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Sonntag, 20. Juli 2014

Sperrklausel - Diskussion fortgesetzt.....

Die Diskussion um die 3-Prozent-Sperrklausel bei der Landtagswahl für NRW wird weiter auf abgeordnetenwatch.de diskutiert. Ich hatte die drei MdLs aus Gütersloh über abgeordnetenwatch.de angefragt, wie sie dazu stehen. Bisher hat nur MdL Ursula Doppmeier (CDU) geantwortet.


                  3-Prozent-Hürde: wer darf rein?   Foto ak 2013 


Meine Frage hatte auch ein weiterer Frager (Jörg Müller) nochmals als Faden der Antworten von MdL Ursula Doppmeier (CDU) aufgenommen. Die Diskussion kann man hier verfolgen. 


Neue Antwort auf abgeordnetenwatch.de

Ein Teil der Antwort der MdL Doppmeier lautet:

"Ihre Aussage, dass die Qualität der Entscheidungsfindung von der Anzahl der Fraktionen und den Mehrheitsverhältnissen in einem Parlament abhängig ist, kann ich nicht zustimmen. Ich denke nicht, dass beispielsweise der Bundestag oder die Landtage einseitige Entscheidungen fällen. Auch wenn ihnen meistens nicht mehr als vier oder fünf Fraktionen angehören. Die Qualität der Entscheidungsfindung ist nämlich weniger von der Anzahl der Fraktionen, sondern vielmehr von der Art und Weise der Diskussion abhängig. Eine vernünftige Entscheidung sollte durch einen rationalen Diskurs zustande kommen. Dabei ist die Motivation, sich für Politik zu begeistern sicherlich höher, wenn man bei diesem Diskurs mit demokratischen Parteien an einem Tisch sitzt und sich nicht mit extremistischen Gruppierungen streiten muss. Unter diesen Aspekten sind weniger Parteien nicht gleichbedeutend mit weniger Demokratie, sondern mehr Demokratie! Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen im Übrigen mitteilen, dass innerhalb einer Partei nicht immer alle einer Meinung sind. Wer an wirklicher politischer Meinungsvielfalt interessiert ist, dem kann ich nur ein Engagement in einer demokratischen Partei ans Herz legen."



Wer spricht hier eigentlich?


Wie aber sieht so ein Engagement in einer Partei aus? Ich habe mir einmal die politische Vita von Frau Doppmeier selbst angesehen: Seit 1999 ist sie ununterbrochen in einem politischen Mandat unterwegs. Seit 2000 bezahlt.


Frau Doppmeier argumentiert hier also als Berufspolitikerin und Funktionärin einer Partei. Seit 2000 ist sie im Landtag vertreten, wurde zweimal wiedergewählt. Neben ihrem Mandat als MdL ist sie zudem Beauftragte für Menschen mit Behinderung/Inklusion der CDU-Frakion im Landtag sowie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Seit 1999 ist sie Mitglied im Landesvorstand der CDU. Gleichzeitig ist sie seit dem Jahr 1999 im Kreistag Gütersloh mit einem Kreistagsmandat vertreten- 2014 wurde sie hier wiedergewählt mit 2.143 Stimmen im Wahlkreis 105. Vier Jahre war sie Bezirksvorsitzende der Frauenunion der CDU.
Außerdem ist sie von 2004 bis 2009 auch noch Stadtverbandsvorsitzende Gütersloh gewesen und seit 2002 ist sie stellvertretende Bezirksvorsitzende von OWL.
Kein Wunder also, wenn sie sich die kommunalpolitischen Wurzeln ihrer politische Landes-Karriere-Architektur nicht durch unliebsame Konkurrenz kleinerer Fraktionen verhageln lassen will. Das Bedürfnis nach Abbildung von Pluralität in der Bevölkerung kann nicht ihr zentrales Anliegen sein.




Weg frei für Parteilose und Alternativen

Durch den Wegfall der damaligen Sperrklausel ergab sich die Möglichkeit, dass sich auch viele parteilose und dennoch kenntnisreiche und engagierte Bürger in die Politik mit einbringen konnnten - ohne einer der etablierten Parteien anzugehören und den notwendigen Stallgeruch mitzubringen. Im Mittelpunkt der politischen Tätigkeit dieser Newcomer stand und steht oft die "Sache" an sich - und nicht die Parteipolitik, die einer eigenen Logik unterliegt: hier stehen immer Proporz in den eigenen Reihen und die Befindlichkeiten der Funktionäre mit im Raum, wenn entschieden wird. Diese betonierten Entscheidungen haben offensichtlich in den letzten Jahrzehnten die Bürger nicht mehr repräsentiert - sonst wären nicht so viele Initiativen entstanden. Sonst wäre die Politik(er)verdrossenheit nicht immergrünes Thema geworden.



künftig nur noch die Etablierten?

Es war allzuoft die Alternativlosigkeit der Parteipolitik, die den Unmut gerade in der Kommunalpolitik geschürt hat. In deren Folge haben sich viele Aktive selbst auf den Weg der Alternativsuche begeben und fanden so den Weg in die politischen Gremien, in die sie sich eingebracht haben. Und ja, auch meine Erfahrung ist, dass gerade hier wirkliche Alternativen formuliert wurden. Die Erkenntnis zeigt nämlich: allzu viel Konsens der Etablierten schürrt eher den Konflikt und verlagert ihn nach außen. Das ist Konsens, der den Konflikcharakter des Politischen leugnet (Chantal Mouffe), Das ist die Haltung eines eher neoliberalen Einheitsdenkens, es führt nicht zum Konsens, sondern öffnet den Raum für Verdruss und extreme Revolten. Wie gut, dass man dann etwa eine Wahl hat, wenn sich mehrere Parteien oder Gruppen zur Wahl stellen.


Am Sessel kleben 

Wenn Frau Doppmeier davon spricht, dass demokratische Parteien am Tisch sitzen, verkennt sie, dass in vielen Kommunalparlamenten oftmals die Profis eingezogen sind - und ihre Posten nur ungern an kleinere Fraktionen oder Newcomer verlieren.

Nicht nur, dass hier viele Berufspolitiker aus den Landesparlamenten ihre feste Burg eingerichtet haben - auch viele Kommunalpolitiker sitzen seit Jahrzehnten auf Listenplätzen und Mandatsposten, teilweise sogar über 25 bis 30 Jahre hinweg. Teilweise sogar im Rat und ihm Kreistag gleichzeitig. Unangefochten, weil sie auf den Parteilisten auf die ersten Plätze abonniert sind. Diese Sesselkleber finden sich hauptsächlich in den Fraktionen der SPD und CDU. Hier von Demokratie zu sprechen, ist auch fragwürdig. Verteidigung von Erbhöfen trifft es wohl deutlicher.

Will man also künftig mehr Menschen und vor allem jüngere Menschen für Kommunalpolitik begeistern, ist die Sperrklausel das falsche Instrument.


Kumulieren und Panaschieren 

Vielmehr darf man darüber nachdenken, ob nicht gerade Kumulieren und Panschieren viel demokratischer ist. In NRW leider noch nicht etabliert. Warum eigentlich nicht? Hier kann man sich sein Kommunalparlament deutlicher selbst zusammenstellen - ist unabhängig von der Listenaufstellung durch die Parteien (die max. von einem Promille der Parteieliten festgelegt werden). Und: ist es nicht auch sinnvoll für die Parteien, auch über eine Beschränkung der Ratsperioden nachzudenken. Etwa eine Ruhephase, wenn man zweimal hintereinander im Rat/Kreistag war. Die aktuelle Ratsperiode etwa dauert immerhin 6 Jahre.


Konkurrenz belebt das Geschäft. Und Belebung des politischen Diskurses brauchen wir auf jeden Fall. Nur nicht durch die Sperrklausel! Die wäre durchgewunken durch die beiden (noch) größten Fraktionen im Landtag NRW. Durchsetzen und Festhalten qua Masse ohne Argument.


Wo bleiben da die klugen Alternativen, die klugen Antworten auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, den Pluralismus in der Gesellschaft auch politisch ablichten zu wollen. Die Sperrklausel ist parteipolitische Wagenburgmentalität, aber auf keinen Fall ein Mittel zur Belebung der Demokratie. Das Ganze ist zu durchsichtig. Ständiges Wiederholen dieser Forderung macht es übrigens nicht besser.

Am Ende habe ich also nochmal einige Fragen an Frau Doppmeier gestellt. Natürlich via abgeordnetenwatch.de