Ich war in Timmendorf. Am Strand. Da gibt es einen eigenen Pavillion mit Buddhas in allen Größen und Fabrikaten. Natürlich habe ich mir einen gekauft. Einen Kleinen nur. Neben mir an der Kasse stand eine junge Frau, na sagen wir mal, doch eher mittelalt, vielleicht Ende vierzig. Die kaufte auch einen. Gleich eine ganze Buddha-Statue. Goldfarben. Das Ding war mindestens siebzig Zentimeter groß. Und nicht billig.
Die Verkäuferin stülpte dem gekauften Götzen einen schwarzen Samtsack über, damit kein Schaden dran kam. Wie bei meinem auch. Dann gingen wir Einkäuferinnen im Kaufrausch der Erleuchtung gleichzeitig durch den Eingang Richtung Strand aus dem Laden. Ist schon irre: Zehn Meter und es fangen die Dünen an - ein Gefühl als würde man mit zwei Schritten aus Thailand an die Ostsee gelangen.
Die junge Frau steuerte auf eine Bank an der Promenade zu. Darauf saßen schon zwei Menschen: ein mittelalter Herr mit grauen Locken - und eine alte Dame, blondiert und toupiert, runzeliges Gesicht, aber gut gekleidet und mit würdevollem Gestus, sicher weit über siebzig. Sie war so klein, dass ihre Beine kurz über dem Boden baumelten. Die stolze Besitzerin des goldenen Buddha ließ sich zu den beiden auf die Holzbank fallen. Und stellte ihre Errungenschaft vor: "Schau mal, Schatz, habe ich gerade gekauft. Ist doch ganz großartig. So einen habe ich mir immer schon gewünscht." Sie zog den schwarzen Überzug ab wie bei der Einweihung eines Denkmals. Ich schlenderte langsam weiter.
"Oh nein, nicht noch einen", kam die Antwort von ihrem offensichtlich Angetrauten, der die Hände hochwarf.
"Wieso, ich habe noch keinen in goldfarben", verteidigte sie sich.
der Dritte im Bunde |
"Was hast Du denn da gekauft?", schaltete sich jetzt die Dame ein.
"Ein Buddha, hast Du doch schon mal in unserer Wohnung gesehen, Omi", nun leicht gereizt die Jüngere.
"Nein, so was stellt man sich doch nicht in die Wohnung. Ihr seid doch getauft. Das ist ein Heide", so die Ältere.
"Blödsinn, Mutter. Darum geht es doch gar nicht. Wir haben keinen Platz für noch so´ne Figur", blieb nun er bei seinem Standpunkt. Das war also schon mal geklärt, er war der Sohn.
Mittlerweile stand Buddha auf der Bank zwischen der jüngeren Frau und ihrem Mann. Wie der magische Dritte. Die alte Dame rückte ein Stück weiter von den Dreien ab. Ihr schien diese Nähe zu einem Heiden nicht zu passen.
Die Szenerie war so spannend, dass ich mich auf die Ballustrade gegenüber setzte und so tat als schriebe ich etwas in meinem Blackberry. Aber ich wollte nur zuhören, wie sollte das enden, fragte ich mich.
"Nein, damit will ich nichts zu tun haben. So ein Götzenbild. Nehmen wir den etwa mit?" verzog die Omi ihr Gesicht und wich noch ein Stück weiter zur Seite. Jetzt bekam ich Angst, sie würde von der Bank rutschen.
"Klar nehmen wir den mit. Den habe ich gerade gekauft, der war nicht billig", konterte die Ehefrau. "Und Du hast gar nichts zu sagen, Omi", setzte sie fort, jetzt richtig schnippisch.
"Hör mal, so kannst Du nicht mit Mutter sprechen", schalt sie ihr Mann. "Mutter, sei jetzt ruhig, natürlich nehmen wir den mit, sie hat ihn doch gekauft", ermahnte nun er seine Mutter.
"Nein. Auf keinen Fall setze ich mich in ein Auto, in dem der mitfährt. Dann müsst ihr morgen ohne mich nach Hause fahren. So ein Götze im Auto bringt Unglück", machte sie ihren Standpunkt klar.
"Bitte? Ich glaube, du spinnst. Der Buddha fährt mit. Du kannst ja hier bleiben", sagte sie und sprang nun sehr erregt auf...
Mittlerweile war nicht nur ich Zeugin dieser, na ich will es mal Auseinandersetzung nennen. Es hatten sich schon einige Zuschauer und Zuhörer sehr tacktvoll aber mit deutlichem Interesse um die drei gruppiert. Ich sah mehrere schmunzelnde Gesichter und verdrehte Augen. Nicht nur ich verfolgte das Gespräch mit großem Spaß.
Die jüngere Frau setzte sich nicht wieder hin. Sie nahm ihren neuen Erleuchteten, stopfte den schwarzen Sack wieder über ihn und machte sich wutschnaubend auf den Weg. Während ihr Mann auch aufsprang und hinter ihr herlief, blieb die Omi-Mutter wie selbstverständlich auf der Holzbank sitzen und schien ungerührt.
Ich bin dann auch weitergegangen. Der Vorhang war gefallen. Dieses skurile Stück schien nur einen Akt zu haben. Dachte ich.
Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Zug zurück nach Hamburg. Und wer saß in der Regionalbahn bereits am Fenster als ich einstieg?
Ja, die junge Frau. Allein. Vor ihr ein kleiner Handkoffer. Und neben ihr: Buddha. Immer noch mit dem schwarzen Sack über der Statur. Aber ich wusste ja, wer darunter steckte.
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