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Sonntag, 5. Juni 2011

Status und Freiheit, letzter Teil

Zur Salzsäule bin ich dann allerdings erstarrt, als ich mit Entsetzen feststellen musste, dass nun zwar die Kinder aus dem Haus waren, jetzt aber immer öfter meine alten Eltern und eine betagte alleinstehende Nachbarin anriefen: Und mich baten, sie doch zu fahren. Sie hatten ihre Führerscheine nebst Auto abgegeben. „Das brauchen wir ja nicht mehr, so oft fahren wir ja gar nicht. Da kann man ein Taxi nehmen.“, hieß es. Eigentlich ein guter Vorschlag. Die Realität aber sah so aus: „Papa hat einen Arzttermin, es geht ihm nicht so gut und es wäre nett...“ „Ich muss unbedingt Blumen für die Terrassenbepflanzung einkaufen, weil meine Nachbarinnen zum Kaffee kommen, da soll es doch schön aussehen...“ „Kannst Du die alten Farbeimer nicht zum Sondermüll fahren?“ „Ach, ich habe noch das alte Holzregal im Keller, das müsste mal zum Bauhof.“ „Gerne würde ich mir mal ein neues Kleid kaufen...“
Mama-Taxi
Nach ungefähr dreizehn Fahrten in dieser Ära mit Kölnisch Wasser und Nina Ricci in der Nase, nach zehn Fahrten zum heimischen Gartenfachmarkt und einem ständig mit Blumenerde und Blütenblättern aller Farben zugedreckten Kofferraum, nach fünf Fahrten zum Facharzt der Urologie mit jeweils dreistündigen Wartezeiten habe ich mittwochs und samstags mein Lesepensum der örtlichen Lokalzeitung verändert. Ich schaute nun in der Rubrik Kleinanzeigen nach Fahrzeugen. Zweisitzer. Kleine Flitzer. So klein, dass der Einstieg auf keinen Fall altengerecht wäre. So klein, dass schon das Sitzen mit normaler Körperfülle eine Herausforderung war. So klein, dass man Angst bekommen musste, wenn ein etwas größeres Fahrzeug neben, vor oder hinter einem fuhr. Zu klein auf jeden Fall für jede Art von neumodischem Kindersitz und den Transport von Sperrigem im Kofferraum. Und so klein, dass man das Radio so laut stellen musste, dass die Fahrgeräusche nicht mehr zu hören waren und vor allem musste es ein so zugiges Verdeck haben, dass man sich möglichst schnell darin erkälten konnte.

Es dauerte nicht lange und ich fand meinen kleinen MG. Meinen Volvo habe ich in Zahlung gegeben. Ihm zum Abschied leise über die Motorhaube gestrichen und Mut zugesprochen, er sei doch nun einmal als Familienauto gebaut, ich aber nicht als Chauffeur. Und so trennten wir uns in Freundschaft.

Das alles dachte ich, als ich durch die Regalreihen meines Supermarktes fuhr, die orchestrierte Oberschichtfamilie mit der schmuckbehängten Supergattin in möglichst großer Distanz. Ich hatte immer noch nicht raus, wie hoch meine Versicherung war. Aber in mir brandete eine riesige Welle großer Freude auf, niemals mehr im Leben ein Auto mit mehr als zwei Sitzen besitzen zu wollen. Kein Neid, meine Liebe, weder auf Deine Doppelnamen-Kinder noch auf Dein steuerbefreites Realeinkommen, Deine Schuhe – und schon gar nicht auf Dein Auto. Während das Zahlungsmittel der goldenen Enddreißigerin von fester Materie ist, ist meines federleicht: Freiheit.