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Sonntag, 29. März 2015

Politische Verantwortung gefragt



Transparenz ist ein hohes Gut. 

Die Sparkasse Gütersloh ist wiederholt in die Schlagzeilen geraten. Diesmal geht es um den "Fast-Vorstand", der zwar von der Sparkasse unter Vertrag genommen wurde, dessen Vertrag aber von der BAFin beanstandet und damit abgelehnt wurde. Dieser Fehler wird die Sparkasse rund 1,35 Mio. Euro kosten.  
Bisher haben alle Parteien dazu geschwiegen, die politische Verantwortung hat bisher keiner übernommen. Wir als Initiative "Demokratie wagen" haben dazu folgende Pressemitteilung rausgegeben: 


Wortlaut Pressemitteilung: 
Fehler können passieren. Schwierig wird es, wenn keiner die Verantwortung dafür tragen will. Der Sparkasse Gütersloh ist mit dem Vertragsabschluss für einen neuen Vorstand im letzten Jahr ein solcher Fehler unterlaufen. Der Fehler wird die Kasse rund 1,35 Mio. Euro kosten und hat die Karriere eines Bankmanagers unnötig ruiniert. Bisher schweigen alle Verantwortlichen und gehen in Deckung.
Die Sparkasse ist ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut. Es soll von Politikern kontrolliert werden, die auf Grund ihrer Mandatstätigkeit im Rat der Stadt in den Verwaltungsrat der Sparkasse entsendet werden. So lautet die Theorie. In der Praxis kann von Kontrolle aber kaum mehr die Rede sein. Warum nicht?
Die Parteien entsenden je nach Proporz ihre Ratsleute in den Verwaltungsrat der Sparkasse. Sie werden in jeder Ratsperiode neu bestimmt. Ein Wechsel zwischenzeitlich ist möglich, aber selten. Der derzeitige Vorsitzende, Markus Kottmann (CDU), sitzt bereits seit 16 Jahren in diesem Verwaltungsrat. Seit knapp sechs Jahren ist er Vorsitzender. Auf eine ähnlich lange Mitgliedschaft in diesem Kontrollgremium kommen auch viele andere Parteimitglieder. Unlängst wurden Ingrid Tiedtke-Strand (SPD) und Rudolf Bolte (CDU) für ihre langjährige Mitgliedschaft mit einer Sparkassenmedaille geehrt. Wir sprechen immer noch von einem kommunalen Aufsichtsgremium und nicht von einem exklusiven Club. Doch große Nähe verhindert Kontrolle.
Alle Mitglieder erhalten Aufwandsentschädigungen für ihre Arbeit im Gremium. Auch Bürgermeisterin Unger und Landrat Adenauer sollen kontrollieren, bekommen für ihre Leistungen im Rahmen der Sparkassentätigkeiten aber auch Geld. Maria Unger führt ihre Aufwandsentschädigungen freiwillig an die Stadtkasse ab, Sven-Georg Adenauer behält sie.
Fordert man den Rücktritt des verantwortlichen Verwaltungsratsvorsitzenden Kottmann auf Grund der aktuellen Vorkommnisse, wäre das legitim. Die politische Kontrolle wurde offenbar nicht profund ausgeführt. Die politische Verantwortungsübernahme für diesen Missgriff ist notwendig. Ein Rücktritt wäre ein Schritt in die richtige Richtung, um Vertrauen zurück zu gewinnen.
Aber wenn der CDU-Mann auch zurückträte, käme jemand Neues aus den Reihen der Ratsparteien. Und würde wahrscheinlich genau so lange im Amt bleiben, wie die Vorgänger. Je länger aber die Amtszeit, desto stärker ist die Nähe und Vertrautheit. Kontrolle aber braucht Unabhängigkeit und Distanz. Das hat aber bisher niemand angemahnt.
Das System Sparkasse gehört also insgesamt auf den Prüfstand. Eine Zugehörigkeit zu diesem Gremium über mehr als sechs Jahre (Legislaturperiode) ist inakzeptabel. Herr Kottmann könnte übrigens bis 2020 im Amt bleiben, dann erst finden die nächsten Kommunalwahlen statt und der Parteienproporz kann sich ändern.
Pikant ist auch die Ämterhäufung: Kottmann ist auch Vorsitzender im Finanzausschuss der Stadt, zugleich ist er seit fast 16 Jahren im Sparkassenzweckverband von Kreis und Stadt, seit sechs Jahren ist er zugleich Vorsitzender im Bilanzprüfungsausschuss der Sparkasse Gütersloh und Mitglied im Risikoausschuss. Diesem gehört er schon seit elf Jahren an. Und schließlich ist er seit 2011 auch noch Vorsitzender der Sparkassenstiftung. Das alles erfährt man im Ratsinformationssystem der Stadt. Interessenkonflikte entstehen dabei nicht nur theoretisch. Spätestens jetzt müsste deutlich werden, dass eine solche Verflechtung von Ämtern und eine solche Nähe zur Sparkasse eine politische Kontrolle unmöglich machen. Diese Aufgabenfülle grenzt schon eher an ein 'festes Beschäftigungsverhältnis' bei der Sparkasse.
Unbezahlbar ist im gesamten Verfahren auch der Vertrauensverlust, den eine Bank durch diesen Vorfall erleidet.
Wo eigentlich kommt der gerade eingesetzte Kundenbeirat der Sparkasse einmal öffentlich zu Wort? Ist dies vielleicht nicht auch eher ein Gremium mit PR-Wirkung und damit zahnlos? Gewählt wurde der Beirat jedenfalls nicht, man konnte sich dafür „bewerben“.
Und: Wie ist dieses Missmanagement den 'kleinen' Kunden zu erklären? Welche Argumente hat hier noch der Verwaltungsvorstand zu einer möglichen Rechtfertigung? Wie steht die Sparkasse gegenüber Arbeitslosen dar? Wie gegenüber Hartz IV Empfängern? Ganz zu schweigen von der vergleichsweise großzügigen Vergütung vieler Sparkassenvorstände, wie es kürzlich in der Presse stand. Sie waren ja zum Teil erheblich höher als das Gehalt der Bundeskanzlerin.
Dem Schweigen muss jetzt endlich Aufklärung folgen: Wer übernimmt Verantwortung, wie wird kontrolliert, wie wird der Schaden beglichen? Hoffentlich nicht nach alter Bankenart: durch die Allgemeinheit über Gebühren.

Montag, 23. März 2015

Open Data, Feuerwehr und Apps

Der erste Hackday in Moers war was zum Warmlaufen - es zeigt, dass Open Data ein Thema ist, das eigentlich alle könnten. Nicht nur die Hauptstadt und die digitalen Vorreiter können ihre Aktenschränke öffnen. Grundsätzlich kann das jede Kommune. Wichtig: es braucht Treiber und lokal vernetzte Akteure, die sich für das Thema interessieren und die Dimension von offenen Daten erahnen können.

Am letzten Wochenende ist das in Moers hervorragend gelungen. Rund 60 Teilnehmer waren vor Ort, sehr viele auch aus ganz Deutschland. Ziel: Offene Daten nutzen um damit etwas Neues zu basteln.


Ich habe dazu schon vertieft auf "Wegweiser Kommune" gebloggt. Die Bertelsmann Stiftung und das Team Wegweiser Kommune waren Ausrichter gemeinsam mit der Stadt Moers.

Wer dazu inhaltlich mehr erfahren möchte, schaue in die Blogposts hier: Tag 1 und Tag 2 mit Ergebnissen. 

Apps und Leben

Eine kleine Anekdote aber möchte ich hier beschreiben, die die Tragweite von offen Daten und von Digitalisierung im normalen Lebensalltag der Menschen so krass und auch anrührend beschreibt:

Wir hatten einen Caterer engagiert. Am Sonntag rollte er mit seinem gefüllten Buffetwagen an. Stieg mit seinem Kollegen in den Aufzug im Rathaus Moers. Und: blieb im geschlossenen Aufzug stecken. Die Fahrgastkabine war zugegangen, ein paar Zentimeter nach unten geruckelt und dann rührte sich nichts mehr. Auch die Kabinentür ging nicht mehr auf.

Was machten die beiden gefangenen Insassen? Sie betätigten den Notrufknopf. Ein Klingelsignal ging in der Hausmeisterloge im Rathaus ein. Daraufhin wussten wir: da ist was passiert. Die Kommunikation aber lieft nur über Klopfzeichen und lautes Rufen. "Ist alles ok da drin?" fragten wir. "Ja, uns geht es gut." "Wir holen Hilfe", riefen wir draußen. "Ja", kam die Antwort von innen. "Wir haben von hier drinnen schon den Monteur verständigt, das dauert aber", riefen die beiden Köche.

Wir aber hatten 112 angerufen: Dann rückte die Feuerwehr Moers an. Mit dem großen Mannschaftswagen:

Völlig routiniert sondierten sie die Lage.


Dann kam ein Dreikantschlüssel zum Einsatz und die Kabinentür ging auf. Es roch sehr lecker nach Essen. Aber viel wichtiger: die beiden Insassen kletterten mit einem breiten Grinsen aus der Fahrgastkabine. 

Sie lachten sich schlapp, ebenso wie die Feuerwehrtruppe. Grund: der Koch war auch Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr. Er wusste schon, dass und wer da draußen auf ihn warten würde, denn er hatte von dem Einsatz längst erfahren: Der war ihm auf seiner App auf sein Smartphone mitgeteilt worden.

Jungs, danke! Beide Pechvögel winkten ab, als ich sehr besorgt nach ihrem Befinden fragte: "Kein Ding, das schockt uns nicht, wir waren lange Bergleute. Da haben wir ganz andere Dinge unter Tage erlebt."

Gutes Ende. Gute App. So können Daten und die Nutzung von Apps lebensrettend zum Einsatz kommen.











Sonntag, 15. März 2015

Gestalten statt verwalten - Bildung in Gütersloh

Bildungsgestaltung statt Bildungsverwaltung

Damit wäre die Bildungsdebatte dann doch eröffnet. Geschäftsbereichsleiter für Bildung Joachim Martensmeier weist meine Kritik zurück. Die Beratung zum Schulentwicklungsplan sei öffentlich. Ich bleibe bei meiner Position: Hier zeigt sich die Haltung eines Bildungsverwalter, moderne Bildungspolitik aber sieht ganz anders aus. Beteiligen ist etwas Anderes als berichten. Beteiligung braucht ein transparentes Konzept. Sollte etwa eine Überlastung des Schulverwaltungsamtes solche Verfahren unmöglich machen, muss man über eine personelle Aufstockung oder Umschichtung nachdenken, damit das Zukunftsthema Bildung auch in der Verwaltung gut aufgestellt ist. 

        nicht für die Öffentlichkeit zugänglich        Foto ak2015


Fakt ist: drei nicht-öffentliche Termine gab es bereits. Wäre die Beratung zum Schulentwicklungsplan wirklich öffentlich, hätte die Antwort von Martensmeier lauten müssen: hier ist der transparente Ablaufplan für den Beratungsprozess, hier sind die festen Termine für Elternbeteiligung, in denen noch ergebnisoffen diskutiert werden kann, hier sind die Fakten, die allen gleich zugänglich sind und das haben wir bisher beraten. 

Der Kulturentwicklungsplan wird z.B. so offen erstellt. Das ist zwar eine Vorgabe des Landes NRW, aber es verbietet nicht, in der Schulentwicklungsplanung ähnlich vorzugehen.

Zudem sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe zum Schulentwicklungsplan zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie werden jetzt nicht plötzlich öffentlich sprechen. Politik und Verwaltung wollten offensichtlich Entscheidungen so weit eivernehmlich vorbereiten, bis sie entscheidungsreif sind. Das heißt: Die Marschrichtung ist dann längst entschieden, am Ende bleibt für die Schulgemeinde die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Dieses Verfahren sah man schon als die Astrid-Lindgren Grundschule geschlossen wurde. Ich habe immer auch schon dazu gebloggt.  

Stadt und weite Teile der Politik haben ganz andere Ziele als Eltern: man will kein weiteres Geld ausgeben, verfolgt die „demographische Rendite“ mit dem Rückbau, weil man in späteren Jahren keine leeren Gebäude haben will. Eltern aber wollen Qualität für ihre Kinder im Jetzt und Hier. Und unsere Gesellschaft postuliert an jeder Stelle: Bildung sei der einzige Rohstoff für unsere Zukunft. Die unhaltbaren Zustände etwa der Raumnot und der Mangelausstattung brauchen jetzt Antworten. Ein wirklich offener Prozess hätte diese Interessen schon längst miteinander ins Gespräch gebracht.

Dazu braucht es geeignete Verfahren der Beteiligung. Natürlich ist die Interessenabwägung komplizierter, weil Politik und Stadt sich von Beginn an erklären müssten. Ein Beispiel für einen abgebrochenen Dialog mit der Öffentlichkeit ist der Bildungsgipfel in Gütersloh. Er fand nur ein einziges Mal im Jahr 2011 statt. 

Zudem soll hier ein „Plan“ für die kommenden fünf Jahre entstehen. Ein „Bildungsbericht“ wäre das bessere Instrument, da er beteiligungsorientiert angelegt ist und weitere Kriterien wie Kinderarmut, Inklusion, Stadtteileigenheiten einbezieht. 

Martensmeier verweist auf Millionenzahlungen ohne dabei zu spezifizieren. Auch die Gelder für Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken sind erst auf Druck von außen geflossen. Ferner verschweigt Martensmeier, dass die Zuweisungen an Schulen seit Jahren unzureichend sind. Davon kann eine Schule pro Jahr maximal einen Klassensatz neue Stühle kaufen. Die Anforderungen an Schule aber sind deutlich gestiegen. 


Bisher ist man weit entfernt von einer echten Beteiligungskultur auf dem Weg zu chancengerechter Bildung. Beteiligung mag dabei mühsam erscheinen, ist aber der einzige Weg zur Akzeptanz. Kritik wird stets zurückgewiesen. Diese Haltung wurde schon bemüht, als ich selbst aktive Schulmutter war, verändert hat sich in den letzten 13 Jahren daran nichts. Ein offener Dialog ist der einzige Weg zur Bildungsgestaltung.  

Dienstag, 10. März 2015

Ohne Eltern keine Bildungsgestaltung

Im Bildungsausschuss am 17.3. steht zwar der Schulentwicklungsplan für 2016 - 2021 auf der Tagesordnung. Die eigentliche Nachricht aber lautet: Der Plan wird nicht-öffentlich beraten. Eltern und Schulvertreter könnten „zu gegebener Zeit“ ins Verfahren eingebunden werden. Diese Haltung zieht sich nun schon seit Jahren durch die Gütersloher Bildungspolitik. 

Es kann  nur mit den Eltern klappen: Schulpolitik       Foto ak2015

Vor Herbst 2015 ist nicht mit einer ersten Fassung zu rechnen, eine Entscheidung der Politik folgt erst im Sommer 2016. Bisher haben die Politiker schon dreimal alleine getagt und wollen das auch wieder tun. Und: Vor der Bürgermeisterwahl im Herbst will natürlich keine Partei schlechte Nachrichten verkünden - von wegen Schulschließung.

Eltern einbeziehen

Eltern müssen bereits jetzt in die weiteren Verhandlungen mit einbezogen werden. Wie Bildung in Gütersloh aussehen sollte, ist ohne Eltern nicht zu beantworten. Eltern gehören von Anfang an eingebunden. Warum sonst werden Elternvertreter gewählt und legitimiert sich für ihre Belange und die ihrer Kinder zu setzen? Das ist ein konkretes Beispiel für meine Ziele der Beteiligungskultur und einer modernen Bildungspolitik.

Die Frage, wie Bildung in Gütersloh künftig aussehen soll, ist nach wie vor nicht geklärt. Sie gehört aber längst auf die öffentliche Agenda.

Die großen Themen wie Ganztagsbetreuung und Inklusion sind bereits Alltag in den allermeisten Schulen - ihre Umsetzung gelingt aber nicht. Es herrscht große Raumnot, die personelle und fachliche Begleitung reicht nicht aus, die Systeme wie Hausmeister und Reinigungskräfte arbeiten am Limit. Von der Ausrüstung mit Digitalem ist ganz zu schweigen, in der Vorlage steht, seit 2001 liegen Vorschläge dazu in der Schublade. Das Wissen der Eltern bleibt auch hier außen vor.

Druck hilft nur punktuell

Nur auf Druck der Eltern entstehen kleine Veränderungen, die aber nur Kosmetik für die dahinter liegenden großen Probleme sind. Eine strukturelle Einbindung erfolgt kaum. Zudem haben die politischen Vertreter der Stadt ihre Möglichkeiten der Gestaltung bisher nicht ausgeschöpft. Immer wurde auf das Land oder die Bezirksregierung verwiesen. Oft waren auch haushaltspolitische Entscheidungen für andere Großprojekte der Grund. Bildung musste immer hinten anstehen. Ein Bekenntnis zu ihrem Wert erfolgte nicht.

Wer die Eltern angesichts dieser dringenden Fragen weiter außen vor lässt,  entmündigt diese und spricht ihnen die Kompetenz ab, sich hier qualifiziert einzubringen. Nur gemeinsam kann die Frage beantwortet werden: Was ist Bildung, was sind Kinder in Gütersloh wert? 

2016 ist zu spät

Die Antwort kann nicht erst 2016 kommen, bis dahin sind schon zu viele Kinder betroffen. Die Antwort kann auch nicht von oben kommen.

Also: Politik und Stadt müssen die Beratungen öffentlich führen, die Eltern einbeziehen, den Zugang zu Informationen sichern und dann gemeinsam entscheiden, was der richtige Weg für Gütersloh ist. Da hilft auch kein Warten auf das Land oder die Bezirksregierung. Gütersloh kann und sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst aktiv werden.

Mittwoch, 4. März 2015

E-Government - Modellkommune mit Bürgerportal online

Das Bürgerportal in Gütersloh ist freigeschaltet: Gütersloh ist einer der Modellkommunen des Bundesministeriums des Innern (BMI) für E-Government in ganz Deutschland. 100.00 Euro hatte das BMI dafür gezahlt. Ich hatte dazu bereits gepostet. 

Glückwunsch an die Stadt, dass sie nun ein Bürgerportal hat. 
Was heißt das nun?

Bildunterschmit dem Buzzer online schalten  - u.a. Hartmut Beuß, Maria Unger, Dr. Georg Thiel und Dr. Markus Kremer  Fotos ak2015
   
Das Bürgerportal also soll ein erstes umfassendes Angebot sein, Bürgern den Gang ins Rathaus zu erleichtern, denn viele Angebote werden jetzt digital abrufbar: an erster Stelle geht es um niederschwellige Serviceleistungen wie Sperrmüllkarten bestellen aber auch Bezahlvorgänge sollen hier medienbruchfrei möglich werden. Zudem gibt es auch Leistungen, die nur durch die Identifizierung mit dem Personalausweis abrufbar sind.

Gütersloh hat mit dem Bürgerportal eine Vorbildfunktion übernommen. Was müsste also jetzt im Erfahrungsbericht auftauchen?



Geschäftsfeld - kein freier Marktzugang

Das Portal in Gütersloh ist kein Produkt der Verwaltung oder wäre im Rathaus selbst entstanden. Es ist ein "Produkt" der regio IT.



  1. Bürgerkonto - buergerportal.guetersloh.de

    https://buergerportal.guetersloh.de/

    buergerportal.guetersloh.de ... Im Bürgerportal der Stadt Gütersloh haben Sie die Möglichkeit, Dienstleistungen von der Antragstellung ... Ein Produkt der regio iT.
Das heißt: hier hat ein Anbieter mit wirtschaftlichen Interessen das Produkt geschaffen. Die Stadt Gütersloh ist zwar an der IT Regio beteiligt, wir reden hier allerdings über ein modernes "Geschäftsfeld", mit dem künftig Geld verdient wird. Mit diesem Produkt macht die IT Regio auch schon Werbung. Wie und ob nun andere Kommunen die Erkenntnisse oder gar das Produkt nutzen können, bliebe zu fragen. 
Ein freier Marktzugang jedenfalls sähe schon mal ganz anders aus. Und die Frage bleibt, ob das Ziel einer Modellkommune ist, ein Geschäftsmodell mehr zu etablieren oder doch besser in die Fläche zu gehen. Immerhin sind 100.000 Euro staatlicher Gelder geflossen. 
Wenn mit einem Modellvorhaben nur ein Leuchtturmprojekt geschaffen wurde, ist das zwar gelungen. Eine Prozesstauglichkeit ist damit noch nicht flächendeckend etabliert, eine Markttauglichkeit auch nicht. Will man das E-Government voranbringen, braucht es das notwendigerweise aber.
Und noch etwas: auf lange Sicht wird in solchen Partnerschaften die Frage gestellt werden: brauchen die Kommunen noch eine eigene IT-Abteilung. Oder nicht. Diese Frage dürfte spannend werden. 


                                            Die Lokalzeit OWL vom WDR war live dabei


Bürgerportal 2.0 - Arbeitsprozesse anpassen

Ein Portal allein reicht nicht. Die wichtige Frage versteckt sich hinter dem Online-Auftritt: wie ist der dahinterliegende Arbeitsprozess innerhalb der Verwaltung organisiert? Ist das noch traditionell gestaltet? Der Wunsch, ein Portal für die Bürger zu gestalten, verlangt neue Abläufe. Stichworte sind hier: wie erhält der Bürger Infos über den Sachstand seiner Anfragen? In welcher Zeit soll wer wie qualifiziert antworten? Wer erledigt die Vorgänge in welcher Zeit und muss man dann einen Haken intern setzen, wenn man "fertig" ist? Wie wird das kontrolliert? Und: ist alles immer auch ausreichend budgetiert? Wichtig wäre auch der Hinweis an die Bürger, bis wann sie denn mit einem Ergebnis rechnen können. Außerdem brauchen unterschiedliche Vorgänge unterschiedlich lange Bearbeitungszeiten. Wie rechnet man diese unterschiedlichen Bearbeitungszeiten in den einzelnen Fachbereichen gegeneinander auf?

Von der Ablichtung eines Workflow (Statusmeldung) innerhalb der Verwaltung ist man sicher noch weit entfernt. Bisher gibt es die Rubrik "eingegangen" und "fertiggestellt". Die Erwartungshaltung, die der Bürger mitbringt, wenn er sich online einbringt sind aber heute schon differenzierter - und verwöhnter. Hohe Standards ist er an anderer Stelle gewöhnt. Jeder kann heute genau scannen, wo ein Paket verblieben ist. 

Die Frage ist auch: Arbeiten die jeweiligen Fachstellen bereits intern vernetzt? Gibt es einen gemeinsamen Ort der Dokumentenablage? Bisher kann man davon ausgehen, dass zwei Systeme parallel zueinander laufen: die Aufgaben im Bürgerportal und die "üblichen" Verwaltungsprozesse, das heißt immer noch, es gibt zwei Kreisläufe.

Zudem können ja nur die Vorgänge bearbeitet werden, die Bundesbelange zur Grundlage haben. Ein Landesgesetz NRW zu E-Government ist noch in Arbeit. Wann gibt es eine Verzahnung?


De-Mail - ein Scherz weniger, aber...
Schon mal eine gute Nachricht: Zur Nutzung des Bürgerportals braucht man keine De-Mail. Die wird eh schon nicht genutzt: zu viele Tücken, zu teuer, darüber ist schon viel geschrieben und viel gelacht worden. In Gütersloh hat man sich dazu entschieden, sich über den elektronischen Personalausweis zu identifizieren. Wenn der denn freigeschaltet wurde: jeder Nutzer braucht dazu ein eigenes Lesegerät. 
Dieses Lesegerät montiert man am Rechner und steckt den lesefähigen Personalausweis hinein, erst dann werden bestimmte Leistungen abrufbar, die ansonsten eine Unterschrift gebraucht hätten. 

Problem: das Lesegerät kostet! Jeder Nutzer müsste das kaufen. Die Kosten dafür betragen je nach Servicegrad des Gerätes zwischen 60 und 100 Euro. Die Kosten trägt jeder Bürger selbst. Das allein wird schon ausreichen, die Nutzungsrate im Keller zu belassen. Die Stadt Gütersloh sieht das als "Lernfaktor" für den Bund: hier müsste nachjustiert werden. Dieses Vorgehen löst bei mir ein Kopfschütteln aus. Könnte man denn solch eine Anschaffung wenigstens von der Steuer absetzen, war meine eher rhetorische Frage. 
Eine Möglichkeit zur Überbrückung wäre: man geht mit seinem elektronisch freigeschalten Personalausweis ins Bürgerbüro und nutzt den Internetzugang sowie das vorhandene einzelne Lesegerät direkt dort. Das allerdings führt den digitalen Gedanken ad absurdum.
Sollten hierdurch also nur verschwindend geringe Fallzahlen für die Nutzung des Bürgerportals und des Bürgerkontos zustande kommen, dann werden die Stimmen laut, die zurück wollen zum analogen Weltgeschehen. Schade. Und unmöglich. 

Bürgerkonto und Sicherheit

Einer der größten Sätze der IT-Verantwortlichen der IT-Regio war "die Bürgerdaten sind sicher". Und dabei steckt gerade in eben diesen Bürgerdaten ein ungeahntes Potenzial. Sie sind so goldwert wie das hochgehandelte Edelmetall selbst: die Daten, die hier hinterlegt werden sind sogar vom Bürger selbst verifiziert, denn er selbst hat ja genau diese Wünsche angemeldet, die hier registriert werden. Mögen es auch bisher nur Alltagsvorgänge sein, so sind diese Daten in ihrer Summe sehr aussagefähig. Zudem werden sie längere Zeit gespeichert und sie summieren sich abrufbar in einem eigenen Konto. Ein schärferes Profil der Nutzer kann man fast nur noch bei der Krankenkasse bekommen. Datensicherheit ist also keine Frage von leichtfüßig dahergesprochenen Versprechen. Datensicherheit muss nachgewiesen werden und ist ein hochbrisantes Thema. 

Normenscreening

Die elektronische Kommunikation macht persönliche Unterschriften überflüssig. Doch: bei vielen Verwaltungsakten ist diese immer noch notwendig. Die Zeit ist also reif, diese Vorschriften zu durchforsten und zu modernisieren. Angesichts der hohen Zahl von "Schriftformerfordernissen" in vielen Gesetzen, muss bei Einführung von E-Government auch darüber nachgedacht werden, wo diese Schriftform verzichtbar ist. Ein Normenscreening bedeutet daher: mit einem großen Besen alles das herausfegen, was nicht zwingend dieser Form bedarf. Verwaltungshandeln hat sich zudem gefühlt daran gewöhnt, dass der Bürger selbst vorsprechen muss oder Formulare beibringt. Das ist nicht nur ein GüterslohProblem, das ist ein grundsätzliches Problem. Aber Gütersloh müsste auf Änderung in der Haltung drängen, als Modellkommune.

Die Frage nach der Revisionssicherheit bleibt kritisch: Je mehr juristische Folgen hinter einem solchen Akt stecken, desto eher wird man eine "echte" Unterschrift verlangen. Manche Gerichte etwa verlangen ausdrücklich danach und lassen alles "Elektronische" nicht gelten. Da hilft dann auch nicht die Verifizierung durch den neuen Personalausweis mit der E-ID.

Bund und Land müssten zudem zukünftig konkret sagen, wo sie diese Schriftformerfordernisse herausnehmen will. Und auch hier: was kostet das den Bürger?
Organisation von Parallelwelten?

Passen zudem die Verschlüsselung im Bürgerportal und die üblichen IT-Standards wie Outlook zusammen oder bastelt man sich da Brücken oder gar zwei Säulen an eingehenden Mails? Gibt es dazu passend dann auch eine Infrastruktur mit E-Akten? Und wie passt das mit den neuen IDs der Personalausweise zusammen, kann man das integrieren? Viele Frage, denn hier sollten ja Standards entstehen, die sich andere Kommunen ganz simpel und schnell abschauen könnten. Wir sprechen ja immer noch von einer Modellkommune. 

Fazit: 

Der Modellansatz ist gut gewählt, man lässt die Praktiker vor Ort tüfteln und ausprobieren. Aus deren Erfahrungen könnten gute Errungenschaft in die Fläche gehen. Der Weg dahin ist aber sehr weit - und er wird ja auch in Fragen des E-Governments schon lange beschritten. Zu lange mit wenig Wirkung bisher.


Kurt Kortenkamp und Begleitung - Bürgerportal als Humoreinlage

In Gütersloh zeigt sich: Im Vordergrund steht ein gewerblicher Ansatz, kein strategischer Ansatz, das Vorhaben in die Breite zu bringen. Auch eine Verzahnung zwischen Bundes- und Landesinitiativen fehlt noch. Ein Killer für einen größeren Nutzungsumfang allerdings werden die notwendigen Lesegeräte sein. Diese Anschaffung durch Bürger wird nicht vermittelbar sein.

Das Modellvorhaben ist noch nicht beendet. Auch die weiteren Modellkommunen stricken an ihren Konzepten. Wünschenswert in der Sache wäre schon jetzt: Alle Modellkommunen stellen ihre Erfahrungsberichte online der Community zur Bewertung zur Verfügung. So wie sich der Bund das auch gewünscht hat: lasst uns an den kommunalen Erfahrungen partizipieren. Am Ende lernt man dann in echter Koproduktion zwischen Bund, Kommune - und Nutzern. 

Mehr zu den Redebeiträgen von Dr. Georg Thiel (BMI) und Hartmut Beuß (CIO NRW) im folgenden Blogbeitrag.