Der letzte Schritt ist gemacht: Hier mein Austritts-Schreiben aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit 1995 war ich dabei, auch als Ratsfrau und Fraktionsvorsitzende. Meine Gründe liegen in der Kommunalpolitik:
Gütersloh, 28.10.2012
Austritt
aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen
Verehrte
Grüne,
hiermit
erkläre ich meinen sofortigen Austritt aus der Partei Bündnis
90/Die Grünen. Ich gebe mein „Parteibuch“ zurück - mit
Bauschmerzen, aber mit guten kommunal-politischen Gründen:
Seit
nunmehr acht Jahren besteht das Bündnis „Plattform“ zwischen der
CDU und den Grünen, in jüngster Zeit erweitert durch die UWG zur
„Plattform +“. Mit dieser Art von Kommunalpolitik bin ich nicht
mehr einverstanden. Diese Politik hat zu einer Verwässerung der
grünen Positionen geführt, macht Grüne in der Regel zu
rechnerischen Mehrheitsbeschaffern einer rein konservativen Politik.
Da könnte ich faktisch gleich UWG wählen.
Transparenz
Aktueller
Anlass ist die nicht-öffentliche Haushaltsklausur am 26. Oktober,
die auch von Grünen mitgetragen wird und damit in krassem
Widerspruch zum transparenten Format des Bürgerhaushaltes steht. Es
ist kaum erklärbar, warum sich Grüne einerseits in
Werberedebeiträgen für das Format stark machen, es aber inhaltlich
so wenig voranbringen - das Format sogar mit dieser Inkonsequenz ad
absurdum führen. Was für ein Signal geht da an die Bürger, wenn zu
Beginn der Votingphase wiederum die politische Klasse hinter
verschlossenen Türen tagt und nicht nachvollziehbar wird, welche
Beschlüsse dort bereits getroffen werden?
Auch die
fehlende Vorausschau, dass kaum Ausschusstermine für die
Diskussionsphase zum BHH der Politik einberaumt wurden, kann man
Grünen zum Vorwurf machen, denn sie haben nicht widersprochen: Der
Terminplan bis zur Verabschiedung des Haushaltes war seit dem Sommer
präsent und ist u.a. eine Folge der GrünenForderung nach
frühzeitiger Haushaltsverabschiedung bereits im Januar. Ein
Blitzbesuch der Grünen in der Bürgerinitiative „Demokratie
wagen!“ kann diese Entwicklung nicht wettmachen, wenn auch dort von
Grüns versprochen wird, einen Antrag auf eine Sondersitzung des
Hauptausschusses zu stellen. Wobei das Versprechen nicht einmal
unbedingt einlösbar ist noch bis jetzt überprüfbar.
Beteiligung
Grüne
haben sich immer wieder auf die Fahnen geschrieben, die Partei der
Bürgerbeteiligung zu sein. Das war mir immer ein besonderes
Anliegen, seit ich seit 1995 für die Grünen Politik gemacht habe.
Ein erkennbares Engagement der Grünen in diesen Fragen kann ich in
Gütersloh nicht mehr erkennen, weder in Fragen der Beteiligung bei
der Konversion noch an anderer Stelle. Dieser Schwerpunkt scheint bei
„Grüns in Plattform +“ komplett über Bord gegangen zu sein;
insbesondere mit Blick auf die offen beteiligungsnegierenden
Wortbeiträge der politischen Plattformpartner, denen an keiner
Stelle erkennbar widersprochen wurden.
Energie
Die
Energiebilanz in Fragen regenerativer Energie in GT ist verheerend,
wenn man bedenkt, dass Grüne seit 1999 einen Vertreter im
Aufsichtsgremium der SWG etabliert haben sowie seit einer Wahlperiode
eine Landtagsabgeordnete in NRW entsenden konnten. Der Anteil an
Atomstrom ist in Gütersloh sogar deutlich höher als der im
Durchschnitt in der Bundesrepublik.
Auch die
hochgepriesenen Zertifikate halten einer genaueren Prüfung kaum
stand, ebenso liegt ein großes Potenzial an Geld und Ideen brach,
wie der Bericht der Volksbank belegt.
Unbesonnen
war m.E. auch der Vorstoß der Grünen, in Fragen der Neuausrichtung
der SWG einen fraktionsübergreifenden Antrag der Ratsfraktionen aus
dem Hut zu zaubern, ohne die beteiligten Initiativen, die maßgebliche
Impulse für diese Wende in der Energiepolitik gegeben haben, in
irgendeiner Weise zu berücksichtigen. Der Umgang mit der Basis der
Grünen lässt deutlich erkennen, wie sehr sich gewählte Grüne im
Volksparteienspektrum eingerichtet haben.
Bildung
Der
Kompromiss über die Modellschule in Gütersloh ist ein Fehler.
Diesen haben Grüne deutlich mitgetragen und damit ihre Vorstellungen
aufgegeben, was Chancengerechtigkeit bei Kindern angeht. Grüne
folgen hier dem Credo der konservativen Kräfte in der Stadt, die
diese Schule ohne weitere städtische Finanzierung aufgebaut sehen
wollen.
Den
Antrag auf eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe hat man innerhalb
einer halben Stunde zurückgezogen und sich in Folge dem politischen
Mainstream angepasst – obwohl das Land NRW deutlich gemacht hat,
diese Fragen seien auf kommunaler Ebene zu entscheiden. Der so
gegebene Spielraum ist nicht genutzt worden, sondern auf dem Altar
der Plattformpolitik gelandet, die ein mehrgliedriges Schulsystem
nach altem Muster favorisiert.
Gleichzeitig
hätte ich mir einen Konsens über den Vorschlag der SPD gewünscht,
die sehr mutig die Erhöhung der Gewerbesteuer mit der Bindung an die
Finanzierung der Bildungspolitik in Gütersloh eingebracht hatte. Die
Idee war richtig – nur der Ideengeber war falsch und daher musste
man mit der Plattform stimmen?
Urwahl
und Kandidatenkür OWL
Das
führt mich zu der Kritik an der Wahl des grünen
Bundestagskandidaten, der es schuldig bleibt zu erklären, warum er
auf Bundesebene für rot-grün kämpfen will, während er in
Gütersloh seit Jahren für schwarz-grüne Kommunalpolitik die Hand
hebt. Wie kann diese Form der multiplen Politikgestaltung in einer
Person stattfinden ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren?
Suspekt
bleibt mir auch die Art und Weise der grünen Kandidatenaufstellung
OWL-weit: die Listen wurden bereits lange vor der
Kreismitgliederversammlung auf Bezirksebene festgelegt, die
Basismitglieder konnten lediglich ein Ergebnis abwinken. Das ist
nordkoreanischer Politikstil – und nicht meiner.
Zudem
steht diese bürokratische Schnellabstimmung in krassem Widerspruch
zu dem, was uns gerade auf Bundesebene zur Urwahl des grünen
Personals vorgemacht wird. Wie passen diese beiden Ansätze
zueinander?
Der
Einwand, ich hätte mich gerne längst wieder in der Fraktion oder
Partei einbringen können, ist unerheblich. Ich habe grüne Politik
als Bürgerin und Konsumentin verfolgt. Auch das ist erlaubt, wenn
man ein Parteibuch hat, es verpflichtet nicht nur zur aktiven
Teilnahme an Parteisitzungen. Aber auch als passives Mitglied darf
man eine Meinung formulieren, was ich in Form von Leserbriefen in
zahlreichen Blogbeiträgen und vielen Gesprächen sowie als Mitglied
in der Bürgerinitiative „Demokratie wagen!“oft genug gemacht
habe.
Um
Missverständnissen vorzugreifen: ich werde mich zukünftig in keiner
anderen Partei engagieren. Mein Blickpunkt bleibt der des
Beobachters, was ich auch weiterhin in meinem Blog „Blickpunkt aus
Gütersloh“ betreiben werde.
Zu guter
Letzt noch das Formale:
Gleichzeitig
mit diesem Schreiben widerrufe ich meinen Abbuchungsauftrag zum
Einbezug meines Mitgliedbeitrages mit sofortiger Wirkung.
Mit
besten Grüßen
AK
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Entscheidung, es ist die Richtige!
AntwortenLöschenVon einem schon immer parteilos Kämpfenden
Danke. Lang mit angesehen, wie Grüne Positionen zerrinnen. Und die Macher am Ruder schauen nicht hin oder wollen nicht. Dann besser ohne mich. So bin ich frei!
AntwortenLöschenHerzlichen Glückwunsch, eine vernünftige Entscheidung!
AntwortenLöschenEine Partei mit klaren und manifestierten Positionen ist beispielsweise Die PARTEI. Da gibt es noch echte Basisdemokratie.
Dieser Beitrag erreichte mich als mail unter Anonym, konnte aber die Kommentarfunktion des Blogs nicht einhalten, daher wurde ich gebeten, dass selbst einzustellen:
AntwortenLöschenGut so, Anke. Die Begründung stimmt meiner Meinung nach total und ist sachlich und nachvollziehbar. Ob dieser Schritt aber von den 'kleinen' Parteimitgliedern erfahren wird, bezweifele ich. Und sicher werden viele Bündis90/GRüne im Aufsichtsrat der SWG, im Rat und im Kreistag eher über diesen Schritt erfreut sein...Ändern wird sich vor Ort in GT auf
absehbarer Zeit, denke ich, nix.
Seinerzeit war ich aus der SPD ausgetreten und nie wieder in eine Partei eingetreten.
Lasst uns als 'APO' die Politik vor Ort weiterhin kritisch begleiten...