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Donnerstag, 24. Januar 2013

Finanzausschuss - Lustiges und Vertagung

Gestern tagte der Finanzausschuss. Drei Stunden. Kommunale Finanzen können sehr spannend sein. Und die kommunale Politik dazu auch. Deutlich wird: es gibt keine Einigung, der Haushalt 2013 wird so keine Mehrheit bekommen. Die CDU, FDP und UWG stimmten dem CDU-Antrag auf Ablehnung einer Steuererhöhung zu. SPD, Grüne und BfGT lehnten ihn ab. Gestern wurde die Entscheidung vertagt bis auf den Rat am Freitag. Man habe sich auf Bedenkzeit für interfraktionelle Gespräche geeinigt, steht heute auf der Homepage der Stadt.

Im Ausschuss fiel mehrmals das Wort "lustig" - es wurde von der CDU bemüht und dann verschiedentlich in Beiträgen wieder aufgegriffen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende erklärte, es sei "lustig", den Gedanken zu verfolgen, die Steuern könne man doch erst im kommenden Jahr erhöhen - also kurz vor der Kommunalwahl.  Die Kämmerin griff diese irre Heiterkeit auf und machte deutlich: "Sie sprechen hier immer von "witzig" -  der Haushalt und dass Sie nicht zustimmen wollen, ist alles andere als "lustig". Und dann legte sie los...

Aber gerne doch der Reihe nach. Hier ein Versuch der bruchstückhaften Wiedergabe der Sitzung mit den kleinen Randerscheinungen, die sonst nie im Protokoll zu lesen sind.

Finanzausschuss vom 22.1.2013 - Verwaltungsspitze und Vorsitz    Foto: ak



Erstmal mussten sich die doch zahlreichen Zuschauer durch die Baustelle manövrieren bis sie auf der Tribüne ankamen: Kabel ohne Isolierung hingen von der Decke - und stimmten damit auf das ein, was die nächsten Stunden auf sie wartete: Elektrische Spannung in der Dikussion. (Sicher hatte keiner daran gedacht, dass dieser Teil des Rathauses wirklich von realen Menschen aufgesucht wird. Also bitte kein Stress für die Bauarbeiter.)

Auf dem Weg zur Zuschauertribüne :-)

Der  Haushalt wurde von der Kämmerin kurz mit den wichtigsten Daten vorgestellt. Ärgerlich an der Stelle: die Ausschussmitglieder bekamen Papiertischvorlagen, die Zuschauer oben nicht. Wohl auch die Presse zunächst nicht - jedenfalls mussten sie (durch das Presseamt) danach fragen lassen .... Dann wurden zumindest Charts gezeigt: Das Jahr 2012 kann mit einer Ergebnisverbesserung von ca. 9 Millionen Euro abgeschlossen werden, eine Verbesserung der Liquidität. Problematisch allerdings, die Entwicklung der Ausgleichsrücklage von 2007 bei 42 Mio. Euro bis auf 12,79 Mio Euro in 2010 und nun auf 35,471 Mio. Euro. Der aktuelle Schuldenstand beträgt 105 Mio. Euro. Die Nettotilgung von 4,135 Mio sei da schon drin. Tja, hier hätte man sich den Zahlen-Zettel gewünscht, den alle Politiker vorliegen hatten, aber die Zuschauer nicht. Nun muss man die Protokolle und Charts abwarten, bis die offiziell vorliegen. Das bitte in Zukunft anders. Die Zahlen bieten sich förmlich für eine breite Veröffentlichung an.

TOP 7 beinhaltete Fragmente des Bürgerhaushaltes. Es ging hier um die Steuervorschläge, die die Bürger gemacht hatten. (Siehe vorherige Blogposts dazu.) Ohne jede inhaltliche Diskussion folgte die Politik der Vorlage der Verwaltung, nach der keinem der Vorschläge für weitere Steuern stattgegeben werden sollte. Einstimmig wurden diese also im Block abgewiesen.
An zwei Stellen erfolgten jedoch Kommentierungen, die ein gewisses Eigeninteresse nicht vertuschen konnten: die BfGT-Fraktion wollte den Bürgervorschlag "Gewinne aus Bürgerhand nicht privatisieren - B59 aus dem Bürgerhaushalt" zumindest würdigen und diesen in der Neuverhandlung etwa um die Containervergabe berücksichtigt wissen. (Privatunternehmen hatten der Stadt lukrative Geschäftsfelder durch Verträge abgeluchst, die ihnen nun Geld einbringen.)

Und die CDU verwies nochmals auf die "Rechtmäßigkeit" der Pflege öffentlicher Kreisverkehre. Wer sich dafür einsetze und für die Pflege zahle, dürfe dort auch werben, hieß es hier. CDU-Reklame sei also erlaubt, weil dafür gezahlt werde.

über den Dächern der Stadt: Diskussion über Haushalt

Top 8 Bürgervorschläge aus dem Bürgerhaushalt - Stadtwerke Gütersloh.
Hier stellte die BfGT-Fraktion einen Änderungsantrag für die Posten 2 und 3, Freitzeitpass und Bäderbetriebe der Stadtwerke. Gefordert wurde die Gegenüberstellung der Besucherzahlen der letzten Jahre. Zudem sei es erstaunlich, dass die Bürgerbeteiligung im Bürgerhaushalt bisher als nicht aussagefähig deklariert wurde, aber in Punkt 7 (Beheizung des Nordbades), wo es also in die Ablehnungsbegründung passe, als Argument herangezogen würden: die Bürger hätten selbst den Vorschlag abgelehnt, hieß es. Der Vertagungsantrag wurde mit 8 Stimmen zu diesen beiden Punkten angenommen. 

Top 9 und 10 wurden zusammen diskutiert: Haushalt 2013 und Beschluss über den Haushalt 2013 mit Haushaltssatzung und Haushaltsplan. Wieder wurden an die Politiker Zahlen-Zettel verteilt. Wieder blickten die Zuschauer ins Leere. Die Presse auch? Die wichtigsten Änderungen wurden via Chart erläutert. Aber leider in der Schnelle nicht notierbar. 

Kleine Randnotiz in Sachen Open Government: Ein Grüner Ratsherr fragte nach, er habe die Änderungen, die sich auf dem Zettel fänden nicht im Netz, also im Ratsinformationssystem gefunden, warum das so sei? Ein CDU-Kollege erklärt dem Grünen daraufhin, wo diese Änderungen doch im Netz zu finden seien und wie man die öffnen könne. Die Kämmerin antwortete gleichzeitig: "Ich schaue nie da rein, ich habe immer alles auf Papier". 

Zudem sollte auch noch eine Anfrage der CDU/UWG vorliegen, hieß es. Auch diese konnten die geneigten Zuschauer auf der Tribüne nicht einsehen, sie lag dort oben ebenfalls nicht vor. 

Die Kämmerin versuchte sich an einer Zusammenfassung des Inhaltes, was nicht leicht sei, erklärte sie. Die Fraktionen selbst verzichteten auf die eigene Vorstellung der Anfrage mit folgendem Inhalt: 
Die Stadt habe einmal 1,127 Mio Euro in einen Fonds für mögliche spätere Versorgungsaufwände (Pensionen) eingezahlt. An diese wollten die CDU und die UWG nun heran. Die Kämmerin erklärte, dass sich einen solchen Fonds nur noch die ganz reichen Kommunen leisten könnten, längst nicht mehr alle. Dazu bräuchte man mehr Rücklagen. Auch ein Ansparen wäre nicht mehr möglich. Aber ein solcher Fonds sei natürlich sehr hilfreich, denn das Thema Pensionszahlungen rolle langsam aber unaufhaltsam auch auf Gütersloh zu. Man beabsichtige, das Thema im Mai vorzustellen. Nicht etwa, weil man das vergessen habe - sondern man habe schlicht keine Lösungen für das Problem. Ob es nun sinnvoll sei, diesen Fonds aufzulösen? Auf die Intervention der UWG zur Generationengerechtigkeit konterte die Kämmerin: "Sie ziehen die falschen Schlüsse daraus: stimmen sie eher der Steuererhöhung zu, als aus dem Fonds auszusteigen!"

Vorab war noch eine unsinnige Diskussion über die Kreisumlage entbrannt: der Grüne Ratsherr und gleichzeitig Kreistagsmitglied erklärte, er habe gehört (das alles sei noch spekulativ und nicht offiziell, formulierte er sibyllinisch), dass die Kreisumlage zu einer Verbesserung führen würde. Die Stadtverwaltung erklärte ihrerseits, es liege dort noch kein abschließendes Ergebnis vor, man habe es daher bei der eigenen Berechnung und den Prognosen belassen. Es ging hin und her, wer nun Recht habe mit seiner Deutung und ob das nun wichtig für die heutige Diskussion sei. Fünf Minuten Redezeit für Spekulationen, wo man besser hätte schweigen sollen.

Schließlich ging es ans Eingemachte: Das Investitionsprogramm für 2013 liege bei 18,032 Mio Euro. Finanziert sind 16,147 Mio Euro. Es ergibt sich eine Finanzierungslücke von 1,884 Mio. Euro. Voraussetzung, die Steuererhöhung kommt. Durch die Erhöhung der Hebesätze (Gewerbesteuer und Grundsteuer B) erwarte man 2013 rund 2,2 Mio. Euro Mehreinnahmen. Bei Beibehaltung der Hebesätze ergebe sich eine Finanzierungslücke von 4,088 Mio Euro. - Ganz passend dazu: Jetzt war etwas länger das Bild vom Beamer verschwunden. Die Kämmerin zu ihrem Kollegen: "Was haben Sie für ein Problem?" Dann war das Bild wieder da. -  Diese Lücke also müsste aus den Überschüssen finanziert werden. Das ergibt eine Nettoneuverschuldung von 2,2 Mio Euro. Und verstoße gegen den Eckwertbeschluss.

Die SPD eröffnete den Reigen und formulierte das Statement, die Stadt solle attraktiv und sozial ausgewogen bleiben, Gütersloh wolle auch attraktiv für Unternehmen sein, das aber müsse finanziert werden. Die SPD wolle dem Haushalt zustimmen - mit Steuererhöhungen.

Die CDU stimmte der Steuererhöhung nicht zu. Das "Delta der Schwankungsbreite der Ausgaben und Einnahmen" sei so hoch, dass man gerne den Haushalt auf Sicht (!) fahre. "Schau´n wir mal, wie der Saldo aussieht!" Zudem sei der Durchschnittswert der Hebesätze auf Landesebene kein Maßstab für Gütersloh und für die CDU. Die CDU sei schon für mehr Gewerbesteuer  - aber nicht durch Erhöhung der Hebesätze, sondern durch eine Verbesserung der Einnahmen in der Summe - also durch größere Gewinne in den Unternehmen. Man habe sich redlich bemüht:  keine Ausweitung der zusätzlichen freiwilligen Leistungen erlaubt, Aufgabenkritik begangen - dennoch sei eine Konsolidierung nicht gelungen. Die Sparvorschläge reichten nicht. Der CDU-Mann fragte quasi rhetorisch, ob man alles zum Sparen versucht habe und beantwortet das selbst mit "Nein.". Die Verwaltung habe formuliert, sie habe alles gegeben, um zu sparen, jetzt sei Politik dran. Politisch aber haben wir nicht den Willen gehabt, das (Sparen) zu beschließen."

Die UWG formulierte, dass nur 2/3 die Gewerbesteuern zahlen würden, die anderen nicht. Steuererhöhungen wären also eine zusätzliche Klatsche für die, die schon zahlen. Es sei zudem ein Standortnachteil für GT und man vermute die weitere Abwanderung von Firmen in die preisgünstigeren Nachbarkommunen.

Die FDP wartete mit dem Vorwurf "fehlender Nachhaltigkeit und fehlendem strategischen Denken" in der Haushaltsaufstellung auf und gab bekannt, was hätte alles anders sein müssen. Dieses "anders" konnte man zusammenfassen mit "outsourcen", vor allem Vermessung und Umweltamt.

Grüne stellten sich gegen ihren Plattformpartner CDU: wer mehr Ausgaben habe, müsse auch mehr Einnahmen haben. Man müsse schon mal "über den Schatten seiner eigenen Lobby springen können". Es könne nicht sein, dass Politik immer entscheiden solle - weil Politik unpopulär wäre und auf Wahltermine schiele. Die Verwaltung solle also nochmal Vorschläge machen, wo und wie gespart würde, nicht die Politik. Bisher habe die Verwaltung den Haushalt als alternativlos dargestellt, weshalb Politik auch keine weiteren Anstrengungen unternommen habe. (Das Spiel nennt man Schwarzer Peter)

Die SPD erklärte, die CDU habe noch keine Antwort darauf gegeben, wie sie die Löcher stopfen wolle. Das Wohl des Ganzen müsse die Grundlage für den Haushalt sein, nicht das Berücksichtigen von Interessensgruppen. An die Plattform gerichtet: "Sie haben die Verantwortung nicht übernommen!"

Dann meldete sich die Bürgermeisterin und warb zaghaft mit einer Spur Beleidigung in der Stimme für Zustimmung zum Haushalt: die Verwaltung habe alles ihr Mögliche getan. Bei allem Respekt vor den Nachbarkommunen, aber Gütersloh sei zudem auch Kreisstadt mit zahlreichen weitergehenden Aufgaben, die man finanzieren müsse. Und daher nicht vergleichbar. (Das ist die gute alte Hauptstadtdiskussion) Sie als Verwaltung und Bürgermeisterin hätten sich nicht aus der Haushaltskonsolidierung zurückgezogen - im Gegenteil. Sie werbe nun für Zustimmung. Und fragte einen Satz später mit echter Hoffnung an die CDU gerichtet: "Wären Sie denn zu Steuererhöhungen im nächsten Jahr 2014 bereit?" (Das ist das Jahr der Kommunalwahl!, da darf man lachen.) Das nahm auch der CDU-Fraktionschef als Lachvorlage und verwies genau auf diesen Punkt. Ein Kopfschütteln selbst auf der Zuschauertribüne, die zu der Zeit immer noch gut besetzt war.

Dann setzte die Kämmerin an - und ließ an Deutlichkeit keinen Zweifel: Die Diskussion sei nun alles andere als lustig. An die kleinen Fraktionen richtete sie, diese würden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie hätten mit ihren Anträgen die Mehrheit nicht bekommen, könnten deshalb den Haushalt auch nicht ablehnen. Die FDP: sie stäche mit ihren Vorschlägen seit Jahren "singulär" hervor, die Argumenten seien alt und nicht mehr stimmig. Sie machte nochmal deutlich, dass der Kreis die Kreisumlage wenn nur steigern würde. Da müssten dann auch die Grünen zwangsläufig gegen den Haushalt dort stimmen. Und: die Stadt Gütersloh habe nie wirklich richtig gut da gestanden, es sei immer schwierig gewesen, bis auf ein oder zwei Jahre, die positiv herausstachen. "Wir werden immer kämpfen müssen!", sagte sie. Die Gewerbesteuern seien nun mal nicht so üppig wie in Verl oder Harsewinkel. "Wir können damit nicht im Schlaraffenland leben!" Was reslutiere daraus: ein Eigenkapitalverbrauch, man treibe die Verschuldung nach oben, der Anstieg der Schulden sei immer schneller als der Abbau von Schulden. Es helfe nicht weiter, das Land NRW zu beschimpfen, man habe nun mal nur einen kleinen Spielraum für Entscheidungen. Sie als Politik wollen alles verbessern, aber nicht bei uns, heiße es. Auch wenn man die Steuern erhöhe, stehe man immer noch gut da in der Stadt. Die Debatte sei singulär im Kontext: Auch Unternehmen müssten sich angesichts der Finanzkrise neu aufstellen und sich durch Eigenkapitalerhöhung von den Banken unabhängiger machen - warum gestehe man das den Kommunen dann nicht auch zu? Steuern seien keine Strafe, sondern ein Beitrag für das Gemeinwohl - belehrte sie die staunenden Politiker. 

Die Verwaltung habe zudem im nicht-öffentlichen Workshop mit allen Fraktionen Felder für eine mögliche Konsolidierung aufgezeigt. Und dann um Vorschläge aus der Politik gebeten. Die Kämmerin final: "Wissen Sie, wer sich darauf hin bei uns in der Verwaltung gemeldet hat?" Schweigen im Saal. Ihre Antwort: "Keiner!"  

Wie auch die Zeitung Die Glocke zusammenfassend berichtet, gab es dann als klar war, es wird keine Mehrheit für die Zustimmung zum Haushalt geben, eine Sitzungsunterbrechung. Man brauche noch Zeit für interfraktionelle Gespräche....

Am Freitag geht es also weiter. 





Interessant sind zwei Dinge: Vom Bürgerhaushalt war in der Generaldebatte nichts zu hören. Und das, obwohl über 100 Vorschläge aus der Bürgerschaft eingegangen sind. Deren Inhalte oder Sparsummen war keinem der Gewählten ein Wort wert. Obwohl sie selbst offenbar nichts beigetragen haben zur Sparsumme. Und auch die Steuervorschläge sind stumm vom Tisch gewischt worden. Die Bürger sind offensichtlich doch ein STück weiter als ihre Gewählten.

Und interessant ist, dass die Politik selbst den Antrag gestellt hatte, den Haushalt möglichst früh im Jahr zu verabschieden. Der Beschluss dazu wurde bereits im Frühjahr 2012 einstimmig im Finanzausschuss (März 2012) gefasst. Nun fallen die Politiker über ihre eigene Entscheidung.


Am Ende bleibt das, was schon am Anfang war: eine unfertige Baustelle!


Baustelle in Stockwerk 8 des Rathauses - auch im übertragenen Sinne




1 Kommentar:

  1. Es ist ja bald Kannibal, da schaue ich dem kannibalistischen Treiben gern zu und prüfe, ob die Suppe bald fett genug ist.
    Versuchen die jetzt wirklich die ausrangierte Küche aus der Stadthalle im Rathaus einzubauen? Das wäre doch eine echte Einsparung im Haushalt von Gütersloh!

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