Zuerst die schlechte Nachricht: Schon in den WDR-Radionachrichten um 7:00 Uhr wird der geneigte Bürger mit den leeren Kassen der Kommunen konfrontiert. Immer mehr Kommunen stehen vor der Verschuldungfalle, heißt es da. Gütersloh mit seinen knapp 13 Millionen Euro Schulden ist da kein Einzelfall.
Die Frage ist nun schon oft gestellt und auch oft beantwortet worden: Sind die Kommunen selbst Schuld oder ist es ein Problem des Systems? Beides trifft wohl zu. Die Verwöhnstrategien der kommunalen Verantwortlichen haben die Bürgerschaft in den letzten Jahren Glauben lassen, man könne sich halt alles leisten: Theater, Bibliotheken, Krankenhäuser, Straßen, Parks, etc. Selbstverständlich kann jede Kommune alles bieten. Nur muss aber jedem klar sein - und das weiß jeder aus der Erfahrung im Umgang mit seinem eigenen Geldbeutel, dass Geld endlich ist. Und Schulden machen ist nur bedingt erlaubt und finanzierbar, privat wie öffentlich.
Da geht der Bund nun einmal sehr vorbildlich voran: Vorausschauende Gewählte haben daher die Verschuldungsbremse in das Grundgesetz aufgenommen. In Artikel 109 GG (1) heißt es:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.
Ziel der Schuldenbremse ist es, die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern und die finanziellen Handlungsspielräume zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu sichern. Auf der Seite des Bundesministerium für Finanzen heißt es im Glossar dazu: Die Föderalismuskommission II hat sich für die folgenden Neuerungen bei der Schuldenbremse ausgesprochen:
- Im Grundgesetz wird der Grundsatz eines ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalts festgeschrieben.
- Beim Bund ist eine strukturelle Verschuldung nur noch in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulässig.
- Konjunkturellen Effekten wird besser Rechnung getragen: Eine konjunkturbedingte Erhöhung der Kreditaufnahme in Abschwungphasen muss in Aufschwungphasen auch wieder ausgeglichen werden.
- Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen sichert die notwendige Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung.
- Drohende Haushaltsnotlagen sollen künftig schneller erahnt und so besser bekämpft werden. Dazu wird ein Stabilitätsrat geschaffen, der die Haushalte von Bund und den einzelnen Ländern überwacht und ein Sanierungsverfahren einleiten kann.
Die Neuregelung (Art. 109 und Art. 115 GG) gelten für Bund und Länder ab dem Jahr 2011. Im Rahmen einer Übergangsregelung (Art. 143d Abs. 1 GG) ist festgelegt, dass für den Bund noch bis einschließlich 2015 und für die Länder bis einschließlich 2019 Abweichungen möglich sind. Über Konsolidierungshilfen wird es den ärmeren Bundesländern Bremen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein möglich gemacht, die Vorgaben der Schuldenbegrenzung ab dem Jahr 2020 zu erfüllen.
Weiterhin soll zur Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern ein gemeinsamer Stabilitätsrat eingesetzt werden, der insbesondere der Vermeidung von Haushaltsnotlagen dienen soll (Art. 109a GG).
Das Verschuldungsverbot ist demnach grundgesetzlicher Ansporn, die Haushaltslage im Griff zu behalten. Angesichts der wirtschaftspolitischen Schieflage der europäischen Nachbarn wird sich hier allerdings schnell die Nagelprobe einstellen... das aber ist eine andere Sache.
Mein Aspekt ist allerdings noch ein zweiter: Auch der Bundeshaushalt ist in Teilen zwar öffentlich, aber nicht wirklich zugänglich. So ist das Projekt OffenerHaushalt entstanden, ein offenes und nicht-kommerzielles Projekt das jeder nutzen und an dem jeder mitarbeiten kann. Das Ziel ist, den Bundeshaushalt möglichst transpranent zu gestalten, so dass Zahlen, Trends und Strategien zumindest ansatzweise öffentlich nachvollziehbar sind. Wie etwa unter dem Link "Offener Bundeshaushalt"
Während ein unabhängiger Anbieter den Haushalt bürgerfreundlich aufdröselt, zeigt sich nun auch das Bundesministerium für Finanzen transparenter und stellt dieser Tage den Bundeshaushalt für 2011 auf seine Homepage. Ein Anfang für Transparenz ist also gemacht. Die Daten der Vorjahre kann man als Vergleich auch mit hinzuziehen. Transparenz ist so einfach, wenn man sie denn will.
Und dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger an Transparenz - vor allem von Zahlen - interessiert sind, zeigt jeder aufmerksame Blick in die Zeitungen.
So zum Beispiel auch in der Nachbargemeinde Verl. Eigentlich eine Vorzeigekommune mit einer sehr soliden Haushaltslage - Verl steht als Musterschüler immer wieder im Rampenlicht. Nun hat auch diese Gemeinde mit seinen 25.181 Einwohnern via Antrag der SPD dazu aufgerufen, den Haushalt für 2011 mit den Bürgern gemeinsam zu diskutieren. Dazu sind zwei Termine benannt worden, der 7. und 8. Januar 2011, an denen die unterschiedlichen Schwerpunkte des Haushaltsplanes diskutiert werden können - zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft. Hört, hört also - eine Kommune, der es gut geht, setzt frühzeitig auf Beteiligungsverfahren. Es geht also nicht zwingend darum, die schlechten Nachrichten über die Bürger selbst abzuwickeln, wie viele Kritiker meinen, wenn Städte in schlechten Zeiten mit der Beteiligung anfangen.
Die Zahlen zum Bürgerhaushalt in Gütersloh jedenfalls lassen hoffen, dass hier eine neue Form der Beteiligung zum Tragen gekommen ist, die Schule machen kann. Die Stadt hat sich auf den Lehrpfad der Beteiligung begeben - und das Ergebnis kann sich sehen lassen:
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Nun ist hier die Politik am Zug. Sie wird im Laufe der Haushaltsberatungen über die Vorschläge nachdenken, die Vorschläge einbeziehen - und am Ende auch legitimieren müssen, warum sie wie handelt. Sollte das Verfahren auch in dieser Phase transparent und responsiv verlaufen, kann das ein Stück Vertrauen wiederherstellen, welches beim letzten Beteiligungsprozess (Bürgerentscheid zum Theater) gründlich verspielt worden ist.
Man darf gespannt sein, wie das Kompendium an Vorschlägen und Bürgeranregungen umgesetzt wird. - Auch wenn der erste FDP-Mann im Rat bereits geunkt hat, der Bürgerhaushalt habe die Möglichkeit geschaffen, sich unter unterschiedlichen Accounts mehrfach einzuloggen - dem Missbrauch des Systems seien keine Grenzen gesetzt. Ja, mag sein, dass das so ist. Ein Fehler im System, den auch wir als Bürgerinitiative diskutiert haben, der seine Berechtigung hat. Andererseits wirft diese Ablehnungsbegründung auch die Frage auf, welches Bürgerbild denn die Partei/ die Parteien offensichtlich mit sich herumtragen. Für einen liberalen Kommunalpolitiker ein wahrlich merkwürdiges Zeugnis seiner Denkweise über Bürger.
Dass Demokratie nur von den Anhängern der repräsentativen Denkrichtung verinnerlicht wird, ist ein Irrtum. Demokratie hat viele Gesichter. Und Demokratie ist noch immer ein Ort, an dem über Alternativen gestritten werden muss - die sich nun durch das Engagement erst wieder auftun. Denn je weniger änderungsoffen andere demokratische Verfahren sind, desto wichtiger werden Volksabstimmungen oder neue Foren der Befragung und Abstimmung. Und für Haushalte (und damit Kohle für das Gemeinwohl) gilt das allemal. Es ist unser Geld. Fragen wir also, was WIR alle damit anfangen wollen. Dann werden die Nachrichten im WDR vielleicht in Zukunft anders aussehen - zumindest aber mit noch mehr Interesse und Handlungsbereitschaft verfolgt werden.