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Sonntag, 23. Februar 2014

Open Data und Data Viz - die Erde ist keine Scheibe

Die Social Media Week Hamburg war Anziehungspunkt nicht nur für die Digitalwelt: vom 17. - 23. Februar 2014 standen Entwicklungen und Innovationen in Technologie, Kreativ- und Digitalwirtschaft sowie der gesellschaftliche Wandel an sich im Fokus. 


                                Data-Viz in der Diskussion        Fotos ak 2014
Besucht habe ich dort auch die Session: Open Data- damit kann doch niemand etwas anfangen? - Und die Welt ist eine Scheibe! Organisiert durch Government 2.0 Netzwerk Deutschland, moderiert von Kirsten Wohlfahrt @FrauKW.

  Es ist wohl so: Open Data ist ein geflügelter Begriff in der Digitalszene - das breite Verständnis darüber gibt es aber leider noch nicht. Im Zentrum steht nach wie vor Skepsis, wenn es um den Mehrwert oder Nutzen von „befreiten Daten“ geht. Die muntere Diskussionsrunde im KulturWerk e.V. HH hatte sich also auf die Fahnen geschrieben, zu zeigen, wie Mehrwert geschaffen werden kann - und wo solche Beispiele schon Wirkung zeigen. Ein Rezept ist Data Viz - die Visualisierung von Daten. Daten kann man lesen (lernen), Daten sind visualisierbar, Daten sind grundlegend, um sich überhaupt beteiligen zu können. Direkt mit dem Thema verwoben ist daher noch ein anderer Schwerpunkt, der bisher noch unterschwelliger auf dem Radar auftaucht: die Veränderung des Journalismus.

Es erstaunt also nicht, wenn das Panel so besetzt war, in der Visualisierung von Daten sind sie zuhause:
  • Marco Maas, Datenjournalist, OpenDataCity, http://www.opendatacity.de/

  • Christian Heise, Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., http://okfn.de/

  • Nicola Kuhrt, SPIEGEL ONLINE, Stellv. Ressortleiterin Wissenschaft

Hier in kurzer Einblick in die Diskussion mit einigen (von mir empfundenden) Highlights:  


Visualisierung 

Für Marco Maas steht fest: riesige Datenberge sind bereits vorhanden - ob nun in öffentlichen Händen oder auch etwa in NGOs. Damit haben diese Institutionen ein mächtiges Tool, um Gesellschaft und Umwelt zu gestalten. Daten müsse man so aufbereiten, dass sie Geschichten erzählen - "datastorytelling". Er zeigt das am Beispiel des Projektes "Stasi versus NSA" - Die Ausgangslage war hier die Frage: "Wieviel Platz würden die Aktenschränke der Stasi und der NSA verbrauchen - wenn die NSA ihre 5 Zettabytes ausdrucken würde?" Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Daten Bilder liefern - und somit Verständnis schaffen, Einordnung vermitteln.  

Daten können einen direkten Nutzen bringen, etwa, wenn sie in eine App fließen, die anzeigt, in welchem Wohnviertel welche Wohnungen zu welchem Einkommen verfügbar sind. So könnte sich Mancher die lange Suche ersparen - oder vereinfachen. 

Daten lesen und visualiesieren gelingt nicht allen. "Datenarbeiter" muss man erst ausbilden, bevor sie aus Zahlen Geschichten machen können.
Maas stellt ein weiteres Projekt vor: Lobby Plag. Diese Internetplattform zeigt, wie wer direkten Einfluss in der EU in Brüssel nimmt und etwa Gesetzestexte mitschreibt. 

Mehr Aspekte dazu finden sich auch in einem kurzen Interview auf der rp13:




Daten sind Macht  

Die Kunst der Datenvisualisierung ist zunächst daran gekoppelt, diesen Grundstoff an Daten überhaupt zu bekommen. (In Brüssel und anderswo.) Manchmal müsse man sich diese erst mühsam etwa aus pdfs herauslesen oder aus E-mails abstrahieren. In Brüssel haben die Abgeordneten dann auch mit dem Tool LobbyPlag ganz große "Bauchschmerzen", wenn damit der Nachweis des Vorschreibens von Lobby-Vorlagen und simplen Abkupferns erkennbar wird. Die Anweisung an die Mitarbeiter der Abgeordneten laute jetzt: "Bitte die Vorlagen zu den Gesetzestexte nicht mehr einfach kopieren - sondern umschreiben, so dass die Quelle nicht mehr 1:1 zu erkennen ist."

Bilder erzählen mehr als Zahlen

Nicola Kuhrt lässt kurz hinter die Kulissen des Spiegel schauen. Journalisten seien doch eher ungeübt im Umgang mit Rohdaten. Die bisherige Praxis sei vielmehr, dass Pressemitteilungen eingereicht würden, in denen sich die Daten bereits vorfinden. Die Quellen und das Zustandekommen der Daten sei aber oftmals bisher wenig bis gar nicht hinterfragt worden. Sie bringt ein sehr anschauliches Beispiel für die Visualisierung von Daten, indem sie ein eher trockenes Thema aufgreift: Was haben die Zahlen des Zensus 2011 eigentlich für einen Einfluss auf die bundesdeutschen Kommunen? Kuhrt zeigt
anhand einer interaktiven Infokarte, das Aufteilen in Gewinner - und Verlierer, denn: viele Kommunen sind geschrumpft. Verlierer bedeutet in der Regel weniger Zuschüsse - und damit leerere Kassen als sie das eh schon sind. 


Denkbar sei eine solche Grafik auch für die Volksabstimmung in der Schweiz, um zu zeigen, in welchem Kanton wie über die Personenfreizügigkeit wie abgestimmt wurde. Es gebe viele Ideen, simple Daten in Geschichten zu verwandeln. Kuhrt erklärt auch, die verstärkte Nachfrage des Spiegel bei den Statistischen Ämtern bringe diese Ämter langsam ins Nachdenken: Bisher hatten die Ämter die Hoheit der Auswertung, die Datenexegese, im Prinzip alleine betrieben. Jetzt ziehen Medien mehr und mehr eigene Geschichten daraus. Datenvisualiserung und Datenjournalismus ändern Deutungshoheiten.

Ungeplante Chance 2015 

Der Dritte im Bunde, Christian Heise, fragte als "Datenevangelist", wo wir international eigentlich in Deutschland zur Zeit stehen, mit dem Thema Open Data. "Warum kann es sich ein reiches Land wie Deutschland nicht leisten auf Platz 1 zu stehen?"

Er skizziert, Deutschland habe die OpenDataCharta wohl nur aus Versehen unterzeichnet. Nun seien alle G8 dazu aufgerufen, einen Aktionsplan auszuarbeiten, der solle 2015 fertiggestellt sein. Der sei in Deutschland aber noch nicht fertig. Und zu allem "Übel" habe Deutschland 2015 auch noch den Vorsitz dieser Kommission. Einen offenen Dialog mit der Zivilgesellschaft darüber gebe es auch noch nicht. 

 Von einem zu vielen

Journalismus ist im Wandel: Immer mehr Journalisten interessieren sich für Daten und deren "Auslese". Das bedeutet auch einen Kulturwandel: der Journalist arbeitet nicht mehr für sich allein, sondern mehr im Team, interaktiv. Und: Es sind nicht mehr die Geschichten zuerst da, die dann mit Daten hinterlegt werden, sondern umgekehrt: Die Daten liefern Geschichten. Das ist neu. Maas meint dazu, jeder Journalist solle ein Grundset an Datenwissen mitbringen. Die journalistische Ausbildung weist da einen blinden Fleck auf. Er bemüht ein schönes Beispiel: Die Atomlobby liefert Daten, die deutlich ihren Interessen entsprechen. Es sei eine neue Herausforderung, diese gelieferten Daten selbst lesen zu können und deren Nutzen verstärkt zu hinterfragen. Dazu müsse man in der Lage sein, Fehlerquellen in den Daten auch zu erkennen. "Um im Tagesgeschäft mit Daten umgehen zu können, muss ich wissen, wo ich Daten finde und wie ich die auswerten kann", ist die einfache Folgerung.





Auf dem Weg 

Die Medienbranche macht sich hier deutlich auf den Weg, sind sich alle einig.
Das wird die Recherche und die Nachfrage bei Institutionen, der öffentlichen Hand und auch anderen Daten"gebern" verändern. Wir lernen: In diesem Thema Open Data und Data Viz steckt noch viel Musik. Trotz aller Scheingefechte: die Urheberrechtediskussion, die Hoheitsdebatte, die Deutungshoheit, das Unwissen der Öffentlichkeit - und nicht zuletzt der Datenschutz. Datenvisualisierung ist dabei nicht nur ein Großstadtthema, es gehört in die Breite. Dazu gehörte auch für Gütersloh - gerade als E-Government-Modellkommune. Denn die Erde ist keine Scheibe.













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