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Mittwoch, 29. Dezember 2010

Jahreswechsel unter dem Stern der Haushaltsberatungen 2011

Zuerst die schlechte Nachricht: Schon in den WDR-Radionachrichten um 7:00 Uhr wird der geneigte Bürger mit den leeren Kassen der Kommunen konfrontiert. Immer mehr Kommunen stehen vor der Verschuldungfalle, heißt es da. Gütersloh mit seinen knapp 13 Millionen Euro Schulden ist da kein Einzelfall. 

Die Frage ist nun schon oft gestellt und auch oft beantwortet worden: Sind die Kommunen selbst Schuld oder ist es ein Problem des Systems? Beides trifft wohl zu. Die Verwöhnstrategien der kommunalen Verantwortlichen haben die Bürgerschaft in den letzten Jahren Glauben lassen, man könne sich halt alles leisten: Theater, Bibliotheken, Krankenhäuser, Straßen, Parks, etc. Selbstverständlich kann jede Kommune alles bieten. Nur muss aber jedem klar sein - und das weiß jeder aus der Erfahrung im Umgang mit seinem eigenen Geldbeutel, dass Geld endlich ist. Und Schulden machen ist nur bedingt erlaubt und finanzierbar, privat wie öffentlich. 

Da geht der Bund nun einmal sehr vorbildlich voran: Vorausschauende Gewählte haben daher die Verschuldungsbremse in das Grundgesetz aufgenommen. In Artikel 109 GG (1) heißt es:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.

Ziel der Schuldenbremse ist es, die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern und die finanziellen Handlungsspielräume zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu sichern. Auf der Seite des Bundesministerium für Finanzen heißt es im Glossar dazu: Die Föderalismuskommission II hat sich für die folgenden Neuerungen bei der Schuldenbremse ausgesprochen:

  • Im Grundgesetz wird der Grundsatz eines ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalts festgeschrieben.
  • Beim Bund ist eine strukturelle Verschuldung nur noch in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulässig.
  • Konjunkturellen Effekten wird besser Rechnung getragen: Eine konjunkturbedingte Erhöhung der Kreditaufnahme in Abschwungphasen muss in Aufschwungphasen auch wieder ausgeglichen werden.
  • Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen sichert die notwendige Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung.
  • Drohende Haushaltsnotlagen sollen künftig schneller erahnt und so besser bekämpft werden. Dazu wird ein Stabilitätsrat geschaffen, der die Haushalte von Bund und den einzelnen Ländern überwacht und ein Sanierungsverfahren einleiten kann.
Die Neuregelung (Art. 109 und Art. 115 GG) gelten für Bund und Länder ab dem Jahr 2011. Im Rahmen einer Übergangsregelung (Art. 143d Abs. 1 GG) ist festgelegt, dass für den Bund noch bis einschließlich 2015 und für die Länder bis einschließlich 2019 Abweichungen möglich sind. Über Konsolidierungshilfen wird es den ärmeren Bundesländern Bremen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein möglich gemacht, die Vorgaben der Schuldenbegrenzung ab dem Jahr 2020 zu erfüllen.
Weiterhin soll zur Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern ein gemeinsamer Stabilitätsrat eingesetzt werden, der insbesondere der Vermeidung von Haushaltsnotlagen dienen soll (Art. 109a GG).

Das Verschuldungsverbot ist demnach grundgesetzlicher Ansporn, die Haushaltslage im Griff zu behalten. Angesichts der wirtschaftspolitischen Schieflage der europäischen Nachbarn wird sich hier allerdings schnell die Nagelprobe einstellen... das aber ist eine andere Sache.
Mein Aspekt ist allerdings noch ein zweiter: Auch der Bundeshaushalt ist in Teilen zwar öffentlich, aber nicht wirklich zugänglich. So ist das Projekt OffenerHaushalt entstanden, ein offenes und nicht-kommerzielles Projekt das jeder nutzen und an dem jeder mitarbeiten kann.  Das Ziel ist, den Bundeshaushalt möglichst transpranent zu gestalten, so dass Zahlen, Trends und Strategien zumindest ansatzweise öffentlich nachvollziehbar sind. Wie etwa unter dem Link "Offener Bundeshaushalt"
  
Während ein unabhängiger Anbieter den Haushalt bürgerfreundlich aufdröselt, zeigt sich nun auch das Bundesministerium für Finanzen transparenter und stellt dieser Tage den Bundeshaushalt für 2011 auf seine Homepage. Ein Anfang für Transparenz ist also gemacht. Die Daten der Vorjahre kann man als Vergleich auch mit hinzuziehen. Transparenz ist so einfach, wenn man sie denn will.

Und dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger an Transparenz - vor allem von Zahlen - interessiert sind, zeigt jeder aufmerksame Blick in die Zeitungen.
So zum Beispiel auch in der Nachbargemeinde Verl. Eigentlich eine Vorzeigekommune mit einer sehr soliden Haushaltslage - Verl steht als Musterschüler immer wieder im Rampenlicht. Nun hat auch diese Gemeinde mit seinen 25.181 Einwohnern via Antrag der SPD dazu aufgerufen, den Haushalt für 2011 mit den Bürgern gemeinsam zu diskutieren. Dazu sind zwei Termine benannt worden, der 7. und 8. Januar 2011, an denen die unterschiedlichen Schwerpunkte des Haushaltsplanes diskutiert werden können - zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft.  Hört, hört also - eine Kommune, der es gut geht, setzt frühzeitig auf Beteiligungsverfahren. Es geht also nicht zwingend darum, die schlechten Nachrichten über die Bürger selbst abzuwickeln, wie viele Kritiker meinen, wenn Städte in schlechten Zeiten mit der Beteiligung anfangen.

Die Zahlen zum Bürgerhaushalt in Gütersloh jedenfalls lassen hoffen, dass hier eine neue Form der Beteiligung zum Tragen gekommen ist, die Schule machen kann. Die Stadt hat sich auf den Lehrpfad der Beteiligung begeben  - und das Ergebnis kann sich sehen lassen:

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Nun ist hier die Politik am Zug. Sie wird im Laufe der Haushaltsberatungen über die Vorschläge nachdenken, die Vorschläge einbeziehen - und am Ende auch legitimieren müssen, warum sie wie handelt. Sollte das Verfahren auch in dieser Phase transparent und responsiv verlaufen, kann das ein Stück Vertrauen wiederherstellen, welches beim letzten Beteiligungsprozess (Bürgerentscheid zum Theater) gründlich verspielt worden ist.
Man darf gespannt sein, wie das Kompendium an Vorschlägen und Bürgeranregungen umgesetzt wird. - Auch wenn der erste FDP-Mann im Rat bereits geunkt hat, der Bürgerhaushalt habe die Möglichkeit geschaffen, sich unter unterschiedlichen Accounts mehrfach einzuloggen - dem Missbrauch des Systems seien keine Grenzen gesetzt. Ja, mag sein, dass das so ist. Ein Fehler im System, den auch wir als Bürgerinitiative diskutiert haben, der seine Berechtigung hat. Andererseits wirft diese Ablehnungsbegründung auch die Frage auf, welches Bürgerbild denn die Partei/ die Parteien offensichtlich mit sich herumtragen. Für einen liberalen Kommunalpolitiker ein wahrlich merkwürdiges Zeugnis seiner Denkweise über Bürger. 

Dass Demokratie nur von den Anhängern der repräsentativen Denkrichtung verinnerlicht wird, ist ein Irrtum. Demokratie hat viele Gesichter. Und Demokratie ist noch immer ein Ort, an dem über Alternativen gestritten werden muss - die sich nun durch das Engagement erst wieder auftun. Denn je weniger änderungsoffen andere demokratische Verfahren sind, desto wichtiger werden Volksabstimmungen oder neue Foren der Befragung und Abstimmung. Und für Haushalte (und damit Kohle für das Gemeinwohl) gilt das allemal. Es ist unser Geld. Fragen wir also, was WIR alle damit anfangen wollen. Dann werden die Nachrichten im WDR vielleicht in Zukunft anders aussehen - zumindest aber mit noch mehr Interesse und Handlungsbereitschaft verfolgt werden.


Mittwoch, 22. Dezember 2010

Bürgerbeteiligung en vogue - Bildungsgipfel kommt!

Na bravo. Geht doch. Gestern tagte der Schulausschuss. Die Vorlagen finden sich dazu im Ratsinformationssystem der Stadt, siehe obiger Link.

Mein persönliches Highlight: Bürgerbeteiligung bei der Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes

Der von der SPD-Fraktion eingebrachte Antrag für die Durchführung eines Gütersloher Bildungsgipfels ist Realität geworden: Einstimmig haben alle Fraktionen den Antrag angenommen. Man höre und staune. Bürgerbeteiligung bei einer der wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts ist ausdrücklich gewünscht. Die Fraktionen waren sich sogar nicht zu schade, auf die bisher guten Erfahrungen mit dem laufenden Bürgerhaushalt zu verweisen. Ein enormer Lernprozess für die Stadt. 
Geeinigt haben sich nun alle: Bei dem Bildungsgipfel sollen die Ziele einer modernen Schulpolitik für Gütersloh von allen Seiten diskutiert und eingebracht werden. Hierzu sollen u.a. Eltern-, Lehrer- und Schülerverbände, aber auch Vertreter von Trägern im Bereich der Offenen Ganztagsschule, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen werden.  - So der Antrag.

Differenziert wurde der Punkt 2 des Antrages betrachtet: Im weiteren Verfahren sollen einzelne Bestandteile des Schulentwicklungsplanes in verschiedenen Veranstaltungen mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Hier folgte die Einschränkung durch die Hinzufügung eines kleinen "ggf." also gegebenenfalls. 
Schuldezernent Martensmeier begrüßte das Ergebnis und verwies auf seine "Freude" , dass es ein solches Experiment geben werde. Die Rolle der Verwaltung werde die der Gestaltung sein. Eine Einschränkung machte aber auch er, denn Gütersloh sei sehr eng an Rahmenbedingungen gebunden, die sich aus der NRW-Schulgesetzgebung ergeben. Dieser Rahmen müsse deutlich sein und selbstverständlich eingehalten werden. Wünsch Dir was, wird es daher nicht geben. 
Die Verwaltung macht daher nun einen ersten Aufschlag. Im zweiten Schritt ist eine Art "Gallery Walk" vorgesehen, im dritten Schritt folgt eine Veranstaltung mit den Ergebnissen. Zeitpunkt: Mai/Anfang Juni 2011. Ein Anfang ist gemacht. 

Auch hier tritt ein Politikfeld aus dem Schatten des Ratssaales. En Beweggrund für die Entscheidung mag der sein: Vielleicht sind die Bilder der vielen tausend protestierenden Schülern vor dem Rathaus bei Fragen der Schließung der Schulbibliotheken noch präsent. Plakate kann man schnell mal wieder schreiben.... die Trillerpfeifen liegen sich auch noch im Schrank. Und Hamburg ist auch nicht ganz so weit weg. Da ist proaktive Beteiligung der bessere, weil modernere Weg.

Wichtige weitere Punkte:
Die Anmeldezahlen der Grundschulen liegen vor. Leider reichte die Zahlenvorlage (wiedermal) nicht bis auf die Zuschauertribüne. Aber Mitschreiben war ja möglich. Daher so viel:
Die Blücherschule verzeichnet 64 Anmeldungen. Die Kapellenschule 64, die Neißeschule 65. Alle drei bei Zweizügigkeit. Was das bedeutet ist klar: die Klassen sind viel zu groß. Es gibt Handlungsbedarf für die Gegensteuerung. Erstes Mittel ist die "Umleitung" - wenn das die Eltern der angemeldeten Kinder das denn mitmachen. So könnten Kinder von Blücher zur Altstadtschule ausweichen. Oder Kapellenkinder in Richtung Nordhorn, Avenwedde oder Edith-Stein "verschoben" werden. Die Neißeschule könnte in Richtung Blankenhagen umverteilen. Das Schulverwaltungsamt jedoch erklärt, dass erst bei endgültiger Zahlenlage Entscheidungen getroffen werden. Vertagt also auf Februar. 

Interessanterweise fragte die CDU-Fraktion nach den Bewegungsströmen zwischen dem Wohnumfeld der Kinder und den Anmeldungen, die teilweise in ganz anderen Stadtteilen vorgenommen werden. Die Aufhebung der Schulbezirke aber war genau von der CDU-Landtagsfraktion in NRW bei Amtsantritt 2005 gefordert und später realisiert worden. Der Wettbewerb zwischen den Schulen sollte so entstehen, die Eltern mit den Füßen abstimmen, was eine gute Schule sei und welche nicht. Nun zeigt sich aber in der Realität sehr brutal, dass diese gedachte Systematik wenig hilfreich war. Die konservative Fraktion im Rat deutete nunmehr an, diese als Steuerungsinstrument nun wieder einführen zu wollen.  - Das steht der Landtagsfraktion der CDU in Düsseldorf konträr gegenüber, die ungebingt daran festhalten will. Wir werden sehen, wie sich das in Gütersloh entwickelt.

Zum Schluss noch aufgepasst:
Das Thema "Schulschließung" ist nicht vom Tisch. Im GPA (Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen) schlummert Zahlenmaterial mit Brisanz. Eine Empfehlung lautet: "Wir empfehlen der Stadt Gütersloh, unter Einbeziehung der zu erwartenden Rückgänge der Schülerzahlen ein Konzept über die Entwicklung und zukünftige Gestaltung der Grundschullandschaft zu erstellen. Ziel der Stadt sollte es sein, kurz-bis mittelfristig einen Grundschulstandort aufzugeben und langfristig die Aufgabe von zwei weiteren Grundschulstandorten anzustreben. Bei der Entscheidung zur Schließung von Schulstandorten sollten insbesondere die zuvor beschriebenen Faktoren Berücksichtigung finden." (GPA, S. 26)

Nun folgte des Dezernenten Hinweis, dass es einfacher sei, interkommunal Standorte zu vergleichen als vorausschauende Schulpolitik direkt vor Ort zu gestalten. Bekannt ist allerdings, dass Zahlenmaterial oftmals schon Handlungsdruck erzeugt hat, der später irreversibel war!

Bleibt zu hoffen, dass die nun eingeläutete Phase der Bürgerbeteiligung einem offenen Prozess geschuldet ist - und nicht dafür herhalten muss, böse Überraschungen am Ende weit weg von jeder politischen Verantwortlichkeit dann doch besser durch den Bürger selbst legitimieren zu lassen. Konzepte und Alternativen kann man auch mit leeren Kassen entwickeln - dann nämlich kommt man erst ans Denken!






Montag, 20. Dezember 2010

Beschenken Sie Ihre Liebsten... meine sind aus Stahl

Weihnachten steht vor der Tür. Wie jedes Jahr zur gleichen Zeit. Seit Tagen überfluten mich die Botschaften wie „beschenken Sie Ihren Lieben“, oder „das Beste für die, die Ihnen am nächsten sind“. Klar folge ich der Aufforderung. Jeder schreibt ja in diesen Tagen so seine Listen mit den Notizen: Wer bekommt was zum Fest? Allerdings bin ich da ein weihnachtspolitischer Blindgänger. Ich würde es lieber halten wie weiland der Vogel Strauß: Kopf in den Sand und das Spektakel findet ohne mich statt.


Aber das geht natürlich nicht. Ich möchte ganz gewiss auch meine Lieben nicht unbeschenkt lassen. Name für Name mit passender Weihnachtsgabe verewigt sich also auf meinem Zettel.
In Gedanken streife ich alle, die ich bedenken möchte. Und bleibe plötzlich an zwei hängen, die mir ganz besonders „lieb“ sind. Beide tragen den gleichen Vornamen: Miele. Die eine Miele – Waschmaschine, der andere Miele – Geschirrspüler. Beides Gefährten, die mich das ganze Jahr über sehr treu und zuverlässig begleitet haben. Sie sind die lebenden Beweise für so manche Programme zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Durch sie erhalte ich mehr realen Freiraum als durch das Grundgesetz. In meiner Hitliste der Freiheitsspender stehen sie direkt hinter dem Wahlrecht für Frauen.


Sein wir doch mal ehrlich: Könnte ich ohne diese beiden stahlbehausten Freunde überhaupt politisch so aktiv sein oder Bürgerbeteiligung fordern und praktizieren? Wohl kaum. Ich stelle mir vor, wie viel Zeit ich damit verbringen müsste, um allein die Wäsche meiner Familie wöchentlich in Schuss zu halten, die Sportsachen. Hilfe... Oder aber der tägliche Abwasch: Beginnend mit einem ausgewogenen Frühstück, mit einem biologisch einwandfreien Mittagessen mit Produkten aus der Region. Die tausend Gabeln, Tassen, Teller. Nein. So manches Mal habe ich unterjährig schon meinen Miele-Freunden, der Spülmaschine und der Waschmaschine gehuldigt, betend die Hände gefaltet und danke gesagt. Danke dafür, dass ich mich jetzt an den Schreibtisch setzen kann, um etwa einen Blog zu schreiben, während die Aluminumdrehscheibe innerhalb des Gehäuses mein Geschirr und die Töpfe reinigt und auch noch abtrocknet oder aber die Edelstahltrommel in der Waschmaschine den Dreck vom Sportplatz entfernt.


Gleiches müssten doch zigtausend andere Haushaltsbeauftragte ähnlich empfinden wie ich. Man stelle sich einmal vor, wie mau es etwa um die politische Aktivierung bestellt wäre, wenn wir diese Arbeiten manuell leisten müssten. Kein Stuttgart 21 wäre da realisiert worden, der Bahnhof längst unterirdisch, kein Bürgerhaushalt in Gütersloh und kaum die Möglichkeit, bei Wikileaks Informationen zum Krieg auszuwerten.


Ich atme tief durch die Nase ein. Meine Güte. Was bin ich froh, dass es Miele gibt. Nun werde ich mit ganz anderen Augen an unserem heimischen Haushaltsgerätehersteller vorbeifahren. Und eines schreibe ich natürlich noch auf meine Liste: Meine Haushaltsgeräte bekommen zu Weihnachten eine Extra-Portion Entkalker und Pflegemittel. Sie sollen mir ja auch noch 2011 meine „Liebsten“ sein. Denn dann stehen wieder viele Aktionen auf dem Plan, wie etwa der
Bildungsgipfel, der Schulentwicklungsplan… und was mir sonst noch so einfällt, während meine „Freunde“ für mich arbeiten.

Freitag, 17. Dezember 2010

Supernova in der Milchstraße: Wutbürger!

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat  "Wutbürger" zum Wort des Jahres 2010 gekürt. Mich wundert das nicht - gefühlt musste am Ende des Jahres so etwas dabei herauskommen: Während wir die laufenden Bilder des Jahres 2010 fast täglich in irgendeinem Rückblick verfolgen können, bestätigt uns die Gesellschaft nun mal wieder in Wortform die tiefere Bedeutung. Für einen Vielschreiberling und eine Wortschätzerin wie mich ist die Wahl eines solchen Begriffes daher immer auch ein highlight des Jahres. Eine Supernova in der Milchstraße der Sprache.

 "WUTBÜRGER": Offiziell heißt es, diese Neubildung wurde von zahlreichen Zeitungen und Fernsehsendern verwendet, um einer Empörung in der Bevölkerung darüber Ausdruck zu geben, dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Für die Auswahl der Wörter des Jahres war dabei nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks entscheidend, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität: Die Liste trifft den sprachlichen Nerv des sich dem Ende neigenden Jahres und stellt auf ihre Weise einen sprachlichen Jahresrückblick dar, so erklärt die Gesellschaft ihre Wahl.

Besonderes glänzende Augen bekomme ich, wenn man den Ursprung der Wörter einmal näher betrachtet: So geht "Wut" als Substantiv (mhd.) auf wuot zurück, was so viel heißt wie "unsinnig". Daneben gibt es noch die Anlehnung an das altenglische "wod", was mit "Ton, Stimme, Dichtung" korrespondiert. Damit ist wohl auch der Göttername "Wuotan" verwandt, der wahrscheinlich eigentlich "rasender Gott oder Dämon" bedeutet. Die germanischen Wörter sind dann wohl verwandt mit lat. vates, also "Wahrsager, Seher oder Prophet". Diese Wortstämme allein zaubern mir schon ein Lächeln auf die Lippen. "Stimme der Wahrsager" könnte man wohlwollend zusammenfassen, wenn man einmal nicht streng wissenschaftlich vorgehen möchte. Alleine das lässt ja schon auf eine Fortsetzung von Begriff und Inhalt für das Jahr 2011 hoffen. Wenn ich dann nun noch den Begriff "Bürger" knapp gesagt auf den Punkt bringe, stand es zunächst in der Bedeutung von "Verteidiger"... 

Liest man also das Wort des Jahres 2010 "Wutbürger" als Kompendium der beiden obigen Bedeutungen, ist sprachlich ein neuer Richtstern entstanden, der den politischen Kompass vielleicht neu einzunorden versteht.

Die Liste der insgesamt 10 gewählten Wörter findet sich hier:

1. Wutbürger  
6. schottern 
2. Stuttgart 21  
7. Aschewolke 
3. Sarrazin-Gen  
8. Vuvuzela 
4. Cyberkrieg  
9. Femitainment 
5. Wikileaks  
10. unter den Eurorettungsschirm schlüpfen 

Auf die zweite Position wählte die Jury den Ausdruck Stuttgart 21. Die geplante Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof ist Gegenstand von Protesten, die weit über die Region hinausgehen. Auch Punkt vier und fünf und nicht zuletzt Nummer sechs lassen zumindest das Herz eines Jeden höher schlagen, der sich im Sinne der Wortursprünge angesprochen fühlt und für die Milchstraße interessiert. Mein Herz pocht.


Donnerstag, 16. Dezember 2010

25 Jahre Ratsarbeit - Ein Rückblick der Ehemaligen

"Sind Sie nicht der Bürgerhaushalt?"
Heute war ich auf dem Markt. Kolbeplatz. Alles eingeschneit. Die Gemüsehändler waren hinter dicken durchsichtigen Plastikplanen verschwunden, man musste erst den Eingang suchen, um zum Obst zu gelangen. Gerade hatte ich meine Mandarinen eingesackt, da sprach mich ein älterer Herr an, mit Hut und in grauem Mantel. "Hallo, Sie sind doch der Bürgerhaushalt, oder?", fragte er mich direkt. Ich war erstaunt, denn ich trug immerhin eine dicke Wintermütze und einen Schal um den Hals, ein Erkennen war also nicht so leicht. Meine Antwort kam zögerlich: "Nein und auch ein bischen Ja", setzte ich an. "Mein Name ist allerdings nicht Bürgerhaushalt, ich wirke aber schon in der Initiative "Demokratie wagen" mit - wenn Sie das meinen" versuchte ich zu differenzieren. Mein Gegenüber erschien mit ein wenig angriffslustig, da wollte ich erstmal in Deckung gehen... "Na ja", fing er an und entspannte sich, "man kann das ja gut finden, mit der Beteiligung, jetzt wo doch alle auf die Straße gehen. Aber was erhoffen Sie sich eigentlich davon. Am Ende machen die Politiker doch eh, was sie wollen. Die Gütersloher Ratsherren sind doch schon so lange im Amt, die kümmert es nicht mehr, was wir Bürger wollen...." Tja. Da hatte er ja nun mein Leib- und Magenthema angesprochen. Und ich antwortete mit unserer Studie zur Gütersloher Ratspolitik von 2009:

Befragung der Ehemaligen aus den Räten 
Im gelegentlichen Austausch mit anderen Ehemaligen aus der Politik, die man ab und zu  auf der Straße traf, war 2009 die Überlegung entstanden, einmal die Ehemaligen Ratsmitglieder aus Gütersloh nach ihren Erfahrungen zu befragen. Nach unserem eigenen Abschied als Ratsfrau in Funktion einer Fraktionsvorsitzenden der Grünen und Jürgen Zimmermann als Ratsherr in den ersten Anfängen der Grünen in den Räten wollten wir unsere eigenen Überlegungen dazu als alleinige Erklärung nicht gelten lassen: So schickten wir 162 ehemaligen Ratsleuten und sachkundigen BürgerInnen, die zwischen 1984 und 2009 ein politisches Mandat in Gütersloh ausgeübt hatten, überparteilich einen Fragebogen zu ihrem politischen Werdegang und zur persönlichen Einschätzung von Kommunalpolitik während ihrer aktiven Phase. Wir wollten vor allem wissen, welchen Erfahrungsschatz ausgestiegene Mandatsträger an die nachfolgende Politikgeneration weitergeben könnten – wenn dieses Wissen denn je abgefragt würde. Und natürlich suchten wir Antworten auf die Ur-Frage, was genau dazu führt, ein kommunalpolitisches Mandat auch wieder aufzugeben und ob eine Chance besteht, dieses Potenzial an Kenntnis für die Rats- und Ausschussarbeit zurückzugewinnen.

Warum wir Ex-Politiker befragten? Betrachtet man das System aus der Ferne, so dachten wir, würden die Insider sicher reflektierter antworten können als zur aktiven Zeit, in der man noch im politischen Tagesgeschäft zwischen Radwegeausbau und Gewerbesteuern gefangen war. Wir wurden nicht enttäuscht: Jeder Vierte von uns Angeschriebene, sendete einen umfangreichen Antwortkatalog zurück.

Warum steigt man aus der Ratsarbeit aus?
Die häufigsten Gründe für den Ausstieg zeichneten sich sehr deutlich ab. Eine starre Parteiräson und Fraktionszwang, fehlende Bürgerbeteiligung und mangelnde Transparenz innerhalb politischer Entscheidungswege führten die Liste an. Als Gegenstrategien wurden insbesondere den Parteien ins Stammbuch geschrieben: Eine stärkere Öffnung der Parteiarbeit für Nicht-Parteimitglieder und mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Parteilose im Rahmen eines Projektes sowie eine größere Sachorientierung contra Fraktionszwang. Mit Nachdruck wurde eine fachliche und persönliche Qualifizierung des politischen Personals sowie ein lokales Mentoring, mit Einsatz von „Medizinmännern“ angemahnt. Wünschenswert war – und das liegt in der Natur der Sache: Rückspiegelung von Erfahrungen bei Ausscheiden aus dem Mandat.

Als Gegenentwurf wurde die Etablierung öffentlich-strategischer Räume für sachorientiertes, interfraktionelles Arbeiten sowie die Weiterentwicklung des operativen Geschäfts der Ratsarbeit analog moderner Teamarbeit, Sachkompetenz und Lösungsorientierung gewünscht. Eine deutliche Mehrheit (59 Prozent) glaubte übrigens, der Rat werde seiner wichtigsten Aufgabe, nämlich die Verwaltung zu kontrollieren oder zu führen, nicht gerecht.

Ratsarbeit kann auch wehtun!
Erstaunlich offen formulierten die Befragten auch ihre ganz persölichen Beweggründe: Die Liste der „weichen“ Faktoren beginnt mit der fehlenden Menschlichkeit in der politischen Arbeit gefolgt vom Bemänglen grober, politischer Auseinandersetzungen und immer wieder auftauchend: zu viel Selbstdarstellung des politischen Personals. Das schien eine erste Antwort zu sein darauf, dass viele Ex-Ratsleute sehr viel mehr Blessuren nach den Sitzungen mit nach Hause nahmen als in den Gremien sichtbar war. Die Erinnerung an zahllose Angriffe der politischen Gegenseite war auch bei uns präsent. Zornige Ratsherren, die uns Grüne schon deshalb angifteten, nur weil wir „Grüne“ waren. Hinter den Kullissen hörten wir oft mildere Worte: „Euer Antrag war klug, aber man kann doch den Grünen nicht öffentlich zustimmen.“ Das ist realpolitisch Jahre her, aber die Verunglimpfungen hatten deutlich Spuren hinterlassen: Ein Gefühl, das parteiübergreifend gleich formuliert wurde, also offenbar nicht nur uns Grüne ins Mark getroffen hatte. Es erstaunt also nicht, dass die Wertschätzung für die geleistete Arbeit allen Befragten viel wichtiger war als eine höhere Aufwandsentschädigung. Auf dem Wunschzettel stand dann auch: Ausbildung einer wertschätzenden Gremienkultur.

Demokratie steht eigentlich hoch im Kurs
Überparteilich betont wurde, dass es die politische Kultur und die Kommunalpolitik generell aufzuwerten gilt. Die Studie bündelt immerhin 25 Jahre politischen Einsatz in einer Mittelstadt - keiner der Befragten blickte zurück im Zorn. Im Gegenteil: Die frühzeitige Schärfung des Demokratiebewusstseins durch kommunale „Demokratie-Paten“ schon in Kindergärten und Schulen, lag vielen am Herzen.

Befragt danach, was generell zu einer größeren demokratischen Teilhabe führen könne, sprach sich die Mehrheit überdeutlich für eine verstärkte direkte Bürgerbeteiligung aus. Aus eigenem Erleben kennen wir: Politiker agieren oftmals in einer Wagenburgmentalität, nähern sich sogar sprachlich einander an und leben in einem eigenen Kosmos von Sitzungen und Vorlagen. Im Laufe einer Hauptausschusssitzung bat ich damals darum, den anwesenden Bürgern in einer Angelegenheit ein kurzes Rederecht einzuräumen. Der Antrag wurde vehement von allen Gewählten abgelehnt – die Presse berichtete später davon als „Angst vor dem Bürgerkontakt“. Es überrascht (nicht), dass die Befragten gerne das Wahlrecht NRW geändert sähen, und zwar durch „Kumulieren“ und „Panaschieren“.

Eine stärkere Beteiligung junger Menschen werde in erster Linie durch das Ernstnehmen junger Menschen erreicht, hier solle das Jugendparlament durch effiziente Partizipation gestärkt werden. Eine stärkere Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund sei nur durch bessere persönliche Kontaktpflege und Einbindung möglich. Das wichtigste kommunalpolitische Thema heute ist für die Mehrheit der Befragten die „Bildungspolitik“, gefolgt von „Haushalt/Schuldenabbau“ und „Stadtplanung“. (Wie gut hier der Bürgerhaushalt nun ins politische Geschehen passt, denke ich heute.)

Ein Leben nach der Politik
Nach der aktiven Phase in der Kommunalpolitik erfolgte übrigens zu 68 Prozent eine aktive Phase in einer anderen Form des Ehrenamtes. Die große Mehrheit der Befragten würde dabei nicht nocheinmal ein Mandat übernehmen - nur wenige würden sich dazu nochmals bitten lassen. Das Ehrenamt in anderen Bereichen biete mehr Wertschätzung, Raum für persönliche Freiheit und mehr konkrete Gestaltungsmöglichkeiten.
Deutlich ist: Der Wissenstransfer nach dem Ausscheiden ist ein Knackpunkt. Die gewonnen Kenntnisse werden selten in die Parteien zurückgespiegelt. Wer fragt schon gerne Ex-Politiker um Rat? Viele mühsam errungene Erfahrungen gehen damit ungenutzt verloren. So können aus Wissen und Fehlern keine Lerneffekte und Effizienzsteigerungen für die zukünftige Ratsarbeit erzielt werden. Jeder neue Einstieg in die Ratsarbeit bedeutet daher für Gewählte einen Sprung ins kalte Wasser – mit unbestimmten (Er)-Folgen.

Einsatz fürs Gemeinwohl
Parteien, Fraktionen und Wählergemeinschaften stehen vor dem Problem, auch in Zukunft Aktive für ein Ehrenamt in der K-Politik gewinnen zu müssen. Ist das Image der Kommunalpolitik auch stark angekratzt, so stehen die Zeichen für ein politisches Ehrenamt dennoch günstig: Untersuchungen belegen die hohe Bereitschaft der Bevölkerung, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Laut Studie war es vor allem der politische Zeitgeist, der Menschen vom reinen Interesse zum aktiven politischen Handeln motiviert hat. Gerade Zeiten des Wandels wie diese der Post-Krise (?) bieten dazu zahlreiche Themen. Es liegt nun am Politik- und Parteienbetrieb, aktiv zu sein und Mit-Menschen für die politische Interessenvertretung (wieder) zu gewinnen.

Die Kommune kann immer nur so gut sein, wie ihre Politikerinnen und Politiker es sind. Auch wenn das für die Beteiligten einem Spagat zwischen Lust und Frust gleichkommt. Bei uns ist die Lust an der Politik geblieben, allerdings in anderen Formaten. Dazu gehört heute der Bürgerhaushalt, der ein eigenes Sprachrohr für die Bürgerschaft darstellen kann. Das Internet ist zudem genau das richtige Instrument dafür. 


Mein Gesprächspartner nickt. "Dann will ich hoffen, dass sich die Politik die Ergebnisse zu Herzen nimmt", brummt er. "Ich hoffe das, genau wie Sie", antworte ich und trage meine Mandarinen nach Hause.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Ab Mitternacht folgt das Voten - Bürgerhaushalt in II. Phase

Der Bürgerhaushalt erreicht seinen ersten Höhepunkt: Heute um Mitternacht endet die Phase der Einstellung von Vorschlägen und Kommentierungen. Ab eine Minute nach 00:00 wird bis zum 22. Dezember 2010 noch gevotet. Also abgestimmt nach Pro, Contra, Neutral. Dann wird es nochmal spannend.

In Gütersloh TV findet sich ein Interview mit der Kämmerin Christine Lang. Aus dem Format
Kaffeetalk wurde der "Rathaustalk".

Eine wirkliche Lanze, die Frau Lang als Kämmerin für den Bürgerhaushalt gebrochen hat. Es ist großartig, wie die Verwaltung der Stadt den Willen umgesetzt hat, mehr Transparenz in die Haushaltsberatungen zu bringen und den Mut aufbringt, au...ch Meinungen der Bürgerschaft abzufragen - und auszuhalten. Sehr gelungen!
Nun kommt es darauf an, wie die Politik der Stadt die Empfehlungen bewertet und hier auch antwortet. Die Repräsentanten entscheiden ja am Ende. Dann aber bitte auch nachvollziehbar, warum und wieso. Eine Aufgabe, die eine ergebnisoffene Haltung erfordert. Bitte nicht gleich nur auf die "Bunte-Niveau"-Vorschläge eindreschen, die es auch gibt, sondern die Botschaften an sich ernst nehmen.

Zur kritischen Nachfrage von Herrn Bunnemann von Gütersloh TV nach den Kosten möchte ich noch hinzufügen, dass die 70 TE gut angelegt sind, wenn sie dazu beitragen, eine höhere Legitimation staatlichen Handelns zu generieren. Das führt zu mehr gelebter Demokratie und zu einer pluralistischen Meinungsbildung - und das müssen die "alten Medienmacher" noch lernen: Hier sind sie nicht mehr alleine die Tonangebenden mit ihren Kanälen, sondern das Internet bietet mehr Möglichkeiten, Sprachrohr für viele zu sein. Und: Ein voreingenommener Moderator fällt als Filter weg. Gut so. Demokratie impliziert das "Viele" eher als "Einige".

Bleibt schließlich zu sagen: Voten Sie!

Montag, 13. Dezember 2010

Lokale Demokratiebilanz - die Nagelproben

Unser Pressegespräch vom Freitag 10.12.2010 (siehe NW) zur lokalen Demokratiebewegung um den Bürgerhaushalt schlägt unvermutet hohe Wellen. Da fühlt sich die Politische Klasse in Person der Bürgermeisterin der Stadt angegriffen und reagiert reflexartig: Der Bürgerhaushalt sei nur eine Marke auf dem Weg der Demokratie. Außenstehende lobten bereits die gute Kultur der öffentlichen Diskussion in der Stadt, so ihre Antwort auf unseren kritischen Blick auf die kommunale Politiklandschaft.

Löblich ist das Engagement der Stadtverwaltung, diesen Bürgerhaushalt so qualifiziert und maßgeblich zu unterstützen. Alle Achtung dafür. Aber wie sieht es denn wirklich mit dem demokratischen Selbstverständnis in Gütersloh aus? Und da ist nicht nur die Verwaltung gefragt.

In Artikel 20 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes wird die Bundesrepublik unter dem Aspekt der staatlichen Ordnung als ein demokratischer und sozialer Bundesstaat bezeichnet. Alle Gewalt geht vom Volke aus, heißt es. Ein hoher Anspruch und eine Aufgabe, dem und der man auch gerecht werden muss: Das scheint aber immer weniger zu gelingen.
Schon seit 1992 das Unwort des Jahres mit „Politikverdrossenheit“ kreiert wurde, stellt sich immer wieder die Frage, wie politikmüde eigentlich die Bürger sind und wenn sie das denn sind, wie der Weg zurück zur Partizipation gestaltet werden kann. Andererseits wirft aber die Umkehrfunktion die Frage danach auf, wie bürgermüde die Politik eigentlich ist.

Seit der Antike und den Vorstellungen einer Gesellschaft nach Platon und Aristoteles und der Zeit der Aufklärung durch Rousseau und Kant wurde die Frage nach der Politikfähigkeit des Menschen immer wieder erörtert und unterschiedlich beantwortet. Nun ist Demokratie kein Zauberwerk, sondern ein Prozess. Ein Prozess, der sich im Spannungsverhältnis zwischen Politik, Bürger und auch Verwaltung orientiert. Das gilt auch für die kommunale Ebene, oder gerade dort, so nahe am Lebensraum des „Volkes“. Demokratie ist dabei sogar auch messbar – und vor allem eine Haltung. Diese Haltung lässt sich definieren. Kriterien sind etwa:

Informationszugang
Rollenverständnis der Politik
Ermöglichungshaltung seitens der Politik
Beteiligungsverfahren
Bewertung der Beteiligung

Wer also für sich reklamiert, eine demokratische Kultur in der Stadt zu pflegen, darf sich gerne einmal auf Spurensuche begeben:

Der Bürger und das Theater:
Fangen wir mal an mit dem Theater der Stadt. Ja - bitte nicht so vorschnell urteilen, das sei ein alter Hut. Die Debatte um das Theater in der Stadt Gütersloh ist zwar schon „alt“ – aber für den Bürger nicht transparent abgeschlossen und damit sehr lebendig – das zeigen einmal mehr die unzähligen Vorschläge und Kommentare im Bürgerhaushalt. Lange Jahre stand die Frage im Raum, ob wir als Stadt ein neues Theater brauchen oder nicht. Die Politik wollte dann irgendwann. Die Bürger aber nicht. Die politische Antwort der Bürgerschaft gab es schon 2003 beim von der BfGT angestrebten Bürgerbegehren, welches zulässig war und damit in einem Bürgerentscheid mündete. Hierbei stimmten rund 75,8 Prozent der stimmberechtigten Gütersloher Bürger und Bürgerinnen gegen das Theater. Damit war der Neubau vom Tisch. Dachten die Wähler. Nach zwei Jahren (diese Frist muss man laut Gemeindeordnung NRW verstreichen lassen, bis ein Thema nach einem Bürgerentscheid wieder auf die Tagesordnung kommen darf) nahm die Politik den Theaterwunsch wieder auf. Das Ende ist bekannt: Am 21.6.2006 fiel der Errichtungsbeschluss im Rat. Mit 36 Ja-Stimmen, 1-Nein-Stimme, 4 Enthaltungen. Das Theater wurde gebaut. Übrigens ist im Protokoll nicht mehr nachvollziehbar, wer wie abgestimmt hat, da nur ein Zahlenergebnis vorliegt, keine Zuordnung zu den Fraktionen vorgenommen wurde. (!)

Der Bau ist heute immer noch umstritten, denn nach wie vor besteht das Bauchgefühl in der Bürgerschaft, dies gegen den Willen der Bürgerschaft errichtet zu haben – und das auch noch in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Noch während der Bauzeit wurde Rödel&Partner als Beratungsunternehmen eingekauft, welches den Haushalt in Gütersloh konsolidieren helfen sollte. Ein Zusammenhang liegt nahe. Heute stehen wir bei aufgerundet rund 13 Millionen Euro Schulden insgesamt. Die Nagelprobe für Demokratie sieht dabei unter dem Strich eher schlecht aus: Das Rollenverständnis der Politik: „Wir entscheiden, das Votum des Volkes wird legal durch die 2-Jahres-Frist umschifft“ ist wenig hilfreich für den Status einer demokratischen Gemeinde mit einer guten Kultur der öffentlichen Diskussion. Dieses Lehrstück sitzt noch im kollektiven Gedächtnis der Bürgerschaft verankert.

Weitere Proben können genommen werden: Bis vor zwei Monaten war es nicht üblich, die Protokolle der Beschlüsse in Rat und Ausschüssen den Fraktionen zuzuordnen. Ein politisches Nachhalten der Abstimmungsverhalten ist damit nicht möglich. Viel Raum für Spekulation und daher wenig Raum für Transparenz. Nagelprobe nicht bestanden.
Noch eine Nagelprobe. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW ist seit Januar 2002 in Kraft. Es gibt den rechtlichen Rahmen für die Bürger vor, Zugang zu Informationen zu erhalten. Ein erster Schritt zum gläsernen Rathaus und damit zur Öffnung der Aktenschränke. Eine eigene Satzung hierzu wollte die Stadt Gütersloh nicht erlassen, zu viel Bürokratie. Es ist lediglich eine Gebührensatzung entstanden, die annähernd die Richtung vorgibt, wie hoch etwa die Kosten sind, die entstehen, wenn der Bürger wirklich Informationen einfordert. Die sind nämlich nicht kostenlos zu haben. Und da liegt bereits der Teufel im Detail. Die Verwaltung steht allen Bürgern bei Nachfragen offen. Ja. Aber wer gewährt diese Offenheit und in welchem Maße? Nagelprobe nur halbwegs bestanden.

Eine Fortsetzung der Liste folgt.....

Will man sich nun wirklich und wahrhaftig auf den Weg einer modernen Bürgerkommune machen, ist dies ein langer Weg. Ein Bürgerhaushalt ist ein echter erster Schritt. Nur ein Schritt führt noch nicht zum Ziel. Es bleibt abzuwarten, wie die Politik mit dem Ergebnis des Bürger-online-Verfahrens umgeht. Wer dann seine postulierte „gute Kultur der öffentlichen Diskussion“ in eine echte Beteiligungskultur transformiert sehen will, braucht da mehr als Worte. Wir werden sehen, wie sich die politische Diskussion anschließt und zu welchem Ergebnis die Gewählten dann kommen. Im Zustand wie gesehen, wäre die schlechteste aller Endformen.

Vielleicht mag man in Gütersloh im Anschluss aber auch mal bei Kommunen reinschauen, die sich schon auf den Weg zu einer Bürgerkommune gemacht haben, wie Viernheim etwa, die nach der Methode der lokalen Demokratiebilanz arbeiten – und Demokratie nicht nur mit einer Marke betreiben, sondern Beteiligungsmöglichkeiten auch bewerten lassen. Von den Bürgern. Und das stetig.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Oh Tannenbaum – als Partizipationsprojekt der Kirche oder wie acht Meter Frieden bringen

  Es begab sich aber zu der Zeit, als die Natur noch grün war. Die Bäume auf unserer Wiese sind zu groß für ein Wohnzimmer. Acht Meter. Schon im Sommer hegen wir die Idee, einen der herrlichen Tannenbäume auf der West-Wiese der Kirche zu Weihnachten anzubieten. Eine der Prachttannen würde sich im Altarraum sicher gut machen. Alle Jahre wieder. Es sollte nicht irgendeine Kirche sein, sondern die Lukasgemeinde. Dort tauchen wir immer mal wieder gerne im sonntäglichen Gottesdienst auf, weil der junge Pastor mit den engelsgleichen Haaren so politisch ist.

Als der November seine letzten Tage fristet, rufen wir besagten Geistlichen an. Herr Pastor könne sich eine Tanne zu Weihnachten für seine Kirche aussuchen. Acht Meter, der Baum. Die Antwort des Gottesmannes am anderen Ende der Leitung ist ein klares Ja... Aber. Sein „aber“ setzt eine echte Weihnachtsbaum-geschichte in Gang. Generell nehmen wir die Tanne gerne, so der Gemeindehirte. Nun sei es so, dass ja die Kirche sparen müsse. Daher wüssten wir sicher, dass die Gemeinden zusammengelegt wären. Mit dem Ergebnis, dass es nun zwei Pastöre gäbe. Dieses Jahr sei „der Andere“ dran, mit Weihnachten und der Begrünung. Und die Gemeinde Lukas habe auch einen eigenen Tannenbaumbeauftragten. Der müsse befragt werden. Und selbstverständlich eingebunden. Der für das Jahresendgrün Auserwählte würde sich melden, versprach der Doppelspitzenpfarrer. Mit Erstaunen auf eine derart organisierte himmlische Schar gestoßen zu sein, legt mein Mann auf. Weiteres wollten wir abwarten. Der Baum stand ja noch im Saft. Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter, wenn es schneit.

Tage später klingelt das Telefon. Wieder nimmt mein Mann den Hörer ab und ist mit einem Herrn verbunden, der sich als Tannenbaumbeauftragter der Gemeinde Lukas vorstellt und erst in einem zweiten Atemzug seinen Namen nennt, den J. aber gleich wieder vergisst. Tannenbaum ist unser Stichwort, wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit ein Baum von dir mich hoch erfreut. Mein Gatte sieht sich schon mit Säge und Axt in Aktion. Doch vor jeden Schweiß hat der Herrgott die Gemeindedemokratie geschaltet. Herr Tannenbaumbeauftragter-der-Gemeinde-Lukas verkündet, er müsse sich den zum Geschenk vorgeschlagenen Baum zunächst einmal anschauen. Aber nicht allein. Sie kämen zu dritt, spricht er weiter und erklärt, wen er da mitzubringen gedenke. Vom Himmel hoch, da komm ich her. Das Wort Küsterin bleibt hängen, diese kennt sicher die geschätzte Höhe des Kirchenschiffes und das Maß des Baumes. Und Kaiser Augustus befahl, dass alle Welt sich schätzen ließe. Wir schmunzeln über die Zahl drei: Drei Weise aus dem Morgenlande. Das passte doch zu Weihnachten. Wir verabreden sich für den folgenden Tag. Um drei. Auf dem Hof. Die Bäume warten, bald ist Weihnachtsabend da.

Die Uhr schlägt dreimal. Unser Sohn sieht den weißen Wagen der Weisen auf den Hof fahren. Freundlicherweise nimmt er die Kirchenleute in Empfang und zeigt ihnen schon mal den Weg auf die Wiese. Diese Minuten nutze ich, um meine Gummistiefel anzuziehen und meine Arbeitsjacke. So bin ich eine passable Vertretung für meinen Holzfäller-Gatten, der noch nicht zurück ist. Wir treffen am Holzgatter aufeinander: die drei Tannenbaum-Experten-der-Lukas-Gemeinde, zwei Damen und ein Herr – letzterer wohl  hauptamtlicher Tannenbaumbeauftragte – und ich. Wir schütteln uns die Hände. Die drei Reisenden aus dem Matthäusland sind durchdrungen von der Bedeutung ihrer Entsendung. Durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah.

Wir steigen über das Gatter, macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Meine Stiefel leisten ihren Dienst. Die drei Weisen sacken mit ihren Halbschuhen tief ins nasse Grün. Die ältere Dame im aparten Arrangement in rosa übernimmt und eröffnet die Konversation. Ich bring Euch gute, neue Mär. Was für ein schöner Fleck Erde, spricht sie und kommt gleich zur Sache. Mein Pastor betont sie das Possesivpronomen, hat mich beauftragt, nicht nur einen Baum auszusuchen. Er bittet auch um das Restgrün für die Krippe, lässt sie mich wissen. Da liegt es das Kindlein auf Heu und auf Stroh. Sie sei ja Presbyterin der Gemeinde. Freue Dich, oh Christenheit. Was die Pastöre heute alles so wollten, führt sie weiter aus. Jeder hätte so seine  eigene Vorstellung. Christ ist erschienen, uns zu versühnen. Aha, antworte ich.

Die Dame Ohne-Rosa stolpert über die jungen Setzlinge, die sich im Gras versteckt haben und erst noch wachsen müssen. Alle sechs Augen der drei Weisen sind auf die großen Prachttannen am Ende der Umzäunung gerichtet. Auf diese zeige ich mit einer Handbewegung wie ein Bergführer auf eine Gipfelkette. Stattlich stehen sie da in Reihe und Glied: Blautannen, Nordmanntannen, Waldtannen. Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum wie grün sind deine Blätter. Dicht drängen sich die Äste und  eifern mit ihrem Grün um die Wetter als diese erste echte Begegnung zwischen Kirche und Baum stattfindet. Gnadenbringende Weihnachtszeit.

Vier Meter Fünfzig ist das Maß für den Christbaum. Vier Meter fünfzig von der Spitze bis zum Fuß. Das sind drei Meter fünfzig weniger als die Tanne in echt groß ist. Man kann sie höher abschneiden, beruhige ich die Rechnerei der drei Experten. Die Aufmerksamkeit auf diese echten Tannen währt nur einen Augenblick. Frau Rosa hat die weiche Omorika-Fichte entdeckt. Die Zarte. Sie steht ein wenig abseits vor den anderen Tannengehölzen. Auch sie ist  acht Meter. Die soll es sein, verkündet der rosa Engel der Lukasgemeinde. Wir übrigen drehen uns um. Erstaunt. Für einen Augenblick bin ich unsicher, ob mein Mann auch diesen Baum zum Schlagen freigegeben hat. Oh du fröhliche. Die drei umwandern die serbische Fichte, streicheln ihre weichen Tannenwedel. Kein Zweifel. Tanne, die Entscheidung ist da, heißa, dann ist Weihnachtstag. Vier Meter fünfzig. Das müsste passen, erklärt die Dame in Nicht-Rosa. Die Frauen sind sich einig. Der mitgebrachte Tannenbaumbeauftragte kann sich dem Diktum der Damen nicht widersetzen. Vier Meter fünfzig bestätigt auch er. Partizipation in der Kirche ist weiblich.

Auf dem Weg zurück plaudert Frau-Presbyterin-neben-dem-Pastor mit mir über Weihnachten. Und zählt ihre geplanten Kirchgänge in Reihenfolge der Feiertage auf. Neben ihr wirke ich wie ein lauer Christ, mit meinem Status des Selten-Gängers. Am Ende werde ich gefragt, was denn der Baum kosten soll. Nix, lautet die Antwort. In den Herzen ist´s warm, still schweigt Kummer und Harm, Sorge des Lebens verhallt.

Den Baum in seiner ganzen Pracht abholen soll derweil ein anderes Gemeindemitglied. Dieser Mensch ist wiederum eigens für den Transport des Christbaums zuständig. Der Tannenbaumtransportbeauftragte. Und der dieses Jahr zuständige Doppelspitzenpastor auch. Wann das sein wird, solle telefonisch geklärt werden. Einmal werden wir noch wach.

Die Tage vergehen, wir versuchen Pastor Weihnachtsgrün zu erreichen. Pastor Weihnachtsgrün versucht es umgekehrt. Unsere elektronischen Anrufbeantworter lernen sich dadurch etwas besser kennen. Beide hinterlassen dem jeweils Anderen ihre Nachricht nebst der Versicherung, es später nochmals zu versuchen. Bei Anruf Nummer drei klappt es: Kirche trifft Spender. Am Samstag früh um zehn wollen sich Pastor und der zuständige Transportbeauftragte an nun schon bekannter Wiese einfinden.

An besagtem Tag liegt eine dicke Schneedecke über der gefrorenen Wiese. Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See. Beim Morgengrauen stapfe ich mit meinem Mann über die Winterpracht und zeige ihm nochmals die serbische Omorika. Ein rotes Flatterband ist schon angebracht, damit nicht der falsche Baum in die Kirche gelangt. Die Säge röhrt und mit drei gekonnten Schnitten gleitet die Fichte zur Seite. Hilflos liegt sie im Schnee. Mit so viel Liebe und Frieden ist sie aufgewachsen. Möge sie gleiches in die Welt tragen, denken wir uns. Bald wird das Prachtgewächs geschmückt den Altarraum zieren. Wir warten auf die Kirchenleute. Der Transportbeauftragte trifft ein. Nein, er ist nicht mit einem Schlitten und Rentieren gekommen. Er hat einen winzig anmutenden Anhänger an seinem Auto mitgebracht. Auf diesem soll die Vierfünfziger-Fichte ins Lukasland gefahren werden. Beim Anblick der Omorika ist der gute Mann verwirrt. Die Tanne sei drei Meter lang, so hieß es, darum der kurze Hänger. Chor der Engel erwacht. Man könne den Baum kürzen. Nein, nein. Wir versuchen es mal. Flink fällt dann doch ein ganzer Meter Holz in den Schnee. Die Fichte auf ein neues Maß gebracht.  ...der Retter ist da. Nun sind es nicht vier Meter fünfzig, die gebraucht werden, sondern vier Meter fünfzig, die wegfallen. Wahre Größe steckt im Kern.

Der Anhänger mit himmlischem Auftrag ist von einer festen Plane umhüllt. Mit Stangen stabilisiert. Die Omorika-Schöne geht hier nie und nimmer rein, mein Mann - sagt nichts. Der Pastor Weihnachtsgrün fehlt. Partizipation ohne Obrigkeit. Die beiden Gegenwärtigen beginnen den Transport allein. Erste Hürde ist der Weidezaun. Drei Meter fünfzig Festholz mit Nadeln und Schnee sind eine Herausforderung für jeden Weihnachtsmann. Ächzend zieht und schiebt das Duo den Christbaum in spe bis kurz vors Ziel. Hört nur, wie lieblich es schallt. Dann erscheint der Pastor. Im Sonntagsstaat, mit passablen Gartenhandschuhen. Ein Seil fehlt, die ausladenden Ästen wären gebunden hilfreicher. Mein Mann hilft. Leider mag die grüne Serbin wahrlich nicht ganz in den Hänger passen. Die nun drei Männer schieben und pressen, dabei verschwinden die zwei Lukas-Weihnachtsbaum-Beauftragten-Gemeindemitglieder mit ihren Halbschuhen im Schnee. Wie eine Erleuchtung fällt dem Transportbeauftragten der Gemeinde ein, das Gestänge nebst Plane abzuschrauben... Erleichterung hält Einzug. Zentimeter für Zentimeter naht der Weihnachtsbaumspender dem Ziel, seine Spende den waltenden Händen der Kirche übergeben zu haben. O beugt wie die Hirten anbetend die Knie, erhebet die Händlein und danket wie sie. Schließlich ist der Lichterbaum gut verstaut. Auch an das Krippengrün ist gedacht. Macht mir auf das Stübchen.

Nun aber umkreisen tausende kleiner grüner Omorika-Äste den Hänger. Abgebrochen vom jungfräulichen Lukas-Christbaum liegen sie im dicken Winterweiß. Besorgt malt sich mein Angetrauter aus, wie zerrupft die Gute in der Gemeinde ankommen mag und hofft auf ein Wunder. Ist auch mir zur Seite still und unerkannt. Schließlich fehlt es an einer roten Fahne, die das Ende der Omorika im kirchendienstlichen Hänger signalisieren sollte. Immerhin ragt die Spitze nun doch gut einen Meter und etwas über die Reeling hinaus. Auch dieses Utensil können wir stellen. Am Ende muss der Geistliche hinter dem Christbaumtransport das Geleit geben und bei möglichen Pannen das Schlimmste mit Hilfe der himmlischen Mächte verhindern. Bleibt nur noch, den Hängeraufsatz später wieder einzuladen, der bis dahin einsam und wie eine Weihnachtskugel rot leuchtend in der Hofzufahrt verweilt und auf den Rückhol-Beauftragten der Kirche wartet. Partizipation bedeutet Hiob mit verteilten Rollen.

Wir verabschieden uns vom Trio - zwei Männer mit Baum. Wir bleiben derweil mit dem Hängergestänge und den schlimmsten Befürchtungen zurück: Nach einem Auffahrunfall mit Blechschaden bei Glatteis in der Kirche angekommen, passt der Baum nicht durch die Tür. Er wird gekürzt, weil er nicht um die Ecke geht. Nun misst die Fichte nur noch zwei Meter fünfzig. Zwei Köpfe größer als der Pastor. Nadeln und Ästchen säumen den Weg. ...wie grün sind deine Blätter. Beim Einstielen in den Weihnachtsbaumständer kippt der Baum, die Spitze kracht auf den Altar, ist unwiederruflich abgeknickt. Von den einstmals acht bleiben noch zwei Meter. Pastor und Baum nähern sich in der Höhe an. Ramponiert sieht das Bäumchen bemitleidenswert aus. Der Verlust macht ihn fast durchsichtig. Der Stamm rückt in den Blickpunkt. Da können auch die  bunten Kugeln und der Stern als Krone nichts mehr ändern. Die einst schönste Fichte passt nun in die Ecke - vor dem Engel des Erbarmens – fehlt nur, dass ein Zweig beim Entzünden der Kerzen noch Feuer fängt und schließlich kaum ein Stummel von einem halben Meter Restgehölz auf einem Hocker steht, damit die Gemeinde das Bäumchen überhaupt sehen kann ...da uns schlägt die rettende Stund.

Aber nein. So endet die Geschichte nicht. Mit Mühe zwar landet die Fichte zunächst im Eingangsbereich der Gemeinde. Es ist nicht schlimm, dass der Chor nun nicht mehr in die Kirche rüberwechseln kann, weil die schöne Grüne mitten im Weg liegt und weder links noch rechts ein Vorbeikommen möglich macht. Gerne nimmt man beim Anblick der weichen Äste einen Umweg in Kauf. Nach dem Gottesdienst wird sie geschmückt. Hierfür sind eigens Christbaumdekorationsbeauftragte ernannt: einer für die Kugeln, eine für die Kerzen; die Restgemeinde fürs Lametta. Wie weich sind die Zweige! Die vormals schlicht-grüne Fichte erstrahlt in wahrem Glanz. Stille Nacht, heilige Nacht.
Am Heiligen Abend erscheint die Gemeinde, eine Schnittmenge von Beauftragten mit Weihnachstspezialeinsätzen und dem Rest der Gläubigen, erfürchtig zum Kirchgang. Pastor Weihnachtsgrün steht im Talar am Altar – gerade rechtzeitig zurück von einem Dankbesuch bei uns auf dem Hof: Nun kann die Gemeinde getrost sich zum Baume wenden. Ihr Kinderlein kommet. Was für ein Leuchten, was für eine Freude. Weihnachten ist da. Die Spitze der ehemals Acht-Meter-Omorika lenkt den Blick der Christenschar in den hohen, leeren Raum des Kirchenschiffes. Ein Ort, sonst verlassen und unbeachtet, wo sich nur die Klänge der Orgel sammeln und die Gebete sich bündeln. Die Fichte hat ihn trotz fehlender Höhe erreicht mit ihrer Liebe und ihrem Frieden. Ehre sei Gott in der Höh´. Himmlische Heere jauchzen Gott Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!

Freitag, 10. Dezember 2010

Steiniger Weg zu mehr Demokratie

Der Bürgerhaushalt ist in aller Munde. Allerdings spricht er dabei unterschiedliche Geschmacksrichtungen an: für die einen sauer, für die anderen süß, einige sprechen von bitter.
Aber genau das soll es sein: Den Diskurs ins Rollen bringen. Stadtgespräch Finanzen, Projekte. Wo geht es hin, Gütersloh. Lange haben wir nicht mehr solche Wellen erlebt. 

Bewegung ist auch eine Form der Demokratie. Und dass Demokratie nur Spaß machen soll, hat keiner gesagt.

Jedenfalls nicht in den letzten 4000 Jahren seit Platon. Mehr dazu in einem aktuellen Interview in der NW:

http://www.nw-news.de/lokale_news/guetersloh/guetersloh
/4069789_Steiniger_Weg_zu_mehr_Demokratie.html

Donnerstag, 9. Dezember 2010

"Ich bin Bremer" - Integration in einer Hansestadt

Kürzlich war ich mal wieder auf Reisen. Unterwegs in Sachen Integration in Deutschland. Ich kurvte über die Autobahn und war gedanklich schon bei meinem nächsten Gespräch. Es ging um mögliche andere Begrifflichkeiten für den Terminus "Menschen mit Migrationshintergrund". Eigentlich ein politisch korrekter Begriff. Immerhin um Längen besser noch als "Gastarbeiter", "Ausländer" - "Zuwanderer" war auch schon grenzwertig. Aber die Sprache entwickelt sich mit der Lebenswirklichkeit in einem Land. Und so fragen wir uns seit einiger Zeit, ob es nicht doch noch bessere Begriffe gibt. Zur Zeit finden wir "Neudeutsche" ziemlich gut.


Allerdings ist uns im Team auch damit noch flau im Magen. Es geht eigentlich nicht um neue Begriffe, sondern darum, diese Begriffe mit positiven Bildern zu füllen. Positive Erfahrungen jedes Einzelnen mit Integration sollen zum Tragen kommen und das Bild bestimmen. Das ist ja auch schon da, wie auch eine letzte Umfrage der Bertelsmann Stiftung dazu ergeben hat: 68 Prozent der Befragten geben an, sie haben eher positive persönliche Erfahrungen mit Zuwanderen in Deutschland gemacht. Und: Deutschlands stärkster Nutzen durch Zuwanderung entstehe durch die Öffnung für verschiedene Kulturen.

Es kommt also nicht darauf an, was bei "Menschen mit Migrationshintergrund" drauf steht, sondern auf das, was "drin" steckt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Befragten im Netz, deren Meinung ich kürzlich dazu in facebook "Zukunft der Integration" erbeten hatte. Einheitlicher Tenor: Wir brauchen keine neuen Worte. Wir brauchen gelebte Integration.


Diese Meinung teile ich, teilt das Team Integration. Wir sind trotzdem auf der Suche. Deshalb fahre ich ja auch durchs Land. Wie gesagt, ich sitze immer noch in meinem Auto. Dann muss ich mich konzentrieren, denn ich bin in Bremen, meinem Ziel, angekommen. Nach Auskunft des Hotels soll es ganz leicht sein, dieses zu finden, es liege im Herzen der Stadt, einen Steinwurf von der Weser entfernt. Ich solle den Schildern der "Hotelroute" folgen.


Was ich auch brav tue. Nur als ich zum dritten Mal an der gleichen Stelle vorbei fahre und mir sicher bin, dass ich um den Bürgerpark herumgurke und die Weser weit weg ist, reicht es mir. Entnervt steuere ich die nächste Tankstelle an und will dort nach dem Weg fragen, oder mir einen Stadtplan kaufen. Schon ziemlich genervt betrete ich den Kassenraum und erkläre dem schwedischen (!!!) Tankwart, wo ich hinwill, es aber nicht finden kann. Er bleibt ruhig und versucht mir in einer Mischung aus deutsch und englisch - er ist noch nicht lange in Deutschland - nahezu legen, wo ich herfahren muss. Ganz schön oft links und rechts abbiegen - ich frage ihn nun doch nach einer Karte. Da spricht mich jemand an, der hinter mir steht: "Ich fahre in die gleiche Richtung. Ich bin Bremer und kenne mich aus, fahren Sie doch einfach hinter mir her..." Ich drehe mich um, völlig erfreut über diesen Vorschlag - und vor mir steht ein: Mensch aus Indien. Mit Turban.


"Ich bin Bremer..." hatte er gesagt. Und was ich sehe, ist eindeutig ein "Mensch mit Migrationshintergrund". Wir lächeln uns an, ich nehme das Angebot an und folge seinem Golf mit HB-Kennzeichen für die weltoffene Hansestadt Bremen. Nach sieben Minuten Fahrt durch die Stadt stehe ich direkt vor meinem Hotel. Mein Bremer steigt aus seinem Gefährt, ich steige auch aus und bedanke mich mit Handschlag. Wir wünschen uns einen schönen Tag und er fährt davon.


Im Hotel angelangt, begrüßt mich eine Afrikanerin am Empfang. "Willkommen bei uns in Bremen", sagt sie freundlich. Ich grinse breit. Ja, wir sind Bremer. Das ist es eigentlich - der Inhalt für "Menschen mit Migrationshintergrund". Wir sind Bremer. Wir sind Aachener. Wir sind eine Gesellschaft. Wir sind "Wir in Deutschland". Hört sich pathetisch an, funktioniert aber. Danke, Bremen.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Bürgerhaushalt: Stadtverwaltung beste Aktivisten

Gestern fand die erste und einzige öffentliche Vorstellung zum Bürgerhaushalt 2011 statt. In der Kuppel der VHS - einem altehrwürdigen Gebäude, in dem viele Gütersloher noch als Schüler geschwitzt haben. Alte Mauern also, um eine moderene und dialogorientierte Beteiligungsform für Bürger im Zeitalter des Web 2.0 vorzustellen. Die Stadt geht mit der Zeit.

Im Raum fand sich nur wenig Publikum von "Angesicht zu Angesicht" ein; die Mehrzahl kannte sich. (Ein deutliches Indiz dafür, dass altbackene Formate wohl aus der Mode kommen?!)
Das tat aber der Sache keinen Abbruch: Im Netz, also dem realen Ort der Beteiligung, ist schon viel Bewegung: Rund 800 haben sich aktiv als "User" also Nutzer eingelockt. Über 6.100 mal wurde die Seite besucht, Seitenabrufe sogar 155.000 und ein paar gezählt. 175 Sparvorschläge liegen vor. Bemerkenswert ist die hohe Zustimmung zu den bereits von der Verwaltung eingestellten 20 Sparvorschlägen. Die geseztzte Zielsumme von rd. 2,4 Millionen ist zwar noch nicht erreicht, die votierende Bürgerschaft aber lässt erkennen, wie bewusst sie votet. Für Gütersloh ein beachtliches Ergebnis.

Das Kollektivbewusstsein der Nutzer für "Mögliches und Machbares" ist erstaunlich, böse Kommentare liegen nur zwei vor, diese sind als solche von der Moderation gekennzeichnet, der Rest ist konstruktiv und keine Abrechnung mit der Stadt oder der Politik, wie befürchtet wurde. Für solche Nebenkriegsschauplätze lassen sich die BürgerInnen nicht einspannen. Wunderbar. So soll es sein.

Das Online-Verfahren läuft noch bis zum 15. Dezember. Dann bleibt die Plattform noch eine weitere Woche bis zum 22.12.2010 geöffnet, damit die einzelnen Vorschläge mit einem Voting in eine Reihenfolge gebracht werden können. Über die soll später abgestimmt werden.

Klar gab es auch kritische Stimmen während der Veranstaltung. Die muss es auch geben, etwa: Warum überhaupt so viel Geld für den Bürgerhaushalt ausgegeben wird. (70.000 Euro). "Weil uns die hohe Beteiligung aus der Bürgerschaft und auch die Legitimation durch ein Bürgervoting wichtig sind", erklärte Bürgermeisterin Maria Unger. Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt. Am Zenit der alten Beteiligungsverfahren ist die Stadt gut beraten, neue Formate anzubieten. Die müssen nicht gleich einschlagen wie ein Gassenhauer, sie führen aber auf lange Sicht zu mehr Transparenz, Vertrauen und Gemeinwohlorientierung in einer Kommune. Auf lange Sicht wird das zum Standortvorteil für eine Stadt. Das positive Echo dieser modernen Beteiligung zieht sich schon jetzt durch die Region, denn die Frage der leeren Kassen, Haushaltskonsolidierungen und Sparvolumina ist ein Thema in ganz Deutschland. In NRW haben nur ganze 8 Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt. Die anderen Gebietskörperschaften laborieren am Abgrund. Da ist es Zeit für neue Wege: Einerseits für mehr Bürgerbeteiligung - und andererseits für eine Methabetrachtung der Finanzierung der Kommunen an sich. Auch hierfür bietet der Bürgerhaushalt Raum für Anregungen.

"Wir würden gerne noch mehr Beteiligung sehen, auch mehr Votings, also Abstimmungen über die jeweiligen Vorschläge mit Pro und Contra", wünschte sich die Kämmerin Christine Lang. Dem steht nichts im Wege. Jetzt ist es an den Bürgern, sich einzuklinken. Der Weg ist bereitet. Es muss nicht so bleiben, dass die besten Aktivisten in den Reihen der Stadtverwaltung zu finden sind: Maria Unger, Norbert Monscheidt und Christine Lang.

Samstag, 4. Dezember 2010

Die Tagesordnung gegen das Nichtstun! Bildungspolitik in Gütersloh

Der Bildungsausschuss tagt schon wieder nicht. Es handelt sich hier um ein Gremium, dem 19 Personen angehören, drei davon nicht stimmberechtigt. Ausreichend viele Gewählte, die eigentlich etwas in Gang bringen könnten, sollte man meinen. Sechs von der CDU, vier von der SPD, zwei von den Grünen, eine je von FDP, BfGT, UWG und Linke. Sieben Fraktionen mit ausgewiesenen Positionen zur Bildungspolitik. Stoff genug allein schon aufgrund der Parteiprogramme. Dazu kommen Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche sowie ein Mitglied des Integrationsrates. Nun sollten die Damen und Herren am 16.11. zusammenkommen. Was kam, war eine leise Absage im Ratsinformationssystem, gerade war der Termin noch da, einen Tag später war er weg. Kommentarlos ausgesetzt. Wie immer. Transparenz: keine. Wahrscheinlicher Grund war die populäre Standardtansage „fällt aus wegen Mangel an beratungsreifen Vorlagen“. Der nächste Termin soll nun am 21.12. stattfinden - wenn er nicht wegen „Weihnachten“ ausfällt. Im letzten Jahr war es ähnlich: Funkstille zum Jahresende.
 
Anlässlich der vielen Bildungsbaustellen aber müsste die Tagesordnung für den Bildungsausschuss doch randvoll sein. Folgendes geht uns durchs Nichtstun durch die Lappen:


Top 1: Steuerung der Grundschulen.  
Die Anmeldezahlen für die Grundschulen liegen vor. Wieder fragt hier keiner nach der Verteilung von Zügigkeiten und der Größe der Klassen, vor allem der Eingangsklassen. Dabei ist gerade deshalb die Astrid-Lindgren-Grundschule bereits geschlossen worden. Ich habe noch die Worte im Ohr: „Wir wollen die Schließung nicht, sie wird uns von Detmold als oberste Schulbehörde vorgeschrieben.“ Grund genung also jetzt, sich frühzeitig mit der weiteren Entwicklung zu befassen und nicht wieder abzuwarten, bis dann im Frühjahr nichts mehr zu steuern ist, weil andere Instanzen ihre Vorstellungen durchsetzen. Eine Strategie ist gefragt und Konzepte.

Top 2: Qualität der Ganztagsbetreuung.
Diese müsste dringend auf den Prüfstand - nicht nur proforma durch eine Elternbefragung angesprochen werden. Zahlreiche Anbieter, verschiedene Konzepte, keine Standards – ein Mischmasch an Grundlagen und Voraussetzungen, an der die Stadt selbst als Anbieterin durch die VHS beteiligt ist. Wie sieht es hier mit Chancengerechtigkeit aus? Wie etwa ist die Qualität des Essens? Welche Qualifikationen des Personals sind eigentlich notwendig? Sind wir in der Stadt da gut aufgestellt? Die einen Grundschulen haben einen aktiven Förderverein, die anderen nicht, Gründe dafür gibt es viele. Fragen, die es allemal wert sind, im Ausschuss diskutiert zu werden. Frühzeitig. Mittlerweile steht schon der Ganztag in den weiterführenden Schulen auf der politischen Agenda des Landes NRW. Bevor man da weitermacht, lohnt es sich doch, aus den Fehlern, die es schon in den Grundschulen gibt, zu lernen. Die zu benennen, wäre aber Aufgabe des Bildungsausschusses.


Top 3: Inklusion.
Die UN-Konvention zur Inklusion soll Wirklichkeit werden. Kein Menschen soll mehr ausgeschlossen werden. Schule wird sich umfassend verändern müssen, damit  auch die Stadt Gütersloh das geforderte inklusive Bildungssystem umsetzen kann. Das wäre eine Aufgabe für den Bildungsausschuss. Und da bedarf es langfristiger Konzepte, nicht nur eines Kompetenzzentrums, welches vielleicht den Bestand der "Einteilung" noch zementiert.

Top 4: Gemeinschaftsschule.
Längst ist das Schulsystem nicht mehr in der Lage, Antworten auf die Probleme der Zeit zu liefern: Das System ist undurchlässig und versperrt vielen höhere Bildungsabschlüsse durch frühes Aussortieren und durch mangelnde Durchlässigkeit der weiterführenden Schulen. Ein Antrag zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule wurde bereits von den Grünen gestellt, er war sicher der neuen Landesregierung geschuldet und auf den neuen Wegen durch ein Mitglied des Landtages auch nach Gütersloh gekommen. Wibke Brems ist ja nun unsere Frau in Düsseldorf. Nach nur einigen Minuten der Diskussion wurde er aber zurückgezogen, mit der Begrüundung, man wolle das in Ruhe diskutieren. Gut so, denn so schnell übers Knie zu brechen, wäre der neuen Schulform nicht gerecht geworden. Aber man hat sich auch das Versprechen gegeben, darüber in Ruhe zu diskutieren. Nur wann, wenn nicht dieser Tage? Wo andere Kommunen schon Konzepte geliefert haben, Bürgerinitiativen aktiv Unterschriften sammeln, informiert wird, diskutiert wird. Im breiten Dialog mit der Bürgerschaft, die immerhin ihre Kinder dorthin schicken  kann, soll, möchte. Zudem gibt es schon Interessenten auch auf Gütersloher Schulseite. Man muss sie nur mal fragen....Das wäre eine Aufgabe für den Bildungsausschuss.

Top 5: Schulabgänger ohne Abschluss.
Die Zahl der Betroffenen ist hoch. Viele befinden sich in Endlosschleifen zwischen Schulen und Nicht-Ausbildung. Zahlen dazu kann man nachlesen, sie sind erschreckend hoch für den Kreis Gütersloh. Und die Stadt ist da sogar noch als Kreisstadt in der Pflicht, eine Bildungshochburg zu sein. Sollte also vorangehen. Nun ist ein erster Schritt mit dem Übergangsmanagement der Hauptschule besiegelt. Gut. Aber die anderen Schulen trifft es auch. - Übrigens ist das auch ein Thema für Gymnasiasten, denn nicht alle, die im Gymnasium anfangen, verlassen dies auch mit Abitur. Die Quote der „Abbrecher“ ist auch hier sehr hoch. Es wäre eine Aufgabe auch für den Bildungsausschuss, über Lösungen insgesamt nachzudenken.

Top 6: Schulentwicklungsplan.
Der muss für 2012 und Folgejahre neu entwickelt werden, ganz einfach, weil der „alte Plan“ ausläuft. Andere Städte in den Nachbarregionen machen sich schon seit langem auf den Weg, ihre Bildungsangebote weiterzuentwickeln. Sogar unter Beteiligung der Bürgerschaft. Im Dialog. So wie die Stadt Münster etwa, die in vier Zyklen verschiedene Themen zur Diskussion auch mit Experten gestellt hat. Die Weiterentwicklung wäre eine ureigene Aufgabe für den Bildungsausschuss, wer sonst sollte das leisten? Die Vorlage aus den letzten Jahren zu kopieren und mit frischen Zahlen aufzuhübschen, bringt nichts Neues und wird Gütersloh als Bildungsstandort auf lange Sicht abhängen.  


Top 7: Bildungsgipfel.
Der ist bereits von der SPD-Fraktion angekündigt worden. Gut so. Prima Idee! Wann und wie wird er aber durchgeführt. Und wer hat dabei den Hut auf? Ist das eine Gemeinschaftsaufgabe für die Stadt oder soll die SPD das alleine machen? Alles Fragen, die man vor allem im Bildungsausschuss klären kann – und muss.

Allein: Der Bildungsausschuss tagt nicht. Das ist keine Betrachtung aus diesem Jahr, sondern schon Tradition. Können wir uns das auf Dauer leisten? Wohl kaum. Es wäre schade, wenn unsere Kinder erstmal in den Brunnen fallen müssen, bis sich in Gütersloh was weiterentwickelt. Nichtstun führt zu nichts. Das lernt man in der Schule, wenn sie denn gut aufgestellt ist.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Vielfalt im Melodienreigen für unsere Vordenker

 Stöbere heute wie jeden Morgen in facebook und halte Ausschau nach Meldungen oder Äußerungen, die auch mich bewegen. Soziale Netzwerke bewegen ja auch Menschen. Fündig werde ich bei der Zeit online. Die titelt: "Was wir unseren Vordenkern schenken - Jene, die uns durch diese harten Zeiten führen, verdienen zu Weihnachten ein paar Streicheleinheiten. Wir legen Wulff, Merkel und Co. die passende Musik unter den Baum."

Das ist ein Link nach meinem Geschmack und so klicke ich in die Zeilen und frage mich schon beim Scrollen,
ob und wie das Thema "Vielfalt", Integration und "Diversity Management" hier wohl zum Klingen kommt.
Meine Erwartungshaltung ist eher niedrig, denn gerade bei Weihnachten neigen wir als "Aufnahmegesellschaft" doch eher zum Kulturmonotheismus und versinken in weihnachtlichen Kindheitserinnerungen, von denen wir glauben, andere "Kulturen" oder "Migranten" hätten davon keine Ahnung. (Wie falsch!) Solche Gedanken gehen mir also durch den Kopf, immerhin bin ich sehr sensibel, was Stereotypen angeht - und versuche sie mir bewusst vor Augen zu halten.

Schnell stoße ich vor zum Kern der Geschichte und finde immer mehr Gefallen an dem, was ich lesen darf. Da steht zum Beispiel: "Unser Autor hat sich ein paar Gedanken gemacht, mit welcher Weihnachtsmusik das Christkind, der Weihnachtsmann oder welche Jahresendfeierfigur auch immer unseren Vordenkern eine Freude machen könnte." Ganz großartiger Begriff "Jahresendfeierfigur". Das findet auf alle Fälle meine Zustimmung. Ich schmunzele und lese weiter.

Wir streifen den "afrikanischen Kinderchor" von Annie Lennox für unseren Entwicklungshilfeminister und stoßen als einen Beschenkten auch auf den Ministerpräsidenten des Saarlandes, welcher volkloristische "Minderheiten" vertont unter den Baum bekommt, walisisch ist nur eine davon. Dies, weil er ja die Kampagne "Deutsch ins Grundgesetz" ins Leben gerufen hat.
Unter dem Gesichtspunkt "Vielfalt leben" bin ich sehr zufrieden, er findet ausreichend Berücksichtigung und setzt ins rechte Licht, was schon Praxis ist in unserer globalisierten Welt mit den vielen Facetten. Der sarkastische Unterton für die politische Wertschätzung entgeht mir natürlich nicht. Aber auch das ist ein Zeichen von Vielfalt, das ist die Freiheit des Nachdenkens auch über unsere "Vordenker".
Mehr dazu hier:
http://www.zeit.de/kultur/musik/2010-11/weihnachtsplatten-po...