Bild

Bild

Mittwoch, 16. April 2014

Rolle rückwärts: Arbeitsgruppe zur Aufgabenkritik

Der Haushalt der Stadt Gütersloh für 2014 fand nur eine Mehrheit unter der CDU-Maßgabe, die Stadtverwaltung werde umgehend eine Arbeitsgruppe zur Aufgabenkritik einrichten. Die Zustimmung erfolgte, jetzt wurde eine solche Arbeitsgruppe eingerichtet: Sechs Wochen vor der Kommunalwahl und unter dem Aspket "je kleiner desto besser" mit nur 8 Parteivertretern sowie 7 Mitgliedern der Verwaltung. 

Warum das ein großer Rückschritt ist und warum das die falsche Antwort auf Zukunftsgestaltung ist, zeigt ein Blick in die Historie.

 
                           Geschlossene Gesellschaft - Arbeitsgruppe tagt     Fotos ak2013


Zunächst stand der Beschluss aus dem Hauptausschuss vom 31.3.2014:

„Der Rat der Stadt Gütersloh überträgt dem Hauptausschuss die Aufgabe, in enger Abstimmung mit der Verwaltung, sämtliche bestehenden Strukturen und Auftragsvergaben zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Stadt Gütersloh vorbehaltlos und ergebnisoffen daraufhin zu prüfen, ob insbesondere durch die gemeinsame Erledigung von Aufgaben durch mehrere öffentlich rechtliche
Körperschaften, eine engere Zusammenarbeit mit anderen Aufgabenträgern und/oder eine Übertragung von Aufgaben auf sonstige Träger, mittel-und langfristig ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung der Stadt Gütersloh erbracht werden kann. Der Hauptausschuss entscheidet nach eigenem Ermessen, ob – und ggf. in welchem Umfang – die Hinzuziehung externer Beratung erforderlich ist. Die geforderte Strukturdebatte setzt eine kritische Analyse bestehender Strukturen, einen intensiven interkommunalen Vergleich und eine inhaltliche Priorisierung öffentlicher Aufgaben voraus. Das Ergebnis der Prüfung und Vorschläge zur Umsetzung sind dem Rat der Stadt Gütersloh schnellstmöglich zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.“


In der Diskussion im Ausschuss ging es kurz um die Größe des Arbeitskreises - und darum, dass dieser bereits vor der Wahl am 25. Mai 2014 mit seiner Arbeit beginnen solle. Ein erster Termin findet demnach schon am 16. Mai für zwei Stunden statt. Teilnehmen werden: Dr. Forster, Kollmeyer (CDU); Dr. Bethlehem und Ostermann (SPD); Rosenthal (Grüne); Schulte-Fischedick (FDP); Kalley (UWG); eine Nachbenennung für die BfGT folgt. 

Diese Personenkonstellation ist wichtig, denn fünf von ihnen (wenn Morkes benannt wird) haben einen vergleichbaren Prozess schon einmal mehr oder weniger erfolglos hinter sich (siehe unten) und fast alle werden wohl auch wieder im Rat Platz nehmen, wenn die Wahl 2014 gelaufen ist. Interessant ist zudem, dass die CDU erklärt, sie "betrachte die Arbeitsgruppe als Steuerungsgruppe, die darüber entscheide, ob fachliche Unterstützung in Anspruch genommen werde und Arbeitsaufträge vergebe."

Zwischenergebnis also:

Der große Rat delegiert an den kleinen Hauptausschuss; die Verwaltung macht Vorschläge zur Einrichtung einer noch kleineren Arbeitsgruppe, die wird eingesetzt und hat Entscheidungskompetenz. Proforma wird aber immer noch der Rat als Entscheidungsgremium angenommen. Bis dahin sind also 50 von insgesamt 58 Mandatsträger von der politischen Gestaltung ausgenommen und können am Ende wohl nur noch abnicken und durchwinken, was 8 von ihnen und 7 von der Verwaltung (!) vorentschieden haben. Lustig: es scheint völlig egal zu sein, wie der künftige Rat bestückt sein wird. Demokrtatietheoretisch spannend: die Öffentlichkeit bleibt wohl gleich ganz raus, ein Arbeitskreis tagt in der Regel nicht-öffentlich.

Nichts Neues: Bemühungen und Besetzungen 

Schon ab dem 28. Januar 2005 gab es einen Unterausschuss unter dem Hauptausschuss, der sogenannte "Ausschuss für Haushaltskonsolidierung und Aufgabenkritik", in dem 10 Ratsleute entsendet waren: Foerster, Bolte, Heitmann, Tigges, Brockbals für die CDU. Für die SPD Tiedtke-Strand, Kurt Schrader und Dr. Bethelehem. Für die Grünen Rosenthal, für die BfGT Morkes. Mit beratender Stimme Kalley für die UWG und Fischer für die FDP. Die Hauptakteure finden sich dieser Tage also fast identisch wieder wie bereits 2005. Schon damals hieß es: "Der Ausschuss für Haushaltskonsolidierung und Aufgabenkritik wird als Unterausschuss des Hauptausschusses neu gebildet. 2. Der Ausschuss besteht aus 10 Mitgliedern und 2 Mitgliedern mit beratender Stimme. 3. Die Bürgermeisterin führt den Vorsitz und hat Stimmrecht."

Interessant ist die vorausgehende Diskussion am 17. Janaur 2005 dazu im Hauptausschuss, die sich so aktuell liest, als sei sie gerade eben erst geführt worden und nicht schon vor neun Jahren. Auch damals schon ging es um Aufgabenkritik, um Einsparpotenziale um Haushaltskonsolidierung und Strukturverbesserungen in der Verwaltung, die auch die Bereiche Personal und Organisation zum Ziel hatten. Die Fraktionen FDP, UWG und Grüne wollten erreichen, dass der Ausschuss auch nicht-öffentlich tagen solle, damit man "frei und ohne Tabu reden könne". CDU und SPD plädierten deutlich für öffentliche Beratungen.  Die BfGT hatte einer Bildung eines solchen Ausschusses nicht zugestimmt, saß aber mit einer Person später dadrin, an diesem Punkt stimmte sie für die Vorlage, während sie sich bei den drei vorausgehenden Punkten enthielt.


Einkauf externer Berater

Der Unter-Ausschuss lief bis zum Ende der Wahlperiode, er hat insgesamt neun Mal getagt. Die Einladungen und Protokolle dazu finden sich hier. Zu Beginn der Wahlperiode 2009 wurde dann beschlossen, dass der Hauptausschuss die Aufgaben des bisherigen Ausschuss für HHKonsilidierung und Aufgabenkritik übernehmen sollte. Interessant zu wissen ist nun, dass im Rahmen dieses Unterausschusses die Berater Rödl&Partner zur Haushaltskonsolidierung eingekauft wurden - dies recht teuer. Sie sollten den städtischen Haushalt wieder auf Kurs bringen. Ihr Vorschlag war überspitzt formuliert die "generelle Kürzung in allen Ausgabefeldern", ansonsten eine lange Streichliste öffentlicher Ausgaben mit dem Charme "Vorschläge von der Stange" zu beinhalten. Die Vorschläge finden sich hier im Abschlussbericht. 

Gerade diese Sparliste und die hohen Kosten für die externen Berater haben im Angesicht der Finanzkrise, die noch erschwerend dazu kam, für besonderen Unmut in der Gütersloher Bevölkerung geführt. In Folge kam es zu massiven öffentlichen Protesten, besonders gegen die Streichung der Schulbibliotheken. Auch kam die Forderung nach einem Bürgerhaushalt auf, den die Initiative "Demokratie wagen" kurz vor den Kommunalwahlen 2009 erstritten hatte. Die politischen Parteien hatten sich so kurz vor der Wahl auf dieses Versprechen eines Bürgerhaushaltes eingelassen. Der Initiativen-Ansatz hieß: "Warum externe Berater einkaufen, wenn die Bürger sehr wohl selbst Sparpotential identifizieren können?" Der Bürgerhaushalt im ersten Durchgang hat mit seinen über 300 Vorschlägen sehr wohl gezeigt, wie profund eine breite öffentliche Diskussion das Thema Sparen und auch Aufgabenkritik analysieren kann. Diesen Sachverstand und die gemeinsamen Bemühungen in der Bevölkerung hat die Politik jeodch bekanntlich deutlich ausgebremst, um am Ende in Haushaltsfragen wieder unter sich zu tagen.


Probleme bleiben...

...verändert aber hat sich die demokratische Abwärtsspirale: Während 2005 noch ein öffentlicher Unterausschuss gebildet wurde, muss es jetzt eine Arbeitsgruppe richten. Ein Unter-Ausschuss war zumindest öffentlich, hat mehr oder weniger Protokolle und Niederschriften hinterlassen. Was aber macht eine Arbeitsgruppe, die zudem noch fast paritätisch mit der Verwaltung bestückt ist? Es handelt sich also um einen deutlichen Rückschritt in Fragen der Transparenz und Beteiligung. Da war man 2005 ja sogar noch weiter als heute.

Fazit:
Eine intransparente Arbeitsgruppe von Wenigen kann keine politische Antwort auf die Gestaltungsfragen von morgen sein. Mehrere Faktoren führen das ad absurdum:
  • der Wille zur besseren Information und Beteiligung in der Bevölkerung hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich verstärkt- das ist nicht zu ignorieren
  • die neuen sozialen Medien bieten mehr und direkte Möglichkeiten der Teilnahme und fordern zum Dialog auf Augenhöhe mit der Bevölkerung
  • Open Data ist keine Spielwiese für Wenige oder Spinner, sondern Bestandteil von strategischen Entscheidungen zum Wohl aller Bürger
  • die Entscheider in der Politik sind teilweise über 10, 15 Jahre im Rat und steuern eine vierte bis fünfte Legislaturperiode an, ist das noch demokratisch?
  •  
  • die bisherigen Lösungsversuche sind gescheitert, weil sie weite Teile von der Problemlösung und Entscheidung ausklammern 

  • das Einkaufen externer Berater ist teuer und bringt keinen nachhaltigen Erfolg 
  • die Formate der geschlossenen Gesellschaft ohne Transparenz sind von gestern 
  •  
  •  das Old-Boy-Networking gehört in den politischen Handwerkskasten von Vorgestern 
  • Entscheidungen erfahren eine höhere Legitimation, wenn sie öffentlich sind
  • die Demokratie hat Offenheit verdient


Ein Vertreter der CDU erklärt im jüngsten Protokoll des Hauptausschusses: Er sehe die Arbeitsgruppe als neue Kultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Eine neue Kultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann eigentlich nur sein: Transparenz, offener Dialog in einem öffentlichen Ausschuss mit aktiver Beteiligung derjenigen, die sich einbringen wollen. Kollaboration etwa wäre eine solche neue Kultur. Oder die Einrichtung eines Zukunftsausschusses, wo diese Themen nicht singulär beraten werden, sondern interdisziplinär und kooperativ, denn aus genau diesen Zutaten sind sie, die Lösungen, die langfristig tagen. 

Eine Arbeitsgruppe diesen alten Stils wird das hervorrufen, was es immer hervorruft: politische Alibis und Stillstand. So können wir uns auf die Einrichtung eines weiteren Arbeitskreises 2019 mit gleichem Inhalt freuen, der an gleicher Stelle wieder ansetzt. Nur sind die Probleme dann wohl noch größer und die Entscheider einfach nur noch länger im Rat.





 











Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen