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Dienstag, 18. Januar 2011

Reden ist Gold

Gestern nun war die erste Beratung zum Bürgerhaushalt im Hauptausschuss der Stadt. Alle Fraktionen hatten Raum, sich zum ersten Mal im politischen Beisammensein zu äußern.

Das Resümee fiel naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Ich fasse ganz kurz die wichtigsten Punkte in der Reihenfolge der Wortmeldungen zusammen:

Die FDP fand das Verfahren einen Versuch wert, die Kritik aber überwiege und die FDP kündigte bereits an, einer zweiten Runde nicht zuzustimmen. Es wäre besser gewesen, statt dieser Plattform einen Meckerkasten für Bürger aufzustellen. Besonders kritikwürdig sah es der Fraktionsvorsitzende, das nicht nachvollziehbar sei, wer von Extern sich eingeloggt habe, kaum junge Leute mitgemacht hätten und dass sehr viele Mehrfachanmeldungen zu verzeichnen seine; einige Verursacher säßen ja heute auf der Besucherempore, ließ er den Ausschuss und die Zuhörer wissen. (Da oben saßen Interessierte und Mitglieder der Initiative). Nun stellt sich nach wie vor die Frage, woher er das wissen will, denn die Befragung war anonym und Zebralog (und auch die Stadt) haben keine Daten über die User zur Verfügung gestellt. Dem "Feind" Bürgerinitiative allerdings zu unterstellen, sie habe selbst Schindluder mit dem System getrieben - na danke.  (Vielleicht darf man erwähnen, dass der Fraktionsvorsitzende sich als Externer in anderen Bürgerhaushalten beteiligt hat, wie er sagte.) Bei solch einem Bild hilft auch eine weiterführende sachliche Diskussion wenig.

Die Grünen stufen das Verfahren als richtig und wichtig ein. Bürger sollten mehr mitbestimmen können - allerdings hatte man sich noch eine größere Beteiligung gewünscht. Es folgte konstruktive Kritik, wie etwa, dass die Vorschläge künftig nicht mehr anonym abzugeben sein sollen, die Übersichtlichkeit der Darstellungen der Vorschläge verbessert werden müsse, die Praxis der monetären Bewertung durch die Verwaltung solle verbessert werden. Am Ende stand der Vorschlag für eine 2. Runde in zwei Phasen: Sammeln, dann aufbereiten seitens der Verwaltung und anschließend die Bewertungsphase. Die Beteiligung mit 1,7 Prozent wurde als sehr gut eingestuft, insgesamt sei es illusorisch, dass Beteiligung jemals bei 100 Prozent liegen würde. (Doch, vielleicht in einem diktatorischen Staat). Der Bürgerhaushalt sei ein guter Beitrag zu einer politischen Kultur der Stadt. Das Instrument gelte es weiter auszubauen und weiterzuentwickeln.

Die BfGT lenkte den Blick auf die Entstehungsgeschichte des Bürgerhaushaltes und nannte als Ursprung die Bürgerinitative. Zudem folgte auch hier konstruktive Kritik: Es sei richtig gewesen, die Anonymität der Vorschläge zu gewährleisten, der Hauptausschuss habe das ja auch vorher eingehend diskutiert und dann darüber abgestimmt. In der 2. Rund könne das allerdings unter Nennung der Namen geschehen. Auch hier war die Erwartungshaltung an die Beteiligung größer. Zudem sollen nach Angaben der BfGT auch die Vorschläge aufgegriffen werden, die vielleicht nur eine Stimme bekommen hätten, die Liste der Top 30 sei nicht zwangsläufig auch Leitlinie der politischen Diskussion.

Die Position der CDU ist ja bereits hinreichend formuliert worden (siehe vorherige Blogs). Der Einstieg in den Bürgerhaushalt sei nicht optimal gelaufen, die CDU habe das bereits auf ihrer Klausurtagung formuliert. Dennoch gedenke die CDU die Vorschläge der Bürgerschaft sehr ernst zu nehmen, die CDU stehe zu ihrer Aussage. "Warum man uns das jetzt nicht abnimmt, verstehe er nicht.", kolportierte der Fraktionsvorsitzende. Es gelte nun, die Liste zu durchforsten und die Vorschläge in die Fachausschüsse zu delegieren.

Die SPD betonte den experimentellen Charakter (und damit die Ausbaufähigkeit) der ersten Runde Bürgerhaushalt - und hält an dem Willen zu einer zweiten Runde fest. Das Argument, hier hätten sich lobbyistisch arbeitende Interessengruppen formiert, wurde entkräftet, dass das durchaus Sinn mache, denn auf der Online-Plattform würde das als Bürgerwille erkennbar. Zudem sei es gelungen, den Bürgern mit diesem Verfahren deutlich zu machen, in welchem Spannungsverhältnis Politik entscheide und vor allem unter welchen Zwängen. Das Verständnis der Bürger für Probleme in der kommunalpolitischen Handlung sei gestiegen. Der Bürgerhaushalt sei nun weiterzuentwickeln, der Ansatz dazu: Mehr Menschen einarbeiten und den Prozess gleichzeitig weiterentwickeln. 

Nun sind wir in Gütersloh an dem Punkt, an dem das Lernen anfängt. 

Deutlich ist, dass die politischen Parteien im letzten Jahr mit relativ offenen Ohren auf die Wählerschaft (Bürgerschaft) eingegangen sind. War ja auch klar Wahlzeit in NRW. Nun sind die fünf Jahre Ratsperiode angebrochen - und es gilt, diese Zeit nicht als Vakuum zu verstehen, in der die Bürger nicht zu beteiligen sind. Sondern diese Zwischenzeit bis zu den nächsten Wahlen gilt es zu nutzen: Zum Lernen von Beteiligung und vom Aufeinanderzugehen. Das neue Verständnis der Bürger zur Mitwirkung sollte konstruktiv abgeholt werden.

Bürgerbeteiligung muss gelernt werden. Sowohl auf Seiten von Politik und Verwaltung, als auch vom Bürger selbst. Das sagte Robert Hotstegs, Landesvorstand von Mehr Demokratie, am 28. Dezember in der WDR3-Sendung "Resonanzen". Ein sehr informativer Beitrag, der darauf abhebt, dass sich direkte und repräsentative Demokratie nicht befehden, sondern ergänzen können. Das muss kein goldener Mittelweg sein, denn Demokratie ist immer und jeden Tag wieder aufs Neue eine Verhandlungssache.

Nur wer nicht verhandelt, handelt wenig demokratisch. Und die Grundlage von Verhandlungen ist Kommunikation. Diese kann nur jetzt einsetzen: Bürger, Politik und Verwaltung müssen nach dem Verfahren zum Bürgerhaushalt ins Gespräch kommen. Argumente austauschen, Antworten auf Fragen geben, Konzepte und Handlungen deutlich machen. Warum und wieso wird nun wie entschieden? Weil nur so Bewegung entsteht, die die Stadt in ihren Belangen weiterbringt. Herrscht ab nun Schweigen über die Vorschläge, ist die Beteiligungslust der Gütersloher mit Sicherheit auf lange Sicht beerdigt.

Und das, wo seit heute vielleicht ganz schnell auch Neuwahlen auf dem Programm des Landes NRW stehen können. Die Landesregierung ist druch das Veto zum Landeshaushalt gestoppt worden. Wahrscheinlich hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte (vielleicht doch mehr Schulden als durch den Geldsegen aus Düsseldorf gedacht??) und auch auf die politische Rückwirkung auf die Kommunen. Und was für Protestpotenzial vorhanden ist, wenn die Kassen leer sind und die Bürger vergrätzt, das dürfen wir uns zur Zeit (ein Segen) allerorten ansehen.
Miteinander Reden ist daher auch in Fragen des Bürgerhaushaltes sicher eher Gold als Silber.