Grüne wollen Strafanzeige stellen - Kritik an der Veröffentlichung des Wirtschaftsplans
Der Wirtschaftsplan 2011 für das Theater und die Stadthalle sind vom Kulturausschuss mehrheitlich genehmigt worden. Der städtische Zuschussbedarf liegt für beide Einrichtungen bei 3,1 Millionen Euro pro anno. Diskutiert wurde allerdins unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Türen blieben den Bürgerinnen und Bürgern verschlossen. Die politische Kaste tagte allein. Im öffentlichen Teil allerdings nutze man um so genüsslicher das Feld für eine öffentliche Ohrfeige für die Presse - die Neue Westfälische hatte nämlich die Eckdaten der Finanzsituation bereits im Vorfeld veröffentlicht. Einer aus den eigenen Reihen der gewählten Volksvertreter musste also geplaudert haben. Der Betreiber der Stadthalle nun sieht einen klaren Fall von "Geschäftsschädigung". Mitanbieter hätten durch die Veröffentlichung einen unerlaubten Einblick in intimste Geschäftsdaten erhalten. So berichtet es die NW am 27.11.2010.
Am lautesten von allen regte sich einer auf: Marco Mantovanelli, Fraktionschef der Grünen im Rat der Stadt Gütersloh. Er plädierte sogar für polizeiliche Ermittlungen: Die Ordnungsbehörde soll ermitteln, wer der Informant an die Zeitung gewesen ist. Law and order. Herrschaftswissen wird nicht geteilt!
Nun kennt man das aus der Psychologie: Wer sich lauthals verteidigt und nach Schuldigen sucht, möchte gerne von seinen eigenen Verfehlungen ablenken und den Verdacht von vornherein auf Andere lenken. Vielleicht sollte Mantovanelli mal Hand aufs Herz legen und erklären, dass er es nicht war. Oder hat er einfach nur gut geschauspielert? Ich kann mir gut vorstellen, wie es im Ratssaal ablief: Da steigt schon die Pulsfrequenz in einem Gremium, wenn ein "Verrat" vorgefallen ist. Alle schauen sich mit Argusaugen an und versichern sich gegenseitig, dass sie es nicht waren. Warum eigentlich, es sind doch gewählte Volksvertreter, Transformationsriemen zum Volk, dem Wohl des Volkes verpflichtet....Wer in dieser Situation des Verhörs blinzelt und auf den Tisch schaut ist raus. Habe ich alles schon erlebt. Es gab sogar eine Zeit, 1996, als man Politiker einer Fraktion (der CDU im Kreis Gütersloh) an den Lügendedektoren anschließen wollte, weil einer ein Abweichler war und den damaligen konservativen Landratskandidaten Kozlowski (CDU) nicht mitgewählt hatte, sondern die Kandidatin der SPD, Ursula Bolte. Die dann auch Landrätin wurde. Ein wahre Schlacht setzte ein, mit Beschuldigungen wie" Abweichler", "Verräter" und dem Ruf nach Ehrenerklärungen. Dieses Bühnenstück der Partei, die "Affäre Balke" war ein riesiger Schritt in Richtung von Politikverdrossenheit, der kaum wieder gutzumachen war.
Nun ist Marco Mantovanelli aber kein Konservativer, denen ja schnell mal nachgesagt wird, dass sie von Transparenz in der Politik nichts halten. Ein Erbstück aus der alten Vorstellung, nur die Mächtigen eines Staates dürften alles wissen. Nein, Mantovanelli ist ein Grüner. Die Grünen aber sollten es theoretisch und praktisch besser wissen - es vergeht (Gott sei Dank!) keine politische Versammlung oder auch Wahlkundgebung, wo sie nicht Transparenz und Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben haben. Dafür wähle ich sie. Dafür habe ich selbst in ihren Reihen Politik gemacht.
Zudem sind es gerade die Grünen, die rund 800 Kilometer weiter südlich auf die Barrikaden gestiegen sind und das Volk mobilisieren, gegen das Establishment der Wissenden zu protestieren: In Stuttgart nämlich, wo der Bahnhof unter die Erde verschwinden soll. Zwar durch die "Instanzen" abgestimmt, aber mit halbwahren Informationen und mittels Zurückhaltung der wahren Fakten. Was für ein Bild: Die größte Beerdigung von Halbwahrheiten seit Gründung der Bundesrepublik.
Hier ist es allerdings einer findigen und wachen Bevölkerung doch noch gelungen, durch Transparenz und Offenlegung auch der Details Fehler und Mauscheleien aufzudecken. Für die die Bürgerschaft am Ende zahlen muss.
Gut so. Nur Wahrheit und Transparenz können das Zusammenleben in unserer hochkomplexen Welt in die Zukunft führen. Beschiss ist noch immer ans Tageslicht gekommen. Haben nicht die demokratisch entwickelten Nationen in den letzten Jahren immer mit stolz darauf hingewiesen? War es nicht immer der bedeutende Unterschied zu Unrechtsstaaten, in denen nur eine handvoll Mächtiger das Sagen hat?
Nun entwickelt sich Deutschland doch immer mehr zu einer solchen Kultur des "Alles-auf-den-Tisch-legens". Dank sei hier dem hohen Bildungsgrad vieler, der Zeit für solche Recherchen weil wir ja nicht mehr auf dem Acker arbeiten müssen damit zuerst Brot auf dem Tisch steht und - auch Dank Internet, sozialer Netzwerke und der Blitzgeschwindigkeit, mit der heute Informationen über die Kabel gehen. Aktuell darf man sogar in der Bild am Sonntag lesen, dass die Bundesregierung Angst hat vor den neuen Veröffentlichungen durch Wiklileaks. Was immer dabei herauskommt, es ist ein Teil unseres demokratischen Lebens. Und gehört als Information allen. Das gilt auch für die Eckdaten eines Wirtschaftsplanes. Das gilt auch für viele andere Informationen, die gerne hinter verschlossenen Türen diskutiert werden. Und die allzuoft von wenigen für den eigenen Vorteil ausgenutzt wurden.
Also, Marco Mantovanelli: Mehr Transparenz in Fragen der öffentlichen Finanzen. Gütersloh war da ja schon auf dem guten Weg mit dem Bürgerhaushalt für 2011. Und bitte Hand aufs Herz bei der Frage, welche Grundsätze die Grünen ausmachen. Sonst empfehle ich den Abschied aus der Politik.