Zur aktuellen Tagung hat die Initiative "Demokratie wagen" einen "Offenen Brief" an die Bürgermisterin Maria Unger formuliert:
Die Initiative „Demokratie wagen!“ unterstreicht nochmals ihre Auffassung: Die Anonymität ist ein Garant für eine hohe Beteiligung und damit eine notwendige Voraussetzung für eine Fortführung des Bürgerhaushaltes 2012.
Der bisherige Bürgerhaushalt ist generell ein freiwilliges Instrument, bei dem die Bürger nicht gezwungen sind, mitzumachen. Die Handhabung obliegt der kommunalen Selbstverwaltung, die Datenschutzbedingungen sind auf der Plattform veröffentlicht worden. Hier heißt es, dass alle erhobenen Daten (also IP-Adressen, personenbezogene Daten, Verknüpfungen zwischen Inhalten und Personen) beim Anbieter der Plattform liegen und nicht (!) an den Auftraggeber, also die Stadt – oder die Politik – weitergegeben werden.
Jeder, der sich bisher hier einloggt und teilgenommen hat, kannte also die Spielregeln und akzeptierte diese mit seinem Einloggen: jeder Nutzer hat sich mit seinem aktiven Mitmachen darauf eingelassen, dass hier Teilnehmer unterwegs sind, die anonym mitwirken. Es stand jedem Nutzer gleichermaßen frei, seinen vollen Namen einzutragen - oder auch nicht. Von beiden Möglichkeiten haben die Nutzer im letzten Durchgang Gebrauch gemacht und damit ihr Einverständnis für dieses Verfahren gegeben.
Nun steht allerdings ein Paradigmenwechsel an:
Teile der Politik haben sich gegen die Anonymität ausgesprochen. Die CDU und die FDP wollen eine Teilnahme lediglich bei Klarnamennennung ermöglichen. Die BfGT und die Grünen etwa stellen sich eine Zweiteilung vor: in einem ersten Schritt verifizierbare Daten, in einem zweiten Schritt „Nicknames“, die auf der Plattform sichtbar sind.
Sollte sich die Politik gegen die Anonymität aussprechen und in einem ersten Schritt ein Format der verifizierbaren Registrierung einführen, werden dadurch Daten mit einer anderen Qualität erhoben: Die Stadtverwaltung kann jetzt durch das Einwohnermeldeamt überprüfen, wer mitmacht, um ggf. Mehrfachanmeldungen zu verhindern und die Einwohnerschaft des Nutzers zu klären (Gütersloher oder nicht). So der Gedanke.
Spätestens jetzt sollte der zuständige Datenschutzbeauftragte für die Stadt Gütersloh befragt werden. Seine Sicht der Dinge aber ist bisher nicht abgefragt worden. Das gilt es nachzuholen.
Die Datenerhebung wird dann zweifelhaft, wenn diese Datensätze ggf. an die Politiker selbst weitergegeben werden – oder die Politik diese Daten für sich einfordert. Problematisch ist das, wenn etwa die Namen und Inhalte miteinander verbunden werden, wenn etwa die IP-Adressen erkennbar sind. Diese Schritte sind noch nicht hinreichend diskutiert worden. Geschweige denn öffentlich.
Die Auswertung des bisherigen Verfahrens hat gezeigt, dass es Teilen der Politik ein ganz besonders Anliegen war, zu wissen, wer hinter den Nicknames als Person agiert. Das liegt sicher in der Natur der Politik, die sich stets am Bürger orientiert hat und anhand der Personen zuordnen wollte, wer „wess` Geistes Kind“ ist. In der Regel fand eine parteipolitische Kategorisierung statt.
Da sind die Bürger offensichtlich schon einen Schritt weiter, denn ihnen geht es offensichtlich um die Sache, nicht um die Person, die in den Bürgerhaushalt Eingang gefunden hat.
Wer also als Politik und öffentliche Verwaltung Daten erheben will, muss die Karten deutlich auf den Tisch legen und transparent machen, wer welche Daten erhält und wie damit verfahren wird. Erst dann kann es eine Entscheidung geben.
Die Initiative „Demokratie wagen!“ vermisst und wünscht sich eine offene und bürgerbeteiligungsorientierte Diskussion dazu. Denn der Bürgerhaushalt ist ein Instrument für drei Parteien: Politik, Verwaltung – Bürgerschaft. Erst wenn das Verfahren der Registrierung völlig transparent ist, können die Bürger entscheiden, ob sie sich mit vollem Namen registrieren lassen oder - wie die einschlägigen Erfahrungswerte belegen - sich dann nicht mehr in dem Umfang beteiligen wollen. Dies würde in der Folge zu einem langfristigen Scheitern des Online-Verfahrens des Bürgerhaushaltes führen.
Wir freuen uns auf den Austausch.
Hier noch der Hinweis:
Der städtische Datenschutzbeauftragte ist zuständig für alle Fragen, die den Schutz personenbezogener Daten einschließlich der Datensicherheit im Zusammenhang mit Verwaltungstätigkeit der Stadt betreffen. Er hat gemäß § 32a Datenschutzgesetz NRW insbesondere folgende Aufgaben:
- Beratung des Verwaltungsvorstandes in Grundsatzfragen zum Datenschutz.
- Beratung und Unterstützung der städtischen Organisationseinheiten einschließlich der Personalvertretung sowie der Unternehmen, die unter städtischer Beteiligung in privatrechtlicher Rechtsform geführt werden, soweit sie mit dem gesamtstädtischen Datenschutz kooperieren, in allen Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit,
- Unmittelbare Ansprechperson aller Bürgerinnen und Bürger der Stadt in Fragen zu Datenschutz und Datensicherheit im Zusammenhang mit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten innerhalb der Verwaltung,
- Federführung in der Korrespondenz mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen
- Führung des Verzeichnisses automatisiert geführter Verfahren für die Gesamtverwaltung gemäß § 32a Abs. 3 Datenschutzgesetz NRW; Gewährung von Einsicht durch berechtigte Personen,
- Beteiligung bei Planung, Entwicklung (sog. Vorabkontrolle gemäß § 10 Abs. 3 DSG NRW), Einführung und Betrieb von IT-Verfahren zur Verarbeitung personenbezogener Daten (z.B. Beratung und Mitarbeit bei der Erstellung einer Risikoanalyse, Abschätzung der Folgen und Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Verfahrens); Beteiligung bei der Erarbeitung von Konzepten zur Datensicherheit, sofern ein Verfahren personenbezogene Daten verarbeitet, Durchführung von sog. Datenschutzaudits gemäß § 10a Datenschutzgesetz NRW (Prüfung und Bewertung von Datenschutzkonzepten durch unabhängige Gutachten, Veröffentlichung),
- Mitwirkung in Projekten mit datenschutzrelevanten Komponenten, insbesondere bei der Erarbeitung von Satzungen, Dienstvereinbarungen, Geschäftsordnungen, Richtlinien und Rundschreiben,
- Beratung bei der Konzeption von Formularen, mit denen personenbezogene Daten verarbeitet werden,
- Überwachung der städtischen Organisationseinheiten einschließlich der Personalvertretung auf die Einhaltung der Vorgaben zu Datenschutz und Datensicherheit,
- Teilnahme an internen Arbeitskreisen; Vertretung der Stadt in externen Arbeitskreisen und Gremien,
- Entwicklung von Schulungskonzepten und Durchführung von Schulungen zu datenschutzrechtlichen Themen, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Stellen,
- Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit des Oberbürgermeisters in Fragen des Datenschutzes,
- Beratung in Angelegenheiten des Informationsfreiheitsgesetzes NRW.