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Sonntag, 3. Mai 2015

Gemeinwohl kann nicht Gentrifizierung sein

Was ist das, unsensibel oder gängige Praxis weil niemand Einspruch erhebt oder Fragen stellt?

// Werbung im Stadtmagazin

Ich blättere dieser Tage durch ein neu konzipiertes Stadtmagazin für Gütersloh. Eine weitere Hochglanzbroschüre, schön gemacht - und doch auch werbegetragen. Das muss man im Kopf behalten. 





Dabei fällt ein Gastbeitrag über heimische Architektur ins Auge. Verfasser ist der amtierende Stadtplaner der Stadt Gütersloh. Er schreibe nun in einer sechsteiligen Serie über gelungene Gütersloher Baukultur. Die Serie heißt "Gütersloh - Bauen mit Qualität".

In seinem Text wird zwar kein einziger Name eines Architekten genannt. In der Anmoderation der Serie aber sehr wohl. Zudem wird der Gasttext mit Häusern dieser bekannten Architekten der Stadt bebildert. Zufall? Eine bessere Werbung als eine offensichtliche Empfehlung des Stadtplaners höchstselbst kann man sich kaum vorstellen.

// Gebäude als Spiegel des Wohlstandes

Der Gast schreibt zunächst "im allgemeinen" über Wohnhäuser an sich und dass diese nie nur Orte des Wohnens waren, sondern immer auch dazu dienten, den Wohlstand gegenüber der städtischen Gesellschaft zu dokumentieren. Auch in Gütersloh sei es so: viele Bauherren seien sich der Verantwortung bewusst, dass sie nicht nur für sich bauten, sondern auch für die Allgemeinheit. Und dann folgen Sätze wie "Die gute Zusammenarbeit von engagierten Bauherren und fähigen Architekten führt zu Ergebnissen, die auf eine ganze Stadt, auf ein ganzes Quartier ausstrahlen." Schließlich steht da noch: "Die Stadt hat sich selbstbewusst und entschlossen zu einem attraktiven Gemeinwesen entwickelt - ihre Wohnhäuser sind ein Teil davon".

// Stadtentwicklung ist Gentrifizierung 

Interessant ist dieser Beitrag, der so harmlos daherkommt, vor dem Hintergrund der aktuellen Stadtentwicklung. Die ist offensichtlich auf dem direkten Weg der Gentrifizierung. In den letzten Jahren ist von wenigen bekannten Architekten eine enorme Fläche bebaut worden: Wohn- und Geschäftsbauten, hochpreisig, altengerecht und mit der Sogkraft, die einkommensstarke Bevölkerungsschicht anzuziehen, die jetzt in die Altersphase kommt, die gerade ihre Einfamilienhäuser am Stadtrand verkauft hat und die den Altersruhestand in der Innenstadt genießen will, in der Hoffnung hier einen direkten Zugang zu kultureller und eventorientierter Lebhaftigkeit einer Stadt auch im Alter direkt vor der Tür zu haben.

Das bedeutet die Verdrängung von Menschen mit niedrigem Einkommen aus der Innenstadt in die Ortsränder. Viele können sich die teuren neuen Wohnungen nicht leisten. Eine Mischung der Lebensverhältnisse, eine Mischung der Einkommensklassen ist nicht mehr gegeben. Eine Entwicklung, die man eigentlich nur in den angesagten Großstädten vermutet. Aber sie findet auch hier statt.

// kein Beitrag zum Gemeinwesen 

In diesem Zusammenhang von einem starken Gemeinwesen zu schreiben, ist zynisch. Wovon sprechen wir, wenn wir im kommunalpolitischen Raum über Gemeinwesen sprechen? Im politischen Verständnis ist der Staat zentraler Akteur, der dafür Sorge trägt, dass eine Entwicklung allen in einer Stadt zu Gute kommt. 

In der Entstehung dieser hochpreisigen Bebauung durch einige Wenige ist das gerade nicht der Fall. Hier können die Vielen lediglich zuschauen und über die neue Bebauung staunen. Einziehen können sie nicht. Leben können sie nicht mehr in der Innenstadt.
  
Nachdenklich werde ich, wenn diese "fähigen Architekten" dann auch noch öffentlich damit werben, sie würden für das Gemeinwohl bauen. Diese Äußerung wurde gerade eben noch im Rahmen eines geplanten InnenstadtQuartieres getätigt. Ihre privatwirtschaftlichen Interessen fallen dabei einfach unter den Tisch, während sie eine innerstädtische Baustelle nach der anderen für sich verbuchen können und das Schema der Gentrifizierung ungebremst durchziehen.

// Was steht im Mittelpunkt?

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Jeder kann uns soll gerne sein Geld verdienen. Aufhorchen muss man jedoch, wenn hier das Gemeinwohl bemüht wird, obwohl private wirtschaftliche Interessen die wahre Triebfeder für das Handeln sind.

Eine solche Entwicklung differenziert zu begleiten - das wäre die Aufgabe für einen städtischen Planer. Damit stände er im Dienste des Gemeinwohls für das er auch angestellt ist. 

Bei solchen versteckten werblichen Lobhudeleien allerdings wünsche ich mir strikte Zurückhaltung. Insbesondere, wenn noch viele Bauvorhaben in der Stadt in den Schubladen einiger Architekten schlummern. 






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