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Montag, 28. Februar 2011

Versteckspiel in der Rechenschaftsphase beim Bürgerhaushalt

Es ist sehr still geworden um den Bürgerhaushalt in Gütersloh. Warum nur?

Mit der Einbringung von Vorschlägen des Bürgerhaushalts in die Fachausschüsse hat jetzt die Phase der Rechenschaft begonnen, die mit dem Ratsbeschluss über den Haushalt - voraussichtlich am 25. März – endet - so steht es auf der Homepage der Stadt zum Bürgerhaushalt Gütersloh.

Die Phase der "Rechenschaft" bedeutet nichts Anderes als das, was bisher in den politischen Gremien zu dieser Zeit diskutiert wird: die Vorschläge zur Haushaltsgestaltung 2011. Nur dass diesmal eben nicht allein die Vorschläge der Verwaltung und der Politik eingebracht werden - sondern auch die der Bürgerschaft. Die 30 Favoriten aus der Summe der Vorschläge des Bürgerhaushaltes stehen zur Disposition. Hier findet sich zur Erinnerung die Liste der Top 30 zum Nachschlagen.

Genau jetzt, wo eigentlich "Butter bei die Fische" kommen müsste, ist eher das "Versteckspiel" Programm.
Zwei Punkte möchte ich herausgreifen:

Punkt 1: Die Verwaltung
Die Verwaltungsvorlagen als Stellungnahmen zu den Vorschlägen stehen zwar im Netz, sehr transparent, zum download und mit den verwaltungsrelevanten Stellungnahmen zu den jeweiligen Positionen. Aber: Oftmals lässt sich ablesen, dass die Vorschläge aus der Bürgerschaft schon Dinge berühren, die bereits in den Ausschüssen diskutiert und durch bindende Beschlüsse zum Abschluss gebracht worden sind. Oder aber es wird auf die Beschlüsse der Haushaltskonsolidierungsvorschläge der Beratungsfirma Rödl & Partner hingewiesen, die über 2011 hinausreichen und damit unverrückbar Bestand haben. Das war ein Punkt, den auch wir als Initiative angesprochen haben, in wieweit der Handlungsspielraum überhaupt gegeben war. Bewegt sich nun also nichts, steht am Ende das gefürchtete Frustrationserlebnis für die Bürgerschaft, die schließlich das Gefühl haben: "Es hat nichts gebracht - ändert sich eh nichts." Der Eindruck verhärtet sich, wenn am Ende der Verwaltungsvorlage zum Teilhaushalt Bildung etwa steht:
"Aufgrund der vorausstehenden Ausführungen ergibt sich für die Verwaltung akutell keinen Handlungsbedarf."
Das ist ein Killersatz für jede Art von bürgerschaftlicher Einmischung.

Nun mögen die Einwände der Verwaltung gegen die Vorschläge berechtigt sein, wie etwa die Frage nach den Hausmeisterstellen (jede Schule einen Hausmeister) oder aber die nach den geregelten Mahlzeiten in der Schule, die die Stadt mehr als 8 Mio. Euro kosten würde. Allerdings zeigt sich, dass hier verstärkt Erklärungsbedarf besteht und den Bürgern offensichtlich Probleme auf den Nägeln brennen, die nicht ausreichend diskutiert und nachvollziehbar zum Abschluss gebracht worden sind. Man darf sich schon fragen, wieviel Euros uns die gute Ernährung von Kindern im Ganztagsbetrieb der Schulen wert ist. Eine solche Diskussion um Grundsätzliches muss am Ende auch nachvollziehbar ankommen, dann kann das Ergebnis akzeptiert werden - oder eben nicht.

Punkt 2: Die Politik der im Rat vertretenen Fraktionen
Während die Verwaltung ihre Stellungnahme im Netz ablichtet, werden die Diskussionsstränge in der 
Politik nicht transparent. Streng genommen müssten die Protokolle aus den Gremiensitzungen ebenfalls umgehend veröffentlicht werden. Schon aus dem Eigeninteresse der Politik heraus. Auf der Bürgerhaushalts-plattform findet sich dazu aber überhaupt nichts.
Um den politischen Diskurs über die Vorschläge also nachvollziehbar zu machen, müssten sich die Bürger nun selbst in die Ausschüsse begeben, oder aber auf die Homepages der politischen Parteien und Fraktionen klicken, um hier Informationen über die politische Position zu den Vorschlägen zu bekommen. Auffallend ist hier allerdings wiederum, dass selbst auf den eigenen Informationskanälen der Parteien so gut wie nichts zur politischen Diskussion der Bürgervorschläge zu finden ist (geschweige denn zu möglichen eigenen Vorschlägen). Allenfalls die eine oder andere sehr magere Pressemitteilung lässt erkennen, wie sich die Fraktionen positionieren. Da ist die SPD-Fraktion neben der BfGT noch herausragend- sie stehen auch im Wort, denn der weitestgehende Antrag zum Bürgerhaushalt stammt aus ihrer Feder. Die übrigen Beiträge der Ratsbeteiligten allerdings reichen für die Akzeptanz in der Entscheidungsfindung für die Longlist von 30 Vorschlägen aber nicht aus.

Das erstaunt: Am Anfang des Prozesses zum Bürgerhaushalt waren sich schließlich alle Fraktionen einig, hier größtmögliche Transparenz herstellen zu wollen - sonst hätte man das Format auch lassen können. Und allen Fraktionen war klar, dass Beteiligung von Information und Interaktion lebt. Die fehlt nun bisher leider. Also doch ein politisches Versteckspiel?

Die Phase der Rechenschaft ist nun noch nicht ganz vorbei. Man darf ja noch einen Showdown in den letzten Tagen vor der Verabschiedung des Haushaltes erhoffen. Dann ist die Arbeit in den Gremien zwar schon gelaufen, aber am Ende findet sich die Longlist der Top 30 auch im Rat wieder. Da erhoffe ich mir zumindest ein paar zusätzliche Worte der Erklärung, warum und wieso wie entschieden wurde.

Oder war der Bürgerhaushalt etwa gleich mit dem Faktor "death dating" gestrickt: Will heißen, am Ende war das Sterben des Formates Bürgerhaushalt schon vordatiert und geplant?
 

Politikmüde Jugendliche? Eher nicht.




Spannendes Interview zur Frage "Sind Jugendliche politikverdrossen?"

Dr. Marc Calmbach, Sinus Institut Berlin erklärt, Jugendliche hätten heute keine Biografie mehr vor sich, die am Reißbrett entworfen werden kann. Zu viele Brüche, zu viel Unkalkulierbares. Die Identitätsarbeit liegt vermehrt in den Händen der Jugendlichen selbst, sagt er. Ein Faktor für den Politikverdruss ist seiner Auffassung nach die Entfremdung der Parteipolitik vom Volk. Zudem seien jugendliche Themen heute anders gelagert, es fehle daher eine moderen Form der Angebote. Interesse an gesellschaftspolitischen Fragestellungen sei auf jeden Fall vorhanden, nur nicht mehr in der Vermittlungsstrategie, wie sie in den letzten Jahren der Politikvermittlung ausreichten. Heute sind flexiblere Strukturen und Prozesse gefragt, die ein kurzfristigeres und auch spontaneres Mitwirken ermöglichen.

Mehr dazu im Interview.

In seinem Vortrag erklärte Calmbach übrigens auch, dass etwa die Frage nach "Kennst Du den Ministerpräsidenten von soundso oder kennst du den Fraktionsvorsitzenden von YX?", für Jugendliche nicht so wichtig sei, sondern eher die Inhalte und die konkreten Lösungsstrategien. Legt man also diese alten Strukturen und Herangehensweisen des Politikverständnisses als Grundlage zur Erhebung, ob Jugendliche politikmüde sind, kann die Antwort darauf nur eine Schieflage sein. Allein der Fragenkatalog spiegele ja schon die alte Denke wieder.

Da muss sich die Erwachsenenwelt in der Politik auch nicht die Nase rümpfen, sondern vielleicht einfach mehr hinhören - und Möglichkeiten schaffen. Oder aber die Jugendlichen suchen sich ihre eigenen Kanäle zur politischen Meinungsbildung. Wie heißt noch der Spruch des Bundespräsidenten Wulff auf seiner Reise in die arabische Welt? "Wer sich nicht verändert, wird verändert." Hier sind es auch die Jungen, die den Aufbruch ermöglicht haben. Und Politik fängt vor der Haustür an.

Sonntag, 27. Februar 2011

Die Bildungsverlierer - wie lange denn noch?

Heute fand ich einen sehr interessanten Bildungsblog, der mich sehr nachdenklich gestimmt hat.
Der Autor, Damian Duchamps, schreibt unter dem Titel "Die Bildungsverlierer":
"Nachdem ich heute das sehr interessante ZDF Interview mit Christian Füller las, musste ich mich auch des Themas annehmen. Worüber ich hier schreibe, ist nicht neu. Ich möchte allerdings einfach einmal aus meinem Erleben plastisch machen, was man sonst so allgemein beschreibt, wenn es um die Bildungsverlierer geht. Zu denen zähle ich nicht nur die Kinder, die am Ende ihrer Schulzeit ein Lesevermögen auf Grundschulniveau haben, sondern den Großteil der Kinder, die heute eine Hauptschule besuchen."

Mehr dazu im Original:
http://damianduchamps.wordpress.com/2011/02/27/die-bildungsverlierer/#comment-168

Er greift einen für mich sehr wichtigen Punkt auf: Die Grundschulen in unserem Land sind heute die mordernsten, die man sich vorstellen kann. Und deutlich wird: Sie betreiben Grundlagenarbeit. Was hier versäumt wird, entspannt später Größe. Was hier entschieden wird, ist richtungsweisend auf lange Zeit. Die Sortierung nach der vierten Grundschulklasse bestimmt bekanntlich die Zukunft. Bis auf ein paar Ausnahmen vielleicht, aber das Gros der Kinder ist damit "kategorisiert". Da stellt sich also immer wieder die Frage nach der Qualität von Grundschulen. Und nach dem verantwortungsvollen Umgang damit.

Das gilt für alle Kommunen. In den letzten Monaten durften wir auch hier in der Region erleben, wie der Kampf um die Grundschulen entbrannt ist: In Bielefeld etwa, teilweise auch in Gütersloh. Immerhin sind die ersten Grundschulen geschlossen worden, womit das Spotlight auf dieser Grundlagenschulform ruht.

Nun fehlen aber die Konzepte für die Zukunft. Meines Erachtens nach auch für Gütersloh. Erstmalig soll diese Problematik ein Bestandteil des Bildungsgipfels der Stadt werden. Da darf man gespannt sein, was dabei für die Zukunft herauskommt. Nicht Weniger als die Weiterentwicklung des Schulentwicklungsplanes steht dabei auf der Tagesordnung. Hoffentlich ist allen klar, dass hinter jeder Zahl eine eigene bunte Schultüte steht und ein Kind, welches sich erstmal auf den neuen Schritt in die Schule freut.

Leider stehen da aber auch jetzt schon wieder viele Fragen auf der Tagesordnung, für die es (immer) noch keine Antworten gibt: Wie begegnet man der unterschiedlichen Klassenstärke in den Eingangsklassen für das Schuljahr 2011/12? Die Einen landen in Klassen mit 16 Schülern, die Anderen versinken in einem Klassenverband mit 30 Kindern. Da ist noch keine Lösung in Sicht. Aber es betrifft wieder einen gesamten Jahrgang Kinder. Später kann kein einziges Kind sein mögliches Leiden rechtfertigen, man sei ja in einem riesen Klassenverband gelandet, mit dem ganzen Spektrum an Kinderpotenzial und -problematik, wie es unsere Gesellschaft heute aufweist.

Also nochmal: Wo ist die Diskussion über neue Zügigkeiten? Wo die Diskussion über alternative Teilungskonzepte - und Stellen? Wieso haben so wenig Kollegen Lust, eine Schule zu leiten? (47 Stellen in OWL unbesetzt, GT inklusive) Wann folgt die politische Diskussion nebst Lösungsstrategie? Ich sehe noch keine. Und grusele mich vor den Folgen, wie sie Herr Duchamps in seinem Beitrag beschreibt.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Beteiligungssehnsucht wächst

Heute einmal ein paar interessante Artikel zum Thema "Bürgerbeteiligung". Weil ja bekanntlich der
Prophet im eigenen Land nichts wert ist:

Die Bewohner der Stadt Salzburg sollen in der Politik mitbestimmen können - Das "Salzburger Modell" könnte zum Vorzeigeprojekt für ganz Österreich werden. Am Freitag beginnen die Verhandlungen über eine stärkere Einbeziehung der Bewohner der Landeshauptstadt.

Fundstück in der Taz: "Ampeln abschalten, Heizung auf null"

Wo die Politik nicht mehr weiter weiß, sind die Bürger gefragt. Die Stadt Bonn suchte nach Einsparpotenzialen im Haushalt und befragt Bürger. Die sagen: Nicht in der Kultur.


Auf der Homepage des Deutschen Bundestages findet sich folgender Hinweis: "Um die Öffentlichkeit stärker als bisher an der Arbeit der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" zu beteiligen, soll eine Online-Arbeitsgruppe die Einführung des Beteiligungssystems Adhocracy vorbereiten. Diesen Beschluss hat die Enquete-Kommission am Montag, 21. Februar 2011, mit den Stimmen von Unions-, SPD- und FDP-Fraktion gefasst. Linke und Grüne enthielten sich bei der Abstimmung. Sie forderten, Adhocracy direkt einzusetzen und nicht erst eine Arbeitsgruppe mit dem Thema zu beauftragen."

Dienstag, 22. Februar 2011

Information ist das halbe Leben, Teil 2: Die Parteien im Rat

Information ist das halbe Leben. Teil 2:

Ausgangspunkt in Teil 1 war ja die These: Die Bürger sind nicht politikverdrossen. Sie vermessen den politischen Raum neu und überlassen diesen nicht mehr nur den Gewählten. Dazu braucht es Informationen.

Schauen wir heute einmal auf die Informationsvermittlung durch die Parteien. In Artikel 21 (1) im Grundgesetz heißt es, Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit. Und auch: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Artikel 20 (2) GG). Demnach wird der Bürger nun alle fünf (!) Jahre in der Kommune zu einem Votum an die Wahlurne gebeten. Ein Bürger, eine Stimme - also eine für den Rat, eine für den Kreistag. Die Bürgermeister und Landräte werden seit kurzem von der Kommunalwahl entkoppelt gewählt. Die eigene Wählerstimme aufspalten kann man in NRW nicht: Kumulieren und Panaschieren, wie das in anderen Bundesländern teilweise möglich ist, fehlen hier. Das heißt, die Wahlstimme ist "ganz". Ein prozentuales Abwägen analog der Parteiprogramme gibt es also nicht. Wenn der Wahlzettel in der Wahlurne verschwunden ist, ist damit streng genommen die urdemokratische Möglichkeit ausgenutzt.

Eine lebendige Demokratie aber zeichnet sich dadurch aus, dass auch zwischen den Wahlterminen eine aktive und kritische Mitwirkung an politischen Diskussionen und Entscheidungen möglich ist. Will man mitreden, braucht es mehr als nur ein Kreuzchen zu machen. Regelmäßiges Lesen der Tageszeitung etwa ist ein Weg der Information. Aber auch das Anklicken der Homepages der Parteien. Schließlich will man gerne aus erster Hand wissen, worum es geht und wie die Positionen sind: Sieben Fraktionen sind in dieser Ratsperiode im Rat der Stadt Gütersloh vertreten: CDU, SPD, Grüne, BfGT, FDP, UWG, Die Linke. Das allein ist schon eine Bandbreite an sich, die eine Herausforderung an die Orientierung stellt.

Was kann ich tun, um mich zu informieren?
  • Ich kann zur Ratssitzung und in die Ausschüsse gehen und auf der Tribüne verfolgen, wer welche Position einbringt. Dauert sehr lange, bis ich mir da ein Bild verschafft habe. Allein die vielen Grußformeln und Floskeln in den Sitzungen (Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren.. Wir danken der Verwaltung....auch meine Fraktion, ....es ist zwar schon gesagt, aber ich will nochmal von unserer Seite sagen...) einmal weggestrichen, brauche ich mehrere Sitzungstage dafür.
  • Ich kann zu den Fraktionssitzungen der einzelnen Parteien und Gruppen erscheinen - wenn sie denn öffentlich sind  - und erstmal zuhören.
  • Ich kann zu Parteiveranstaltungen marschieren, wenn sie denn stattfinden - zuhören und mitdiskutieren.
  • Ich kann zur Bürgersprechstunde der Fraktionen gehen - und Vieraugengespräche führen.
  • Ich kann das Wahlprogramm durchlesen....
Das Wahlprogramm bildet die sicherste Quelle der Information. Ist sozusagen die Keimzelle der politischen Marschroute für die kommenden fünf Jahre.Wo finde ich das? Die meisten Bürger schauen dieser Tage im Netz nach. Zwei Dinge habe ich also im Selbstversuch auf allen Parteiseiten gesucht: 1. Das Kommunal-Wahlprogramm, 2. Anträge an den Rat der Stadt Gütersloh als Dokumentation des Gestaltungswillen.

Mein erster Klick landet bei der CDU, wegen der größten Fraktionsstärke im Rat. Suche nach Punkt 1, Wahlprogramm: Vergebens. Auch mit dem Suchregister ging der Schuss ins Leere. Da finden sich zwar rot hinterlegte Wörter mit dem Begriff "Wahlprogramm". Dahinter allerdings ist: Nichts. Kein Link, kein Verweis. Gut, dass ich mir das Ding kurz vor der Wahl schon in gedruckter Form besorgt habe. Der Inhalt soll ja für fünf Jahre aussagefähig sein und Bestand haben. Welchen Grund gibt es, dieses Zeugnis der Parteipolitik aus dem öffentlich zugänglichen Netz zu nehmen? Punkt 2: Anträge an den Rat oder die Ausschüsse. Kein Treffer, keine Rubrik. Keine Dokumente, die belegen, was die Partei als Gedanken und Anregungen in den Entscheidungsprozess der Gremien einspeist. Die kommunalpolitisch reale Arbeit bleibt im Dunkeln.

Der zweite Klick gilt der SPD. Leider finde ich auch hier kein Lebenszeichen eines Wahlprogramms. Trotz beredter Suche findet sich kein roter Faden, der zur Dokumentation der künftigen politischen Ausrichtung der sozialdemokratischen Kommunalpolitik führen würde. Gleiches Erstauen an dieser Stelle wie oben. Auch die Rubrik "Anträge" fehlt. So kann ich mir nur aus den zahlreichen Pressemitteilungen zusammen"denken", was die Partei programmatisch vertritt und wie sie politisch gestaltet. Immerhin ist durch die Presse-Meldungen ein vages Bild erkennbar. Eine belastbare und messbare Grundlage für politisches Wirken ist das aber nicht.

Die FPD-Fraktion macht einen guten Eindruck: Das Parteiprogramm findet sich sehr schnell, ist sogar in der Navigationsleiste namentlich aufgelistet. Erhältlich ist es in Kurz- und auch Langversion. Bei der Rubrik "Anträge" allerdings passt die Partei. Auch hier findet sich dazu nichts. Auch hier wird verwiesen auf "Aktuelles" aus dem Rat und den Ausschüssen, wo in sehr kurzer Prosa Gremieninhalte referiert werden. Eine Dokumentation der politischen Richtung fehlt.

Die Grünen haben ihr Wahlprogramm unter der Rubrik "Ortsverband" organisiert. Das muss man wissen. Denn beim Eingeben des Suchbegriffes "Wahlprogramm" unter dem Reiter Ratsfraktion folgt erstmal nur der Hinweis "kein Treffer". Klickt man den richtigen Reiter (Ortsverband) an, taucht dann zumindest der Begriff Kommunalwahl 2009 auf, unter dem das Programm schließlich zu finden ist. Merke: Man muss sich schon ein wenig auskennen und die Struktur der Politik kennen, dann ist das Trüffeln etwas leichter. Die Rubrik "Anträge" ist vorhanden. Auch ein Archiv. Hier finden sich die politischen Ideen im Wortlaut. Politisches wird als Proaktion in der Handlung erkennbar, nicht nur als Reaktion auf Vorlagen der Verwaltung.

Die UWG, Unabhängige Wählergemeinschaft, hat kein "Parteiprogramm". Sie versteht sich ja auch nicht als Partei, sondern als Zusammenschluss von interessierten Bürgerinnen und Bürgern. "Unser Ziel ist es, in unserer Stadt eine sachorientierte und verantwortungsbewußte Bürgermitwirkung zu etablieren." - so in der Rubrik "kurz und knapp" beschrieben. Was das genau beinhaltet, finde ich nicht. Auch die Rubrik "Anträge" ist nicht vorhanden, wohl aber kurze Pressemitteilungen über die aktuellen Diskussionen in Rat- und Ausschussarbeit. 

Die BfGT stellt mit Abstand den besten Internetauftritt auf die Beine. Das Wahlprogramm ist schnell zu finden. Sogar im zeitlichen Rahmen abgesteckt, von 2009 bis 2014, als download verfügbar. Auch unter dem Stichwort "Anträge" findet sich jede Menge Information, nicht nur der Antragstext im Original, sondern auch noch mit dem Abstimmungsvermerk versehen, so dass sich schnell und übersichtlich ein Eindruck einstellt, wie leistungsstark die Fraktion sich in Rat und Ausschüssen eingebracht hat.

Die Linke bietet auf der Homepage der Fraktion ebenfalls mit zwei Klicks das Kommunalwahlprogramm für die Stadt Gütersloh zum download an, einmal in der Langfassung sowie in der Kurzfassung. Auch die Rubrik "Anträge" findet sich, sogar mit dem Abdruck des Originaltextes.

Die Auslese politischer Grundlagen und Dokumenten politischer Willensbildung ist in der Summe eher mager. Dabei ist aber gerade das eine der wichtigsten Aufgaben von Parteien und politischen Gruppierungen.

Allen Homepages gemein ist allerdings die dezidierte Auflistung des politischen Personals, also der Gewählten im Rat und in den Ausschüssen, nebst sachkundiger Bürger. Es ist gut, wenn man die Gesichter kennt und deren Funktionen herausfinden kann. Nur: Mich interessiert nicht der Kopf von außen, sondern ich will eher wissen, was denn in den Köpfen steckt. Was zeichnet die politisch Aktiven aus und für was stehen sie? Die reine Auflistung von Posten verliert sich genau da, wo die Parteien eigentlich seit langem herauswollen: In der Parteienverdrossenheit.

Es fehlt an Wegen der Information. Es fehlt an (modernen) Wegen des direkten Austausches. Es fehlt an Möglichkeiten des Interaktiven. Erstaunlich ist dieser Fakt vor dem Hintergrund, dass in den Gremiensitzungen so viele Ratsleute-Rechner auf den Tischen stehen. (Und jetzt sogar der Landtag NRW um die Erlaubnis streitet, mehr interaktive Medien auch im Plenum benutzen zu dürfen.)

Wollen die Parteien und Gruppierungen in der Stadt sich wirklich der Beteiligung öffnen und den Einbezug der Bürgerschaft nicht nur als Lippenbekenntnis stehen lassen, so bedarf es an vielen Stellen größerer Anstrengungen als bisher. Vor allem für die "etablierten" Parteien, die sich in der Mitte der Gesellschaft wähnen, die aber unterm Strich deutlich schlechter abschneiden und damit weiter weg sind vom Ziel: nämlich vom Bürger. 

Ist China nicht legal, wenn es abkupfert?

Gerade rief die Zeitung bei mir an. Die NW. Mit der Bitte um eine kurze Einschätzung.

Thema?

Was sagen Sie als promovierte Ex-Politikerin zum Vorwurf des Plagiats bei zu Guttenberg?

Meine Antwort:
Wer bescheißt, fliegt raus. Herr zu Guttenberg ist nicht erst mit der Promotion angefangen, sondern war ja schon vorher Student. Und da lernt man das Handwerk des Zitierens. Das ist ähnlich wie mit einem Handwerker in der Meisterprüfung: Das Schweißen lernt jeder in der Ausbildung. Da kann ich bei der Meisterprüfung später nicht Pfusch beim Lötmittel betreiben und erklären, das sei ein Versehen.

Und: Herr zu Guttenberg steht als Wissenschaftler zur Diskussion. Als solcher hat er wohl geschummelt.
Sein Ruf als Wissenschaftler ist damit hin. Was das für Auswirkungen auf den politischen Status hat, dürfen
gerne andere diskutieren. Meine ungute Ahnung ist eh die, dass er das Werk vielleicht gar nicht selbst geschrieben hat, bei den vielen Terminen.

Nur: Gibt es nun eine Lex zu Guttenberg, d.h. bei ihm wird eine Ausnahme gemacht und er behält seine akademischen Weihen, dann öffnet das Tor und Tür für jede Art von "copy and paste" der Generation Internet. Wer soll sich dann noch an Regeln halten? Gilt das Recht dann nicht für alle?

Zudem brauchen wir nach so einem Dammbruch auch keine Autorennennungen auf Büchern mehr. Ich könnte also aus dem Harry Potter abschreiben und das Plagiat als mein Werk ausgeben. Die Diskussion hatten wir ja gerade bei "Axolotl Roadkill" und Helene Hegemann. Sie erinnern sich?

Und noch etwas: Wenn demnächst die Kanzlerin Frau Merkel nach China reist und den Kollegen dort ordentlich auf die Finger klopft, China sei "böse", weil es die deutschen Produkte stumpf und räuberisch kopiert und unter dem chinesischen Label verkauft, hat diese moralische Kritik streng genommen keine Berechtigung mehr. Dann ist Kopieren legal und sanktionslos in die Geschichte eingeführt. In der Wissensgesellschaft von heute steht nicht weniger als die Debatte darüber auf dem Plan, was geistiges Eigentum heute eigentlich wert ist.

Nun bin ich gespannt, was die übrigen promovierten Mitstreiter meiner Heimatstadt dazu sagen. Kann ich ja morgen in der Zeitung lesen.

Montag, 21. Februar 2011

Wer ist Wim Wenders?

Sind Sie schon mal mit Wim Wenders Zug gefahren? Nein? Ich schon. Gestern.

Aber am Anfang befanden wir uns noch am Hauptbahnhof in Berlin. Das Berlinale-Wochende war beendet und noch 60 Sekunden lagen vor uns, bis der ICE gen Westen pünktlich (!!) aufbrechen sollte. Ich wartend. Wim Wenders laufend: Ein langer, dünner Mann mit grauer Mähnenfrisur, blauer Brille, gestreifter Hose. Seine Tasche in Laufgeschwindigkeit schiebend. Ob die hechelnde kofferschiebende Dame in seinem Kometenschweif auch dazugehörte, kann ich nicht sagen. Alle Reisenden drehten den Kopf, in einer Welle des Erkennens schauten man dem Star hinterher, der Name Wim Wenders hallte von Mund zu Mund.

"Papa, wer ist Wim Wenders?", fragte ein kleines Mädchen ihren Vater.

Wim Wenders ist bekannt durch seinen Film "Himmel über Berlin" - eine Liebeserklärung an die Menschheit, heißt es in der Filmgeschichte. Die beiden Hauptfiguren (Engel) sind tot, können den Menschen aber neuen Lebensmut einflößen. Das alles war viel zu komplex als Antwort. "Der hat einen Film über Engel gemacht und übers Tanzen", so der Vater. Dann stiegen wir ein. Wenders in der 1. Klasse, ich in der 2. Das kleine Mädchen und ihr Vater gleich einen Sitz vor mir.

Knappe 30 Minuten später kam folgende Frage vom DB-Bahnbegleiter durch den Lautsprecher: "Ist ein Arzt oder eine Krankenschwester an Bord des ICE, die mögen sich bitte im Bordrestaurant melden!"
Der Kommentar unserer kleinen Mitreisenden: "Papa, jetzt kann ja der Wim Wenders kommen, wenn der so guten Kontakt zu Engeln hat."

Himmel über Berlin ist also überall.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Nebentätigkeiten - welches Lied singe ich heute?

Kennen Sie unseren Landrat, Herrn Adenauer? Adenauer. Ja. Da klingelt es doch bei den meisten weitläufig Politikinteressierten.
Der stand nun mal wieder in der Zeitung, was ja nicht verwunderlich ist, wenn einer Landrat ist. Diesmal aber galt die Notiz einer besonderen Meldung. Der Herr Landrat legt seine Nebeneinkünfte offen. Er bekommt ganz genau 26.866 Euro aus diesen Nebentätigkeiten. Auf der Seite der Kreisverwaltung ist zu lesen, dass Herr Adenauer genau 33 Nebentätigkeiten ausübt. Für 12 davon bekommt er Geld. Für 21 kriegt er nichts. Nun darf er von den 26.886 Euro fast alles behalten, bis auf 820,67 Euro. Die muss er an den Kreis Gütersloh abführen.
Nun schreibt das Korruptionsveröffentlichungsgesetz NRW diese Offenlegung vor. Ist auch löblich, dass der Landrat dem nachkommt - und etwa das Internet dazu nutzt. Es ist allerdings sehr schwer, diese Quelle überhaupt zu finden. Und zuletzt hatte er diese Zahlen nur im nichtöffentlichen Teil des Kreistages diskutiert. Eingeschränkter Fortschritt zur Transparenz also.

Nun darf man aber getrost auch einmal schlucken: 26.866 Euro aus Nebentätigkeiten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Entspricht das nicht annähernd einem Jahreseinkommen eines Durchschnittswerktätigen? Das ist aber nicht einmal der springende Punkt. Der liegt vielmehr in der Zahl 33.
Es bedarf einmal einer Aufschlüsselung der einzelnen Posten: Einige sind direkt an die Position des Landrates gekoppelt, andere eher nicht. Welcher normale Politikkonsument aber will das noch auseinander halten?

Die Frage, die ich viel spannender finde als die geldliche Zuwendung ist: Wie schafft der Mann das eigentlich alles? 33 Posten. Multitasking nennt man das wohl. Hier ein Aufsichtsratsposten des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, dort im Aufsichtsrat der Kreissparkasse Halle, Kreissparkasse Wiedenbrück. Dann ein Posten im Beirat der RWE Nord etc. Aber hat er für alle diese Posten eine Qualifikation? Oder kann man das einfach so ausüben. Da fällt mir die Frage von Precht ein: Wer bin ich und wenn ja, wieviele? Kommt man da nicht selbst in Töxel, wie wir Westfalen sagen: Auf welcher Veranstatlung bin ich jetzt eigentlich - und wessen Lied muss ich da singen?
Und die Gesundheit leidet ja: Auch für einen Landrat hat der Tag nur 24 Stunden. Was für ein Multitalent muss ich mir eigentlich vorstellen, wenn dieser Übermensch so eine Menge Holz bewegt?

Zum Vergleich können wir mal in die Richtlinien des Kreistages schauen, wie kostenintensiv etwa die ehrenamtlichen Kreistags- und Ausschussmitglieder ihr Mandat ausüben.  Hier steht eindeutig, dass es dafür "nix gibt", so die Information im Netz.  Wenn aber Auslagen entstehen, für Sachaufwand oder die Fahrtkosten zur Sitzung, oder wenn Arbeitszeit versäumt wird, erhalten die Kreistagsmitglieder entsprechend den gesetzlichen Vorschriften Entschädigungen. Etwa: Pauschal 390,90 Euro zur Abgeltung ihres zusätzlichen Sachaufwandes. Ähnliches gilt auch für die sachkundigen Bürger. Diese Einnahmen müssen zudem versteuert werden.

Ich frage mich nun eigentlich nicht mehr, warum die politische Kaste so große Nachwuchsprobleme hat (und einen so schlechten Ruf) - wo doch der Weg in Ämter mit einem gerüttelt Maß an silbernen Nebentätigkeiten viel lukrativer ist als das simple Ehrenamt.

Geht es Ihnen nicht auch so?

Dienstag, 15. Februar 2011

Bildungsumfrage - was mir gefehlt hat.....

Bildung ist ja zur Zeit das Thema an sich. Auch in der Online-Umfrage, die ganz aktuell läuft und an der sich auch die Bertelsmann Stiftung beteiligt:

http://www.bildung2011.de

Jeder ist zur Zeit aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Ist ganz einfach, dauert zwar ein paar Minuten, aber die Handhabung ist leicht. Schließlich geht es um d i e Zukunftsfrage an sich: Wie soll Bildung in Zukunft gestaltet werden? Wie kann Bildung gerechter werden? Fragen, um deren Beantwortung wir in unserer Gesellschaft nicht herumkommen.

Die für mich wichtigste Frage (nummeriert waren die leider nicht) dabei ist: Wie wichtig ist es für Sie persönlich, eine gute Bildung bzw. Ausbildung zu haben? Das Auswahlraster bieten für meinen Geschmack ein sehr buntes Bild der Beweggründe. Wählen kann der Nutzer unter:

Damit es einem besser geht als den Eltern
Damit man beruflich erfolgreich ist
Damit man persönlich zufrieden ist
Damit man sozial akzeptiert wird
Damit man möglichst gut verdient
Anderer Grund

Leider fehlt für meine Begriffe eine Kategorie, die auch unter dem Aspekt der Partizipation, also Beteiligung, gerade auch mit dem Blick auf „Integration“ nicht ganz unwichtig ist. Was ist mit dem
Punkt: Damit man überhaupt versteht, wie „das System“ funktioniert – und man die Chance hat, sich zu beteiligen? Beteiligung fängt nämlich in der Regel mit Wissen und Informationsbeschaffung an. (Ich werde ja auch nicht müde, darauf hinzuweisen, wie direkt auch das Demokratieerleben damit zusammenhängt.) Diese Rubrik hätte ich also sehr gerne angekreuzt. Habe ich aber nicht - und habe ich auch nicht dran gedacht, dies unter die Rubrik „anderer Grund“ zu schreiben. Schade. Und Eigentor. Nun werde ich aber hier ganz genau hinschauen, wenn denn die Ergebnisse vorliegen.

Die zweite Frage, bei der ich gezögert habe, war: Was trägt dazu bei, das Menschen in unserer Gesellschaft Erfolg haben? An erster Auswahlstelle steht „Glück“, gefolgt von angeborene Talente und Veranlagungen, Bildung, eigene Leistung und soziale Herkunft. Tja, da war ich doch sehr gefangen in meiner Antwort. Irgendwie hat das ja alles mit einem selbst zu tun. Ist im Prinzip ja auch richtig. Aber was ist, wenn „man“ eben von alledem nichts oder nur weniger hat: Etwa Glück. (Und vor allem, was ist das?) Und bedingen sich die Antworten nicht alle gegenseitig? 

Vielleicht ergibt die Antwort in der Alleinstellung weniger her. Es kommt auf den Kontext der Gesamtbefragung an. Und hier stimmt mich schon froh, dass ich die Chance habe, das Bildungssystem zu bewerten (wie es sich gehört, nach Schulnoten) und auch in einem freien Feld deutlich zu schreiben, was im deutschen Bildungssystem bisher schlecht läuft – und auch, was schon gut läuft. Und was leider bisher gut läuft ist u.a.: Sortieren. Der Ansatz aber muss sein: Faire Chancen. Die Grundlage für faire Chancen kann man übrigens ganz hervorragend in jeder einzelnen Kommune legen. Am besten, man fängt sofort damit an!




Samstag, 12. Februar 2011

Information ist das halbe Leben..... Teil 1: Rathaus

Meine These für heute: Die Menschen holen sich die Politik zurück. Von Politikverdrossenheit kann eigentlich keine Rede mehr sein. Allerorten kann man es sehen: Bürgerversammlungen, Diskussionsrunden, Beteiligungsformate.

Es tut sich was. Nur: Das alles findet außerhalb der Parteien statt. Und das alles findet außerhalb des Ratssaales statt.  Nun steht an erster Stelle noch weit vor allen Entscheidungen und Abstimmungen erstmal die Informationsbeschaffung der Interessierten. Informationen sind bekanntlich das halbe Leben - und Position beziehen verlangt grundlegende Kenntnisse.

Wie aber beschafft man sich Informationen? Und wie transpranet sind die? Von wegen "Information ist eine Holschuld der Bürger"...
Schauen wir uns HEUTE zunächst mal die Rats- und Ausschusssitzungen an: In Gütersloh muss der geneigte Bürger in den 8. Stock des Rathauses hinauffahren. Er landet dann durch ein kleines Gewusel an Gängen auf der Zuschauertribüne. In letzter Zeit war es sinnvoll, eine Lampe dabei zu haben, denn Licht gab es auf dem Gang keines, wohl aber jede Menge Kabel und Plastikfolie. Heile da oben angekommen (übrigens hat der Ratssaal keine Fenster - eine echte Laboratmosphäre also), kann man sich in seit Jahrzehnten bewährten, alter Tradition durch simples Zuschauen auf der Tribüne einen eigenen Eindruck über den politischen Sachstand der Stadt verschaffen. Wenn da fünf Zuhörer anwesend sind, ist das schon ein Rekord.

Ist man früh dran, hat man die Chance, die Rats- und Ausschussdrucksachen in gedruckter Form vorzufinden. Allerdings auch nur die Basisausstattung (aber ob der Dicke oft mit einem Gummiband, die ich immer gut in der Küche gebrauchen kann): Zahlen und Vorlagen, die von höherer Aktualtität sind oder später eingereicht werden, finden den Weg auf die Tribüne selten. Beispiel: Zahlen der Anmeldungen für die Grundschulen. Keine Zahlen für die Zuschauer, obwohl die Zahlen öffentlich sind.

Nun darf man ja nicht einfach dazwischen rufen, wenn unten der Ausschuss tagt - man könnte ja einen Verweis riskieren. Wie also macht ein höflicher Zuhörer sich bemerkbar, wenn man etwa auch mal auf die verteilten Zettel schauen möchte? "Hallo? Wir bitte auch?" Gibt es einen verwarnungsfreien Zwischenruf für Zuhörer in der Gemeindeordnung? Hm.

Die modernere Form der Informationsbeschaffung gelingt auch durchs Anklicken des Ratsinformations-systems auf der homepage der Stadt. Nun habe ich bestimmt mehr als 1.500 solcher Seiten angeklickt. Interessante Ergebnisse hat das gegeben. Gütersloh ist da noch recht gut aufgestellt. Aber: Nur wer halbwegs weiß, wie Kommunalpolitik systematisch aufgestellt ist, findet sich hier schnell(er) und sicher zurecht. Jemand, der die Logik der Ausschüsse nicht kennt, ist erstmal aufgeschmissen. Und: Wer Bestimmtes sucht oder politische Entscheidungen nachvollziehen möchte, braucht eines besonders: Zeit.

Es ist alles andere als einfach, hier die Informationen herauszufinden, die interessant sind - und in ihrer Aussage etwa als politische Leistungsbewertung brauchbar sind. Greifen wir uns doch mal einen Punkt heraus: Die politische Anträge der Fraktionen. Will man wissen, wer eigentlich welche Anträge im Laufe der Legislaturperiode in der Kommunalpolitik (5 Jahre) gestellt hat, der muss diese mühsam zusammensuchen. Es gibt in der Regel keine eigene Rubrik "Anträge", die etwa nach Fraktionen auflistet, wer welche Forderung gestellt hat, wer welche politische Idee oder Vorstellung in den öffentlichen Raum gegeben hat - und damit gestaltet. Die einzelnen Anträge verschwinden in den zwar öffentlichen Vorlagen (Einladungen, Anhängen): Ein Dschungel an Informationen.

Will ich also wissen, wie fleißig eigentlich die CDU war, kann ich das nur herausfinden, wenn ich alle Ausschüsse anklicke und etwa in den Vorlagen und Niederschriften nach Anträgen oder Abstimmungen suche. Schade für die Leistungsbewertung etwa kurz vor Wahlen. Da können die (alle) mir viel erzählen, was sie alles gemacht haben. Ein Nachhalten der Aussagen ist schwer bis unmöglich.
Und noch schwieriger wird es, wenn man in alle den Jahren auflisten möchte, welche Fraktion (oder Partei) welchem Antrag zugestimmt hat oder eben nicht, und wer neutral war. Mittlerweile kann man das zwar anhand der Protokolle verfolgen (die gaben bisher nur zahlenmäßige Abstimmungsverhältnisse wieder, nicht aber fraktionenbezogene Daten), aber auch hier gilt: Jeder muss selbst rechnen, wie oft welche Fraktion mit Ja oder Nein gestimmt hat. Eine Bilanzierung des Gestaltungsverhaltens ist damit Essig.

Gleiches gilt übrigens auch für Bürgeranträge oder Fragen, die im Rat gestellt wurden. Eine Rubrik für diese direkten Anliegen aus der Bürgerschaft gibt es nicht. Auch diese Anregungen verschwinden im allgemeinen Drucksachenwald. Nun könnte das Argument folgen, dass es davon nicht besonders viele gibt. Mag sein. Das kann sich allerdings schnell auch ändern, wenn die Bürger vermehrt flügge werden und ihre direktdemokratischen Rechte nach der Gemeindeordnung verstärkt einfordern. Andererseits muss man nicht abwarten, bis Kritik kommt, sondern kann aus sich heraus die Informationsbeschaffung für den Bürger noch transparenter gestalten. Die nächste Versammlung, der nächste Knackpunkt kommt bestimmt.

Wenn das Rathaus im Ratssaal nun schon (aus architektonischen Gründen ?) keine Fenster hat, so kann es ansonsten seine Anstrengungen auf dem Weg zum "gläsernen Rathaus" gerne verstärken. Die ersten Schritte - etwa mit der modernen Bürgerhaushaltsplattform - sind ja schon gelungen.

Teil 2: ....

Mittwoch, 9. Februar 2011

Von Spielregeln, Schummeln und Urdemokratie

Bürgerhaushalt in der Zwischenphase: Die Berufsfeuerwehr steht als Vorschlag auf Platz 1. Klar, dass sich nun die Gemüter an diesem Punkt abarbeiten.

Hierzu ein kurzer Bericht von Arndt Möller im WDR-Fernsehen Lokalzeit OWL, Schwerpunkt: Manipulation durch die Feuerwehr beim Bürgerhaushalt?

http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2011/02/08/lokalzeit_owl_aktuell.xml

Und hier mein Interview u.a. zu der Frage: War das demokratisch, wie sich die Feuerwehr-Crew verhalten hat?
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2011/02/08/lokalzeit_owl_aktuell.xml

Dienstag, 8. Februar 2011

Farbe bekennen ist das Geheimnis





Die Bürgerschaft ist nicht politikmüde. Ganz im Gegenteil. Allerorten zeigen sie sich, die Aktiven, die neuerdings auf die Straße gehen und sich ihr Recht zurück holen, den politischen Raum neu zu vermessen.

Hier ein kurzes Statement eines jungen Mitgliedes aus dem Bürgerforum 2008.
Sein Postulat: Junge Menschen finden in den Parteien keine Heimat mehr. Ein modernes Sprachrohr für die Artikulation fehlt. Die neuen Formate bieten nicht ausreichende Antworten auf die zu lösenden komplexen Probleme unserer Zeit. Es gilt, neue und verschiedene Medien einzubinden, sich zu öffnen. Nur so können Meinungen und Positionierungen eingefangen werden, die sonst verloren gehen.

Eines der Rezepte zur Verbesserung: Der Bürgerhaushalt. In Gütersloh hat sich deutlich gezeigt, dass der politische Meinungsbildungsprozess deutlich auf Touren gekommen ist. Die Menschen interessieren sich wieder für die Belange ihrer Stadt. Und sie haben diese Belange mit rund 330 Vorschlägen sogar selbst benannt.

Eines der Geheimnisse: Position beziehen. Gerade das Farbebekennen hat so gut funktioniert: Einer postet einen Vorschlag und die Nutzer nehmen Stellung. Eine Möglichkeit, die in einem solch offenen Raum sonst kaum im Rat oder im Ausschuss herzustellen ist.

Beteiligung eröffnet Alternativen. Eröffnet den Austausch für Pros und Cons. Und am Ende möchte schon jeder wissen, was mit den Vorschlägen passiert ist. Und wenn sie denn entschieden werden, steht die Frage, warum das so ist.

Ein spannenderes Projekt zur Beteiligung ist bisher auf der kommunalen Ebene nicht aufgetaucht. Daher: Weiter so.

Sonntag, 6. Februar 2011

Demokratie ist nichts ohne Demokraten

Moderne heterogene Gesellschaften haben eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen, die weit über die klassischen staatlichen Ordnungsleistungen einer repräsentativen Demokratie hinausgehen. Gerade deshalb und gerade jetzt müsste sich zeigen, wie zukunftsfähig sich Politik gestaltet und wie Demokratie in der Einwanderungsgesellschaft vitalisiert und modernisiert werden kann, um diese Herausforderungen der Moderne annehmen zu können. Großen Teilen der Bevölkerung aber droht die Abkopplung von einer aktiven Teilhabe am demokratischen System: Ernste Probleme entstehen dabei in den "demokratiefreien Zonen" unserer Politik. Die sozialen Randgebiete, die der Ausgrenzung unterliegen, sind nur ein Teil davon. Hinzu kommen die zunemende Entwicklung von sozialer Unsicherheit und zahlreiche neue Formen von Armut, gepaart mit Perspektivlosigkeit.

Den Einstieg in diese Abwärtsspirale befördert dabei das ungleiche Bildungsniveau: Kinder von Zuwanderern besuchen überproportional häufig Hauptschulen, verlassen überproportional häufig die Schule ohne Abschulss und schließen gleichermaßen selten eine Berufsausbildung ab. Das Bildungssystem hat keine Antworten auf notwendige Veränderungen in unserer bestehenden Einwanderungsgesellschaft. Dieser Umstand gefährdet den Zusammenhalt, die Ausbildung von Identität mit den Werten eines Landes und schließlich die Demokratie. Neben den nach PISA aufgewerteten Bildungsinhalten gilt es auch, die sozialwissenschaftliche Werteerschließung im Blick zu behalten. Deutschland steht dabei nicht etwa vor einem Mangel an guten Beispielen. Was fehlt, ist jedoch ein umfassende Strategie, Demokratiewissen und Demokratieerleben als wesentliche Bestandteile in den grundlegenden Wissenskanon einzuflechten. Das Vitalisierungspotenzial der neuen Formen von Teilhabe mit Blick auf bildungs- und politikferne Akteure darf dabei nicht unterschätzt werden. In Anbetracht eines Fortschreitens des demographischen Wandels ist die Gesellschaft auf diese Qualifikationspotenziale besonders der jungen Generation angewiesen.

Notwendig wäre es, mehr "Paten der demokratischen Methode" an sich zu gewinnen. Demokratiekompetenz muss als eine Schlüsselqualifikation schon von Kindesbeinen an verstanden werden, denn zukunftsfähig sind nur Gesellschaften, die auch mit Vielfalt umgehen können. Nur so ist ein Erhalt des politisch zu gestaltenden öffentlichen Raumes und damit die Reichweite demokratischen Handelns zu gewährleisten. Fragen nach einer gelungenen Integration und fairen Bildungschancen scheinen dabei Schicksalsfragen für die Zukunft unseres Landes zu sein.

(Auszug aus meinem Beitrag "Demokratie ist nichts ohne Demokraten" in: Demokratie und Integration in Deutschland. Gütersloh 2009, S. 164 f)

Samstag, 5. Februar 2011

Julia und Nicht-Romeo

Gestern Nacht stand ich kurz vor Mitternacht an verabredeter Stelle. Nein, kein Rendez-vous. Ich wollte meinen Sohn abholen. Es war ziemlich dunkel in der Straßenzeile. Der Wind fegte durch die Gasse. Laub und Müll flogen durch die Luft wie Geisterspielzeuge. Vor Müdigkeit konnte ich kaum noch meine Augen offen halten. Aber ein versprochener Fahrdienst ist eben ein Versprechen. Das kennen wohl Millionen Mütter auch: für die lieben "Kleinen" fährt man gerne auch um die halbe Welt. 

Um mir die Zeit zu vertreiben, zählte ich rückwärts von 100 bis Null als Ziel. Bei 76 angekommen, wurde plötzlich die Beifahrertür aufgerissen - mein Sohn konnte es nicht sein, den hätte ich von vorne kommend sehen müssen. Blitzschnell saß dieser Jemand neben mir auf dem Fahrersitz mit den Worten "Oh Schatz, ich wusste, dass Du mich retten würdest...." Die Wagentür fiel ins Schloss zurück. Adrenalin pur, mein Blut stockte in den Adern. Gedanken konnte ich nicht denken. Dann sehen wir uns direkt in die Augen: Eine mir völlig unbekannte junge Frau und ich. Mitten in der finsteren Nacht. Unvermittelt zusammen in meinem Auto.
Ihr ging es genauso wie mir: Panik. Sie zuckte zurück, ich zuckte zurück. "Oh", schrie sie. "Ähm", sagte ich. "Oh Gott", kam es wiederum von ihr. Ich erholte mich langsam: "Ich bin sicher nicht ihr Schatz - und retten muss sie wohl ein anderer." "Ich hab´mich total vertan. Schuldigung", sprach síe und riss die Tür auf, um genauso schnell wieder auszusteigen, wie sie eingestiegen war. 

Ratlos und mit dem Gefühl, ich hätte geträumt, schaute ich einen Moment auf die dunkle Strasse vor mir. Dann öffnete ich die Fahrertür und stieg aus. Suchte nach der zu rettenden "Julia", die fälschlicherweise in mir ihren Romeo gesehen hatte. 

Sie stand vor einem Hauseingang und kramte einen Schlüssel aus der Tasche. Wohnte sie dort? Vermutlich hatte sie aus dem Fenster geschaut und mich verwechselt. Liebe macht blind, dachte ich und sprach sie an: "Meine liebe Julia, vielleicht sollten sie das nächste Mal besser aufpassen, zu wem sie sich ins Auto flüchten. Muss ja nicht immer ein Romeo oder eine Mutter drin sitzen." Keine Antwort. Verlegenes Grinsen, ein Blick zu Boden und schon war sie im Hauseingang verschwunden. Eine Sekunde später ging die Hausbeleuchtung aus. Dunkelheit umgab mich. Ich stieg wieder ein. Verriegelte diesmal die Tür von innen. Wenige Minuten später kam mein Fahrgast. "Was ist los?", fragte er mich. "Nichts", war meine Antwort. Immer noch blass um die Nase. "Ich habe nur gerade ein Gespenst gesehen. Das hieß Julia." Vor mir fegte der Wind das alte Herbstlaub vom Vorjahr in kleinen Wirbeln über den Asphalt.

Freitag, 4. Februar 2011

Politische Diskussionskultur nicht wieder wegschließen

Wunderbar. Gütersloh diskutiert. Der Bürgerhaushalt wird zwar sehr kritisch begleitet, aber das ist ja auch legitim, wenn es denn hilft, das Instrument zu verbessern - oder gar Alternativen aufzuzeigen. Gut so. Eine politische Diskussionskultur hat schon längere Zeit gefehlt.


Nur sollte man aber nicht nach den ersten Wochen gleich wieder in alte Bahnen zurückrudern und Politik klammheimlich wieder aus dem Blickfeld nehmen:
Ein Streitpunkt als direkte Folge aus dem Bürgerhaushalt ist die Berufsfeuerwehr. Wir erinnern uns, stand auf Platz 1. Nun könnte man sich in dieser Frage mit Ja oder Nein positionieren. Die Pole sind da sehr weit auseinander. Was jetzt kommen müsste, wäre eine fortgesetzte Diskussion der jeweiligen Positionen in den politischen Gremien. Mit offenen Karten auf dem Tisch. Aber nun gibt es auch noch ein "Vielleicht". Und ein "Nicht jetzt entscheiden": sagt die Plattform Schwarz-Grün-Plus UWG im Rathaus. Heute darf man lesen, dass ein Mediationsverfahren vorgeschlagen wurde. Um die Gemüter erstmal emotional herunterzukochen. (Koch-en ist da ein interessanter Begriff, wo doch der Leiter der Städt. Feuerwehr Koch heißt). Aber welches Ergebnis verspricht man sich davon? Ist es ratsam, die Auseinandersetzung wieder in Hinterzimmer-Manier auszutragen? Weit weg von der Bevölkerung, die nun schon gerne wissen möchte, wo eigentlich der Schuh drückt und wie der beste Weg für die Feuerwehr Gütersloh denn nun aussehen soll?

Und auch an anderer Stelle ist die Versuchung groß, wieder in den üblichen Politikbetrieb zurückzufallen: Ein neuer Streitpunkt, nämlich die Vergabe oder Nichtvergabe eines Café auf dem Berliner Platz, steht zur Entscheidung an. Das Thema ist schon älter, mit Moos bewachsen sozusagen. Denn schon seit ein paar Jahren wird immer mal wieder laut überlegt, ob nun ein weiteres Gebäude auf dem zentralen Platz der Stadt (die Gütersloher sagen immer noch HVP) errichtet wird oder nicht. Die aktuelle Debatte lief erstmal wieder in nichtöffentlicher Sitzung des Gestaltungsbeirates. Nichtöffentlich? Wieso das? Die Verwaltung hatte das als laufendes Geschäft der Verwaltung erklärt. Angesichts der öffentlichen Diskussion heißt es aber nun, diese könne man nicht einfach ignorieren. So soll das Thema wieder auf die Tagesordnung im Planungsausschuss am 17. Februar. Und da gehört es auch hin. Öffentlich nachvollziehbar, in den Austausch von Argumenten und Positionen. Am Ende am besten mit einer Entscheidung, sonst kauft kein Bürger diesen Hickhack mehr ab. Im Ratsinformationssystem der Stadt allerdings ist bis jetzt noch keine Vorlage dazu einzusehen.

Und ein Schmankerl noch am Ende: Die NW hatte auf ihre Seite eine Umfrage zum umstrittenen Café geschaltet: Soll auf dem Berliner Platz ein Café errichtet werden? Ja oder Nein? hieß die Frage. Heute steht in einer Notiz auf Lokalseite eins: 200 Stimmen wurden online abgegeben. Fast 75 Prozent seien für ein Café. Aktuell sind es sogar 421 Stimmen und 76% Pro. Gerne würde ich nun fragen: Wieviele Externe haben sich denn beteiligt? Wieviele Mehrfachnennungen sind denn eingegangen? Nur so mal gefragt. Weil ja die Ergebnisse von Online-Portalen nicht ernstgenommen werden können, schreibt die NW noch in der letzten Woche. ....  Aber ein Anfang ist gemacht: Befragungen und Diskussionen gehören in den öffentlichen Raum.

Dienstag, 1. Februar 2011

Tricksen beim Bürgerhaushalt - politische Feuerwehr gefragt: Wehrhafte Demokratie

Der Bürgerhaushalt in Gütersloh hat einen schweren Stand. Das ist wohl so: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. So auch in Ostwestfalen-Lippe. Aber keiner hat gesagt, dass die Revitalisierung von demokratischen Beteiligungsformaten leicht sein würde.

Nach einer schweren Geburt, bei der die Politik erst die Patenschaft für das Onlineverfahren übernommen hatte, nachdem das Haushaltsloch gigantisch war und der Protest gegen Streichungen unüberhör wurde, gestalten sich nun die ersten Schritte als gleichermaßen schwer.

Heute titelt die Neue Westfälische, bei der Abstimmung sei getrickst worden. Vorwurf: Die Gütersloher Feuerwehrleute hätten die Bielefelder Kollegen dazu aufgerufen worden, Pläne für eine Realisierung einer Gütersloher Berufsfeuerwehr zu unterstützen. Zur Erinnerung: Es handelt sich um den Gütersloher Bürgerhaushalt, an dem Gütersloher teilnehmen sollten. Das Online-Portal zum Bürgerhaushalt gewährte die Nutzung anonym oder auch durch "Phantasienamen" wie "dagobert". So waren der Möglichkeit einer Mehrfachanmeldung unter verschiedenen Emailanschriften sowie eben die Nutzung für Nicht-Gütersloher zumindest die Türen geöffnet.

Dieses Tor haben nun angeblich Externe Lobbyisten der Berufsfeuerwehr genutzt und die Abstimmung damit manipuliert. Zur Beweislage lichtet die Zeitung heute ein Sceenshot von facebook ab, in dem ein unkenntlich gemachter Nutzer seine Bielefelder Kollegen dazu aufruft, sich am Bürgerhaushalt zu beteiligen, um eine Berufsfeuerwehr politisch durchzusetzen. Dieser Vorschlag landete dann durch 500 Pros auf Rang 1 der Vorschlagsliste. Diese liegt bekanntlich der Politik vor.

Schade.

Allerdings:
Facebook ist eines der wichtigsten Internet-Tools für social media. Millionen Menschen weltweit kommunizieren darüber. Übrigens auch unsere Ratsvertreter im Rat der Stadt Gütersloh - und das nicht nur als Kommunikationsmittel außerhalb der Ausschuss- und Ratssitzung, sondern auch während derselben.
So kann man hier schon im Laufe der Sitzungen teilnehmen, ohne selbst dabei zu sein: Erste Ergebnisse oder Beratungsverläufe werden gleich 1:1 in den Rechner getippt. - Kann sich übrigens jeder Besucher der Empore im Ratssaal ein Bild davon machen, denn auf fast jedem Ratssitzplatz steht ein mitgebrachtes Notebook.

Und: FDP-Fraktionschef Dr. Büscher hatte sogar offen zugegeben, selbst Missbrauch betrieben zu haben. Im Hauptausschuss outete er sich, er habe sich (unerlaubt) bei zahlreichen anderen Bürgerhaushalten eingeloggt und mitgemacht. Wissentlich unberechtigt, denn er ist bekanntlich Gütersloher Bürger und kein Bürger von Solingen, sonst hätte er hier kein Ratsmandat. So viel zur Ehrlichkeit und Vorbildfunktion.

Nun wird hier gemutmaßt, dass diesem Aufruf einer Klientel von Feuerwehrleuten zu externer Beteiligung auch Folge geleistet wurde. Bewiesen ist das nicht. Nochmal: Die Teilnahme war anonym und die Daten sind nicht veröffentlicht worden. Einem geübten Facebook-Nutzer nun ist es übrigens ein Leichtes, anhand der abgedruckten Notiz herauszufiltern, wer diese Notiz verschickt hat. Der Inhalt allerdings ist nur durch das Ablichten der Notiz in der Zeitung transparent. Denn: Nachrichten, die über facebook verschickt werden, sind nur für eben Empfänger oder Sender zu sehen, die Posts sind öffentlich. Das hat also jemand öffentlich gemacht, der einen eigenen Nutzen durch die Bekanntgabe erreicht. Ein Gegner der Onlinebeteiligung?Oder ist es die Presse, die das Internet mit seinen neuen direkten Möglichkeiten des Protestes und der Formulierung von Alternativen gerne als Teufelswerk dämonisiert und sich nun über diese Panne freuen kann?

Nun ist es in der "normalen" und gewählten Politik aber genau so, dass bei jeder Art von Entscheidung ebenfalls nicht selten Lobbyisten - oder nennen wir sie Interessenvertreter - mit am Tisch sitzen und Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können. In der "alten Politik" allerdings sieht man sie nicht. Sie bleiben konspirativ und nebulös. Im Netz ist das anders. Hier hat sich klar und deutlich eine vermeintliche Interessengruppe engagiert. Die dann aber auch transparent ist, denn eine Abstimmung von 500 Votes ist ein in dieser Runde beachtliches Ergebnis - welches vielleicht auch aufhorchen lässt und besondere Fragen nach sich zieht. Wenn nun ein Betrug vorliegt, ist auch dieser öffentlich. Und die Nutzer schneiden sich ins eigene Fleisch. Ihr Handeln disqualifiziert sie. Hat der Vorwurf Bestand, gehört der Vorschlag von der Liste genommen. 

Nun muss diese Kritik aber nicht im Aus für den Bürgerhaushalt enden. Für die vielen ehrlichen Nutzer wäre das ein Schlag ins Gesicht. Sondern: Der im Kern sehr undemokratische Vorgang des nicht erlaubten Abstimmens kann in der Konsequenz nur zur Weiterentwicklung dieses Instrumentes der Demokratie führen, welches aus diesen Erfahrunge nur lernen kann.

Außerdem ist diese Kritik nicht neu: Diese Punkte (Mehrfachanmeldungen, Voten von Externen) wurden bereits im Begleitgremium diskutiert und auf die Liste der Verbesserungen gesetzt. Auch die Initiative "Demokratie wagen" hat hierzu einen Katalog aufgesetzt.

Nun ist es in der Demokratie so, dass die einen etwas wollen, die anderen dies aber nicht wollen. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich unsere Gesellschaft befindet. Immer schon und auch in Zukunft. Wer allerdings aufhört, diese Pole miteinander auszuhandeln, begibt sich auf einen Weg, der von der Demokratie wegführt.
Demokratie ist die Herrschaft der Vielen. Der Souverän sind wir alle. Beteiligung ist in unserer Gesellschaft also "alternativlos". Das Unwort des Jahres ist an dieser Stelle recht sinnvoll eingesetzt. Denn, wenn hochkomplexe Gesellschaften wie die unsrige nicht beteiligen, werden sich diejenigen, die sich nicht beteiligt fühlen, andere Wege suchen, ihre Argumente und Alternativen zu artikulieren und in geeigneten Formaten umsetzen.

Schon allein die hohe Abrufzahl der Online-Plattform deutet auf ein höheres Interesse am kommunalen Geschehen hin, als das sonst der Fall war. Auf dem steinigen Weg nun auf halber Strecke umzukehren, wäre ein Schritt zurück. Dann hätten nämlich die 500 angeblich externen Voter viel mehr erreicht als die Diskussion über die Berufsfeuerwehr. Sie hätten auch das neue Format Bürgerhaushalt gekippt. Ein Instrument der Beteiligung weniger auf der Liste der tauglichen Formate. 

Das allerdings müsste die politische Feuerwehr auf den Plan rufen: Demokratische Beteiligung kann man nicht einfach abfackeln.