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Donnerstag, 12. September 2013

Bundestagswahlkampf - was auffällt

Die Gütersloher Bundestagskandidaten absolvieren ihren Vorstellungsmarathon, es verbleiben noch 10 Tage bis zur Bundestagswahl. Gestern der Berliner Platz, heute die Einladung des DGB-Kreisverbandes Gütersloh mit dem Titel "Für uns alle - eine neue Ordnung der Arbeit!" im Parkbad.

Geladen waren die fünf Kandidaten, deren Parteien bereits im letzten Deutschen Bundestag vertreten waren: Ralph Brinkhaus (CDU), Thorsten Klute (SPD), Evelyn Dahlke (FDP), Marco Mantovanelli (Grüne), Lugder Klein-Ridder (Linke). Nicht geladen waren wiederum die Kandidaten der Piraten, AfD sowie Bündnis 21. Moderiert wurde durch den Lokalchef der NW Thorsten Gödecker, mit trockenem Humor, wenn es zu hitzig wurde: "Wir haben Regeln!".


Andreas Oenning, stellv. Vorsitzender der DGB-Kreisverbandes GT sowie Hans-Werner Heißmann-Gladow begrüßten. Heißmann-Gladow nutzte die Chance für ein Plädoyer, bis jemand aus dem Publikum fragte, ob der DGB auch zur Wahl stehe ...


 Eine simple Widergabe der Diskussion wäre an dieser Stelle unsinnig. Zwei Stunden Diskurs sind kaum festzuhalten und wären langweilig. Die Positionen könnte man auch in den Wahlprogrammen nachlesen, die Kandidaten haben diese sehr wohl inhaltlich vorbringen können. 

Vier Punkte sind mit stattdessen aufgefallen und blogwert:

In Punkt 1 gleich vorweg: Vielleicht ungewöhnlich in meinen Blogs  -  aber ich muss auch heute ein Lob aussprechen. Die Kandidaten zeigten sich allesamt engagiert, bei der Sache, dem Publikum zugewandt, streitbar in der Sache, humorvoll. Und im Umgang miteinander allesamt vertraut, sich nah und in ihrer Funktion als Politiker eine Einheit.

Punkt 2
Und das führt mich zu diesem Punkt: Der Eindruck verfestigt sich - die Parteien sind inhaltlich nicht wirklich so ganz weit auseinander. Die Trennschärfe der Positionen und das starre politische Lagerdenken nehmen ab. Dem weitestgehend SPD- und DGB-nahem Publikum geschuldet, kreiste der Abend um Arbeitsmarktpolitik, um Mindestlöhne, um Minijobs, um prekäre Arbeitsverhältnisse. Die Standtpunkte wurden ausgetauscht, gegenargumentiert, widersprochen. Doch: gleichzeitig verwiesen alle auf die realpolitische Vergangenheit, in der die eine oder andere Partei Wahlversprechen abgegeben hatte, die sie dann nicht gehalten hat. Siehe Agenda 2010, Hartz V, Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Im Lauf der Diskussion wurde klar, dass alle mit allen irgendwie schon mal zusammen regiert haben: Ob schwarz-grün auf kommunaler Ebene, ob rot-grün auf Landesebene - die mit der CDU zusammen den Schulfrieden beschlossen haben, oder sich durch die FDP in Fragen der Kommunalfinanzen haben helfen lassen.... Oder die auf Bundesebene bereits eine große Koalition bestritten haben, also schwarz-rot. Das Archiv der politischen Koalitionen ist groß.

Es schält sich langsam heraus, dass es immer deutlicher um die "Sache" und mögliche Mehrheiten geht als um einzelne Parteipolitik. Parteipolitik mit wechselnder Farbenlehre und dies auch noch in unterschiedlichen Sachfragen ist offensichtlich in den unterschiedlichsten Konstellationen und den verschiedenen Ebene Kommune, Land, Bund durchaus gleichzeitig möglich. Es mutet da also schräg an, wenn der Grüne erklärt, es gehe um die Abwahl von schwarz-gelb - und in Gütersloh praktiziert man eine schwarz-grüne Plattform. Dieser Praxis des Wechsels waren sich alle bewusst - was den kollegialen Umgang untereinander zum Teil erklärt.

                 Am Ende ganz entspannt     Foto ak 13
Klar, dass dann auch die große Koalitionsfrage zeitweise im Mittelpunkt der Diskussion stand. Mit wem könnten Sie zusammenarbeiten? fragte etwa Ralph Brinkhaus Thorsten Klute direkt und meinte "r2g", was rot-rot-grün bedeutet. Klute wandt sich, schloss eine Tolerierung nicht aus. Gegenfrage war, mit wem denn die CDU am liebsten sprechen würde, wenn es für schwarz-gelb nicht ausreiche (Gödecker). Antwort Brinkhaus: "mit rot". Was heißt das dann für die Wähler: haben die keine echte Wahl mehr?

Punkt 3
Politik lässt sich offensichtlich nicht mehr kleinteilig erklären. Die Komplexität und gegenseitige Abhängigkeit der Themen war greifbar. Ein Sachthema lässt sich heute kaum mehr isoliert diskutieren oder lösen. Es tritt unweigerlich eine Kausalität mit anderen Themen ein, diese Verkettung ist es, die deutlich macht, dass im Prinzip alle an der gleichen Baustelle arbeiten und die Handlungsmöglichkeiten aufgrund dieser und auch globaler Zusammenhänge recht klein sind. Die echte Systemfrage oder eine revolutionäre Neupositionierung wagt keiner der Kandidaten - und kann auch keiner. Es bleibt im Klein-Klein. Visionen für die Zukunft, ein Entwurf ist nicht erkennbar. Höchstens einmal, als die Frage nach der Klimakonferenz aufblitzt und die Jahreszahl 2050 genannt wird. Ob dann Arbeit noch so aussieht wie heute - darauf ging keiner ein. Wird Politik künftig anders miteinander arbeiten müssen?

Punkt 4
Wahlkampf 2013 hat seine eigenen Regeln. Er ist offensichtlich "alt, männlich, deutsch, weiß". Es fehlt der Querschnitt durch die Gesellschaft. Das hat keine Überlebenschance auf lange Sicht. Man muss sich Gedanken machen, was man hier ändern kann. Sollte der Anteil der Nichtwähler weiter steigen, muss diese Abstinenz des Souvernäns im Mittelpunkt der weiteren Diskussion stehen. Ist das politische Arbeiten in Parteien noch zeitgemäß, so wie es ist? 

Vielleicht erleben wir in diesem Wahlkampf zum letzten Mal, dass Kandidaten persönlich auf der Bühne erscheinen und in ihren Wahlmobilen zum Einsatzort fahren..... So wie die beiden politischen Schwergewichte heute: