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Montag, 29. April 2013

Direktdemokratischer Rückbau - statt Bürgerhaushalt nun § 80 GO

Bürgerhaushalt Gütersloh

Hier noch ein Nachschlag (schönes Wort in dem Zusammenhang) über den politischen Diskurs im Hauptausschuss, wie das Aus politisch zustande kam  - und welchen zukünftigen Ersatz für eine Bürgerhaushalt sich Politik hat einfallen lassen, nämlich § 80 GO NRW. Dieses Vorgehen darf man getrost als direktdemokratischen Rückbau bezeichnen:


                   möglichst effektiv am Bürger vorbei       Foto  ak 2012


Der Vertreter der UWG stand als erster Redner in den Startlöchern: Er und seine Fraktion hätten bereits vor zwei Jahren kritisch zum Bürgerhaushalt (BHH) gestanden, dieser sei zukünftig nicht weiter zu verfolgen, der Haushalt solle aber "lesbarer" werden. Es sei auf für ihn als Ratsherr sehr schwierig, diesen Haushalt zu lesen und nannte als Beispiele Parkplatzflächen und Ordnungsamt.

Als Änderungsantrag und beteiligungspolitische Alternative zum Bürgerhaushalt schlug er vor, den Paragraph 80 der Gemeindeordnung von NRW künftig zugrunde zu legen.

Hier heißt es: § 80 (3) "Nach Zuleitung des Entwurfs der Haushaltssatzung mit ihren Anlagen an den Rat ist dieser unverzüglich bekannt zu geben und während der Dauer des Beratungsverfahrens im Rat zur Einsichtnahme verfügbar zu halten. In der öffentlichen Bekanntgabe ist eine Frist von mindestens vierzehn Tagen festzulegen, in der Einwohner oder Abgabepflichtige gegen den Entwurf Einwendungen erheben können und die Stelle anzugeben, bei der die Einwendungen zu erheben sind. Die Frist für die Erhebung von Einwendungen ist so festzusetzen, dass der Rat vor der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung mit ihren Anlagen in öffentlicher Sitzung darüber beschließen kann."

Man solle hier einfach nur die Frist verlängern, so etwa eine Woche vor der entscheidenden Ratssitzung, meinte er. Das würde schon reichen. Damit käme man auch den Anforderungen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements nach Transparenz und Ressourcengerechtigkeit entgegen. Gleichzeitig trage man damit auch dem Aspekt "Förderung von Bürgernähe" Rechnung. (WO ist da die Innovation? § 80 ist eh in Kraft.)

Der CDU-Fraktionsvorsitzende erhielt als nächster Redner das Wort: die Verwaltung habe eine gute Vorlage erstellt, das Thema Beteiligung komme ja immer wieder. Dass der BHH nicht fortgeführt würde, habe man "auf den Punkt gebracht" mit dem Satz: "Der Bürgerhaushalt wird von breiten Teilen der Bevölkerung nicht genutzt." Die CDU schließe sich der Vorlage an. Sympathisch sei der Vorschlag der UWG mit dem § 80 der GO NRW -  man müsste aber vor einer erneuten Abstimmung darüber schauen, "ob man sich dadurch nicht doch auch noch Schwierigkeiten einhandelt". 

Die Grünen stimmten dem Antrag der UWG zu. Damit wäre das negative Votum der mehrheitshaltenden Plattform Schwarz-Grün-Plus schon mal komplett:

Auch der § 80 fand hier Gehör, mit ein wenig mehr Demokratielametta wollten Grüne dann aber die Frist unbedingt verlängert sehen. Schlecht sei die Beteiligungsquote beim Bürgerhaushalt gewesen, daher wollten die Grünen das Verfahren nicht weiterführen. Es folgte noch ein Hinweis, dass der BHH in anderen Kommunen besser laufe, etwa in Hilden in NRW. Ob das Verfahren dort besser sei, wurde in den Raum gestellt. (In Hilden bozog die Politik fünf von insgesamt 31 eingereichten Vorschlägen in den Haushalt ein (!!!);  die Stadt hat 55 Tausend Einwohner und folgende Besetzung im Rat mit einem SPD-Bürgermeister. )
Die Stadt Hilden sei ein Zeichen dafür, dass sich ein Bürgerhaushalt vielleicht doch umsetzen ließe, in Gütersloh sei das nicht gelungen, so der Grüne Fraktionsvorsitzende. Zur Erinnerung:
In Gütersloh gab es 150 Vorschläge, 101 davon gelangten zur Abstimmung der Bürger, wie viele gelangten davon in die Politik? Am Ende des Statements fand sich die Aussage, man müsse in Gütersloh unbedingt die Bürgerbeteiligung fördern, man müsse sie insbesondere bei der Konversion "ganz intensiv betreiben"..... (Bitte merken!)

Die BfGT schloss sich dem Vorredner an, die BfGT habe immer am BHH festgehalten und sei an Transparenz beteiligt. Die Verwaltung könne man in dem Zusammenhang nur loben - trotzdem habe der Bürger das Verfahren nicht angenommen und sich nicht "ausreichend engagiert"...

Die Fraktionsvorsitzende schloss die Frage an, ob der Haushalt 2014 nicht auch in einer Online-Fassung vorgelegt werden könne.


Die Kämmerin antwortete, es gebe Beispiele dafür in anderen Städten, man müsse überlegen, ggf. wesentliche Leistungen der Stadt darzustellen, dies anhand von Beispielen, die "den Bürger auch wirklich interessieren", wie etwa die Kosten für Kita-Plätze. Diese Darstellungen könne man dann ggf. bebildern, man müsse "schauen, ob man diese Darstellung/ Fassung dann als Druck oder als pdf rausgeben könnte. Es werde sich in der Verwaltung jetzt einmal jemand dransetzen und "schauen, wie man das machen könnte". 

Auf Rückfrage der BfGT, wie das gehen soll, antwortete die Kämmerin, es ständen dazu noch Gespräche mit dem FB 13 aus, ob und dass es personelle Kapazitäten dafür gebe. "Sie werden das dann erfahren." Und: "Wenn Sie das wollen, müssen Sie das aber auch beschließen und dazu die Ressourcen bereit stellen."

Der Punkt ging mal wieder an die Kämmerin. Wer wird das noch beschließen wollen, nachdem alle Politiker aufatmen, dass der BHH tot ist?!

Die SPD schloss sich an, "schade, dass das Instrument nicht genutzt worden sei." Der Haushalt sei möglicherweise zu weit weg von den Bürgern und zu kompliziert. (JAAA, auf das Argument hatte ich schon gewartet, nun wurden zumindest meine stereotypen Klischees bedient!)

Möglicherweise habe auch das "Durcheinander" (gemeint ist der irre politische Wirrwar ob oder ob nicht, aber dazu folgt kein Satz der Selbsterkenntnis mehr.)

Die Vorlage der Verwaltung sei durchweg richtig in der Bewertung des BHH, so die Stimme der SPD.

Die FDP stimmte den Vorrednern zu. Die FPD habe den BHH schon langfristig kritisiert. Immer schon also. Die Stadt GT brauche sich in Fragen der Bürgerbeteiligung nicht zu verstecken, das zeige die Auflistung dazu aus der Verwaltung. Der Fraktionsvorsitzende bemühte sein Einbringen im Bürgerhaushaltsverfahren in Solingen, in das er sich eingeloggt hatte - obwohl er kein Solinger Bürger sei. Dies sei ein Indiz für den unrechtmäßigen Zugang - der nicht hinzunehmen sei. (Schön, wenn sich ein Ratsherr in der Nachbarkommune einloggt  und dort konstruktive Vorschläge einbringen möchte - das hilft doch der Sache, wer hätte je bei einem Bürgerhaushalt verboten, gute Ideen auch in andere Städte zu bringen?)

Ein Dolchstoß kam auch hier gegen die Technik, die offensichtlich nicht gut genug gewesen sei, um "Missbrauch" zu verhindern. (Schluck!) Am Ende stand der Ausblick,  man könne vielleicht in 3 bis 5 Jahren einen neuen Anlauf wagen. (Bitte auch das merken!)

Der UWG-Ratsherr machte noch eine Vorstoß, man solle den Haushalt besser erklären und bessere Module kaufen, umd einen Haushalt künftig noch lesbarer zu machen. (Er ließ offen, ob das nur den Ratsleuten oder auch den Bürgern zugute kommen sollte.)

Die Bürgermeisterin der Stadt verwies in dem Zusammenhang auf die erste Bürgerversammlung zum BHH, in der die Zahlen der Stadt deutlich erklärt worden seien. Dort sei eine plakative Darstellung vorgestellt worden.

Die Kämmerin antwortete, diese Aspekte seien eher Controlling-Fragen, damit könnten die Bürger nicht viel anfangen. Solche Lesbarkeit und Module mache nur Sinn, wenn man "mit den Zahlen/Kennzahlen auch steuern könne. Das sei eher etwas für die Politik, die damit interkommunale Vergleiche anstellen könne. So etwas koste Mühe, die Verwaltung sei dafür offen. Die Politik müsse nur klar sagen, was sie sich da konkret wünsche.

Bezüglich des möglichen Antrages, den § 80 GO NRW zum Tragen zu bringen, fragte die Kämmerin nach den Fristen, in denen sich die Bürger einbringen könnten, bisher lasse sich lediglich ein einziger Bürger den Haushalt regelmäßig erklären. Die Frage stelle sich also, wenn Einwendungen kämen, ob und wann die dann in die Beratungen der Ausschüsse und des Rates mit einbezogen werden sollten. Man müsse da auch Ladungsfristen beachten, die immerhin 14 Tage vorher lägen, man müsse sich daher über diese Angelegenheit auch mit dem Finanzausschuss verständigen...

Der SPD-Vorsitzende mahnte, man müsse hier aufpassen, dass diese Fristen, die man dem Bürger einräume, keinerlei juristische Auswirkungen auf die Entscheidungen der Ausschüsse und des Rates nach sich zögen! So eine Frist könnte dann eine aufschiebende Wirkung haben!

Die Kämmerin erklärte, wenn sie die Antwort so "aus der Hüfte schießen" würde, dann sähe sie keine Probleme, die Vorschläge der Bürger könne man dann so beraten ohne Aufschiebung.

Der Änderungsantrag zum § 80 GO NRW wurde einstimmig angenommen. Die Beschlussvorlage der Verwaltung in der schlechten Bewertung des BHH sowie in der Aussage "keine Fortführung des BHH" wurden einstimmig angenommen.

Die politische Mehrheit im Rat der Stadt hat die Plattform CDU+Grüne+UWG. 

Fazit: 
1. Der Bürger ist schuld. Er hat sich nicht ausreichend beteiligt und engagiert. 
2. Der Bürgerhaushalt ist zu kompliziert für den Bürger. 
3. Bürgerbeteiligung wird auch so ausreichend praktiziert.

Das war eine halbe Stunde der Bestätigung aller gängigen Vorurteile.

Kein Wort über die Rolle der Politik. Kein Wort über die Rolle der Verwaltung. Der Dumme ist immer der Dritte im Bunde: Wir Bürger. Aber der kam nicht zu Wort.




 



 
 


















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