Wahlvolk zurück auf die Ränge Fotos ak 2014 |
Wahlbeteiligung stürzt ab
Was als Stachel im Pelz bleibt, ist die historisch niedrigste Wahlbeteiligung. In Gütersloh lag sie bei 45,38 Prozent. Bei der Kommunalwahl 2009 lag sie noch bei 51,0 Prozent, 2004 lag sie knapp drüber bei 51,7 Prozent. Die Beteiligung ist damit im steten Sinkflug (übrigens NRW-landesweit) - das muss zu Denken geben.
Noch dramatischer fällt die Auslese der Beteiligung aus, wenn man sich die Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlbezirken anschaut.
#niedrigste Wahlbeteiligung
Die niedrigste Wahlbeteiligung findet sich in den Wahlbezirken "60 Innenstadt" mit lediglich 38,71 Prozent gefolgt von "120 Grundschule Sundern / Ost" mit 38,99 Prozent und schließlich "10 Kattenstroth" mit 39,05 Prozent. Die Wahlkreise gehen allesamt an die CDU, Michael Wolbeck, Nils Wittenbrink und Heiner Kollmeyer.
#höchste Wahlbeteiligung
Die höchste Wahlbeteiligung findet sich im Kirchspiel Isselhorst (090) mit 57,26 Prozent, gefolgt von "Jansuz-Korzac-Schule (150) mit 54,80 Prozent, der "Kapellenschule (190) mit 52,06 Prozent sowie "Friedrichsdorf (220) mit 50,84 Prozent Wahlbeteiligung. Offensichtlich greift hier die Kontakthypothese, d.h. die Wählergemeinschaft begreift sich noch als Einheit, man kennt sich, ist traditionell wertegebundener. Die Wahlkreise gehen auch alle an die CDU, mit Georg Hanneforth, Markus Kottmann, Raphael Tigges und Andreas Wulle.
Das Herunterrechnen von Prozenten auf reale Zahlen soll nicht erfolgen, dann sieht das Ergebnis gleich ganz fragwürdig aus, wenn etwa 20 reale Stimmen für ein Mandat reichen.
Nicht zu vergessen ist auch: 45 Prozent Wahlbeteiligung ist der Durchschnitt. Real haben es immerhin 12 von 22 Wahlkreisen NICHT geschafft, auf diesen Wert zu kommen: sie liegen darunter!
Legitimationsfrage berechtigt
Eine Beteiligung von insgesamt 45,38 Prozent wirft Fragen auf, wie stark eigentlich die Legitimation des künftigen Rates ist. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist ziemlich gering. Diese Frage ist klar berechtigt, denn auch Bürgerbeteiligung wird immer wieder zunächst an Quoten festgemacht. Also darf man auch zurückfragen: Wie steht es mit der Festigkeit der repräsentativen Demokratie, wenn sich nur noch Wenige beteiligen?
#Ursachenforschung
Ursachenforschung wäre politisch angebracht: Wie wollen die Gesamtgewählen in den nächsten sechs Jahren damit umgehen?
Eine Erklärung kann die allgemeine Wahlmüdigkeit sein, Gütersloh ist kein Einzelfall. Die Menschen kehren sich von den Parteien ab, bleiben der Wahlurne fern weil sie keine Parteien mehr wählen wollen, sie erkennen in diesem demokratischen Akt keine Möglichkeit zur aktiven Gestaltung oder Veränderung. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sie für die (Partei-)Politik(er) zwischen den Wahlgängen uninteressant sind.
Viele fühlen sich zudem abgeschnitten von der Teilhabe an der Gesellschaft an sich. Ein soziales Gefälle wird hier oft als Grund angegeben. Die, die sozial prekär gestellt sind und oft einen geringen Bildungsgrad erlangt haben, beteiligen sich auch hier nicht mehr.
In Gütersloh kann noch die Erfahrung dazu kommen, dass die politischen Inhalte der letzten Ratsperiode kaum im Interesse einer breiten Wählerschaft stand, zu oft ging es um Prestigeobjekte wie Stadthalle, Hallenbad und Stadtentwicklung, die nur wenigen zugute kommen. Politik segregiert in Eliten.
In Gütersloh kommt sicher auch hinzu, dass viele Versuche der Bürgerbeteiligung massiv ins Gegenteil umgekehrt sind. Hier wurde Beteiligung suggeriert und dann ins Negative gedreht. Als Beispiele gelten der Bürgerhaushalt, der Bürgerentscheid zum Theaterneubau und sicher auch der Bildugnsgipfel sowie die Schulfrage Nord und die Abstimmung zur Weberei oder die Beteiligung an der Konversion, die am Ende abriss.
#Kommunikation war wahlgesteuert
Die kommunale Politik in Gütersloh erreicht die Bürger nicht mehr. Nun haben sich die Volksvertreter kurz vor der Wahl sehr ins Zeug gelegt, mit ihren Infoständen und Hausbesuchen und Pressemitteilungen sowie mit ihren Kommunalwahlprogrammen. Die Kommunikation zwischen den Wahlen aber wurde nur von ganz wenigen Politikern wirklich genutzt, um ins Gespräch zu kommen. Auch die neuen Medien als ureigene Kanäle für Politiker und Parteien waren die meiste Zeit verwaist. Das ändert sich ganz langsam, ist aber sicher auch der Wahl zu verdanken. Man darf gespannt sein, wie sich das Engagement hier weiter entwickelt.
Bürgerbeteiligung als Ausgleich
Die schlappen 45 Prozent dürften hier also als deutliches Signal erkannt werden, dass die Bürger auf Mitnahme zwischen den Wahlterminen warten. Das spricht dafür, dass Politiker aller Farben ihre Kommunikationsbemühungen verstärken und in den Jahren ihrer Mandatstätigkeit mehr auf die Bürger zugehen, sie öfter befragen, direkt einbinden, informieren, diskutieren, Alternativen für Lösungen finden und schließlich auch mehr erklären, mehr antworten (müssen), warum sie welche Entscheidung fällen.
Wort- und Tatenlosigkeit werden die nächsten sechs Jahre nicht überbrücken können. Moderne Beteiligung entspricht der Haltung der Menschen, das ist zunehmend mehr gefragt als traditionelle Politik in altem Stil. Die Herausforderungen sind größer als dass ein Kreuz am Wahltag reichte.
Es ist jetzt Zeit für klare Regeln für Bürgerbeteiligung: hat die Politik den Willen dazu? Was beinhaltet Beteiligung künftig? Wie beteiligungsorientiert sind Politik und Verwaltung? Welche Leitlinien gibt es? Und am Ende doch noch mal: die lokale Demokratiebilanz gibt Aufschluss über den Prozess und ein konkreter Ansprechpartner für Beteiligung ist notwendig. Es ist nicht nur Sache der Bürgermeisterin, da macht es sich der Rat zu leicht.
Was die 45 Prozent notwendig macht ist: eine offene Diskussion darüber, was uns Demokratie künftig wert ist - und wie mehr Menschen mitgenommen werden können.
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