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Mittwoch, 31. August 2011

Adenauer und die "runde Sache"

Glosse

Im Kreis Gütersloh haben wir einen vom Namen her sehr prominenten Landrat: Sven-Georg Adenauer. Er ist ein Enkel von "dem" Konrad Adenauer. Landrat ist er seit 1999, 2009 wurde er für weitere sechs Jahre im Amt wiedergewählt.

Vor ein paar Tagen prangte nun eine Werbeanzeige für die Kreissparkasse Wiedenbrück in der heimischen Neuen Westfälischen Zeitung. Das Konterfei von Sven-Georg Adenauer prangte da: Er wirbt für das kostenfreie Girokonto. "Gut für mich. Gut für die Region" steht als Werbetext unter ihm. Genauer: Unter seinem Arm, den er in die Luft hält und die Finger "rundet":
Werbung aus der NW Gütersloh
Seien Sie mal ehrlich: Wenn Sie diese Symbolik sehen - denken Sie da nicht auf den ersten Blick Gleiches wie ich: Der zeigt mir das Zeichen für "Ar...loch"!! Säße er im Auto und ich auch, könnte ich ihn anzeigen. Immerhin ist er ja auch noch Aufsichtsperson für die Kreispolizei Gütersloh. Hier aber steht Herr Adenauer für eine Bank und lacht mich an. Oder lacht er den Leser eher aus? Mir kommt der Verdacht, er könne auch signalisieren "mich interessiert es gleich null, was das Volk denkt". Damit stände er ganz in der Tradition der neuen Haltung der Finanzmärkte, die monotheistisch auf Kapitalmaximierung getrimmt sind - und der Rest sie "null" kümmert. Als Politiker müsste er sich eigentlich mit der Bildsprache auskennen. Eine "runde Sache" jedenfalls ist diese Werbeanzeige nicht.

Immerhin habe ich ja noch im Kopf, was Anfang des Jahres durch die Öffentlichkeit jagte:
Der Herr Landrat hatte im Frühjahr 2011 seine Nebeneinkünfte auf Grundlage der Nebentätigkeitsverodrnung des Landes NRW offen gelegt, die er durch seine Ämter erwirtschaftet hatte. Konkret ging es um 23.763,33 Euro. Im Kreistag gab es darum Streit, welche Summe er nun behalten durfte und welche er an den Kreis hätte abführen müssen. Adenauer ging von 820,67 Euro Zahlung an den Kreis aus.

Neben zahlreichen Ämtern ist er unter anderem aktiv in folgenden Gremien:
  • Verwaltungsrat und Kreditausschuss der Kreissparkasse Halle und Wiedenbrück
  • stellvertretender Beantstandungsbeamter des Verwaltungsrates der Sparkasse Gütersloh
Auch diese Tätigkeit sah die Rechtsabteilung des Kreises Gütersloh nicht als Nebentätigkeit. Das heißt, dass Adenauer auch die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht an den Kreis abführen muss. Der Bund der Steuerzahler erklärte dazu Anfang des Jahres, hier sei ein Verfahren anhängig, das noch nicht entschieden sei.

Mit diesem Wissen bleibt mir ein Zurücklächeln im Halse stecken. Als Bürgerin des Kreises fühle ich mich reichlich "verarscht". Nicht nur, weil da einer Geld qua gewähltem Amt verdient (auch wenn geklärt wäre, dass er das darf), sondern auch, weil das wieder ein Beispiel ist für mangelnde Sensibilität hinsichtlich von Transparenz, Vertrauensverlust in die politische Kaste, die sich all zu oft verstrickt und es nicht einmal merkt. Wie will eine Werbeikone noch klare Kante fahren, vor allem, wenn er bei anderen Sparkassen als Beanstandungsbeamter eingesetzt ist? Aber das erklärt ja auch der Werbetext: "Gut für mich".... und dann erst "gut für die Region".


Das gibt mir erstmal zu denken. Ihnen nicht?







Dienstag, 30. August 2011

Buddha an der Ostsee

Ich war in Timmendorf. Am Strand. Da gibt es einen eigenen Pavillion mit Buddhas in allen Größen und Fabrikaten. Natürlich habe ich mir einen gekauft. Einen Kleinen nur. Neben mir an der Kasse stand eine junge Frau, na sagen wir mal, doch eher mittelalt, vielleicht Ende vierzig. Die kaufte auch einen. Gleich eine ganze Buddha-Statue. Goldfarben. Das Ding war mindestens siebzig Zentimeter groß. Und nicht billig. 

Die Verkäuferin stülpte dem gekauften Götzen einen schwarzen Samtsack über, damit kein Schaden dran kam. Wie bei meinem auch. Dann gingen wir Einkäuferinnen im Kaufrausch der Erleuchtung gleichzeitig durch den Eingang Richtung Strand aus dem Laden. Ist schon irre: Zehn Meter und es fangen die Dünen an - ein Gefühl als würde man mit zwei Schritten aus Thailand an die Ostsee gelangen.

Die junge Frau steuerte auf eine Bank an der Promenade zu. Darauf saßen schon zwei Menschen: ein mittelalter Herr mit grauen Locken - und eine alte Dame, blondiert und toupiert, runzeliges Gesicht, aber gut gekleidet und mit würdevollem Gestus, sicher weit über siebzig. Sie war so klein, dass ihre Beine kurz über dem Boden baumelten. Die stolze Besitzerin des goldenen Buddha ließ sich zu den beiden auf die Holzbank fallen. Und stellte ihre Errungenschaft vor: "Schau mal, Schatz, habe ich gerade gekauft. Ist doch ganz großartig. So einen habe ich mir immer schon gewünscht." Sie zog den schwarzen Überzug ab wie bei der Einweihung eines Denkmals. Ich schlenderte langsam weiter.
"Oh nein, nicht noch einen", kam die Antwort von ihrem offensichtlich Angetrauten, der die Hände hochwarf.

der Dritte im Bunde
 "Wieso, ich habe noch keinen in goldfarben", verteidigte sie sich.
"Was hast Du denn da gekauft?", schaltete sich jetzt die Dame ein. 
"Ein Buddha, hast Du doch schon mal in unserer Wohnung gesehen, Omi", nun leicht gereizt die Jüngere. 
"Nein, so was stellt man sich doch nicht in die Wohnung. Ihr seid doch getauft. Das ist ein Heide", so die Ältere. 
"Blödsinn, Mutter. Darum geht es doch gar nicht. Wir haben keinen Platz für noch so´ne Figur", blieb nun er bei seinem Standpunkt. Das war also schon mal geklärt, er war der Sohn.
Mittlerweile stand Buddha auf der Bank zwischen der jüngeren Frau und ihrem Mann. Wie der magische Dritte. Die alte Dame rückte ein Stück weiter von den Dreien ab.  Ihr schien diese Nähe zu einem Heiden nicht zu passen. 

Die Szenerie war so spannend, dass ich mich auf die Ballustrade gegenüber setzte und so tat als schriebe ich etwas in meinem Blackberry. Aber ich wollte nur zuhören, wie sollte das enden, fragte ich mich.

"Nein, damit will ich nichts zu tun haben. So ein Götzenbild. Nehmen wir den etwa mit?" verzog die Omi ihr Gesicht und wich noch ein Stück weiter zur Seite. Jetzt bekam ich Angst, sie würde von der Bank rutschen.
"Klar nehmen wir den mit. Den habe ich gerade gekauft, der war nicht billig", konterte die Ehefrau. "Und Du hast gar nichts zu sagen, Omi", setzte sie fort, jetzt richtig schnippisch.

"Hör mal, so kannst Du nicht mit Mutter sprechen", schalt sie ihr Mann. "Mutter, sei jetzt ruhig, natürlich nehmen wir den mit, sie hat ihn doch gekauft", ermahnte nun er seine Mutter.

"Nein. Auf keinen Fall setze ich mich in ein Auto, in dem der mitfährt. Dann müsst ihr morgen ohne mich nach Hause fahren. So ein Götze im Auto bringt Unglück", machte sie ihren Standpunkt klar.
"Bitte? Ich glaube, du spinnst. Der Buddha fährt mit. Du kannst ja hier bleiben", sagte sie und sprang nun sehr erregt auf...

Mittlerweile war nicht nur ich Zeugin dieser, na ich will es mal Auseinandersetzung nennen. Es hatten sich schon einige Zuschauer und Zuhörer sehr tacktvoll  aber mit deutlichem Interesse um die drei gruppiert. Ich sah mehrere schmunzelnde Gesichter und verdrehte Augen. Nicht nur ich verfolgte das Gespräch mit großem Spaß. 

Die jüngere Frau setzte sich nicht wieder hin. Sie nahm ihren neuen Erleuchteten, stopfte den schwarzen Sack wieder über ihn und machte sich wutschnaubend auf den Weg. Während ihr Mann auch aufsprang und hinter ihr herlief, blieb die Omi-Mutter wie selbstverständlich auf der Holzbank sitzen und schien ungerührt.

Ich bin dann auch weitergegangen. Der Vorhang war gefallen. Dieses skurile Stück schien nur einen Akt zu haben. Dachte ich.

Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Zug zurück nach Hamburg. Und wer saß in der Regionalbahn bereits am Fenster als ich einstieg? 

Ja, die junge Frau. Allein. Vor ihr ein kleiner Handkoffer. Und neben ihr: Buddha. Immer noch mit dem schwarzen Sack über der Statur. Aber ich wusste ja, wer darunter steckte.


Montag, 29. August 2011

Sale .... wenn der Kleiderschrank zu klein wird

Woran erkennt man, dass der Sommer vorbei ist? In den Geschäften tobt der Ausverkauf "Sale". Und der Kleiderschrank wird langsam umgerüstet auf den Herbst. Der ja wettertechnisch schon da ist. In der Stadt sieht das am Ende dann so aus: 
Wohlstandsmüll 

    

In der Süddeutschen stand dazu: "Immer wieder werden die Wege, die gesammelte Altkleider oft nehmen, kritisch diskutiert, speziell ihr Export in Entwicklungsländer und die Auswirkungen auf die dortigen Märkte. Zudem handelt es sich bei den Sammelbetrieben häufig nicht um karitative Organisationen, sondern um rein gewinnorientierte Firmen, und bei genauerer Betrachtung kann man auf vielen Containern dann auch lediglich das Versprechen lesen, »aus dem Erlös« sozialen Einrichtungen »etwas« zukommen zu lassen. Ein Versprechen, das sich – hart ausgedrückt – auch mit fünf Euro pro Jahr erfüllen lässt." 

In Deutschland werden jährlich rund 750.000 Tonnen Altkleider gesammelt.....


 

Sonntag, 21. August 2011

Politisches System nur für Reiche?

Als Lesestoff für den Sonntag heute mal ein guter Kommentar aus der taz.de vom Samstag (20.8.2011):

(...)
Jetzt hat Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nachgelegt. Das politische System diene nur den Reichen. Werte wie Autonomie, Freiheit, freie Marktwirtschaft, Individualismus, von Bürgerlichen immer hochgehalten, seien von den Neoliberalen gekapert worden. In ganzen Absätzen hangelt sich Schirrmacher entlang der Philippika von Moore, lässt aber keinen Zweifel: Er sieht das genauso.(...)

Hier kann man den gesamten Text lesen. 

Samstag, 20. August 2011

Bürgerbeteiligung: Parteiensache oder besser APO?


Die letzte Woche habe ich mal genutzt, um eine Antwort zu forumlieren: Immerhin stehen wir als Inititative "Demokratie wagen!" namentlich in der Rubrik "Auf ein Wort" des letzten GT-Info:

Sehr geehrter Karl-Friedrich,

vielen Dank für die große Aufmerksamkeit, die das GT-Info der Bürgerinitiative „Demokratie wagen!“ in den letzten Monaten entgegengebracht hat. Für ein Stadtmagazin ist das schon sehr ambitioniert – wir vermuten, Ihnen liegt die Bürgerbeteiligung genau so am Herzen wie uns. In Ihrer Rubrik „Auf ein Wort“ enden Sie mit der Frage, wie wir „Bürgerbeteiligung“ in Zukunft neu definieren wollen. Hier unsere Antwort.

Welche Beteiligung soll´s sein?
 Eine kurze Notiz noch zum Bürgerhaushalt: Sie schreiben, keiner habe die Traute zuzugeben, der sei gescheitert. So platt würden wir das ungern ausdrücken. Den ersten Bürgerhaushalt haben wir in einem 14-Punkte-Katalog differenziert resümiert. Nicht alles war schlecht. Nachzulesen auf unserer Homepage: www.demokratiewagen.org
Die zweite Runde Bürgerhaushalt ist gescheitert - stimmt. Mit der Klarnamennennung und der Vorauswahl der Vorschläge durch die Politik steht nur noch Bürgerhaushalt drauf, wo keiner mehr drin ist.

Wohin geht´s .....
Aber jetzt zum Punkt: Wohin geht’s mit der Demokratie in Gütersloh? In den letzten zwei Jahren stammten viele Anträge aus unserer Feder, die mehr Demokratie von Rat und Verwaltung eingefordert haben. Wir haben dabei den offiziellen Weg eingeschlagen: über das Antragsverfahren, wie es die Gemeindeordnung NRW als Beteiligungselement zulässt. Auch Parteien stellen in der Regel Anträge, wenn sie etwas verändern wollen. In Sachen Beteiligung sind allerding von der parteipolitischen Seite keine eingegangen. So viel zu Ihrer Anregung, Beteiligung müsse aus den Parteien entspringen und nicht aus der „APO“.

Informationsfreiheit
Als Initiative interessierte uns ganz besonders, wie man die geschlossenen Aktenschränke im Rathaus „gläsern“ machen könnte. Der Vorschlag: eine eigene Satzung zur Durchführung des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes NRW in Gütersloh. Wie und zu welchem Preis kommen Bürger in unserer Stadt an Informationen, die ihre Belange oder die der Stadt betreffen? Leider haben Politik und Verwaltung gekniffen und sich nur auf eine mickrige Lösung eingelassen - eine Notiz dazu auf der Homepage der Stadt. Um diesenHinweis zu finden, muss man das Gesetz allerdings kennen. Sie könnenda gerne mal draufschauen: 
Im Zustand bleibt also im Rathaus alles wie gesehen: „Rufen Sie uns an, dann sehen wir weiter“, bleibt das Motto derer, die am langen Hebel sitzen. 

Rathaus aus Glas

Dann wäre da noch unser Antrag, die Ratssitzungen „öffentlich“ zu machen. Das sind sie ja qua Gesetz auch schon. Aber mit 60 Sitzplätzen und der Schließung der Türen wegen Überfüllung ist das Thema Öffentlichkeit schnell vom Tisch. Der Antrag, bei Bürgerthemen generell einen größeren Saal zu nutzen, wurde abgelehnt. Von Politik und Verwaltung. „Vertrauen Sie uns, wir sorgen schon dafür, dass der Bürger dabei sein kann,“ so die Bürgermeisterin. Zweimal hat es mit dem Vertrauen schon nicht geklappt.... Die Beteiligung bleibt wieder auf der Strecke.

Fragen stellen  -  und politische Aussprache
Auch unser Anliegen, das Fragerecht im Rat zu erweitern, hängt in der Luft. Unsere Idee: Auf eine Bürgeranfrage soll nicht nur die Bürgermeisterin antworten, sondern auch die Politik. Bisher ist eine Aussprache nicht vorgesehen. Ergebnis: Abgelehnt. Man denkt jetzt allerdings darüber nach, das Fragerecht auch in die Ausschüsse zu integrieren. „Vor Herbst wird das aber nichts werden“, so die Bürgermeisterin. Wir bleiben da am Ball und fragen nach. Versprochen.

Finanzkrise - und MdBs gefragt
Übrigens haben wir auch mit der Befragung der örtlichen Bundestagsabgeordneten mit Weitblick gehandelt: Wir hatten alle drei zu einem Gespräch über die Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen auf die Bürger der Stadt geladen. Gekommen ist nur Klaus Brandner (SPD). Herr Brinkhaus (CDU) und Herr Kamp (FDP) hatten andere Termine zu bestreiten. (Neuerdings ist Herr Brinkhaus ja als Tankwart unterwegs.) Die Fragen, die wir gestellt haben, sind bis heute aktuell – und nicht wirklich beantwortet. Das wäre eine originäre Aufgabe der höchsten Volksvertreter gewesen.

Stadtentwicklung nach Abzug der Briten 
Aktuell steht der Antrag auf Beteiligung bei der Planung der „Konversion“ auf unserem Plan: Wie geht es weiter mit der Stadtentwicklung, wenn die britischen Streitkräfte abziehen? Bisher ist nur von „Information der Bürgerschaft“ die Rede. Echte Beteiligung fängt aber an, bevor es nur noch ums Abnicken von A oder B geht. Wir finden, eine solch große Aufgabe kann nicht ohne die Bürger beraten werden. Oder was meinen Sie?
Und am Ende möchten wir generell von Rat und Verwaltung wissen, was sie eigentlich unter „Bürgerbeteiligung“ verstehen. Da scheint der Hase im Pfeffer zu liegen. Was die Parteien unter Beteiligung verstehen, machen sie immer deutlich, wenn sie öffentlich verkünden: "Kommen Sie von der Tribüne herunter - und wirken sie in den Parteien mit." Na da verwechselt manch einer doch Parteiräson und Beteiligung. Wie also soll eine "Beteiligung" auf die man sich ggf. einigen könnte in Zukunft aussehen? Und wie wird sie gewährleistet? Das ist unsere Aufgabe - also APO.

Am Ball bleiben
Sie sehen, wir bleiben am Ball. Mit mehr oder weniger Erfolg. Weniger Erfolg geht allerdings zu Lasten der Gütersloher und ihrer Stadt. Denn nicht gefragt zu werden, ist zur Zeit wohl der größte Faktor für Politikverdruss und Bürgerproteste. Diese beiden Faktoren aber bringen eine Stadt nicht weiter. Mehr Demokratie und Bürger, die sich einmischen, aber schon. 
 
Und das kommt - entgegen Ihrer Annahme - doch aus der außerparlamentarischen Opposition (APO), denn sonst hätten die politischen Parteien ihre Wahlversprechen von Bürgerbeteiligung längst einlösen können. Haben sie aber nicht.....

Donnerstag, 18. August 2011

Was ist Identität? Vom Fahren und Fliegen.

Vom Fahren
Was bedeutet eigentlich europäische Identität? Mit Identität befasse ich mich ja nicht nur berufsmäßig. Ich kam drauf, als heute Morgen ein britisches Fahrzeug vor mir fuhr. Nummernschilder, das ist auf jeden Fall Identität, dachte ich. Außerdem wurde der Mini von rechts gesteuert. Das Bild brachte mich gedanklich flugs wieder in die Highlands von Schottland, aus denen ich gerade mit Wehmut im Herzen abgereist war. Mama mia, waren die Straßen da gut beschildert. Autofahren ist in Schottland wie Lesen. Alle dreißig Meter gibt´s ein Schild, das einem genau erklärt, wie die Zukunft der Straße aussehen wird - und was die beste Fahrweise wäre: Slow down now - um nur ein Beispiel zu nennen.

 Offensichtlich halten sich da auch alle dran: So oft wurde ich kaum auf deutschen Straßen mit einem freundlichen Handheben begrüßt und bedankt, wie in den grün-blauen Bergen dort. Jeder Passing Place wurde zum Nachbarschaftsevent. Nach der vierten Begegnung nahm das Routine an und ich sprach sogar mit dem Menschen im Auto gegenüber "thank you, have a save journey" - obwohl der mich ja gar nicht hören konnte. Aber ich fand es ungemein viel freundlicher, wenn ich zur Geste auch was sagte. Very scottish, fand ich. Ich ordne ab jetzt instinktiv hinzu, scottisch = friendly. Dann aber hatte ich die Bilder der "London Riots" im Kopf. Krawalle, Plünderungen. Was also ist wahr vom Bild?


Vom Fliegen
Meine europäischen Beobachtungen änderten sich jäh auf dem Rückflug. Im Zubringerbus war schon eine komplette Handballmannschaft aus der französischen Provinz geladen. Konnte ich an den Profi-Hallenschuhen erkennen und an dem Corporate Identitiy der T-shirts. Die Jungs im Alter rund um die achtzehn Jahre jung. Ein buntes Mixtum aus allem. Die waren schon mal fünf Minuten zu spät zum Einchecken gekommen, nahmen die Schelte des Bordpersonals mit einem Achselzucken zur Kenntnis und luden gleich im Bus ihr elektronisches Spielzeug aus den Taschen: PSP, DS, einer sogar in pink mit einer kleinen Katze drauf - was dem Nutzer den derben Spott seiner Mitsportler einbrachte. Selbst ich musste lachen.Wir flogen übrigens in einer so kleinen Maschine, dass ich beim Näherfahren mit dem Bus aufs Rollfeld erst dachte, da hat einer sein Legoflugzeug auf dem Asphalt vergessen. Aber nein, die Gangway war schon ausgeklappt und lud uns zum Boarding ein. Mir war echt schlecht.

Dann wurde es ernst und die Legomaschine hob in Echtzeit vom Boden ab. Habe ich nicht wirklich gesehen, sondern nur gefühlt, denn meine Mütze hatte ich vorsorglich gleich über die Augen gezogen. Schnell waren die Wolken überflogen und ich wagte einen Blick...

Ansonsten hielt mich die zu spät gekommene Mannschaft in Atem oder besser ließ mich außer Atem kommen. Den jungen Herren war es schnurz, dass die Anzeige "Anschnallen" aufleuchtete, als die Turbulenzen ein paar Mal echt heftig wurden. Sie turnten munter durch die Gänge, von einem Sitz auf den anderen. Der Flieger war spärlich besetzt, Linienflug und wer nutzt den schon um diese Zeit, wo das Abendprogramm schon läuft? Die Betreuer der Sportler sagten nichts. Sahen nichts und blätterten gelassen in einem Sportmagazin. Mir schwoll der Hals. Auf den Lippen hatte ich schon meine französischen Schimpfworte, reichlich im Vorrat. Noch ganz leise. Wollten die hier so rumturnen und das Ding zum Absturz bringen? Ist das etwa französisches "Savoir vivre", also die Kunst, gut zu leben? Die Flugbegleiterinnen trauten sich dann auch mal, was zu sagen. Leider waren die blond (und aus Österreich) und von ernst nehmen bei den Herren keine Spur.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Damen verstanden haben, was die Testosteronis ihnen nachsagten. Vielleicht waren sie einfach nur gut geschult und cool. Dann sprach der Pilot aus dem Off und erklärte, wir befänden uns schon auf dem Landeanflug kurz vor Hannover. Hoffnung keimte auf, aus diesem lächerlichen Spielzeug heile raus zu kommen.

Vom Meckern
Die Bordstimme sagte nun an, die elektronischen Geräte und vor allem die Handys auszuschalten. Keine Reaktion bei der spielfreudigen Tastengeneration, die munter ihre Games weiterspielten. Einzelansprache der Blondinen im Doppelpack "Please swich off jour handy". Gelangweilte Gesichter. Die Maschine setzte zum Sturzflug an. Die Jungs gamten weiter. Die Stewardessen mussten jetzt schon schreien. Keine Reaktion. Vielleicht lag es am Englisch? Dann landete der Flieger. Mit neuem Mut drehte ich mich um und ließ meine gesammte französische Wortarmada auf die Handballercrew hinter mir herabregnen. Die Insassen der Reihen 15 bis 18 hoben auf der Stelle den Kopf und schauten mich völlig entsetzt an. Und machten endlich die Geräte aus. Zu spät, wir waren ja schon gelandet. In Hochform spielte ich die deutsche Gouvernante und ließ die Jungen stramm stehen und zog ihnen die Ohren lang. Fräulein Rottenmeier bei Heidi hätte sicher ihren Spaß gehabt. War das etwa typisch deutsch?

Ich kam mir ziemlich alt vor. Da war ich über halb Europa geflogen, fand gerade noch die schottische Gelassenheit und Freundlichkeit gut und jetzt führte ich mich als typisch meckrige Deutsche vor einer Gruppe französischer Jugendlicher auf. So viel also zur Frage von Identität. Oder ist vieles nur eine Frage des Alters? Und die Jugendlichen gleichen sich immer mehr an in ihrem Aufbegehren und Brechen der Konventionen, die wir und die Generation vor uns ihnen aufgebürdet haben? Clischees und Stereotypen finden sich immer und überall. Nur gut, dass man sich dabei auch selbst beobachtet und auf die Schüppe nehmen kann. Die Frage, was europäische Identität ausmacht, kann ich aber immer noch nicht beantworten. 


Mittwoch, 17. August 2011

Wer seine Bürger liebt, macht die Straßen sicher..... ?!

In den letzten Tagen war ich in einem Land mit karierten Teppichen:



Schon am ersten Abend gab es Haggis, bagpipe, Kilt und Traditionelles. Seine Bürger hat das Land ganz enorm lieb, will man meinen. In diesem Land der Trolle und Berge gibt es keine einzige Straße, auf der einem nicht harklein erklärt wird, wie man fahren sollte: Slow now, Blind Summit, Stand - Look - Listen, Please drive left. Nach rund 23 Stunden Linksverkehr muss man nur noch lesen und fühlt sich wie in Abrahams Schoß. Diese Reglementierung allerdings steht in krassem Widerspruch zu dem, was einen Breitengrad tiefer im Land an Feuer und Krawall ausgebrochen ist. 

Fühlt man sich auf der einen Seite sicher, drängt sich schnell die Frage auf, was passiert eigentlich, wenn man sich nicht an die vielen Regeln hält?

Samstag, 6. August 2011

Freitag, 5. August 2011

Rätselhafter Wildwuchs

Tückische Krankheit in Gütersloh ausgebrochen: 
                                                 Rätselhafte Rüssel erwachsen aus Häuserfassaden.
 
         

Donnerstag, 4. August 2011

Konversion - bitte nicht ohne die Bürgerschaft!

Zur Zeit lese ich den Konversionsbericht der Stadt Gütersloh. Es geht um die "Nachnutzung" der militärischen Einrichtungen nach Abzug der Briten. Spannend - weil bald Realität. Da wird unsere gesamte Stadt umgewälzt. 

Immerhin hat die Stadt zwei riesige Stützpunkte sowie zivile Infrastruktur über das gesamte Stadtgebiet verstreut: Wohngebiete, Kindergärten, Schulen. Altlasten, Flughafen, Flächennutzung. Die Diskussion hat bereits angefangen. Allerdings nicht öffentlich. 

Mal wieder Zaungast: der Bürger
Öffentliche Beteiligung fehlt
Mein Blickpunkt ist natürlich der der Bürgerbeteiligung. Die ist nicht vorgesehen. Gesprochen wird lediglich von der Information am Ende des Prozesses, siehe Verwaltungsvorlage im Hauptausschuss vom 4.7.2011 (DS 255/2011). Und dabei spricht die Verwaltung im Sinne des Projektpartner NRW.urban von einem Fokus auf "Transparenz, Partnerschaftlichkeit, Verdichtung von Idee sowie Sachwissen kombiniert mit einem offenen Austausch".
Auf der Homepage heißt es: "NRW.URBAN bereitet Stadtentwicklungsprojekte vor, begleitet und steuert die Umsetzung der notwendigen Baumaßnahmen – immer mit dem Blick fürs Ganze und zum Wohle der Menschen, die in den Städten und Gemeinden leben." Die Werkstattverfahren zur Beteiligung sind leider bisher nur für Politik, Verwaltung und "regionale Partner" vorgesehen. 

Antrag erarbeitet
Wir haben also einen Antrag erarbeitet, der Teilhabe ermöglicht. Er wird dieser Tage in der Verwaltung eingehen. Wo sonst sollte Beteiligung stattfinden,  wenn nicht bei solch einem fundamentalen Umwandlungsprozess?

Mittwoch, 3. August 2011

"Frag Deine Stadt" - freier Informationszugang ?!

Seit Montag gibt es das Portal "Frag den Staat".  Betreiber ist die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. . Ziel des Portals ist es, zu einer zentralen Sammelstelle für Anfragen an Bundesministerien und -behörden im Internet zu werden. 

Aktenschränke -  oft geschlossen
Vielen Bürgern sind die Möglichkeiten und Wege der Gesetze, nach denen Akteneinsicht beantragt werden kann, nicht bekannt. Die Hürde, eine Anfrage zu stellen ist sehr hoch. Und die Aktenschränke der öffentlichen Verwaltungen sind nicht gerade gläsern oder offen. Mit der neuen Plattform können nun Anfragen erleichtert gestellt werden - und Antworten werden direkt und transparent an gleicher Stelle veröffentlicht. Somit hat die gesamte Öffentlichkeit Zugang zu Informationen. 

Ohne einen geregelten Zugang zu Informationen, funktioniert Demokratie nur halbherzig. Wir erleben das in allen Bereichen, ob im Bund, Land oder in der Kommune.

Zugang verschafft das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Es ist ein Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, ein deutsches Gesetz zur Informationsfreiheit und seit dem 1. Januar 2006 in Kraft. Man glaubt es kaum.

Auch einige Bundesländer haben ein solches eingerichtet. In NRW gilt das Informationsgesetz seit dem 1. Januar 2002.

Fragen und Infos in der eigenen Stadt 
Für die kommunale Ebene hatte ich in Gütersloh bereits den Bürgerantrag gestellt, eine eigene kommunale Satzung zu erlassen, wie der Zugang zu Informationen geregelt ist - und was das kosten würde. (Wisse, der Teufel steckt im Detail.)

Die Satzung wurde vom Hauptausschuss (5.7.2010) abgelehnt. Die Verwaltung hat jedoch nach Änderungsantrag meiner Anfrage durch die Grünen und die BfGT folgendes erarbeitet: 

In der Ratssitzung vom 24.09.2010 wurde das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt, auf der Seite der Stadt Gütersloh zu finden:

"Die Informationen werden Ihnen möglichst unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Antragstellung zugänglich gemacht.
Bei allem Bemühen um Offenheit und Transparenz des Verwaltungshandelns, kann das Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen nicht uneingeschränkt gelten. Grenzen werden gesetzt, wo beispielsweise Datenschutzrechte Dritter oder Belange der inneren Sicherheit tangiert werden. Das müssen Sie beachten: 
der Antrag kann schriftlich, mündlich oder in elektronischer Form gestellt werden 
der Antrag muss bestimmt sein und erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist."

Danach sind mündliche oder einfache schriftliche Auskünfte sowie Akteneinsicht in einfachen Fällen gebührenfrei, ansonsten sind nach Landesrecht Gebühren zu erheben.

Wie wäre es mit einem eigenen Internetportal auf der Seite der Stadt Gütersloh, nämlich:
 "Frag Deine Stadt" - dies nach dem Vorbild von "Frag den Staat"?  


Das Bücherregal ist weg... der Himmel öffnet sich

Ich habe aufgeräumt. Das Bücherregal der alten Aufmachung ist im Archiv verschwunden. Der Himmel ist jetzt blau. Hatte mal Lust auf Veränderung.

 
Die Inhalte ändern sich aber nicht. Es bleibt bei einem bunten Mix aus: Politik, Seemannsgarn, Glossen, Kommunales, Freches.


Montag, 1. August 2011

Politik führt zum Handeln....

Segeln mit dem Wind
Die einen wollen mit dem Wind, die anderen gegen den Wind. Der Weg zur Mehrheitsbeschaffung in der Politik muss sich ändern. Dazu bedarf es verbindlicher Verfahren, die die Bürgerschaft frühzeitig in die Entstehung solcher Prozesse einbinden. Stuttgart 21 ist eine Sinnbild für diese "verfahrenen" Bastaentscheidungen, die bisher als "alternativlos" dargestellt wurden. Ein nächstes solches Projekt könnte der Tunnel von Fehmarn werden. Oder ein anderes Großrpojekt in Deutschland. Schon zeigen sich erste Aktionen etwa beim Fracking von Gas im Münsterland und in OWL..... Entscheidungen mit wenig Transparenz von wenigen gefällt - mit großen Auswirkungen auf viele.

Eine Möglichkeit der Verständigung auf ein solches Beteiligungsverfahren ist die Dienelsche Planungszelle: Eine Anzahl Menschen aus einer (Stadt, Region..) werden per Zufallsverfahren aus der Einwohnerliste ausgewählt, finden sich zu einem (Problem) Thema zusammen und erarbeiten ein "Bürgergutachten". Dieses geht als Empfehlung an die Politik. Natürlich entscheidet auch hier am Ende die repräsentative Politik - es sei denn, es gibt einen bindenden Vorabentscheid, dass sich die Politiker am Ende des Verfahrens an die Empfehlung der Planungszelle halten.....

Politik führt zur Handlung, heißt es. Das ist im besten Fall auch Sinn der Politik. Also steht am Ende eines Meinungsbildungsprozesses etwas Reales. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Legitimation: entscheiden nur die Gewählten und gibt es danach massiven Protest, ist auch im repräsentativen System die Legitimation auf tönerne Füße gestellt. Wenn Politik zum Realen und damit zur Veränderung führen soll, was ist dann so dramatisch daran, wenn viele an diesem Meinungsbildungsprozess beteiligt werden? Beteiligung dauert dann zwar, hält aber länger....