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Sonntag, 11. Mai 2014

OpenData - was hindert Kommunen an Bürgerbeteiligung im Netz?

Die re:publica ist ein Quell der Inspiration. Anfänglich eine heilige Messe fast nur für Eingeweihte, ist sie mittlerweile eine Veranstaltung, die in der Mitte der Zivilgesellschaft angekommen ist. Gesellschaft goes digital. Natürlich war ich auch hier mit dem kommunalen Blickwinkel unterwegs - und wurde reichlich belohnt mit Impulsen für Trends und auch Entwicklungen, die mehr und mehr geerdet werden, weil sich viele Kommunen auf den digitalen Weg machen. Damit wird Nerdiges zum Alltagsgeschäft. Es gibt immer weniger Ausreden für Stillstand.

#Session

Eine Session dazu: Was hindert Kommunen an mehr Bürgerbeteiligung im Netz? Auf Stage J referierten und diskutierten das Andreas Urban (Microsoft, Leiter Open Source Strategie) und Sebastian Basedow (Zebralog).



                         Bürgerbeteiligung sales              Fotos ak 2014
Brechend voll war die Hütte, der Hashtag #entwaffnendoffen erwies sich offensichtlich als einladend. Eine kurze Skizze des aktuellen Politikstils setzte das Plenum ins Bild: Kommunen sind knapp bei Kasse, der Wunsch nach mehr Beteiligung und Öffnung ist auf beiden Seiten da: Verwaltungen und Bürger sind sich da einig. Doch bisher schaffen zentrale Instanzen Fakten, die Entscheidungen verlaufen in der Regel Top Down. 

Als die Frage kam, wer von den Teilnehmern aus  der Verwaltung komme, waren es viele Hände, die nach oben gingen; als die Frage kam, wer schon an E-Partizipationsformaten teilgenommen habe, flogen ebenfalls viele Hände hoch. Die Frage, wer aus der Politik kommt, wurde seltsamerweise nicht gestellt. 


                      #entwaffnendoffen - das Motto zieht            
#Alter Stil dankt ab 

Der alte Stil aber beginnt zu bröckeln, Neues hält Einzug: Die Ressourcen der Vielen fallen ins Gewicht, die Bürger werden verstärkt mitgenommen, die Aspekte des Top Down und Bottom up verschieben sich, kehren sich teilweise um. Digital ist selbstverständlich dabei: "Bürger erwarten heute wie selbstverständlich digitale Formate der Beteiligung". Ein Argument: die Devices, also technischen Geräte der Bürger selbst, haben eine hohe Rechnerleistung. Warum diese also gerade dann brachliegen lassen, wenn es um Mitgestaltung und um Beteiligung geht.  

Es folgten Beispiele für digitale Beteiligung: etwa "ludwighafen diskutiert" - eine online-Plattform, auf der die Bürger der Stadt über ein Bauvorhaben mitdiskutieren und die jeweiligen Beiträge, der Verlauf und die Entscheidung weitestgehend transparent gemacht werden. Die Abrufzahlen sind spannend,d die Stadt hat 165 Tausend Einwohner - Komplexität ist also diskutierbar.

Nächstes Beispiel: "radischerheit.berlin", ein Projekt, welches die Unfallhäufigkeit beim Abbiegen zum Anlass genommen hat, die Sicherheit von Radwegen zu verbessern. 

Und dann noch "Gießen direkt", eine Dialogplattform, u.a. zur Finanzierung und Haushaltsfragen. 

Die Zahl der Beispiele wäre lange fortzusetzen, es etabliert sich eine Menge. Und eine Erkenntnis der letzten Jahre der zähen Debatten ist sicher diese: es braucht offensichtlich mehr gute Beispiele und mutige Vorreiter, die zeigen, wie es geht, was Kreativität alles ermöglicht. Vielleicht ist es oft einfach nur die Frage einer zündenden Idee?


#E-Partizipation zu kurz gefasst

Zur Debatte um Beteiligung im Netz hinzugekommen ist die um #OpenData und auch die um #Kollaboration. Ein zündender Satz in der Veranstaltung war der, "Beteiligung lebt von OpenData". 



Sebastian Basedow, Zebralog; #rp14

Mit diesem neuen Glaubenssatz ist spätestens jetzt alles auf den Kopf gestellt: Öffentlichkeit und Geheimhaltung werden neu definiert. Früher galt alles geheim, was nicht ausdrücklich veröffentlicht werden sollte. Heute wird geheim eher zur Ausnahme, die begründungspflichtig ist. Damit ändern sich auch die Rollenverhältnisse zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft. Der Kulturwandel hat hier aber erst begonnen.

Aber es geht um weit mehr als "nur" um Transparenz. Offene Daten sind viel wirkungsvoller als ledigliche Nachlesequellen. Man kann sie lesen, vernetzen in neue Kontexte bringen und zu neuen Anwendungen führen - für jedermann zugänglich und nutzbar. Plötzlich entsteigt den Daten ein eigener Wert, ein neuer Nutzen. 

Spätestens jetzt jedoch tritt in der politischen Debatte die Kostenfrage auf. Urban (wie passend für den kommunalen Kontext) erläutert, dass die Kosten für das Datenspeichern erkennbar gesunken sind und die Preise weiter fallen werden. Eine Folie zeigt das gleichzeitige hohe Wirtschaftswachstum, welches in OpenData schlummert. Beziffert wird dies von ihm mit rd. 206 Mrd Euro an Wertschöpfung. 120 Länder plus x befassen sich mit OpenData, 250 + OpenGovernment-Initiativen gibt es weltweit. 1,9 Prozent Anteil am BIP-Wachstum soll es ausmachen. Spannend ist nach wie vor auch immer die Frage der Technik: Open source, offene Schnittstellen, Cloud Computing, Big Data: wer den Anschluss halten will, muss sich damit beschäftigen. Beruhigend die Ansage: "technologisch gibt es alles, was man braucht, wenn man im Netz beteiligen will". 



Andreas Urban, Microsoft, über OpenData und CloudComputing, #rp14


# Einstieg über Wasser und Wolken

So hohe Ziele und doch beginnen die meisten Datenöffnungen zunächst beim "Wetter", zu dem es unzählige Datensätze und aktive Apps gibt. Ein Beispiel aus Madrid lehnt sich daran an: trees in Madrid. Ein Verzeichnis der Bäume in der spanischen Großstadt mit einem Hinweis auf Pollen. Oder auch Pegelstände Niedersachsen, eine Landkarte mit dem Überblick über die Wasserstände von Küste und Flüssen mit einem Datenbestand von rund 1,8 Mrd Datensätzen für 30.000 km Flüsse und Bäche. Übrigens alles Themen, die sich auch in Gütersloh diskutieren lassen, siehe Baugebiete im Hochwassergebiet in Isselhorst. Wer sollte das glauben, im platten Ostwestfalen.

Gewünscht hätte ich mir einen Anriss der Diskussion, dass für offene Daten auch "immer Personal vorhanden sein müsse. Wenn man das für offene Daten abziehe, blieben andere Aufgaben liegen..." die Diskussion über die Gleichzeitigkeit von Erstellen und öffentlich machen hätte mich interessiert, auch das Verändern der Arbeitswelt, vor allem, wie selbstverständlich meist jüngere Kollegen schon medienbruchfrei arbeiten und sich die Frage nach dem Internetarbeit noch obendrauf längst durch "das Internet IST meine Arbeit" ersetzt hat. 



Nina Schröter, Ministerium f. Gesundheit NRW; rp14

Die anschließende Diskussion im Raum allerdings war eine von den vielen Diskussionen, die man schon huntertfach geführt hat: die nach dem Veränderungsmanagement in der Verwaltung, die nach den Zahlenspielen bei Beteiligung: niedrige Beteiligungsquoten versus Qualität und Generierung von Alternativen (die es vorher oft gar nicht gegeben hat)... etc. 
Auch immer wieder ins Feld geführt: es gäbe zu wenig Erfahrungen im Umgang mit OpenGov und OpenData, die Frage des Datenschutzes war auch Thema, immer dann genutzt, wenn etwas nicht veröffentlicht werden soll.  

Ein mir wichtiger Punkt: der Weg hin zu Open Data und Beteiligung allein muss oft politisch erstritten werden. Es ist in der Regel nicht die Politik, die diese Formen proaktiv ermöglicht, meistens sind es die Verwaltungen selbst, die hier vorangehen wollen aber gebremst werden. Oft sind es aber auch Initiativen, die die Impulse dafür gegeben haben. Auf die Frage also: "Was hindert Kommunen an der Partizipation im Netz?" ist daher eine mögliche Antwort - der Wille der Politik. Sie entscheidet am Ende über Ja oder Nein, über Ressourcen und über die Ergebnisse. Es geht nicht nur ums Agenda-setting - wir machen das. Es geht darum, Ergebnisse zu erzielen - je mehr gute Beispiele, desto besser. 

Die nächste Session wünsche ich mir also dazu: wie gehen wir einen Schritt weiter?