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Montag, 31. Januar 2011

Anpassung oder Mündigkeit - Negt in Uni Bielefeld

Am Dienstag, dem 01.02.2011, hält Prof. Dr. Oskar Negt einen Gastvortrag an der Universität Bielefeld, mit dem Thema „Anpassung oder Mündigkeit? Über die Bedeutung in der Schule heute“.


Prof. Dr. Negt, emeritiert von der Universität Hannover, ist ein deutscher Sozialphilosoph und führender Vertreter der kritischen Theorie. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hat Herr Negt sich auch durchgehend mit der aktuellen Politik beschäftigt und Stellung bezogen, so z.B. als Wortführer der Außerparlamentarischen Opposition und des Offenbacher Sozialistischen Büros. Wichtige Erkenntnisse von Oskar Negt, für die Bildung, sind dabei seine entwickelten gesellschaftlichen Schlüsselqualifikationen, welche sich dann durch Kompetenzen im Leben zeigen. Seine Schlüsselqualifikationen sind: Identitäts-, ökologische, technologische, Gerechtigkeits- und die Ökonomische Kompetenz. Der Vortrag verspricht anhand der Person und anhand des Themas einen sehr interessanten Einblick über die Bedeutung der vermittelten Rolle in der heutigen Schule aufzuzeigen. Gleichzeitig bildet der Vortrag den Abschluss der Ringvorlesung.


Der Vortrag findet im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung „Ungleichheit in der Gesellschaft und Ungleichheit in der Schule“ statt, die die Erziehungswissenschafter Prof. Dr. Eiko Jürgens und Prof. Dr. Susanne Miller organisiert haben. Das gesamte Programm ist abzurufen unter: http://www.uni-bielefeld.de/erziehungswissenschaft/ag5/dokumente/Ringvorlesung.pdf .
Zu der Veranstaltung sind neben Studierende aller Fakultäten auch alle bildungspolitisch interessierten Bürgerinnen und Bürger der Region eingeladen. Der Vortrag findet im Hörsaal 1 der Universität Bielefeld von 14:00 bis 16:00Uhr.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Bürgerhaushalt leicht erklärt....




Dr. Oliver Märker (Der elektronische Macher des Bürgerhaushaltes in GT) zum Verfahren Bürgerhaushalt:
Was, warum, wieso? E-Democracy.

Hier zwar aus der Sicht der Kölner, aber gleiches gilt für Gütersloh. Der Trend zur Mitbestimmung macht nämlich nicht vor den Toren der Stadt halt.

Montag, 24. Januar 2011

Mitreden - Mitgestalten.....

                                                                                               Foto: J. Zimmermann

Bürgerhaushalt 2011 "Mitreden - Mitgestalten"  - ist das am Ende Ergebnis und Botschaft der Politik?

Sonntag, 23. Januar 2011

Starke Bürger und Folgen für Staatlichkeit


Hier ein Video von Peter Kruse am 5. Juli 2010 in der Enquete Netzpolitik: Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegungen 

Offensichtlich scheint das Thema "Soziale Netzwerke" und Internet doch ein größeres Konfliktpotenzial zu haben, als ich mir das vorgestellt habe. Der Blog "Krieg zwischen Zeitungen und Web 2.0" hat eine Menge Resonanz ausgelöst. Aber nicht nur hier ist das ein Thema, sondern diese Verschiebung scheint auch ein Thema in vielen anderen Kommunen zu sein.

Peter Kruse erläutert diese Verschiebung wie kaum jemand Anderes in aller Kürze und bringt die großen Fragen auf einen Punkt. "Macht" sitzt beim Nachfrager und nicht beim Anbieter.   Diese Systeme werden eine solche Dynamik entfalten, dass wir uns dieser neuer Bewegung nicht verschließen können. Wenn das Internet als ein Versprechen auf permanente Beteiligung der Bürger nicht ernst genommen wird, wird sich das in Frust ausdrücken. Nicht in Frust auf "die Politik", sondern in Frust auf "die Politiker". Und eine Politik ohne Vertrauen durch den Souverän war selten erfolgreich...

Aber das Video ist selbstredend.

Und: Auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat das Thema aufgegriffen und eigens ein Seminar für Lokalmedien angeboten. 

Modellseminar I: Stuttgart 21 ist überall. Das Aufbegehren der BürgerInnen als Chance für den Lokaljournalismus. Die Politik vor Ort verändert sich - und mit ihr die Berichterstattung. Eine aktive Bürgerschaft mischt sich ein und nutzt im Netz die Möglichkeit der eigenen Kommentierung. Beteiligung ist angesagt. Und darauf müssen Lokaljournalisten reagieren, wollen sie nicht ihren gesellschaftlichen Auftrag verlieren. Wie kann es die Presse schaffen, diese Themen frühzeitig zu erkennen und zur Debatte anzuregen? Können sie noch Mittler zwischen Bürgerschaft und Politik sein? Mehr dazu im Veranstaltungskalender auf Seite 83ff.

Das Netz und damit auch das Format des online-Bürgerhaushaltes hat weitreichende Folgen für eine starke oder erstarkende Bürgerschaft - und damit auch Folgen für das neue Verständnis von Staatlichkeit - und Beteiligung. 


Freitag, 21. Januar 2011

Katalog der Veränderungen: Bürgerhaushalt - nächste Runde

Am kommenden Montag tagt das Begleitgremium zum Bürgerhaushalt Gütersloh mit unterschiedlichen Repräsentativvertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Eine erste Rückschau wird auch hier erwartet:

Katalog der Veränderungen für einen weiteren ‚Bürgerhaushalt’ –
hier Vorschlag der Bürgerinitiative ‚Demokratie wagen’

Nach einem ersten Durchlauf des Bürgerhaushaltes Gütersloh 2011 „Mitreden –Mitgestalten“ zieht die Bürgerinitiative „Demokratie wagen“ ein erstes Resümee zur Handhabung der Internetplattform. Diese Vorschläge sind auf der Versammlung der BI am 11.1.2011 in der Weberei abgestimmt worden.

Folgende Vorschläge zur Verbesserung liegen vor:

Listung der Vorschläge
Es wäre wünschenswert, nicht haushaltsrelevante und zusammenfassbare Vorschläge aus der TOP 30 rauszufiltern
Begründung liegt in Punkt 2:
Da der Bürgerhaushalt nicht nur haushaltsrelevante Anregungen beinhaltet,
sondern auch zahlreiche politikrelevante Anregungen, sollten diese differenziert
werden nach haushaltsrelevant und nach politisch relevanten Anregungen.
Es muss von Anfang an transparent sein, wie das Ranking der Vorschläge zustande kommt.
Es sollte am Anfang geklärt werden, dass Verwaltungsvorschläge gedondert gewertet werden.
Nicht nur die Top-Ja und Top- Nein- Bewertungen sollten Eingang finden, sondern
auch die Vorschläge mit vielen Kommentaren.
> Warum sind die Vorschläge - B163 - B170 - B176 - B207 - B208 - B302
verschwunden?

Formalia und Durchführungspraxis:
Es sollen mehr Möglichkeiten Menschen ohne Computerkenntnisse Zugang zum Bürgerhaushalt zu geben- z.B. in den Ortsteilen, Altenheimen, Kirchengemeinden, ausländischen Vereinen. Dies könnten ehrenamtlich Tätige übernehmen! < keine Mehrkosten
Die im Rat der Stadt Gütersloh vertretenen Ratsmitglieder sowie die Sachkundigen
Bürgerinnen und Bürger sollten im Verfahren kenntlich sein, da sie die
Adressatengruppe sind.
Vorschlagstext und Begründung sollten getrennt werden

Verfahren / Sortierung:
Die Vorschläge sollen während des Verfahrens nach Oberthemen sortiert werden
(seitens der Verwaltung/Moderation)
Die Kommentierungen sollten strukturierter dargestellt werden, um sie lesbarer zu machen.
Die monetäre Bewertung sollte im Verfahren durch die Verwaltung konkretisiert
werden, da eine solche geldliche Bewertung oftmals schwerfällt.
Zudem sollen die Einsparmöglichkeiten pro Jahr ausgewiesen werden,
Bezugsgröße der Abschreibungsvolumina etc.
Die jeweiligen Vorschläge sollten am Ende gebündelt und analog der Fachbereiche
aufgelistet werden, so dass deutlich wird, welche Vorschläge/Anregungen in
welchem Fachausschuss zur Beratung anstehen = Kontrolle und Transparenz
> Weitere Vorschläge von Fraktionen (Vorschlag des Hauptausschusses) an Verwaltung sollten gekennzeichnet und separat aufgeführt werden (Transparenz).
> Verwaltung sollte deutlich mehr Positionen des Haushaltsentwurfes aus allen Fachbereichen in den Bürgerhaushalt einstellen.

Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlichkeitsarbeit sollte bereits in der Pre-Phase verbessert werden:
stärkeres Einbindung von: Integrationsrat, Schulen, JUPA, Schulleiterdienstbesprechungen,
Verteiler aufstellen, Schulelternrat, SV-Lehrer, SV, Beiratsmitglieder > Verteiler
< Multiplikatoren= Verbände, Organisationen, Vereine

Transparenzabbildung nach Voting:
Anschließend findet eine Bewertung seitens der Politik statt, die sich wiederum
im Netz ablichtet und so für alle Teilnehmer einsehbar ist.
> Abstimmung strittiger Entscheidungen ggf. durch einen Ratsbürgerentscheid an Bürger zurückgeben.

Willensbildung geht vom Volke aus...

Kommentar zu Anke Knopp (Vernichtende Kritik am Bürgerhaushalt.....)
von Dierk Bitter, Gütersloh

Ich kann Anke Knopp voll und ganz zustimmen. Sie trifft nach meiner Meinung mit ihrer Einschätzung den Nagel auf den Kopf. Demokratie in der Praxis ist eher ein schwieriges Geschäft.

Für das Staats- und Demokratieverständnis beschreibt der Kern des Grundgesetzes eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, in der offene und freie Willensbildung ein unverzichtbares Element darstellt. Diese Willensbildung geht vom Volke aus und sollte von der Bildung eines staatlichen Willens durch seine verfassten Organe unterschieden werden.

In der Kommune bedeutet ein solches Demokratieverständnis, dass der Stadtrat mit seinen Beschlüssen letztendlich in der Verantwortung bleibt; die Verwaltung schlägt vor, setzt um und kontrolliert die Einhaltung der gefassten Beschlüsse zum Gemeinwohl der Bevölkerung auch in Gütersloh. So weit, so gut?

Auch in Gütersloh bringen die Bürgerinnen und Bürger ihren politischen Willen regelmäßig durch ihre Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck. Das Recht der Menschen auf Teilhabe an der politischen Willensbildungen äußert sich jedoch nicht nur in Wahlen und Abstimmungen, sondern ebenso durch Einflussnahme auf gewählte Politikerinnen und Politiker sowie auf den ständigen Prozess der öffentlichen Meinung.

Hier kommen die politischen Parteien ins Spiel; sie wirken an der politischen Willensbildung mit. Dabei muss gewahrt bleiben, dass die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen verläuft und nicht umgekehrt. Schließlich werden die Staatsorgane erst durch die politische Willensbildung des Volkes hervorgebracht.

Soweit der Idealfall in einem demokratischen Staatsgebilde. Leider kommt es zu häufig vor, dass Menschen sich in Demokratien darauf beschränken, mit ihrer Stimmabgabe bei Wahlen, wenn denn überhaupt noch gewählt wird, mitzuwirken. Hier wird die politische Verantwortung dann jeweils für 4, 5 oder 6 Jahre delegiert, und wenn die Entscheidungen im Einzelfall nicht die jeweiligen Bedürfnisse erfüllen, dann - und meistens erst dann - ist die individuelle Kritik gelegentlich groß. Als Folge ist Beschimpfung von Politik und Verwaltung dann eine bevorzugte Reaktion.

In Gegensatz - oder besser in Ergänzung - dazu hat sich die Initiative ´Demokratie wagen` anders aufgestellt. Hier haben sich engagierte Frauen und Männer aus Gütersloh gefunden, die in regelmäßigen und öffentlichen Sitzungen Belange der Einwohnerinnen und Einwohner der Kreisstadt aufnehmen, diskutieren und Folgerungen artikulieren, die den Menschen in Gütersloh helfen. - Dabei helfen, ihre eigenen Interessen wahrnehmen zu können, indem ihre Belange und vielfältige Vorschläge über den Bürgerhaushalt an Politik und Verwaltung herangetragen werden. Gemeinsam mit Politik und Verwaltung ist es dieser Initiative gelungen, in einem grundsätzlich transparenten Prozess die Menschen möglichst umfassend in die politische Willensbildung in Gütersloh einzubeziehen. Das ist eine wünschenswerte Aktivität; davon könnten wir in Gütersloh und darüber hinaus mehr gebrauchen

Allein die Informationen, das Verstehen von vielfältigen, immer komplexeren Aufgabenstellungen in der Gemeinschaft, also auch in der Kommune, und die Erarbeitung ganz unterschiedlicher Lösungsansätze zur Bewältigung der zunehmenden Zukunftsaufgaben stellt einen Wert an sich dar.

Die Treffen der Initiative ´Demokratie wagen` finden in regelmäßigen und kurzen Abständen öffentlich in der Weberei in Gütersloh statt und werden auch in den Medien jeweils angekündigt. Interessierte sind zu diesen Sitzungen und per Kontaktaufnahme über das Netz meines Wissens jeweils sehr herzlich willkommen.

Verwaltung und Politik haben zudem einen Beirat geschaffen, in dem Vereine, Institutionen und Initiativen ebenso wie die Politik und die Verwaltung vertreten sind. In der Volkshochschule hat eine von der Stadtverwaltung angebotene und gut besuchte öffentliche Informationsveranstaltung zum Bürgerhaushalt stattgefunden. Dabei ist es den Veranstaltern nach meiner Meinung trefflich gelungen, den städtischen Haushaltsentwurf für die Anwesenden darzustellen und das Verfahren zur Bürgerbeteiligung umfassend zu erläutern. Wer wollte, der konnte unmittelbar nach Ende der Veranstaltung an den bereitgestellten Computern eigene Vorschläge eingeben, vorliegende Vorschläge bewerten oder auch das Verfahren ein bisschen üben.

Alle diese Angebote finden nicht – wie viele politische Entscheidungen - hinter den Kulissen, sondern auf offener Bühne mit reichhaltigen Chancen zur Partizipation für alle Interessierten statt.

Die Stadt Gütersloh hat sich mit dem Angebot eines Bürgerhaushalts auf einen auf Anregung der Initiative ´Demokratie wagen` gefundenen Weg begeben, der sich landesweit sehen lassen kann.
Natürlich handelt es sich bei diesem Instrument zur stärkeren Beteiligung der Einwohner und Einwohnerinnen nicht um ein einmaliges Ereignis. Es bedeutet vielmehr einen Prozess, der über Jahre eingeübt und immer wieder verbessert werden muss. Es ist an den Menschen, die Möglichkeiten zu Teilnahme und demokratischer Praxis immer wieder und regelmäßig wahrzunehmen.

Leider finden die durch den Bürgerhaushalt gebotenen Chancen keinen Widerhall in Teilen der örtlichen Presse. Im Gegenteil wird hier eher so getan, als handele es sich beim Bürgerhaushalt um eine unnötige Investition und um Kraft- und Zeitverschwendung für die mit diesem Prozess befassten und beschäftigten Verwaltungsmitarbeiter. Das könnte in der Tat auch mit dem befürchteten Verlust der Lufthoheit der Printmedien über die veröffentlichte Meinung zu tun haben.

Also werden relativierende Aussagen zum Bürgerhaushalt von bestimmter nicht wirklich interessierter Politikseite teilweise durch Kommentare verstärkt; der Politik wird sogar suggeriert, den im Verfahren bekundeten Bürgerwillen eher zu ignorieren.
Diese Art der Meinungsmache hat ganz sicher damit zu tun, dass der schreibenden Zunft und ihren Chefs die Leserinnen und Leser weglaufen, auch durch die vermehrte Nutzung des Internets.

Als wesentliche Chance in diesem Wettbewerb um Auflagenhöhe und Anzeigengeschäft wird stattdessen bei den Printmedien eine verstärkte Berücksichtigung des Boulevard gesehen. Auch so kann man dem ´Volk aufs Maul schauen`.
Hier scheint ein entlaufener Hund durch entsprechende wiederholte Berichterstattung über mehrere Tage und auf verschiedenen Seiten einer Ausgabe ebenso wie andere Stories und Sensatiönchen, die die Leserinnen und Leser vermeintlich stark interessieren, der Schlüssel für eine Quotenstabilisierung im Wettbewerb um Auflagen zu liegen. Vielleicht ist es ungerecht und betriebswirtschaftlich unangemessen, dieses zu kritisieren. Natürlich muss auch diese Seite in den Informationen und Kommentaren eine Rolle spielen. Sicher muss jeder Zeitungsleser damit leben, wenn der Pluralismus der Berichterstattung in weiten Grenzen stattfindet. Das ist wohl sogar notwendig. Es bleibt jedoch die Frage, welcher Inhalt welchen Stellenwert und bei welcher Intention enthält.

Jedenfalls darf nach meiner Meinung eine solche Schwerpunktsetzung im Journalismus auch in den Lokalmedien nicht dazu führen, dass die Anliegen und die Arbeit der vielen Interessierten am Gelingen des Gemeinwohls in der Kommune durch die Berichterstattung oder durch Kommentare in den Hintergrund geraten, - als unwichtig abgetan werden. oder auch nur unbeobachtet den Bach runtergehen. Und erst recht dürfen deutlich mehr als 1500 Nutzer des Bürgerhaushalts nicht kleiner geschrieben werden, als es ihr Einsatz mit Hunderten von Vorschlägen und Tausenden an Bewertungen verdient. Jedenfalls nicht, solange nicht einmal ein Prozent dieser Art der Beteiligung am kommunalen Leben in der Regel im Rathaus, im Rat und in den Ausschüssen zu beobachten sind.

Dienstag, 18. Januar 2011

Reden ist Gold

Gestern nun war die erste Beratung zum Bürgerhaushalt im Hauptausschuss der Stadt. Alle Fraktionen hatten Raum, sich zum ersten Mal im politischen Beisammensein zu äußern.

Das Resümee fiel naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Ich fasse ganz kurz die wichtigsten Punkte in der Reihenfolge der Wortmeldungen zusammen:

Die FDP fand das Verfahren einen Versuch wert, die Kritik aber überwiege und die FDP kündigte bereits an, einer zweiten Runde nicht zuzustimmen. Es wäre besser gewesen, statt dieser Plattform einen Meckerkasten für Bürger aufzustellen. Besonders kritikwürdig sah es der Fraktionsvorsitzende, das nicht nachvollziehbar sei, wer von Extern sich eingeloggt habe, kaum junge Leute mitgemacht hätten und dass sehr viele Mehrfachanmeldungen zu verzeichnen seine; einige Verursacher säßen ja heute auf der Besucherempore, ließ er den Ausschuss und die Zuhörer wissen. (Da oben saßen Interessierte und Mitglieder der Initiative). Nun stellt sich nach wie vor die Frage, woher er das wissen will, denn die Befragung war anonym und Zebralog (und auch die Stadt) haben keine Daten über die User zur Verfügung gestellt. Dem "Feind" Bürgerinitiative allerdings zu unterstellen, sie habe selbst Schindluder mit dem System getrieben - na danke.  (Vielleicht darf man erwähnen, dass der Fraktionsvorsitzende sich als Externer in anderen Bürgerhaushalten beteiligt hat, wie er sagte.) Bei solch einem Bild hilft auch eine weiterführende sachliche Diskussion wenig.

Die Grünen stufen das Verfahren als richtig und wichtig ein. Bürger sollten mehr mitbestimmen können - allerdings hatte man sich noch eine größere Beteiligung gewünscht. Es folgte konstruktive Kritik, wie etwa, dass die Vorschläge künftig nicht mehr anonym abzugeben sein sollen, die Übersichtlichkeit der Darstellungen der Vorschläge verbessert werden müsse, die Praxis der monetären Bewertung durch die Verwaltung solle verbessert werden. Am Ende stand der Vorschlag für eine 2. Runde in zwei Phasen: Sammeln, dann aufbereiten seitens der Verwaltung und anschließend die Bewertungsphase. Die Beteiligung mit 1,7 Prozent wurde als sehr gut eingestuft, insgesamt sei es illusorisch, dass Beteiligung jemals bei 100 Prozent liegen würde. (Doch, vielleicht in einem diktatorischen Staat). Der Bürgerhaushalt sei ein guter Beitrag zu einer politischen Kultur der Stadt. Das Instrument gelte es weiter auszubauen und weiterzuentwickeln.

Die BfGT lenkte den Blick auf die Entstehungsgeschichte des Bürgerhaushaltes und nannte als Ursprung die Bürgerinitative. Zudem folgte auch hier konstruktive Kritik: Es sei richtig gewesen, die Anonymität der Vorschläge zu gewährleisten, der Hauptausschuss habe das ja auch vorher eingehend diskutiert und dann darüber abgestimmt. In der 2. Rund könne das allerdings unter Nennung der Namen geschehen. Auch hier war die Erwartungshaltung an die Beteiligung größer. Zudem sollen nach Angaben der BfGT auch die Vorschläge aufgegriffen werden, die vielleicht nur eine Stimme bekommen hätten, die Liste der Top 30 sei nicht zwangsläufig auch Leitlinie der politischen Diskussion.

Die Position der CDU ist ja bereits hinreichend formuliert worden (siehe vorherige Blogs). Der Einstieg in den Bürgerhaushalt sei nicht optimal gelaufen, die CDU habe das bereits auf ihrer Klausurtagung formuliert. Dennoch gedenke die CDU die Vorschläge der Bürgerschaft sehr ernst zu nehmen, die CDU stehe zu ihrer Aussage. "Warum man uns das jetzt nicht abnimmt, verstehe er nicht.", kolportierte der Fraktionsvorsitzende. Es gelte nun, die Liste zu durchforsten und die Vorschläge in die Fachausschüsse zu delegieren.

Die SPD betonte den experimentellen Charakter (und damit die Ausbaufähigkeit) der ersten Runde Bürgerhaushalt - und hält an dem Willen zu einer zweiten Runde fest. Das Argument, hier hätten sich lobbyistisch arbeitende Interessengruppen formiert, wurde entkräftet, dass das durchaus Sinn mache, denn auf der Online-Plattform würde das als Bürgerwille erkennbar. Zudem sei es gelungen, den Bürgern mit diesem Verfahren deutlich zu machen, in welchem Spannungsverhältnis Politik entscheide und vor allem unter welchen Zwängen. Das Verständnis der Bürger für Probleme in der kommunalpolitischen Handlung sei gestiegen. Der Bürgerhaushalt sei nun weiterzuentwickeln, der Ansatz dazu: Mehr Menschen einarbeiten und den Prozess gleichzeitig weiterentwickeln. 

Nun sind wir in Gütersloh an dem Punkt, an dem das Lernen anfängt. 

Deutlich ist, dass die politischen Parteien im letzten Jahr mit relativ offenen Ohren auf die Wählerschaft (Bürgerschaft) eingegangen sind. War ja auch klar Wahlzeit in NRW. Nun sind die fünf Jahre Ratsperiode angebrochen - und es gilt, diese Zeit nicht als Vakuum zu verstehen, in der die Bürger nicht zu beteiligen sind. Sondern diese Zwischenzeit bis zu den nächsten Wahlen gilt es zu nutzen: Zum Lernen von Beteiligung und vom Aufeinanderzugehen. Das neue Verständnis der Bürger zur Mitwirkung sollte konstruktiv abgeholt werden.

Bürgerbeteiligung muss gelernt werden. Sowohl auf Seiten von Politik und Verwaltung, als auch vom Bürger selbst. Das sagte Robert Hotstegs, Landesvorstand von Mehr Demokratie, am 28. Dezember in der WDR3-Sendung "Resonanzen". Ein sehr informativer Beitrag, der darauf abhebt, dass sich direkte und repräsentative Demokratie nicht befehden, sondern ergänzen können. Das muss kein goldener Mittelweg sein, denn Demokratie ist immer und jeden Tag wieder aufs Neue eine Verhandlungssache.

Nur wer nicht verhandelt, handelt wenig demokratisch. Und die Grundlage von Verhandlungen ist Kommunikation. Diese kann nur jetzt einsetzen: Bürger, Politik und Verwaltung müssen nach dem Verfahren zum Bürgerhaushalt ins Gespräch kommen. Argumente austauschen, Antworten auf Fragen geben, Konzepte und Handlungen deutlich machen. Warum und wieso wird nun wie entschieden? Weil nur so Bewegung entsteht, die die Stadt in ihren Belangen weiterbringt. Herrscht ab nun Schweigen über die Vorschläge, ist die Beteiligungslust der Gütersloher mit Sicherheit auf lange Sicht beerdigt.

Und das, wo seit heute vielleicht ganz schnell auch Neuwahlen auf dem Programm des Landes NRW stehen können. Die Landesregierung ist druch das Veto zum Landeshaushalt gestoppt worden. Wahrscheinlich hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte (vielleicht doch mehr Schulden als durch den Geldsegen aus Düsseldorf gedacht??) und auch auf die politische Rückwirkung auf die Kommunen. Und was für Protestpotenzial vorhanden ist, wenn die Kassen leer sind und die Bürger vergrätzt, das dürfen wir uns zur Zeit (ein Segen) allerorten ansehen.
Miteinander Reden ist daher auch in Fragen des Bürgerhaushaltes sicher eher Gold als Silber.

Samstag, 15. Januar 2011

Vernichtende Kritik an Bürgerhaushalt - oder Krieg "Zeitung gegen Web 2.0"?

 Ein "Schuss in den Ofen" sei der Bürgerhaushalt kommentiert heute Rainer Holzkampf von der NW. Und er führt auch Gründe auf, warum das für ihn so ist.
 
Hier ein kurzes Resümee seiner Sicht (für die vielen Nicht-NW-Leser):
 - Mit großem Tam-Tam sei für den Bürgerhaushhalt  geworben worden. Am Ende standen für ihn magere 1,7 Prozent der Beteiligung, die sich nochmals auf eine "unterirdische Quote" schmälere, wenn man alle Doppelanmeldungen, Gefälligkeitsunterstützer und Inkognito-Politiker abziehe.

- Der Kämmerin Christine Lang beschreibnigt er eine gewisse Zahnlosigkeit bei sonst doch so scharfen analytischen Verstand.

- Die 70.000 Euro für den Bürgerhaushalt seien in Zeiten leerer Kassen verschwendet und brächten nichts Neues, in den Folgejahren würde das wahrscheinlich auch viel Geld kosten.

- Das Internet sei nicht geeignet, alle Bürger in den gleichnamigen Haushalt mit einzubeziehen. Im Gegenteil, ganze Bevölkerungsschichten seien a priori ausgeschlossen, weil sie nicht können oder aus Datengründen nicht wollen. Es solle daher bei zukünftigen Versuchen eine echte Anlaufstelle für Voten und Vorschläge geben - persönlich /händisch im Bürgerbüro.

- Es sei nun nicht angemessen und zu erwarten, dass sich die Politik im Hauptauschuss am Montag von einer kleinen Minderheit das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lasse. 

- Um Demokratie zu wagen, brauche es schon mehr Courage, schließt er.

Wau. 

Ich nehme seine Argumente aufmerksam auf. Rainer Holzkamp ist als ein fundiert recherchie-render, ernsthafter und informierter Journalist bekannt - und wird ausdrücklich von mir geschätzt. Um hier Missverständnissen vorzubeugen.

Mich beschleicht aber doch folgender Verdacht: Liegt der Kritik nicht vielleicht ein ganz anderer Konflikt zugrunde? Etwa der von altmedial berichtender Zeitung gegenüber dem Web 2.0 und seinen modernen Formen der Kommunikation - an der Zeitungen und Redaktionen eben nicht mehr den Anteil und auch die Einflussnahme haben, wie sie das bisher gewohnt waren?

Wie sah denn bisher die Alternative aus? Beteiligung braucht Information. Und Information entsteht durch Öffentlichkeit. Und das Herstellen von Öffentlichkeit war und ist immer eine Aufgabe der Printmedien gewesen. Die NW nun berichtet schon seit längerem nicht mehr ausführlich oder regelmäßig aus den kommunalpolitischen Ausschüssen oder aus dem Rat. Manchmal wartet man sogar ganz vergeblich auf eine Berichterstattung. Die NW behält sich vor, was sie bringen will und aus Zeit- und Personalgründen bringen kann. Zudem gibt es hausinterne Äußerungen, man sei mehr zur Boulevardisierung übergegangen, weil die Bürger das eher lesen würden als politische Berichterstattung - die nur einen verschwindenden Prozentsatz an Bürgerschaft interessiere. Über die Haushaltsberatungen im Rat hatte die NW im letzten Jahr nur sehr spärlich berichtet. Einen fundierten Bericht über die jeweiligen Positionen der Fraktionen vermisste man ganz.

Demokratie aber lebt vom Austausch der Meinungen und Positionen. Nun hat sich in den letzten Jahren sehr deutlich das Internet einen großen Anteil an Information und Kommunikation errungen. Die Bürgerbewegungen etwa wie Stuttgart 21, die erstarkte Anti-AKW-Bewegung, der Protest der Münsterländer gegen die Erdgasbohrung von Exxon etc. -  alle diese Aktionen wären ohne das Internet nicht in der großen Wirkung möglich gewesen. Auch ein Blick ins Ausland verrät, dass gerade die Online-Medien in politisch prekären Zeiten die einzigen Quellen waren und sind, die überhaupt über die Geschehnisse im Land informieren. Sie stammen direkt aus den Handys und Kameras des Volkes - und sind nicht nur im Netz zu finden, sondern werden auch in den etablierten Medien übernommen.

Bisher mussten also demokratische Alternativen nicht nur durch das Nadelöhr der Politik, wo viele Anregungen im System der Parteien verschwunden sind, sondern auch noch durch die Hände der Zeitungsmacher, die entschieden, was berichtet wird und was nicht. Die Medien seien die vierte Macht im Staate, heißt es gemeinhin. 

Nun aber ist das Web 2.0 ganz enorm präsent hinzugekommen: Ein schier unbegrenzter Pool für Informationen und Kommunikation. Viel schneller und viel nachhaltiger als Zeitungen es sein können. Natürlich muss man das Netz nicht glorifizieren, auch hier gibt es Tücken und nicht alles ist demokratisch wertvoll. Eines aber ist deutlich: Die Bürgerschaft hat sich dieses neue Medium zu Eigen gemacht und damit ein Sprachrohr für sich gefunden, welches unabhängig ist von Politikern und Redakteuren. 

Auch der Bürgerhaushalt im Onlineverfahren hat diesen Vorteil genutzt und gezeigt: Die Teilnahme war für alle potenziell möglich (übrigens auch durch den Gang zum Bürgerbüro, aber es sind auf diese Art nur rd. 10 Vorschläge eingegangen). Der Prozess ist für alle nachvollziehbar, die Vorschläge sind allesamt dokumentiert, abrufbar und lesbar, die Kommentare sind es ebenfalls, die Wertungen genauso. Wie anders hätte ein solch breiter Prozess moderiert und transparent dargestellt werden sollen? In keiner Versammlung und in keinem anderen Format hätte das gelingen können. Auch nicht in der Zeitung. Die dann hätte werten, clustern und verknappen müssen - auf jeden Fall ein weniger transparenter Prozess.

Kein Grund nun für die Printmedien, ggf. beleidigt zu sein und den Bürgerhaushalt abzuwatschen. Im Gegenteil. Die Printmedien sind immer auch willkommene Begleitung und Kommentierung für ein solches Verfahren. Aber eben in einer anderen Rolle als bisher. Sie haben nicht mehr die alleinige Deutungshoheit.
Vielleicht liegt es daran, dass die Auflage im Druckbereich weiter fällt, die Klickzahlen im Netz aber steigen - und somit das Web 2.0 zur Bedrohung auch für Lokalredaktionen wird. (Obwohl viele Blogger oder Internetnutzer Links zu Artikeln setzen, die sie in Printform zuerst gelesen haben.) Die Angst vor dem Abgehängtwerden ist also greifbar: Schaut man auf die Informationsgewinnung der nachrückenden Generation ist deutlich, dass diese wohl zukünftig noch selbstbestimmter/individueller und noch elektronischer stattfinden wird. Ein Trend wird sich also fortsetzen. 
Diese unterschwellige Kritik am Web 2.0 aber auf dem Rücken eines Bürgerhaushaltes auszutragen, ist schade. Zumal am Ende überhaupt keine Alternative präsentiert wird. - Ja, gut, der Gang ins Bürgerbüro. - Wir reden aber doch von einer Fortschreibung der Demokratie und die Einordnung einer immer komplexer werdenden Gesellschaft und Welt - von Globalisierung mal ganz zu schweigen.

Da muss man nun wirklich der Kämmerin Recht geben: Sie hat offensichtlich verstanden, was die Moderne mitsichbringt - und sie zeigt sich aufgeschlossen. Das allein sichert ihr und dem Verfahren des Bürgerhaushaltes in Zukunft noch mehr Bekanntheit über Gütersloher Grenzen hinaus. Sie hatte eben die Courage, 70.000 Euro in die Hand zu nehmen und neues Terrain auszuprobieren. Hut ab, Frau Lang, (die ich übrigens auch als streitbar und "schwer bewaffnet" zu würdigen gelernt habe.) Ihr ist sicher bewusst, dass die Summe von rund 165 Tausend Euro für die externe Beratung zur Konsolidierung nach intransparenter Manier, weniger gut investiert war. Denn danach gab es lediglich massive Proteste mit Trillerpfeifen auf der Straße, aber keinen Dialog über Veränderungen. (Übrigens haben die Bürger den Vorschlag, keine weiteren Gutachten zu vergeben, sondern lieber selbst Entscheidungen zu fällen, im Bürgerhaushalt auf die vorderen Plätze gevotet!)

Der Bürgerhaushalt war ein erster Gehversuch, neue Formen der Beteiligung auszuprobieren. Klar steckt das System noch in den Kinderschuhen. Aber ein Versuch und der politische Wille zu mehr moderner Beteiligung kann nicht grundsätzlich schlecht sein - immerhin hatte sich auch die Politik dazu mehrheitlich entschieden. Wenn dem Versuch allerdings das gnadenlose Abbügeln in der größten Gütersloher Lokalzeitung sowie durch die konservative Politik, die lieber an alten Pfaden festhält, weil dann das Geschäft der Entscheidungsfindung "einfacher" und vor allem gewohnter ist, entgegensteht, so ist das sicher kein Weg, der nun gerade ein Mehr an Courage für Demokratie gezeigt hätte. 

Ein Schuss in den Ofen also? Für mich nicht. Ruß an den Händen derer, die gezielt haben, ist allemal besser, als die vermeintlich weiße Weste derer, die sich hinter Nichtstun und "wir-machen-das-alleine" verstecken.













Freitag, 14. Januar 2011

Statt #S21 und Castor zukünftig Political Leadership (Governance) 2.0?

Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann, siehe auch: Blog - Globaler Wandel

 Zur aktuellen Diskussion um Onlineverfahren als Demokratietransportmittel in der Stadt Gütersloh darf ich freundlicherweise folgenden Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann posten. Der Inhalt passt ganz besonders zur Replik der CDU-Fraktion zum Bürgerhaushalt:
In vielen (insbesondere IT-) Unternehmen spielen sich zur Zeit in Folge internetgestützter neuer Informations- und Kommunikationskanäle Veränderungen in den tradierten Steuerungsprozessen ab bzw. deuten sich an, die einen innovativen Eindruck davon vermitteln, wohin sich politische Steuerung in Zukunft entwickeln könnte. Sowohl große Unternehmen als auch die Parteien sehen sich mit dem Internet einer Kommunikationsplattform gegenüber, die ihr eigenes Selbstverständnis zunehmend in Frage stellt. Kurz gefasst geht es dabei im Außenverhältnis um die Verlagerung von Interpretationshoheit und Steuerungskompetenz vom Anbieter zum Nachfrager von Dienstleistungen und Produkten. Im Binnenverhältnis versagen Intransparenz als impliziter Bestandteil pyramidialer Prozesssteuerung und formale Zuständigkeiten zunehmend als bisherige Instrumente der internen Steuerung großer Institutionen (eine umfassendere Aufzählung der Veränderungen findet sich u.a. in der aktuellen Studie meiner Kollegin Tina Dörffer).

Ausgehend von den wichtigsten Begrifflichkeiten eines Leadership 2.0-Systems in großen Unternehmen wären für die Politik und die Parteien vor dem Hintergrund der Erfahrungen in 2010 mit #S21 und den Castor-Transporten folgende Änderungen vielleicht eine Überlegung wert:

a) Parteien geben ihren Anspruch der Interpretationshoheit von politischen Sachverhalten gegenüber dem Bürger bzw. den Parteimitgliedern auf. Zunehmende Informationsvielfalt (oder genauer: Vielfalt der Perspektiven) relativiert die parteibezogene Interpretation eines Sachverhaltes. Es war dem Bürger bspw. kaum zu vermitteln, dass das Gesetz zum Schutz der Nichtraucher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt und von den Parteien in wechselnden Konstellationen befürwortet oder abgelehnt wurde. Nichtraucherschutz hat keine Parteifarbe. Der Versuch der politischen Akteure, die föderale Vielfalt in dieser Frage sachlich zu rechtfertigen, war am Ende sogar kontraproduktiv.

b) Parteien leben zukünftig Transparenz vor. Das vom SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach der letzten Bundestagswahl in die Diskussion eingebrachte Strategiepapier wie auch das jetzt aktuell vom wirtschaftspolitischen Experten der SPD-Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, vorgebrachte Positionspapier sind in ihren Ursprüngen leider nicht zurück zu verfolgen und damit in der Intention nicht nachvollziehbar. (Dieselbe Problematik offenbart sich natürlich auch bei internen Papieren aller anderen Parteien) Und: Nicht nur die Parteimitglieder wünschen sich letztlich mehr Transparenz über das Zustandekommen von Entscheidungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen.

c) Offenheit im politischen Prozess ist keine Schwäche sondern eine Stärke. Offenheit bringt die Einbeziehung vieler Meinungen und Ideen mit sich. Wer offen und transparent handelt zeigt, dass er konsistent handelt. Nur Inkonsistenz fürchtet die Offenheit von institutionellen Prozessen.

d) Parteien müssen erkennen, dass sich die traditionellen Partei-Cleavages zu einem großen Teil überlebt haben. S21 und die Castorproteste führen wertkonservative CDU-Wähler und wirtschaftskritische Protestbewegungen zusammen, da Nachhaltigkeit (in diesem Fall) sowohl grün als auch schwarz sein kann.

e) Relevanz wird zunehmend durch das Internet und weniger durch traditionelle Medien und PR-Kampagnen zugeschrieben. Der Wettbewerb der Bewerber um das Präsidentenamt Joachim Gauck und Christian Wulff hat deutlich gemacht, dass die Zuschreibung von Relevanz (für das Amt) zukünftig nicht mehr durch intransparente Hinterzimmerentscheidungen erfolgen kann.

f) Kompetenzmacht obsiegt zunehmend gegenüber der Funktionsmacht. In der durch das Internet zugeschriebenen Relevanz ist die inhaltliche Zuständigkeit konsistenter und glaubwürdiger als der Vorsitz eines Gremiums (wobei sich Beides gegenseitig natürlich nicht ausschließen muss).

g) Die Zuschreibung von Kompetenzmacht erfolgt fallbezogen, wechselt kurzfristig Issue-bezogen von Partei zu Partei und steht damit in einem gewissen Widerspruch zu den langen Legislaturperioden.

Nicht jeder der vorgenannten Punkte ist neu! Jeder Punkt gewinnt jedoch im Einzelnen durch die Bedeutung des Internets und von sozialen Netzwerken an Relevanz für zukünftige politische Steuerungsprozesse.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Wasch mich, aber mach mich nicht nass.....

So so. Nun beginnt das Spiel "Wie geht es mit dem Bürgerhaushalt Gütersloh 2011" weiter. Bisher war der Prozess transparent: Auf der Homepage der Stadt Gütersloh, auch in Facebook und auf der Seite der Initiative "Demokratie wagen" konnte sich jeder informieren, einklinken und den Stand der Dinge verfolgen. 

Wissenschaftler als Leumund für das Versagen
Jetzt aber beginnt das politische Geschäft. Da gehen dann schon schneller die Lichter aus, was Transparenz und Ernsthaftigkeit angeht. Die CDU-Fraktion startet heute mit ihrer Intervention gegen die Ergebnisse des Bürgerhaushaltes gleich auf zwei Kanälen: Sie geht mit dem Politologen Dr. Stephan Eisel von der Konrad-Adenauer-Stiftung (Leitung Projekt "Internet und Demokratie") als Leumund in die Bütt, internetbasierte Bürgerhaushalte hätten aufgrund niedriger Beteiligung keine demokratische Basis. Ein Politologe tritt auf die Bremse titelt heute die NW Gütersloh. Nun ist es gut zu wissen, dass Herr Dr. Eisel nicht nur für die CDU-nahe Stiftung arbeitet, sondern auch für die CDU im Deutschen Bundestag gesessen hat. Im April kommt seine Untersuchung zu Bürgerhaushalten in Deutschland raus. Sein Fazit: 
"An die Legitimation demokratisch gewählten Gremien reicht es nicht im Entferntesten heran.", nachzulesen auf einer Seite der KAS. Für ihn ist die geringe Zahl der Nutzer ein Argument, den neuen Ansatz der Beteiligung vom Tisch zu wischen. Ferner begründet er das damit, hier hätten sich grundsätzlich nicht genügend "neue Köpfe" in das politische Geschehen einbinden lassen - sondern wie immer nur die, die eh schon aktiv seinen. Er nennt diese Gruppe die, die sich zwischen Partei und Karneval bewegten. Belegen lässt sich das allerdings nicht wirklich, da die Nutzung des Online-Portals durchweg anonym war. Er geht in Gütersloh also von einer Annahme aus. 

Nun ist ein Anteil von 1,7 Prozent in der Stadt Gütersloh oder real von 1.664 Teilnehmern relativ hoch, wenn man die Bezugsgröße Rat oder Ausschuss zugrunde legt. Im Rat sind derzeit 58 Mitglieder vertreten, die über den Haushalt abstimmen werden. 23 Mandate für die CDU-Fraktion, die mit der Plattform + (Grüne und UWG) die Mehrheit abbilden. Die Ratsleute sind gewählt, ja. Die Wahlbeteiligung an der letzten Kommunalwahl in Gütersloh lag gerade mal bei 50,9 Prozent aller Wahlberechtigten. Das ist nicht einmal die Hälfte der Gütersloher Bürgerschaft, denn nicht alle sind wahlberechtigt. Nun haben wir eine repräsentative Demokratie - was auch gut ist. Aber: Allein die Zahl der für die Aufstellung der Parteimitglieder für die zu wählenden Listen Zuständigen liegt im Promillebereich, wenn man denn demokratietheoretisch grundsätzlich werden will. Und noch eine Bezugsgröße: Während sich am letzten Haushalt niemand beteiligen konnte, die Quote also O Prozent ist, kann man durchaus von einer Steigerung und Belebung neuer interessierter Köpfe sprechen, wenn jetzt 1.667 mitgemacht haben. Folgende Zahlen sprechen zudem eine deutliche Sprache:   
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Und auch das Onlineverfahren selbst gerät bei Dr. Eisel in die Kritik:
Grundsätzlich sieht der Politologe die Schnelllebigkeit des Internets als Problem für die Gewinnung politisch Interessierter. Für die meisten Nutzer sei es ungewohnt, sich Zeit für komplexe Sachverhalte zu nehmen. Politik spiele nur eine Randrolle im Internet, die Leute surften lieber kurz bei Wikipedia oder schauten nach ihren e-mails, wird er in der NW zitiert. Eine sehr spannende Aussage, die der 55-Jährige da macht, angesichts obiger Zahlen. Nun mag das Internet nicht in jeder Form direkt zu mehr Bürgerbeteiligung führen, es führt aber direkt zu einem höheren Informationsgrad der Bürgerschaft, aus dem jeder Zeit eine eigene Form der Beteiligung werden kann, die dann gewaltig ihre Belange artikuliert: Stuttgart 21, die Anti-AKW-Bewegung - alles Belege für eine politisch informierte und aktivbereite Gesellschaft, auch von - neuen Akteueren, wie man allenthalben lesen kann. Ich gerate an dieser Einschätzung Eisels ins Nachdenken und erinnere mich dabei an Bismarck, der gesagt hat:  "Das Auto hat keine Zukunft. Ich setze aufs Pferd." Dieser Anachronismus muss selbst in den Reihen der CDU für Diskussionsstoff sorgen. Allein der Blick auf die Anforderungen der heutigen Wirtschaft an die Ausbildung, die die CDU-nahen Kreise ja immer als ihren wichtigsten Claim im Auge hat, kommt heute keiner mehr ohne Internet und Kenntnisse über profunde Recherche aus. Wie war das noch? Laptops in die Schulklassen? Und: Schon mal was von sozialen Netzwerken gehört? Hier geht Politik aber so richtig ab.

Skepsis auch bei der CDU-Ratsfraktion
Skepsis äußerte die CDU-Fraktion auch selbst durch eine Pressemitteilung, an den Abstimmungen hätten sich zu wenige Bürger beteiligt. Nun muss man konstatieren, dass die CDU-Fraktion allerdings wirklich nicht viel von öffentlicher Informationen hält, denn auf der Homepage der Fraktion sucht man vergeblich nach dieser öffentlichen Pressemitteilung zum Thema Bürgerhaushalt und die anstehenden Beratungen in den Gremien. Die Info erfährt der geneigte Beobachter nun wirklich nur aus der Zeitung. Kein wirklich gutes Omen für eine inhaltliche und ernsthafte Beschäftigung mit dem, was der Bürgerhaushalt als Ergebnis gebracht hat. 

Eigentlich aber hätte die städtische CDU durchaus lernen können. Ihr Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung war doch vormals ein ganz anderer gewesen, der das Schwungrad Bürgerhaushalt überhaupt erst ermöglicht hat: Der Konsolidierungsprozess durch Rödl und Partner. Die Finanzmisere zeichnete sich bereits 2008 ab. Da herrschte zudem noch der globale Finanznotstand. Der reichte auch bis nach Gütersloh. Sparen war angesagt. Aber Politik und Verwaltung waren für externe Beratung. Man wollte Kernzahlen zur Orientierung und Vorschläge für eine Streichliste. Nur wollte man die nicht selbst anfertigen - die CDU hätte die Chance gehabt als stärkste Fraktion in der Plattformgemeinschaft mit Bündnis 90/Die Grünen. So entschieden sich die politischen Gremien aus der letzten Ratsperiode aber bereits in der 36. Sitzung des Rates am 20. Juni 2008 für das Beratungsunternehmen Rödl & Partner aus Nürnberg. Dem Konzept wurde mit außerplanmäßigen Ausgabemitteln in Höhe von 165.410 Euro für die Unterstützung des Prozesses der Haushaltskonsolidierung zugestimmt. Sogar dann einstimmig mit damals 37 Ja-Stimmen angenommen.

In Folge ergaben sich zahlreiche Bürgerproteste, die in der Demonstration von mehr als 2.000 Schülerinnen und Schülern, Lehrern und Eltern gegen die Streichung der Zuschüsse für die Schulbibliotheken ihren Höhepunkt fandnen. Eine hohe Zahl an Bürgerbeteiligung. Und sicher viele, die sich vorher nicht (!) für Kommunalpolitik und Haushaltsfragen eingesetzt haben. Nur in negativer Konnotation. Bürger, die öffentlich protestieren, zeigen, dass Politik ihr Geschäft der Mitwirkung am der Meinungsbildung nicht akkurat ausgefüllt hat und die Bürger in ihrem ureigensten Lebensumfeld vor vollendete Tatsachen stellt, die keinen Rückhalt finden. 

Während der Kommunalwahl 2009 waren dann alle Parteien auf das Motto Bürgerhaushalt für 2011 aufgesprungen. Der politische Druck von der Straße war noch sehr spürbar und saß den Parteien in den Knochen. Der Startschuss für das Beteiligungsverfahren war doch ganz gelungen: Im Finanzausschuss der Stadt hatten sich die Mitglieder einstimmig für die Durchführung eines Bürgerhaushaltes ausgesprochen. Die weitreichende Vorlage kam von SPD und BfGT.  16 Pro-Stimmen, keine Gegenstimme. Ratsherr Wiesner (CDU) hatte zudem darauf hingewiesen, dass ein Fokus auf eine Internetabstimmung durchaus berechtigt sei, da das Internet das effektivste Medium für eine solche Abstimmung sei.

Es gilt also zu rechnen: 165.410 Euro als Investition in Dritte, die stellvertretend für die Politik den Haushalt sanieren wollten und damit über 2.000 protestierende Bürger auf den Plan riefen, die sich lauthals auf der Straße gegen die Entscheidung der Politik aussprachen. Hinzu kommen noch die zahlreichen Elternproteste gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren.Ergebnis: Bürgerbeteiligung hoch aber kontra.
Dagegen stehen dieses Jahr 70.000 Euro Investitionssumme für den Bürgerhaushalt (der nun bezahlt ist und für mehrere Jahre dienen kann) - sowie 1.667 User. Anzahl der Vorschläge siehe die Zahlen oben:
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Diese Relation scheint zu belegen, dass das Onlineverfahren zum Bürgerhaushalt als Legitimation für politisches Handeln schon recht tauglich ist. Ziel war es doch auch, Menschen zu beteiligen und den Bürgern ein Sprachrohr zu geben für Vorschläge und Anregungen. Rückhalt in der Bevölkerung bei engem Finanzrahmen ist unbezahlbar. 
Das jedenfalls hat auch die CDU sehr präsent in ihr Kommunalwahlprogramm geschrieben. Sie wünsche sich eine aktive Bürgerschaft. Unter Punkt 1 steht da, sie wolle die Eigenverantwortung stärken und Mitwirkung ermöglichen. Sie postuliert eine stärkere Einbindung der Ideen und Anliegen der Bürgerschaft in die politischen Entscheidungsprozesse sowie von einer Übertragung von Aufgaben und Kompetenzen auf eine aktive Bürgerschaft. 

Die hat sie nun! Nun muss sie diese auch ernst nehmen und nicht kleinrechnen. Alles andere wäre nicht ehrlich und dem demokratischen Prozess noch abträglicher als garkein Bürgerhaushalt.

Wasch mich, aber mach mich nicht nass  - das taugt in der Demokratie garnichts. Weder online noch offline.

Dienstag, 11. Januar 2011

Beteiligung in schweren Zeiten.....

Finanzpolitik scheint eine eigene Konjunktur zu bekommen. Nachdem uns in den letzten Jahren auf nationaler, internationaler und globaler Ebene seitens der Banken vorgeführt wurde, wie machtlos der Einzelne im Finanzdschungel doch ist, zeigt die kommunale Ebene eine Renaissance in eben dieser Frage um das "liebe" Geld: Finanzfragen kehren zurück in des Bürgers Hände. Global denken, lokal handeln bekommt dabei eine ganz andere Tonart.

Die Gütersloher stehen mit ihrem Bürgerhaushalt also nicht allein auf weiter Flur, sondern befinden sich in guter Gesellschaft. Nun reiht sich auch die alte Hauptstadt Bonn in die Reihen der Demokratiewager ein:
"Jetzt hat der Bürger das Sagen" steht heute in der Kölnischen Rundschau.  Alleiniger Wehrmutstropfen: Die Stadt blickt auf eine Haushaltsloch von 409 Millionen Euro. Eine Summe, die natürlich nicht allein durch Sparvorschläge zu tilgen ist. Zu glauben, der Bürger werde es schon wieder richten, wenn das Kind erstmal in den Brunnen gefallen ist, wäre naiv. Aber der Bürger ist so oder so dran: irgendwie muss das Geld aufgebracht werden, oder die Angebote einer Stadt werden gestrichen, die Lebensqualität sinkt. Am Ende jeder Handlungsart steht er doch da und trägt die Last: Der Bürger. Wir alle also.

Wenn nun schon der Anlass ziemlich traurig ist, so darf dennoch das Wiedererwachen der Beteiligung gefeiert werden. Teilhabe heißt hier auch Teilnehmen, teilen und Teil sein. Unter www.bonn-packts-an.de

sind ab dem 18. Januar die Bonnerinnen und Bonner zur Bewertung einer umfassenden Liste der freiwilligen Leistungen der Stadt, bei denen es anders als bei den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben, gespart werden könnte.

Während Sparen sicher wehtun wird und die Bürger sich in ihren Gewohnheiten einschränken müssen, sollte trotzdem deutlich werden, dass die Limbolatte der Beteiligungsmöglichkeiten jedoch so schnell nicht wieder nach unten gehangen werden wird. Dafür werden dann schon die in Haushaltsfragen fitten Bürger weiter sorgen.

Sonntag, 9. Januar 2011

Was war nochmal das Ziel des Bürgerhaushaltes...?

Der Haushalt 2011 für Gütersloh steht auf der politischen Agenda. Bis März soll er beschlossen werden. Nun gibt es unerwartet einen Geldsegen aus Düsseldorf, der immerhin eine Gesamtverbesserung von 7,3 Millionen Euro ergibt, also fast doppelt soviel als das, was die Stadt bislang erwarten konnte. Das Haushaltsdefizit von 12,9 Millionen Euro verringere sich dadurch auf derzeit 5,6 Millionen Euro. Möglich wurde das durch die
Änderungen im Gemeindefinanzierungsgesetz NRW.

Nicht nur mehr Geld ist vorhanden (seltsam ist das schon), sondern nun liegen zudem die Vorschläge der Bürgerschaft aus dem Bürgerhaushalt auf dem Tisch der Politik. Der Rat der Stadt umfasst 58 Sitze, die in sieben Fraktionen das politische Spektrum der Stadt repräsentieren: CDU 23 Sitze, SPD 16, Grüne 6, BfGT 5, FPD 4, UWG 2, Linke 2. Und die Bürgermeisterin.  - Dieses Kaleidoskop allein ist schon ein Kraftakt für sich, wenn eine derartige Komplexität der Willensbildung in einen Rahmen zu fassen ist. Gespannt sein darf man obendrauf dann auf den politischen Meinungsbildungsprozess in der Verknüpfung der eigenen Positionen mit der Bewertungen der Bürgervorschläge. Einfach geht anders. Gut zu wissen ist dann auch noch, dass bisher die Plattform + bestehend aus CDU, Grünen und UWG, den politischen Kurs der Politik festgesetzt haben: Übrigens auch diejenigen, die die externe Konsolidierungs-Beratung durch Rödel und Partner initiierten. Das ist der Maßnahmenkatatlog, der zu einer ersten Welle des Bürgerprotestes insbesondere gegen die Streichung der Zuschüsse für die Schulbibliotheken geführt hatte....

Einige der im Rat vertretenen Fraktionen haben sich bereits sehr unterschiedlich zu den Haushaltsfragen und zum Bürgerhaushalt positioniert:

Die FDP-Fraktion nimmt den Bürgerhaushalt ganz direkt aufs Korn:  Auf der Homepage heißt es. "Die Gütersloher FDP hat den Eindruck, dass die Befragung mehr ein Meckerkasten war denn eine fundierte Handlungsrichtschnur für die demokratisch legitimierten politischen Gremien." Ein deutlicher Hinweis erfolgt bereits hier, dass nämlich die Politik entscheide und nicht die Bürger, weil eben die Politik gewählt ist und der Bürger nicht. Eine sehr eindeutige Aussage, die bereits jetzt deutlich macht: Uns schert es nicht, was der Bürgerhaushalt der Politik ins Stammbuch geschrieben hat.

Wörtlich heißt es bei der FDP: "Dass Bürgerinnen und Bürger mitreden können, ist eine tolle Sache. Doch letztendlich entscheidet die Politik und nicht der Bürger, wofür das Geld ausgegeben wird und wo gespart wird oder nicht. Dazu ist viel Hintergrundwissen nötig." = Wie gut, dass es dazu das Informationsfreiheitsgesetz NRW gibt, welches mittlerweile den Zugang zu Informationen verbrieft. (Leider gibt es dazu keine Satzung in der Stadt Gütersloh, wie vorgeschlagen, denn hier wäre formuliert, was genau der Weg zu Informationen beinhaltet- und wie teuer die dann auch sind; eine Gebührenordnung ist allerdings in Arbeit.) Es bleibt nur noch zu hinterfragen, welches Bild von Bürgern die FDP da mit sich herumträgt.

 Die CDU-Fraktion hält an ihrem Konsolidierungkurs fest:
Homepage der CDU bereits im November 2010: CDU-Fraktionsvorsitzende Heiner Kollmeyer. „Natürlich sind wir erleichtert, dass der Stadt in diesem Jahr keine Haushaltssicherung droht. Von dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes sind wir aber weit entfernt – ganz zu schweigen von der Reduzierung unserer Schulden. Die Aufgabe des Konsolidierungsprozesses in dieser Situation wäre fahrlässig.“ Es findet sich zusätzlich eine Stellungnahme zum Haushalt 2011 als pdf der Plattform +: Die zeigt sich wenig aussagefähig und bleibt die Beantwortung von politischen Positionen schuldig.

Die Grünen bekennen bereits in ihrer Haushaltsrede 2009 durch ihren Fraktionschef MantovanellI: "Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Bürgerschaft honoriert es, wenn wir uns insgesamt ehrlich der Finanzsituation stellen und Schnitte vornehmen - vom Sekt zum Selters." Zumindest ist damit das Gemeinsame in den Fokus gerückt und man darf gespannt sein, wie die Partei der bewegten Bürger und dem Manifest auf Beteiligung sich im Abstimmungsverhalten und in der Bewertungskultur verhalten wird. In einer Pressemitteilung hatten sie sich für eine Verlängerung der Frist für den Bürgerhaushalt ausgesprochen und sich positioniert, der Bürgerhaushalt solle fester Bestandteil der Haushaltsberatungen werden und dazu beitragen, mehr Bürger in die Entscheidungsfindung der Kommunalpolitik einzubeziehen

Die BfGT informiert dieser Tage bereits über die Zusammenfassung der Bürgervorschläge, die es im Ratsinformationssystem der Stadt nachzulesen gibt. Zudem ist nicht zu übersehen, dass die SPD und die BfGT bereits im Mai 2010 einen gemeinsamen Antrag zur Durchführung eines Bürgerhaushaltes eingebracht haben, in dem die vorherigen Vorstellungen von Mitbestimmung weit überholt wurden. Ein Rückschritt hinter diese Aufwertung der Bürgerbeteiligung sollte damit ausgeschlossen sein, zu erwarten sind sicher kritische Anmerkungen, die den Prozess für einen Bürgerhaushalt II noch verbessern können.

Die UWG positioniert sich für den Bürgerhaushalt, zumindest hatte sie bereits im Oktober 2010 die Bürgerschaft zur aktiven Teilnahme aufgerufen. Die Linke im Rat verweist mit einem eigenen Link auf die Seite von "Demokratie wagen", die den Bürgerhaushalt maßgeblich vorangetrieben hat.

Nach der Lektüre auf den verschiedenen Seiten gehe ich nun nochmal gespannter zur Sitzung des Hauptaus-schusses und verfolge nun ganz genau, welchen Raum die Beteiligung der Bürger nun in der Realität zugestanden bekommt. Wichtig zu wissen ist dabei, dass es eben nicht vorrangiges Ziel war, nur Sparvorschläge zu generieren, die möglichst die Schuldenlast der Stadt aufheben möge, sondern, der Bürgerhaushalt war klar auch als Sprachrohr und als Einbindungsplattform für den Bürger in den politischen Prozess gedacht. Kämmerin Christine Lang hat dies auch so zur Erinnerung in die erste Vorlage seitens der Verwaltung aufgenommen: "Vielmehr sollen Einblicke in die Erwartungshaltung und Meinungsbilder der Bürgerschaft gewonnen werden. Das Verständnis der Bürgerschaft für die Lage der öffentlichen Haushalte und die Entscheidungszwänge von Politik und Verwaltung soll verbessert werden."

Nun denn. "Verbessern" heißt übrigens, dass etwas vorher "nicht gut" war....

Samstag, 8. Januar 2011

Bürgervorschläge auf dem Tisch der Politik

Jetzt wird es spannend. Nachdem die Bürgerbeteiligungsphase zum Bürgerhaushalt abgeschlossen ist, gehen die Vorschläge nun in die politische Diskussion. Ein erster Termin dazu ist die Sitzung des Hauptausschusses am Montag, 17. Januar 2011 um 17 Uhr im Ratssaal. Eine erste Einschätzung des Verfahrens seitens der Verwaltung liegt bereits schriftlich als Vorlage vor.

Darin enthalten ist bereits das Ranking mit den 30 wichtigsten Vorschlägen:  Auf Platz 1 steht die Frage der Umwandlung der Feuerwehr (Berufsfeuerwehr oder Freiwillige Feuerwehr), auf Platz 2 landete die Forderung nach Beibehaltung der Zuschüsse für die Stadtbibliothek Gütersloh, Platz 3 beinhaltet, keine weiteren teuren Gutachten als Grundlage für politische Entscheidungen zu vergeben. 

Die Bürgerinitiative Demokratie wagen lädt zu einem Treffen ein, um das weitere Vorgehen und die Begleitung des folgenden Entscheidungsprozesses zu diskutieren. Termin ist Dienstag, 11.1.11 um 19:30 Uhr in der Weberei. Mehr dazu auf der Homepage der Initiative

Hier wird bereits auch die Liste der Verbesserungsvorschläge für eine zweite Runde Bürgerhaushalt vorliegen, die die Initiative erarbeitet hat.