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Montag, 10. September 2012

Basisdemokratie bei Grüns: Bund ist nicht gleich Kommune

Demokratische Prozesse kommen wieder in Mode. Auch in einer Partei, die in die Jahre gekommen ist: Die Grünen. Deren Mitglied ich noch bin. 

Aber die Partei-Kollegen messen mit zweierlei Maß: 
Im Bund wird radikalbasisdemokratisch eine Urwahl zur Kür eines politischen Spitzenduos ausgerufen. Von einem "historischen Novum" ist gar die Rede.

Auf kommunaler Ebene scheint die Basis eher störend und wird formalistisch ans Ende der Entscheidungskette versetzt - hier werden die Kandidaten wohl eher per Akklamation einiger weniger Funktionäre "mit einem Votum ausgestattet". 

Nix da mit Basis - die kommt dann, wenn die Listen schon aufgestellt sind.


Das sieht dann so aus: Vor zwei Tagen erreichte folgende Nachricht des potenziellen Kandidaten aus Gütersloh die Kreisgrüne Basis:



Die Landtagsabgeordnete und OWL-Sprecherin habe mitgeteilt, dass am Freitag, dem 7.9. im Bezirksrat bereits das gerankte OWL-Votum zur Bundestagswahl vergeben werden solle, d.h. es werd entschieden, in welcher Reihenfolge die Kandidaten aus OWL bei der LDK zur Listenaufstellung am 8.12. antreten sollen.

Dieser Zeitdruck wäre Ursache dafür, dass der Gütersloher Kandidat der Grünen seine Bewerbung dort eingereicht habe. Und nun so wörtlich:"Leider noch bevor unsere Kreismitgliederversammlung die Möglichkeit hatte ein Votum zu vergeben."
Die Eile sei damit begründet, dass die anderen Bezirke in OWL Ihre Kandidaten schon ins Rennen schickten und wenn OWL überhaupt eine Chance haben wolle, Kandidaten zu platzieren, müsste das OWL-Votum jetzt vergeben werden, damit die beiden OWL-Sprecherinnen überhaupt die Verhandlungen aufnehmen könnten.
Der Gütersloher Kandidat hatte dann auf der Bezirksratssitzung seine Bewerbungsrede gehalten und wie er schreibt "erfreulicherweise nach den bereits aktiven Bundestags-Abgeordneten aus Bielfeld und Lippe das Votum für den ersten Männerplatz erhalten". Das sei eine gute Vorraussetzung um auf einen Listenplatz zu kommen, der noch eine gewisse Chance habe.
  
"Selbstverständlich" werde er sich nun auch um das Votum des Kreisverbandes GT auf der nächsten Kreismitgliederversammlung bewerben, dies für die Direktkandidatur als auch für einen Listenplatz und er hoffe auf unser "Verständnis" für das etwas "ungwöhnliche Vorgehen".

Dieses "ungewöhnliche Vorgehen" fand ich so ungewöhnlich, dass ich zumindest nachgefragt und den beteiligten Funktionären Fragen zugeschickt habe.


Einen Teil der Antworten habe ich bereits vorliegen. Die Kernfrage aber ist noch offen: habe ich das richtig verstanden, dass die drei (!) Kandidaten für Gütersloh, Bielefeld und Lippe von den Kreisvorständen mit einem Votum für die Kandidatur ausgestattet wurden und schon auf der Liste stehen bevor (!) die Kreismitgliederversammlungen überhaupt eine Bewerbungsrede gehört haben - geschweige denn als Basis über die Kandidatur entscheiden konnten?


Die Frage der Basisdemokratie ist für mich noch nicht geklärt. Ich frage da weiter nach und poste.....


Zeigt sich hier gar die Politik der Verstetigung einer politischen Notfallsituation - in der alles blitzschnell gehen muss und nur noch von einer funktionellen Handvoll entschieden wird? Von der Regelung der Eurokrise bis hin zur Kandidatenkür?


2 Kommentare:

  1. Liebe Anke,

    ich halte Marcos Vorgehen und das des Kreisvorstands nach wie vor für richtig, kann aber aber auch gut verstehen, dass das "von außen" (die Teilnahme an den Vorstands- und Fraktionssitzungen steht dir aber wie allen Mitgliedern offen) betrachtet nicht besonders demokratisch wirkt. An der Stelle kann ich deine Kritik nachvollziehen, wenn ich sie auch nicht teile. Der Zeitdruck ist nicht vorgeschoben, sondern tatsächlich erst kurzfristig entstanden und Marco musste leider irgendwie mit dieser Voraussetzung
    umgehen.

    Ganz ehrlich gesagt finde ich aber auch den üblichen Regionen-Proporz ein Unding. Mag sein, dass OWL sich dazu genötigt sieht, um überhaupt KandidatInnen unterzubringen, weil die anderen Regionen ebenso die
    Plätze in Vorabsprachen untereinander aufteilen. Einer sachlichen und demokratischen Diskussion über die Aufstellung der Liste bei der LDK (oder besser noch im Vorfeld, aber nicht in kleinen Zirkeln, sondern
    unter Einbeziehung aller Mitglieder) dient das jedenfalls nicht. Andererseits zeigt sich auch immer wieder, dass letztendlich die LDK-Delegierten entscheiden und nicht den Empfehlungen (sprich Vorabsprachen) der Bezirksverbände folgen.

    Die grundsätzliche Kritik, dass die Basis auf kommunaler Ebene "eher störend" sei, kann ich dagegen nicht nachvollziehen. Die Vorstände und Fraktionen sind eigentlich immer bemüht, die Parteibasis einzubinden und unternehmen immer wieder Neues, um mehr Transparenz und Mitwirkung in der Partei zu ermöglichen. Oftmals scheitert es aber am Interesse der
    Mitglieder. Auch die Mitgliederversammlung sind meist eher mau besucht. Oder ist das bei euch in Gütersloh ganz anders?

    Marco hat 2009 ein Votum der Mitgliederversammlung bekommen und es gab keinen Zweifel, dass er es diesmal nicht wieder bekommen würde. Er hat sein Vorgehen vorher allen Mitglieder im Kreis per E-Mail mitgeteilt,
    gerade weil er sich der Bedeutung der Rückendeckung durch die Basis bewusst ist. Darauf hätten alle Mitglieder reagieren können, aber soweit ich informiert bin, bist du die Einzige. Marco hat auch klar gestellt, dass er seine Kandidatur auch nachträglich zurückziehen wird, wenn die nächste Kreismitgliederversammlung ihm kein Votum geben wird.

    Grüße
    Henrik

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  2. Lieber Hendrik,
    habe vielen Dank für Deine ausführliche Anmerkung. Mein Fokus ist der schleichende Prozess der politischen Verstetigung von Notwendigkeiten, die allein aus dem Hierarchie- und Systemgeflecht der Partei entstehen. Die basisdemokratische Teilhabe tritt dabei immer mehr in den Hintergrund. Auch bei Grüns geht es deutlich um Posten und auch um Machtverteilung. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Im gesamtgesellschaftlichen Politikkontext gesehen, ist dies aber der grundsätzliche Schritt zur Abwendung von der Politik. Nicht umsonst müssen sich Grüne besonders anstrengen, sich gegen die Piraten abzugrenzen, die neue Formen der Kommunikation und der Entscheidung mit sich gebracht haben.

    Zudem sehe ich die Kandidatur auch inhaltlich sehr kritisch, was ich gerne auf der KMV auch vortragen werde. Wenig hilfreich ist da die Ankündigung von Marco Mantovanelli, er werde nur für den Listenplatz antreten, nicht aber für die Direktkandidatur. Will das heißen: Posten ja, Arbeit und Basis nein?

    Ich werde diese Punkte in meinen nächsten Beitrag weiter darlegen.

    Grüße zurück, Anke

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