge umgesetzt worden, zehn werden bereits praktiziert, heißt es in einer verwaltungsinternen Liste, die der Öffentlichkeit allerdings nicht zugänglich ist. Die übrigen Vorschläge wurden abgelehnt oder einer weiteren Prüfung unterzogen. Zusätzlich werden vier von sieben vorab auf der Plattform notierten Verwaltungsvorschlägen umgesetzt.
Positiv zu bewerten ist, dass nicht nur die Liste der Top-30-Vorschläge in die engere Betrachtung gelangt ist, sondern zudem noch weitere 78 Vorschläge, die die Fraktionen selbst aus dem Katalog der rd. 330 Vorschläge gefiltert haben; wobei die FDP und UWG dieser Stelle keine weiteren Vorschläge eingebracht haben. Kritisch aber auch hier: Von den 78 Vorschlägen werden sechs Vorschläge umgesetzt, 19 werden bereits praktiziert, die Hälfte wurde abgelehnt und weitere 19 sind auf dem Weg in weitere Prüfungsrunden. Unterm Strich bedeutet das, von 115 Vorschlägen (Bürger, Verwaltung, Politik) wurden 13 umgesetzt, 29 bereits praktiziert, 49 abgelehnt und der Rest geprüft.
Damit liegt der Anteil der umgesetzten Vorschläge bei 57 Prozent für die Verwaltung, bei 10 Prozent für die Bürgervorschläge aus der Top-30-Liste und rund 7,7 Prozent bei den Politikervorschlägen aus der Longlist der Bürgervorschläge. Das allein ist eine deutliche Aussage.
Pikant zudem: Betrachtet man die Anzahl der eingebrachten Vorschläge, die bereits praktiziert werden, also faktisch „umsonst“ eingebracht wurden, so ergeben sich 33,3 Prozent aus der Top-30-Liste. Aber auch aus den Reihen der Politiker selbst wurden Vorschläge nachnominiert, die bereits zu 24,39 Prozent umgesetzt werden. Dies bekommt eine besondere Note, wenn man bedenkt, dass große Teile der eher konservativen Beteiligungsgegner den Bürgern unterstellt haben, die Bürger hätten „keine Ahnung“. Dafür ist der Anteil der Politikernennungen für Vorschläge, die bereits praktiziert werden, deutlich zu hoch. Die Folgerung liegt nahe, auch die Politik sei bisweilen überfordert und nicht auf dem Laufenden.
Note: befriedigend
Kriterium 14 (von 14) Zufriedenheit
Die Anzahl der Vorschläge, die nach dem Bürgerhaushaltsverfahren realisiert werden, ist wie gezeigt eher niedrig. Hinzu kommt, dass es bisher wenig transparent war, wie inhaltlich mit den einzelnen Vorschlägen verfahren wurde. In der Praxis werden die Vorschläge also zunächst nach zwei Kriterien geprüft: ist die Kommune überhaupt für den Vorschlag zuständig und kann man diesen Vorschlag im Rahmen des Budgets umsetzen? Einerseits steht damit die Stadtverwaltung in der Funktion eines „Torwartes“ und wehrt die „Bälle“ ab, die jenseits der Entscheidungskompetenz der Kommune liegen. Andererseits kann die Verwaltung Vorschläge „abbügeln“, die etwa das Finanzbudget der jeweiligen Fachbereiche sprengen würde. So gesehen etwa bei dem Bürgervorschlag des kostenlosen Mittagessens für alle Kinder der Stadt. Dass derartige Forderungen real nicht umsetzbar scheinen, wird damit seitens der Verwaltung gesteuert. Die politischen Vertreter sind an der Stelle aus der Verantwortung gerückt. Dass in diesen Vorschlägen allerdings politische Aussagen der Bürgerschaft stecken, fällt oft aus der Betrachtung heraus. Wichtig ist dies vor dem Hintergrund, dass nicht nur Sparvorschläge eingebracht werden konnten, sondern auch Meinungsbilder eingefangen wurden. Diese Praxis des formalistischen Wegtauchens erzeugt auf lange Sicht Frustration in der Bürgerschaft, denn offensichtlich handelt es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Anregung, die zumindest politisch diskutierbar sein sollte. Wenn sie kostenbedingt ggf. real nicht umsetzbar ist, so zeigt sich zumindest eine Position innerhalb der Bürgerschaft zu einem Thema. Die Bürgerschaft wird allerdings wenig ernst genommen, wenn sie auf die Position eines Bittstellers reduziert ist, der vor der Rathaustür mit vagen Formulierungen vertröstet wird.
Gleichzeitig sinkt die Zufriedenheit innerhalb der Bürgerschaft, wenn unterbreitete Vorschläge in der Kategorie „das machen wir schon“ eingestuft werden – aber in Folge nicht wirklich transparent ist, auf welche Weise etwas „schon gehandhabt“ wird. Offensichtlich sind diese Vorgehen in der Öffentlichkeit nicht transparent genug. Am Ende bleibt das Gefühl, mit den Bürgeranliegen abgebügelt zu werden. Ein fatales Ergebnis am Ende eines Beteiligungsverfahrens. Es gilt hier besonders intensiv nachzubessern. Hier sind vor allem die politischen Vertreter gefordert, die auf ihren Anspruch als legitim gewählte Volksvertreter pochen, diese Rolle aber nicht in letzter Konsequenz ausfüllen. Mit mehr Transparenz in der Entscheidung können sie damit dem Eindruck entgegenwirken, sie überließen Entscheidungen der Verwaltung und Politik „kümmere sich nicht“. Ein Eindruck, der dem Parteienverdruss Vorschub leistet und die Akzeptanz in der Bevölkerung nachhaltig schmälert.
Note: ausreichend
Rahmenbedingungen gut, Umsetzung defizitär
Unterm Strich steht eine Durchschnittsnote von 2,7: Festzuhalten gilt, dass die Faktoren wie Ressourcen und Kosten, Innovation und Professionalisierung, Nutzerfreundlichkeit, Qualität der Beiträge und Anschlussfähigkeit viele positive Aspekte gezeigt haben. Dies deutet darauf hin, dass die grundlegenden technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen passgenau gestaltet waren und die Systematik in der Lage ist, einen solch großen Prozess hin zur Steuerung von Impulsen grundsätzlich kanalisieren kann.
Die Faktoren wie Mobilisierung, Repräsentativität, Demokratieeinstellung, Nachhaltigkeit und Effizienz zeigen dagegen deutliches Potenzial zur Verbesserung – und deuten darauf hin, dass die eingespeisten Inhalte ihr Ziel, nämlich Gehör zu finden, durchaus erreicht haben, dass aber auch ein Bürgerhaushalt Zeit für nachhaltige Veränderung braucht und ohne strategische Ausrichtung nicht voll leistungsfähig ist.
Die Faktoren wie Transparenz, Verbindlichkeit, Repräsentativität und Akzeptanz, Zufriedenheit sprechen in hohem Maße Defizite der „Politikvermittlung“ an, die es deutlich zu verbessern gilt, soll der Wunsch nach mehr Beteiligung nicht ein eilig gesprochenes Lippenbekenntnis in schlechten Zeiten bleiben.
Fazit: Ohne klare Ziele am Anfang, wird es am Ende parteipolitisch
Am Ende bleibt festzuhalten, dass es beim ersten Durchlauf zum Bürgerhaushalt keine klare einheitliche Zielformulierung gab, sondern unterschiedliche Erwartungshaltungen, die an keiner Stelle als realer Zielkatalog transparent formuliert wurden. Bereits im Vorfeld des Verfahrens zum Bürgerhaushalt hätte es klare Spielregeln für die anschließende Bewertung geben müssen, die jedoch politisch nicht diskutiert worden sind, sondern eher schweigend je nach parteipolitischem Gusto der Fraktion „angenommen“ wurden. Auf einen solchen Kriterienkatalog aber müssen sich alle Kommunalpolitiker einigen, um eine abschließende Bewertung messbarer zu machen. Kriterien und deren Auslegung im Nachhinein zu artikulieren, ist verfänglich, da nunmehr alles politische Auslegungssache ist. Diese Aufgabe hat die Mehrheit der Politik nicht wahrgenommen, sondern sie hat sich auf das formale Vorbereiten des Bürgerhaushaltes als Prozess der Verwaltung verlassen. Während die Bereitstellung der Online-Plattform sowie die Begleitung des Gesamtprozesses zusehends in den Händen der Verwaltung lag, die ihre Aufgabe mit Bravour erledigt hat, bleibt die Frage der Fortsetzung des Bürgerhaushaltes nun allein in den Händen der Politik, die interessengesteuert damit verfahren kann. Am Ende ist und bleibt es eine politische Willensbekundung, ob Beteiligung erwünscht ist oder nicht. Das jedenfalls ist eine nicht delegierbare Kernaufgabe der gewählten Volksvertreter. Sie müssen jetzt deutlich Flagge zeigen, ob ihnen das Verfahren „Bürgerhaushalt“ lediglich ein ordnungspolitisches Instrument war, um den Zustand des der „Ruhe nach dem Sturm“ wiederzuerlangen oder ob sie ihre Angst vor unberechenbaren Interessen überwinden können und sich auch zukünftig auf das Wagnis „Bürgerhaushalt“ verbindlicher einlassen können. Eine Entscheidung gegen eine Fortsetzung muss durch die Gewählten erklärt werden. Drückt sich die Politik vor dieser Aussage, dann ist die Gefahr groß und naheliegend, dass der Bürgerhaushaltes jetzt durch die möglicherweise einsetzende Überfrachtung mit künftigen Regeln somit über Umwege ausgebremst wird.