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Donnerstag, 22. November 2012

Zins- und Schuldenmanagement: Initiative hatte richtigen Riecher!

Kommunale Finanzen können so spannend sein: auch in Gütersloh geht es um Derivate-Handel, um Transparenz und Mangel an politischer Kontrolle. Ganz unbeachtet von der Öffentlichkeit... oder doch nicht?

Im Finanzausschuss der Stadt am 01.10.2012 findet sich die Beschlussvorlage für einen "Erlass einer Richtlinie für ein Kommunales Zins- uns Schuldenmanagement bei der Stadt Gütersloh". "Die Verwaltung ist der Auffassung, dass der Abschluss von Derivaten im Rahmen des Zins- und Schuldenmanagements auf eine bessere Basis als bisher gestellt werden sollte." Man beruft sich dabei auf die rechtliche Rahmenbedingungen des Landes NRW (Krediterlass in der Fassung vom 13.12.2010).

Wir als Bürgerinitiative "Demokratie wagen!" hatten bereits im Mai 2010 eine Anfrage zur Qualität des Zins- und Schuldenmanagements an den Rat gestellt.

Frage 2 lautete dabei: Wie sieht das aktuelle Zins- und Schuldenmanagement der Stadt Gütersloh aus, sprich, gibt es hier ein transparentes Frühwarnsystem durch die Rechnungsprüfung sowie eine breite Fächerung der Schuldenlasten?


Ausschluss der Politik selbst  - diesmal bei Derivatenhandel

Frage 2.1.: Hat sich die Stadt Gütersloh in den vergangenen fünf Jahren an Spekulationsgeschäften im Rahmen ihres Zins- und Schuldenmanagements beteiligt, die sich in Folge negativ für die Stadt ausgewirkt haben oder beteiligt sie sich aktuell an solchen Geschäften, die vom Rechnungsprüfungsamt beanstandet wurden oder werden?

Die Antwort im Jahr 2010 auf Frage 2: 
"Mit dem Ziel, Ausgaben und Risiken gering zu halten, werde bewusst von Geschäften Abstand genommen, deren Risiko als zu hoch oder unkalkulierbar angesehen werde. Die von der Stadt abgeschlossenen Zinsderivate seien so ausgestaltet, dass sie primär der vorzeitigen Sicherung eines bei Abschluss günstig erscheinenden Festzinssatzes dienten. Dabei seien zum Teil auch geringe Risiken eingegangen worden. Vor dem Abschluss von Zinsgeschäften werde grundsätzlich das Rechnungsprüfungsamt eingeschaltet. Die abgeschlossenen Derivate seien nicht spekulativ und es sei bisher weder zu negativen Folgen für die Stadt noch zu Beanstandungen seitens des Rechnungsprüfungsamtes gekommen."

Unsere Fragen gingen also in die richtige Richtung! Denn in der aktuellen Verwaltungsvorlage steht weiterhin: "Anlässlich eines Workshops mit der Sparkasse Gütersloh am 04.10.2011 ist der Finanzausschuss grundlegend über das Zins- und Schuldenmanagement im kommunalen Umfeld informiert worden. Dabei wurden auch einzelne Produkte des Zins- und Schuldenmanagements vorgestellt."

Die Frage stellt sich, warum ein Workshop mit der Sparkasse gemacht wurde (wo diese gerade auch Anbieterin sein kann, wie dies wörtlich in der Geschäftsanweisung formuliert ist), wer an dem Workshop teilgenommen hat und was so ein Workshop gekostet hat? 

Jetzt sind also knapp zwei Jahre nach unserer Anfrage Fakten geschaffen, ein Zins- und Schuldenmanagement neuerer Art ist im Finanzausschuss und Rat beschlossen. Man positioniert sich hier recht locker und leger zum Wagnis der Finanzwirtschaft, Derivate werden verharmlost dargestellt. Ich möchte mal die Diskussion aufwerfen: wer (von den ehrenamltich wirkenden Kommunalpolitikern) versteht diese Dinger eigentlich wirklich? Wer kann real die Risiken abwägen? Das haben schon ganz andere Kaliber versucht als etwa die städitsche Verwaltung - und sind damit gehörig aufs Maul geflogen. Mit globaler Auswirkung! Wir erinnern uns täglich.

Und wo bleibt jetzt die Politik und damit die politische Kontrolle? Das sind zentrale Fragen, wenn man ein wenig aus der Finanzkrise seit 2008ff gelernt hat. Im Großen wie im Kleinen geht es dabei um politische Kontrolle, Demokratisierung solcher weitreichender Entscheidungen im Finanzwesen sowie um Transparenz und frühzeitige Information. 

In der aktuellen Beschlussfassung ist davon keine Rede. Im Gegenteil: "Halte den Kreis der Entscheider und Wissenden so klein wie möglich" - scheint die Devise zu sein. 
Nichts gelernt also?

In der Vorlage der Verwaltung heißt es:
"Regelungen über die Anwendung von Derivaten haben zwei grundsätzliche Fragestellungen. Zum einen betrifft dies die Kompetenzen und ihre Abgrenzung von Rat und Verwaltung und zum anderen interne Abläufe innerhalb der Verwaltung. Die Beschäftigung der Verwaltung mit diesem Thema hat weiterhin zu der Erkenntnis geführt, die zu erlassenden Regelungen nicht nur auf den Abschluss von Derivaten zu beschränken, sondern auszuweiten auf die Arbeit mit Krediten allgemein. Die als Anlage 1 beigefügte Richtlinie „Kommunales Zins- und Schuldenmanagement bei der Stadt Gütersloh“ gibt den Handlungsrahmen für ein verantwortungsvolles und wirtschaftliches Zins- und Schuldenmanagement vor und bestimmt dafür auch entsprechende Zuständigkeiten. Die Richtlinie ist daher auch vom Rat zu beschließen.
Daneben ist eine interne Geschäftsanweisung – Anlage 2 - zu erlassen, die insbesondere die Zuständigkeiten und Abläufe innerhalb der Verwaltung regelt. Eine solche Geschäftsanweisung fällt in die alleinige Entscheidungskompetenz der Bürgermeisterin. Daher wird die Anlage 2 auch nur zur Kenntnis und nicht zur Beschlussfassung vorgelegt."

Die Regelung bezüglich der Kontrollgremien lautet in Punkt 4 der "Richtlinie zum kommunalen Zins- und Schuldenmanagement" wie folgt: "Dem Finanzausschuss wird jährlich (!!) ein Schuldenbericht vorgelegt. In diesem wird er über die Entwicklung des Gesamtportfolios und des Zinsumfeldes seit dem letzten Bericht unterrichtet. Bei der Betrachtung des Portfolios sind dabei neben der aktuellen Struktur und den dem Portfolio innewohnenden Risiken auch die aktiven Veränderungen (z.B. Neuabschlüsse, Umschuldungen) im Berichtszeitraum darzustellen." 

Mehr nicht. Wer jetzt ein kollektives Aufheulen der Mandatsträger erwartet hat, täuscht sich. Dabei werden sie doch in zentralen Punkten ihrer Kontrolle schier entmündigt.

Das Abstimmungsergebnis zu dieser Vorlage sollte für die Bürgerschaft ganz besonders sichtbar zu den Akten gelegt werden - im Falle eines Falles, wenn die Risiken real geworden sind und das Spiel mit Derivaten oder anderen Flops der Finanzbranche künftig zu Lasten der Stadt und ihrer Bürger ausgeht: 

Beschlussfassung im Finanzausschuss:
12 Ja-Stimmen, ( CDU, SPD, FDP, UWG)
2 Nein-Stimmen (GRÜNE)
1 Stimmenthaltung (BfGT)
Herr Kollmeyer hat an der Abstimmung nicht teilgenommen. Warum nicht, frage ich gerade im Büro der Bürgermeisterin nach. (Antwort: er war wohl gerade nicht im Saal, warum, sei nicht bekannt, der Protokollant habe die Abwesenheit jedoch gewissen notiert.) Zugleich ist der Vorsitzende des Finanzausschusses auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse Gütersloh, die den "Workshop" im letzten Jahr durchgeführt hat.

Beschlussfassung im Rat am 12.11.2012:

48 Ja-Stimme(n) (CDU, SPD, BfGT, FDP, UWG, RM Krause, BM),
5 Nein-Stimme(n) (4 GRÜNE, RM Reese)
0 Stimmenthaltung(en)














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