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Freitag, 14. Januar 2011

Statt #S21 und Castor zukünftig Political Leadership (Governance) 2.0?

Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann, siehe auch: Blog - Globaler Wandel

 Zur aktuellen Diskussion um Onlineverfahren als Demokratietransportmittel in der Stadt Gütersloh darf ich freundlicherweise folgenden Gastbeitrag von Dr. Ole Wintermann posten. Der Inhalt passt ganz besonders zur Replik der CDU-Fraktion zum Bürgerhaushalt:
In vielen (insbesondere IT-) Unternehmen spielen sich zur Zeit in Folge internetgestützter neuer Informations- und Kommunikationskanäle Veränderungen in den tradierten Steuerungsprozessen ab bzw. deuten sich an, die einen innovativen Eindruck davon vermitteln, wohin sich politische Steuerung in Zukunft entwickeln könnte. Sowohl große Unternehmen als auch die Parteien sehen sich mit dem Internet einer Kommunikationsplattform gegenüber, die ihr eigenes Selbstverständnis zunehmend in Frage stellt. Kurz gefasst geht es dabei im Außenverhältnis um die Verlagerung von Interpretationshoheit und Steuerungskompetenz vom Anbieter zum Nachfrager von Dienstleistungen und Produkten. Im Binnenverhältnis versagen Intransparenz als impliziter Bestandteil pyramidialer Prozesssteuerung und formale Zuständigkeiten zunehmend als bisherige Instrumente der internen Steuerung großer Institutionen (eine umfassendere Aufzählung der Veränderungen findet sich u.a. in der aktuellen Studie meiner Kollegin Tina Dörffer).

Ausgehend von den wichtigsten Begrifflichkeiten eines Leadership 2.0-Systems in großen Unternehmen wären für die Politik und die Parteien vor dem Hintergrund der Erfahrungen in 2010 mit #S21 und den Castor-Transporten folgende Änderungen vielleicht eine Überlegung wert:

a) Parteien geben ihren Anspruch der Interpretationshoheit von politischen Sachverhalten gegenüber dem Bürger bzw. den Parteimitgliedern auf. Zunehmende Informationsvielfalt (oder genauer: Vielfalt der Perspektiven) relativiert die parteibezogene Interpretation eines Sachverhaltes. Es war dem Bürger bspw. kaum zu vermitteln, dass das Gesetz zum Schutz der Nichtraucher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt und von den Parteien in wechselnden Konstellationen befürwortet oder abgelehnt wurde. Nichtraucherschutz hat keine Parteifarbe. Der Versuch der politischen Akteure, die föderale Vielfalt in dieser Frage sachlich zu rechtfertigen, war am Ende sogar kontraproduktiv.

b) Parteien leben zukünftig Transparenz vor. Das vom SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach der letzten Bundestagswahl in die Diskussion eingebrachte Strategiepapier wie auch das jetzt aktuell vom wirtschaftspolitischen Experten der SPD-Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, vorgebrachte Positionspapier sind in ihren Ursprüngen leider nicht zurück zu verfolgen und damit in der Intention nicht nachvollziehbar. (Dieselbe Problematik offenbart sich natürlich auch bei internen Papieren aller anderen Parteien) Und: Nicht nur die Parteimitglieder wünschen sich letztlich mehr Transparenz über das Zustandekommen von Entscheidungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen.

c) Offenheit im politischen Prozess ist keine Schwäche sondern eine Stärke. Offenheit bringt die Einbeziehung vieler Meinungen und Ideen mit sich. Wer offen und transparent handelt zeigt, dass er konsistent handelt. Nur Inkonsistenz fürchtet die Offenheit von institutionellen Prozessen.

d) Parteien müssen erkennen, dass sich die traditionellen Partei-Cleavages zu einem großen Teil überlebt haben. S21 und die Castorproteste führen wertkonservative CDU-Wähler und wirtschaftskritische Protestbewegungen zusammen, da Nachhaltigkeit (in diesem Fall) sowohl grün als auch schwarz sein kann.

e) Relevanz wird zunehmend durch das Internet und weniger durch traditionelle Medien und PR-Kampagnen zugeschrieben. Der Wettbewerb der Bewerber um das Präsidentenamt Joachim Gauck und Christian Wulff hat deutlich gemacht, dass die Zuschreibung von Relevanz (für das Amt) zukünftig nicht mehr durch intransparente Hinterzimmerentscheidungen erfolgen kann.

f) Kompetenzmacht obsiegt zunehmend gegenüber der Funktionsmacht. In der durch das Internet zugeschriebenen Relevanz ist die inhaltliche Zuständigkeit konsistenter und glaubwürdiger als der Vorsitz eines Gremiums (wobei sich Beides gegenseitig natürlich nicht ausschließen muss).

g) Die Zuschreibung von Kompetenzmacht erfolgt fallbezogen, wechselt kurzfristig Issue-bezogen von Partei zu Partei und steht damit in einem gewissen Widerspruch zu den langen Legislaturperioden.

Nicht jeder der vorgenannten Punkte ist neu! Jeder Punkt gewinnt jedoch im Einzelnen durch die Bedeutung des Internets und von sozialen Netzwerken an Relevanz für zukünftige politische Steuerungsprozesse.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Wasch mich, aber mach mich nicht nass.....

So so. Nun beginnt das Spiel "Wie geht es mit dem Bürgerhaushalt Gütersloh 2011" weiter. Bisher war der Prozess transparent: Auf der Homepage der Stadt Gütersloh, auch in Facebook und auf der Seite der Initiative "Demokratie wagen" konnte sich jeder informieren, einklinken und den Stand der Dinge verfolgen. 

Wissenschaftler als Leumund für das Versagen
Jetzt aber beginnt das politische Geschäft. Da gehen dann schon schneller die Lichter aus, was Transparenz und Ernsthaftigkeit angeht. Die CDU-Fraktion startet heute mit ihrer Intervention gegen die Ergebnisse des Bürgerhaushaltes gleich auf zwei Kanälen: Sie geht mit dem Politologen Dr. Stephan Eisel von der Konrad-Adenauer-Stiftung (Leitung Projekt "Internet und Demokratie") als Leumund in die Bütt, internetbasierte Bürgerhaushalte hätten aufgrund niedriger Beteiligung keine demokratische Basis. Ein Politologe tritt auf die Bremse titelt heute die NW Gütersloh. Nun ist es gut zu wissen, dass Herr Dr. Eisel nicht nur für die CDU-nahe Stiftung arbeitet, sondern auch für die CDU im Deutschen Bundestag gesessen hat. Im April kommt seine Untersuchung zu Bürgerhaushalten in Deutschland raus. Sein Fazit: 
"An die Legitimation demokratisch gewählten Gremien reicht es nicht im Entferntesten heran.", nachzulesen auf einer Seite der KAS. Für ihn ist die geringe Zahl der Nutzer ein Argument, den neuen Ansatz der Beteiligung vom Tisch zu wischen. Ferner begründet er das damit, hier hätten sich grundsätzlich nicht genügend "neue Köpfe" in das politische Geschehen einbinden lassen - sondern wie immer nur die, die eh schon aktiv seinen. Er nennt diese Gruppe die, die sich zwischen Partei und Karneval bewegten. Belegen lässt sich das allerdings nicht wirklich, da die Nutzung des Online-Portals durchweg anonym war. Er geht in Gütersloh also von einer Annahme aus. 

Nun ist ein Anteil von 1,7 Prozent in der Stadt Gütersloh oder real von 1.664 Teilnehmern relativ hoch, wenn man die Bezugsgröße Rat oder Ausschuss zugrunde legt. Im Rat sind derzeit 58 Mitglieder vertreten, die über den Haushalt abstimmen werden. 23 Mandate für die CDU-Fraktion, die mit der Plattform + (Grüne und UWG) die Mehrheit abbilden. Die Ratsleute sind gewählt, ja. Die Wahlbeteiligung an der letzten Kommunalwahl in Gütersloh lag gerade mal bei 50,9 Prozent aller Wahlberechtigten. Das ist nicht einmal die Hälfte der Gütersloher Bürgerschaft, denn nicht alle sind wahlberechtigt. Nun haben wir eine repräsentative Demokratie - was auch gut ist. Aber: Allein die Zahl der für die Aufstellung der Parteimitglieder für die zu wählenden Listen Zuständigen liegt im Promillebereich, wenn man denn demokratietheoretisch grundsätzlich werden will. Und noch eine Bezugsgröße: Während sich am letzten Haushalt niemand beteiligen konnte, die Quote also O Prozent ist, kann man durchaus von einer Steigerung und Belebung neuer interessierter Köpfe sprechen, wenn jetzt 1.667 mitgemacht haben. Folgende Zahlen sprechen zudem eine deutliche Sprache:   
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Und auch das Onlineverfahren selbst gerät bei Dr. Eisel in die Kritik:
Grundsätzlich sieht der Politologe die Schnelllebigkeit des Internets als Problem für die Gewinnung politisch Interessierter. Für die meisten Nutzer sei es ungewohnt, sich Zeit für komplexe Sachverhalte zu nehmen. Politik spiele nur eine Randrolle im Internet, die Leute surften lieber kurz bei Wikipedia oder schauten nach ihren e-mails, wird er in der NW zitiert. Eine sehr spannende Aussage, die der 55-Jährige da macht, angesichts obiger Zahlen. Nun mag das Internet nicht in jeder Form direkt zu mehr Bürgerbeteiligung führen, es führt aber direkt zu einem höheren Informationsgrad der Bürgerschaft, aus dem jeder Zeit eine eigene Form der Beteiligung werden kann, die dann gewaltig ihre Belange artikuliert: Stuttgart 21, die Anti-AKW-Bewegung - alles Belege für eine politisch informierte und aktivbereite Gesellschaft, auch von - neuen Akteueren, wie man allenthalben lesen kann. Ich gerate an dieser Einschätzung Eisels ins Nachdenken und erinnere mich dabei an Bismarck, der gesagt hat:  "Das Auto hat keine Zukunft. Ich setze aufs Pferd." Dieser Anachronismus muss selbst in den Reihen der CDU für Diskussionsstoff sorgen. Allein der Blick auf die Anforderungen der heutigen Wirtschaft an die Ausbildung, die die CDU-nahen Kreise ja immer als ihren wichtigsten Claim im Auge hat, kommt heute keiner mehr ohne Internet und Kenntnisse über profunde Recherche aus. Wie war das noch? Laptops in die Schulklassen? Und: Schon mal was von sozialen Netzwerken gehört? Hier geht Politik aber so richtig ab.

Skepsis auch bei der CDU-Ratsfraktion
Skepsis äußerte die CDU-Fraktion auch selbst durch eine Pressemitteilung, an den Abstimmungen hätten sich zu wenige Bürger beteiligt. Nun muss man konstatieren, dass die CDU-Fraktion allerdings wirklich nicht viel von öffentlicher Informationen hält, denn auf der Homepage der Fraktion sucht man vergeblich nach dieser öffentlichen Pressemitteilung zum Thema Bürgerhaushalt und die anstehenden Beratungen in den Gremien. Die Info erfährt der geneigte Beobachter nun wirklich nur aus der Zeitung. Kein wirklich gutes Omen für eine inhaltliche und ernsthafte Beschäftigung mit dem, was der Bürgerhaushalt als Ergebnis gebracht hat. 

Eigentlich aber hätte die städtische CDU durchaus lernen können. Ihr Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung war doch vormals ein ganz anderer gewesen, der das Schwungrad Bürgerhaushalt überhaupt erst ermöglicht hat: Der Konsolidierungsprozess durch Rödl und Partner. Die Finanzmisere zeichnete sich bereits 2008 ab. Da herrschte zudem noch der globale Finanznotstand. Der reichte auch bis nach Gütersloh. Sparen war angesagt. Aber Politik und Verwaltung waren für externe Beratung. Man wollte Kernzahlen zur Orientierung und Vorschläge für eine Streichliste. Nur wollte man die nicht selbst anfertigen - die CDU hätte die Chance gehabt als stärkste Fraktion in der Plattformgemeinschaft mit Bündnis 90/Die Grünen. So entschieden sich die politischen Gremien aus der letzten Ratsperiode aber bereits in der 36. Sitzung des Rates am 20. Juni 2008 für das Beratungsunternehmen Rödl & Partner aus Nürnberg. Dem Konzept wurde mit außerplanmäßigen Ausgabemitteln in Höhe von 165.410 Euro für die Unterstützung des Prozesses der Haushaltskonsolidierung zugestimmt. Sogar dann einstimmig mit damals 37 Ja-Stimmen angenommen.

In Folge ergaben sich zahlreiche Bürgerproteste, die in der Demonstration von mehr als 2.000 Schülerinnen und Schülern, Lehrern und Eltern gegen die Streichung der Zuschüsse für die Schulbibliotheken ihren Höhepunkt fandnen. Eine hohe Zahl an Bürgerbeteiligung. Und sicher viele, die sich vorher nicht (!) für Kommunalpolitik und Haushaltsfragen eingesetzt haben. Nur in negativer Konnotation. Bürger, die öffentlich protestieren, zeigen, dass Politik ihr Geschäft der Mitwirkung am der Meinungsbildung nicht akkurat ausgefüllt hat und die Bürger in ihrem ureigensten Lebensumfeld vor vollendete Tatsachen stellt, die keinen Rückhalt finden. 

Während der Kommunalwahl 2009 waren dann alle Parteien auf das Motto Bürgerhaushalt für 2011 aufgesprungen. Der politische Druck von der Straße war noch sehr spürbar und saß den Parteien in den Knochen. Der Startschuss für das Beteiligungsverfahren war doch ganz gelungen: Im Finanzausschuss der Stadt hatten sich die Mitglieder einstimmig für die Durchführung eines Bürgerhaushaltes ausgesprochen. Die weitreichende Vorlage kam von SPD und BfGT.  16 Pro-Stimmen, keine Gegenstimme. Ratsherr Wiesner (CDU) hatte zudem darauf hingewiesen, dass ein Fokus auf eine Internetabstimmung durchaus berechtigt sei, da das Internet das effektivste Medium für eine solche Abstimmung sei.

Es gilt also zu rechnen: 165.410 Euro als Investition in Dritte, die stellvertretend für die Politik den Haushalt sanieren wollten und damit über 2.000 protestierende Bürger auf den Plan riefen, die sich lauthals auf der Straße gegen die Entscheidung der Politik aussprachen. Hinzu kommen noch die zahlreichen Elternproteste gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren.Ergebnis: Bürgerbeteiligung hoch aber kontra.
Dagegen stehen dieses Jahr 70.000 Euro Investitionssumme für den Bürgerhaushalt (der nun bezahlt ist und für mehrere Jahre dienen kann) - sowie 1.667 User. Anzahl der Vorschläge siehe die Zahlen oben:
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Diese Relation scheint zu belegen, dass das Onlineverfahren zum Bürgerhaushalt als Legitimation für politisches Handeln schon recht tauglich ist. Ziel war es doch auch, Menschen zu beteiligen und den Bürgern ein Sprachrohr zu geben für Vorschläge und Anregungen. Rückhalt in der Bevölkerung bei engem Finanzrahmen ist unbezahlbar. 
Das jedenfalls hat auch die CDU sehr präsent in ihr Kommunalwahlprogramm geschrieben. Sie wünsche sich eine aktive Bürgerschaft. Unter Punkt 1 steht da, sie wolle die Eigenverantwortung stärken und Mitwirkung ermöglichen. Sie postuliert eine stärkere Einbindung der Ideen und Anliegen der Bürgerschaft in die politischen Entscheidungsprozesse sowie von einer Übertragung von Aufgaben und Kompetenzen auf eine aktive Bürgerschaft. 

Die hat sie nun! Nun muss sie diese auch ernst nehmen und nicht kleinrechnen. Alles andere wäre nicht ehrlich und dem demokratischen Prozess noch abträglicher als garkein Bürgerhaushalt.

Wasch mich, aber mach mich nicht nass  - das taugt in der Demokratie garnichts. Weder online noch offline.

Dienstag, 11. Januar 2011

Beteiligung in schweren Zeiten.....

Finanzpolitik scheint eine eigene Konjunktur zu bekommen. Nachdem uns in den letzten Jahren auf nationaler, internationaler und globaler Ebene seitens der Banken vorgeführt wurde, wie machtlos der Einzelne im Finanzdschungel doch ist, zeigt die kommunale Ebene eine Renaissance in eben dieser Frage um das "liebe" Geld: Finanzfragen kehren zurück in des Bürgers Hände. Global denken, lokal handeln bekommt dabei eine ganz andere Tonart.

Die Gütersloher stehen mit ihrem Bürgerhaushalt also nicht allein auf weiter Flur, sondern befinden sich in guter Gesellschaft. Nun reiht sich auch die alte Hauptstadt Bonn in die Reihen der Demokratiewager ein:
"Jetzt hat der Bürger das Sagen" steht heute in der Kölnischen Rundschau.  Alleiniger Wehrmutstropfen: Die Stadt blickt auf eine Haushaltsloch von 409 Millionen Euro. Eine Summe, die natürlich nicht allein durch Sparvorschläge zu tilgen ist. Zu glauben, der Bürger werde es schon wieder richten, wenn das Kind erstmal in den Brunnen gefallen ist, wäre naiv. Aber der Bürger ist so oder so dran: irgendwie muss das Geld aufgebracht werden, oder die Angebote einer Stadt werden gestrichen, die Lebensqualität sinkt. Am Ende jeder Handlungsart steht er doch da und trägt die Last: Der Bürger. Wir alle also.

Wenn nun schon der Anlass ziemlich traurig ist, so darf dennoch das Wiedererwachen der Beteiligung gefeiert werden. Teilhabe heißt hier auch Teilnehmen, teilen und Teil sein. Unter www.bonn-packts-an.de

sind ab dem 18. Januar die Bonnerinnen und Bonner zur Bewertung einer umfassenden Liste der freiwilligen Leistungen der Stadt, bei denen es anders als bei den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben, gespart werden könnte.

Während Sparen sicher wehtun wird und die Bürger sich in ihren Gewohnheiten einschränken müssen, sollte trotzdem deutlich werden, dass die Limbolatte der Beteiligungsmöglichkeiten jedoch so schnell nicht wieder nach unten gehangen werden wird. Dafür werden dann schon die in Haushaltsfragen fitten Bürger weiter sorgen.

Sonntag, 9. Januar 2011

Was war nochmal das Ziel des Bürgerhaushaltes...?

Der Haushalt 2011 für Gütersloh steht auf der politischen Agenda. Bis März soll er beschlossen werden. Nun gibt es unerwartet einen Geldsegen aus Düsseldorf, der immerhin eine Gesamtverbesserung von 7,3 Millionen Euro ergibt, also fast doppelt soviel als das, was die Stadt bislang erwarten konnte. Das Haushaltsdefizit von 12,9 Millionen Euro verringere sich dadurch auf derzeit 5,6 Millionen Euro. Möglich wurde das durch die
Änderungen im Gemeindefinanzierungsgesetz NRW.

Nicht nur mehr Geld ist vorhanden (seltsam ist das schon), sondern nun liegen zudem die Vorschläge der Bürgerschaft aus dem Bürgerhaushalt auf dem Tisch der Politik. Der Rat der Stadt umfasst 58 Sitze, die in sieben Fraktionen das politische Spektrum der Stadt repräsentieren: CDU 23 Sitze, SPD 16, Grüne 6, BfGT 5, FPD 4, UWG 2, Linke 2. Und die Bürgermeisterin.  - Dieses Kaleidoskop allein ist schon ein Kraftakt für sich, wenn eine derartige Komplexität der Willensbildung in einen Rahmen zu fassen ist. Gespannt sein darf man obendrauf dann auf den politischen Meinungsbildungsprozess in der Verknüpfung der eigenen Positionen mit der Bewertungen der Bürgervorschläge. Einfach geht anders. Gut zu wissen ist dann auch noch, dass bisher die Plattform + bestehend aus CDU, Grünen und UWG, den politischen Kurs der Politik festgesetzt haben: Übrigens auch diejenigen, die die externe Konsolidierungs-Beratung durch Rödel und Partner initiierten. Das ist der Maßnahmenkatatlog, der zu einer ersten Welle des Bürgerprotestes insbesondere gegen die Streichung der Zuschüsse für die Schulbibliotheken geführt hatte....

Einige der im Rat vertretenen Fraktionen haben sich bereits sehr unterschiedlich zu den Haushaltsfragen und zum Bürgerhaushalt positioniert:

Die FDP-Fraktion nimmt den Bürgerhaushalt ganz direkt aufs Korn:  Auf der Homepage heißt es. "Die Gütersloher FDP hat den Eindruck, dass die Befragung mehr ein Meckerkasten war denn eine fundierte Handlungsrichtschnur für die demokratisch legitimierten politischen Gremien." Ein deutlicher Hinweis erfolgt bereits hier, dass nämlich die Politik entscheide und nicht die Bürger, weil eben die Politik gewählt ist und der Bürger nicht. Eine sehr eindeutige Aussage, die bereits jetzt deutlich macht: Uns schert es nicht, was der Bürgerhaushalt der Politik ins Stammbuch geschrieben hat.

Wörtlich heißt es bei der FDP: "Dass Bürgerinnen und Bürger mitreden können, ist eine tolle Sache. Doch letztendlich entscheidet die Politik und nicht der Bürger, wofür das Geld ausgegeben wird und wo gespart wird oder nicht. Dazu ist viel Hintergrundwissen nötig." = Wie gut, dass es dazu das Informationsfreiheitsgesetz NRW gibt, welches mittlerweile den Zugang zu Informationen verbrieft. (Leider gibt es dazu keine Satzung in der Stadt Gütersloh, wie vorgeschlagen, denn hier wäre formuliert, was genau der Weg zu Informationen beinhaltet- und wie teuer die dann auch sind; eine Gebührenordnung ist allerdings in Arbeit.) Es bleibt nur noch zu hinterfragen, welches Bild von Bürgern die FDP da mit sich herumträgt.

 Die CDU-Fraktion hält an ihrem Konsolidierungkurs fest:
Homepage der CDU bereits im November 2010: CDU-Fraktionsvorsitzende Heiner Kollmeyer. „Natürlich sind wir erleichtert, dass der Stadt in diesem Jahr keine Haushaltssicherung droht. Von dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes sind wir aber weit entfernt – ganz zu schweigen von der Reduzierung unserer Schulden. Die Aufgabe des Konsolidierungsprozesses in dieser Situation wäre fahrlässig.“ Es findet sich zusätzlich eine Stellungnahme zum Haushalt 2011 als pdf der Plattform +: Die zeigt sich wenig aussagefähig und bleibt die Beantwortung von politischen Positionen schuldig.

Die Grünen bekennen bereits in ihrer Haushaltsrede 2009 durch ihren Fraktionschef MantovanellI: "Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Bürgerschaft honoriert es, wenn wir uns insgesamt ehrlich der Finanzsituation stellen und Schnitte vornehmen - vom Sekt zum Selters." Zumindest ist damit das Gemeinsame in den Fokus gerückt und man darf gespannt sein, wie die Partei der bewegten Bürger und dem Manifest auf Beteiligung sich im Abstimmungsverhalten und in der Bewertungskultur verhalten wird. In einer Pressemitteilung hatten sie sich für eine Verlängerung der Frist für den Bürgerhaushalt ausgesprochen und sich positioniert, der Bürgerhaushalt solle fester Bestandteil der Haushaltsberatungen werden und dazu beitragen, mehr Bürger in die Entscheidungsfindung der Kommunalpolitik einzubeziehen

Die BfGT informiert dieser Tage bereits über die Zusammenfassung der Bürgervorschläge, die es im Ratsinformationssystem der Stadt nachzulesen gibt. Zudem ist nicht zu übersehen, dass die SPD und die BfGT bereits im Mai 2010 einen gemeinsamen Antrag zur Durchführung eines Bürgerhaushaltes eingebracht haben, in dem die vorherigen Vorstellungen von Mitbestimmung weit überholt wurden. Ein Rückschritt hinter diese Aufwertung der Bürgerbeteiligung sollte damit ausgeschlossen sein, zu erwarten sind sicher kritische Anmerkungen, die den Prozess für einen Bürgerhaushalt II noch verbessern können.

Die UWG positioniert sich für den Bürgerhaushalt, zumindest hatte sie bereits im Oktober 2010 die Bürgerschaft zur aktiven Teilnahme aufgerufen. Die Linke im Rat verweist mit einem eigenen Link auf die Seite von "Demokratie wagen", die den Bürgerhaushalt maßgeblich vorangetrieben hat.

Nach der Lektüre auf den verschiedenen Seiten gehe ich nun nochmal gespannter zur Sitzung des Hauptaus-schusses und verfolge nun ganz genau, welchen Raum die Beteiligung der Bürger nun in der Realität zugestanden bekommt. Wichtig zu wissen ist dabei, dass es eben nicht vorrangiges Ziel war, nur Sparvorschläge zu generieren, die möglichst die Schuldenlast der Stadt aufheben möge, sondern, der Bürgerhaushalt war klar auch als Sprachrohr und als Einbindungsplattform für den Bürger in den politischen Prozess gedacht. Kämmerin Christine Lang hat dies auch so zur Erinnerung in die erste Vorlage seitens der Verwaltung aufgenommen: "Vielmehr sollen Einblicke in die Erwartungshaltung und Meinungsbilder der Bürgerschaft gewonnen werden. Das Verständnis der Bürgerschaft für die Lage der öffentlichen Haushalte und die Entscheidungszwänge von Politik und Verwaltung soll verbessert werden."

Nun denn. "Verbessern" heißt übrigens, dass etwas vorher "nicht gut" war....

Samstag, 8. Januar 2011

Bürgervorschläge auf dem Tisch der Politik

Jetzt wird es spannend. Nachdem die Bürgerbeteiligungsphase zum Bürgerhaushalt abgeschlossen ist, gehen die Vorschläge nun in die politische Diskussion. Ein erster Termin dazu ist die Sitzung des Hauptausschusses am Montag, 17. Januar 2011 um 17 Uhr im Ratssaal. Eine erste Einschätzung des Verfahrens seitens der Verwaltung liegt bereits schriftlich als Vorlage vor.

Darin enthalten ist bereits das Ranking mit den 30 wichtigsten Vorschlägen:  Auf Platz 1 steht die Frage der Umwandlung der Feuerwehr (Berufsfeuerwehr oder Freiwillige Feuerwehr), auf Platz 2 landete die Forderung nach Beibehaltung der Zuschüsse für die Stadtbibliothek Gütersloh, Platz 3 beinhaltet, keine weiteren teuren Gutachten als Grundlage für politische Entscheidungen zu vergeben. 

Die Bürgerinitiative Demokratie wagen lädt zu einem Treffen ein, um das weitere Vorgehen und die Begleitung des folgenden Entscheidungsprozesses zu diskutieren. Termin ist Dienstag, 11.1.11 um 19:30 Uhr in der Weberei. Mehr dazu auf der Homepage der Initiative

Hier wird bereits auch die Liste der Verbesserungsvorschläge für eine zweite Runde Bürgerhaushalt vorliegen, die die Initiative erarbeitet hat. 

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Jahreswechsel unter dem Stern der Haushaltsberatungen 2011

Zuerst die schlechte Nachricht: Schon in den WDR-Radionachrichten um 7:00 Uhr wird der geneigte Bürger mit den leeren Kassen der Kommunen konfrontiert. Immer mehr Kommunen stehen vor der Verschuldungfalle, heißt es da. Gütersloh mit seinen knapp 13 Millionen Euro Schulden ist da kein Einzelfall. 

Die Frage ist nun schon oft gestellt und auch oft beantwortet worden: Sind die Kommunen selbst Schuld oder ist es ein Problem des Systems? Beides trifft wohl zu. Die Verwöhnstrategien der kommunalen Verantwortlichen haben die Bürgerschaft in den letzten Jahren Glauben lassen, man könne sich halt alles leisten: Theater, Bibliotheken, Krankenhäuser, Straßen, Parks, etc. Selbstverständlich kann jede Kommune alles bieten. Nur muss aber jedem klar sein - und das weiß jeder aus der Erfahrung im Umgang mit seinem eigenen Geldbeutel, dass Geld endlich ist. Und Schulden machen ist nur bedingt erlaubt und finanzierbar, privat wie öffentlich. 

Da geht der Bund nun einmal sehr vorbildlich voran: Vorausschauende Gewählte haben daher die Verschuldungsbremse in das Grundgesetz aufgenommen. In Artikel 109 GG (1) heißt es:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.

Ziel der Schuldenbremse ist es, die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern und die finanziellen Handlungsspielräume zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu sichern. Auf der Seite des Bundesministerium für Finanzen heißt es im Glossar dazu: Die Föderalismuskommission II hat sich für die folgenden Neuerungen bei der Schuldenbremse ausgesprochen:

  • Im Grundgesetz wird der Grundsatz eines ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalts festgeschrieben.
  • Beim Bund ist eine strukturelle Verschuldung nur noch in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulässig.
  • Konjunkturellen Effekten wird besser Rechnung getragen: Eine konjunkturbedingte Erhöhung der Kreditaufnahme in Abschwungphasen muss in Aufschwungphasen auch wieder ausgeglichen werden.
  • Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen sichert die notwendige Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung.
  • Drohende Haushaltsnotlagen sollen künftig schneller erahnt und so besser bekämpft werden. Dazu wird ein Stabilitätsrat geschaffen, der die Haushalte von Bund und den einzelnen Ländern überwacht und ein Sanierungsverfahren einleiten kann.
Die Neuregelung (Art. 109 und Art. 115 GG) gelten für Bund und Länder ab dem Jahr 2011. Im Rahmen einer Übergangsregelung (Art. 143d Abs. 1 GG) ist festgelegt, dass für den Bund noch bis einschließlich 2015 und für die Länder bis einschließlich 2019 Abweichungen möglich sind. Über Konsolidierungshilfen wird es den ärmeren Bundesländern Bremen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein möglich gemacht, die Vorgaben der Schuldenbegrenzung ab dem Jahr 2020 zu erfüllen.
Weiterhin soll zur Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern ein gemeinsamer Stabilitätsrat eingesetzt werden, der insbesondere der Vermeidung von Haushaltsnotlagen dienen soll (Art. 109a GG).

Das Verschuldungsverbot ist demnach grundgesetzlicher Ansporn, die Haushaltslage im Griff zu behalten. Angesichts der wirtschaftspolitischen Schieflage der europäischen Nachbarn wird sich hier allerdings schnell die Nagelprobe einstellen... das aber ist eine andere Sache.
Mein Aspekt ist allerdings noch ein zweiter: Auch der Bundeshaushalt ist in Teilen zwar öffentlich, aber nicht wirklich zugänglich. So ist das Projekt OffenerHaushalt entstanden, ein offenes und nicht-kommerzielles Projekt das jeder nutzen und an dem jeder mitarbeiten kann.  Das Ziel ist, den Bundeshaushalt möglichst transpranent zu gestalten, so dass Zahlen, Trends und Strategien zumindest ansatzweise öffentlich nachvollziehbar sind. Wie etwa unter dem Link "Offener Bundeshaushalt"
  
Während ein unabhängiger Anbieter den Haushalt bürgerfreundlich aufdröselt, zeigt sich nun auch das Bundesministerium für Finanzen transparenter und stellt dieser Tage den Bundeshaushalt für 2011 auf seine Homepage. Ein Anfang für Transparenz ist also gemacht. Die Daten der Vorjahre kann man als Vergleich auch mit hinzuziehen. Transparenz ist so einfach, wenn man sie denn will.

Und dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger an Transparenz - vor allem von Zahlen - interessiert sind, zeigt jeder aufmerksame Blick in die Zeitungen.
So zum Beispiel auch in der Nachbargemeinde Verl. Eigentlich eine Vorzeigekommune mit einer sehr soliden Haushaltslage - Verl steht als Musterschüler immer wieder im Rampenlicht. Nun hat auch diese Gemeinde mit seinen 25.181 Einwohnern via Antrag der SPD dazu aufgerufen, den Haushalt für 2011 mit den Bürgern gemeinsam zu diskutieren. Dazu sind zwei Termine benannt worden, der 7. und 8. Januar 2011, an denen die unterschiedlichen Schwerpunkte des Haushaltsplanes diskutiert werden können - zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft.  Hört, hört also - eine Kommune, der es gut geht, setzt frühzeitig auf Beteiligungsverfahren. Es geht also nicht zwingend darum, die schlechten Nachrichten über die Bürger selbst abzuwickeln, wie viele Kritiker meinen, wenn Städte in schlechten Zeiten mit der Beteiligung anfangen.

Die Zahlen zum Bürgerhaushalt in Gütersloh jedenfalls lassen hoffen, dass hier eine neue Form der Beteiligung zum Tragen gekommen ist, die Schule machen kann. Die Stadt hat sich auf den Lehrpfad der Beteiligung begeben  - und das Ergebnis kann sich sehen lassen:

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Nun ist hier die Politik am Zug. Sie wird im Laufe der Haushaltsberatungen über die Vorschläge nachdenken, die Vorschläge einbeziehen - und am Ende auch legitimieren müssen, warum sie wie handelt. Sollte das Verfahren auch in dieser Phase transparent und responsiv verlaufen, kann das ein Stück Vertrauen wiederherstellen, welches beim letzten Beteiligungsprozess (Bürgerentscheid zum Theater) gründlich verspielt worden ist.
Man darf gespannt sein, wie das Kompendium an Vorschlägen und Bürgeranregungen umgesetzt wird. - Auch wenn der erste FDP-Mann im Rat bereits geunkt hat, der Bürgerhaushalt habe die Möglichkeit geschaffen, sich unter unterschiedlichen Accounts mehrfach einzuloggen - dem Missbrauch des Systems seien keine Grenzen gesetzt. Ja, mag sein, dass das so ist. Ein Fehler im System, den auch wir als Bürgerinitiative diskutiert haben, der seine Berechtigung hat. Andererseits wirft diese Ablehnungsbegründung auch die Frage auf, welches Bürgerbild denn die Partei/ die Parteien offensichtlich mit sich herumtragen. Für einen liberalen Kommunalpolitiker ein wahrlich merkwürdiges Zeugnis seiner Denkweise über Bürger. 

Dass Demokratie nur von den Anhängern der repräsentativen Denkrichtung verinnerlicht wird, ist ein Irrtum. Demokratie hat viele Gesichter. Und Demokratie ist noch immer ein Ort, an dem über Alternativen gestritten werden muss - die sich nun durch das Engagement erst wieder auftun. Denn je weniger änderungsoffen andere demokratische Verfahren sind, desto wichtiger werden Volksabstimmungen oder neue Foren der Befragung und Abstimmung. Und für Haushalte (und damit Kohle für das Gemeinwohl) gilt das allemal. Es ist unser Geld. Fragen wir also, was WIR alle damit anfangen wollen. Dann werden die Nachrichten im WDR vielleicht in Zukunft anders aussehen - zumindest aber mit noch mehr Interesse und Handlungsbereitschaft verfolgt werden.


Mittwoch, 22. Dezember 2010

Bürgerbeteiligung en vogue - Bildungsgipfel kommt!

Na bravo. Geht doch. Gestern tagte der Schulausschuss. Die Vorlagen finden sich dazu im Ratsinformationssystem der Stadt, siehe obiger Link.

Mein persönliches Highlight: Bürgerbeteiligung bei der Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes

Der von der SPD-Fraktion eingebrachte Antrag für die Durchführung eines Gütersloher Bildungsgipfels ist Realität geworden: Einstimmig haben alle Fraktionen den Antrag angenommen. Man höre und staune. Bürgerbeteiligung bei einer der wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts ist ausdrücklich gewünscht. Die Fraktionen waren sich sogar nicht zu schade, auf die bisher guten Erfahrungen mit dem laufenden Bürgerhaushalt zu verweisen. Ein enormer Lernprozess für die Stadt. 
Geeinigt haben sich nun alle: Bei dem Bildungsgipfel sollen die Ziele einer modernen Schulpolitik für Gütersloh von allen Seiten diskutiert und eingebracht werden. Hierzu sollen u.a. Eltern-, Lehrer- und Schülerverbände, aber auch Vertreter von Trägern im Bereich der Offenen Ganztagsschule, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen werden.  - So der Antrag.

Differenziert wurde der Punkt 2 des Antrages betrachtet: Im weiteren Verfahren sollen einzelne Bestandteile des Schulentwicklungsplanes in verschiedenen Veranstaltungen mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Hier folgte die Einschränkung durch die Hinzufügung eines kleinen "ggf." also gegebenenfalls. 
Schuldezernent Martensmeier begrüßte das Ergebnis und verwies auf seine "Freude" , dass es ein solches Experiment geben werde. Die Rolle der Verwaltung werde die der Gestaltung sein. Eine Einschränkung machte aber auch er, denn Gütersloh sei sehr eng an Rahmenbedingungen gebunden, die sich aus der NRW-Schulgesetzgebung ergeben. Dieser Rahmen müsse deutlich sein und selbstverständlich eingehalten werden. Wünsch Dir was, wird es daher nicht geben. 
Die Verwaltung macht daher nun einen ersten Aufschlag. Im zweiten Schritt ist eine Art "Gallery Walk" vorgesehen, im dritten Schritt folgt eine Veranstaltung mit den Ergebnissen. Zeitpunkt: Mai/Anfang Juni 2011. Ein Anfang ist gemacht. 

Auch hier tritt ein Politikfeld aus dem Schatten des Ratssaales. En Beweggrund für die Entscheidung mag der sein: Vielleicht sind die Bilder der vielen tausend protestierenden Schülern vor dem Rathaus bei Fragen der Schließung der Schulbibliotheken noch präsent. Plakate kann man schnell mal wieder schreiben.... die Trillerpfeifen liegen sich auch noch im Schrank. Und Hamburg ist auch nicht ganz so weit weg. Da ist proaktive Beteiligung der bessere, weil modernere Weg.

Wichtige weitere Punkte:
Die Anmeldezahlen der Grundschulen liegen vor. Leider reichte die Zahlenvorlage (wiedermal) nicht bis auf die Zuschauertribüne. Aber Mitschreiben war ja möglich. Daher so viel:
Die Blücherschule verzeichnet 64 Anmeldungen. Die Kapellenschule 64, die Neißeschule 65. Alle drei bei Zweizügigkeit. Was das bedeutet ist klar: die Klassen sind viel zu groß. Es gibt Handlungsbedarf für die Gegensteuerung. Erstes Mittel ist die "Umleitung" - wenn das die Eltern der angemeldeten Kinder das denn mitmachen. So könnten Kinder von Blücher zur Altstadtschule ausweichen. Oder Kapellenkinder in Richtung Nordhorn, Avenwedde oder Edith-Stein "verschoben" werden. Die Neißeschule könnte in Richtung Blankenhagen umverteilen. Das Schulverwaltungsamt jedoch erklärt, dass erst bei endgültiger Zahlenlage Entscheidungen getroffen werden. Vertagt also auf Februar. 

Interessanterweise fragte die CDU-Fraktion nach den Bewegungsströmen zwischen dem Wohnumfeld der Kinder und den Anmeldungen, die teilweise in ganz anderen Stadtteilen vorgenommen werden. Die Aufhebung der Schulbezirke aber war genau von der CDU-Landtagsfraktion in NRW bei Amtsantritt 2005 gefordert und später realisiert worden. Der Wettbewerb zwischen den Schulen sollte so entstehen, die Eltern mit den Füßen abstimmen, was eine gute Schule sei und welche nicht. Nun zeigt sich aber in der Realität sehr brutal, dass diese gedachte Systematik wenig hilfreich war. Die konservative Fraktion im Rat deutete nunmehr an, diese als Steuerungsinstrument nun wieder einführen zu wollen.  - Das steht der Landtagsfraktion der CDU in Düsseldorf konträr gegenüber, die ungebingt daran festhalten will. Wir werden sehen, wie sich das in Gütersloh entwickelt.

Zum Schluss noch aufgepasst:
Das Thema "Schulschließung" ist nicht vom Tisch. Im GPA (Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen) schlummert Zahlenmaterial mit Brisanz. Eine Empfehlung lautet: "Wir empfehlen der Stadt Gütersloh, unter Einbeziehung der zu erwartenden Rückgänge der Schülerzahlen ein Konzept über die Entwicklung und zukünftige Gestaltung der Grundschullandschaft zu erstellen. Ziel der Stadt sollte es sein, kurz-bis mittelfristig einen Grundschulstandort aufzugeben und langfristig die Aufgabe von zwei weiteren Grundschulstandorten anzustreben. Bei der Entscheidung zur Schließung von Schulstandorten sollten insbesondere die zuvor beschriebenen Faktoren Berücksichtigung finden." (GPA, S. 26)

Nun folgte des Dezernenten Hinweis, dass es einfacher sei, interkommunal Standorte zu vergleichen als vorausschauende Schulpolitik direkt vor Ort zu gestalten. Bekannt ist allerdings, dass Zahlenmaterial oftmals schon Handlungsdruck erzeugt hat, der später irreversibel war!

Bleibt zu hoffen, dass die nun eingeläutete Phase der Bürgerbeteiligung einem offenen Prozess geschuldet ist - und nicht dafür herhalten muss, böse Überraschungen am Ende weit weg von jeder politischen Verantwortlichkeit dann doch besser durch den Bürger selbst legitimieren zu lassen. Konzepte und Alternativen kann man auch mit leeren Kassen entwickeln - dann nämlich kommt man erst ans Denken!