Was in der großen Welt möglich ist, geht auch in einer Stadt von rund 100.000 Einwohnern: Pressefotos sind so montiert, dass sie die Wahrheit nicht wiedergeben, sondern eine andere Situation darstellen als die Realität sie hervorgebracht hat.
Das ist der ARD in Paris mit dem Schweigemarsch zu Charlie Hebdo passiert, wo die Bilder derart zusammengeschnitten wurden, dass es so aussah, als ständen die Regierungschef an der Spitze der Trauer- und Schweigemarsch-Bewegung, obwohl sie allein in einer geschützten Seitenstraße marschierten.
Und in Gütersloh lässt sich ein Sparkassendirektor nachträglich in ein Bild montieren, das eine Spendenübergabe zeigt, an der er aber aus Zeitgründen nicht hat teilnehmen können. Die NW hat diesen Umstand jetzt öffentlich gemacht, weil auch sie nicht über die Fotomontage informiert war. Auf der Homepage der Sparkasse ist der Bericht kurz nach Veröffentlichung in der NW gelöscht worden.
Diese Realitätskosmetik nicht nur bedenklich, sondern muss Protest und eine breite Diskussion nach sie ziehen.
Was erleben wir da?
1.
Beide Vorfälle ereignen sich im "öffentlichen Raum": ein öffentlich-rechtlicher Sender schnippelt an der Wirklichkeit herum und der erste Chefredakteur Dr. Kai Gniffke regt sich darüber auf, dass man ihm diese Manipulation dann auch noch öffentlich vorwirft. Für mich ein Zeichen dafür, dass Macher in ihrer kleinen Welt einfach hemdsärmelig machen. Gleiches bei der Sparkasse, die ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut ist und einer kommunalen Kontrolle unterliegt. Nach der letzten schweren Finanzkrise 2008 in Deutschland haben gerade diese öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute enorm vom Vertrauensbruch der Banken profitiert. Mit solch einer Aktion wie dem Fake von Fotos verspielt man diesen Vertrauensvorschuss, ein erheblicher Nebeneffekt. Beide Institutionen leben vom Vertrauen. Wenn das schwindet, ist die Geschäftsgrundlage entzogen.
2.
Eine elitäre Klasse nimmt an der Lebensrealität der Menschen, der Vielen, offensichtlich gar nicht mehr teil. Sie lässt sich aber durch die Möglichkeiten der neuen Medien in diese Lebenswirklichkeit der Normalos einfach hineinkopieren. Das ist PR-mäßiges Storytelling und vermittelt "ich bin einer von euch". Was aber längst nicht mehr stimmt. Wenn das Schule macht, ist nichts mehr wahr.
Sagen, wie es ist
Es wäre völlig in Ordnung, wenn man erklärt hätte: die Regierungschefs der Welt konnte man nicht ungeschützt durch die Straßen von Paris ziehen lassen. Daher zeigen die öffentlichen Bilder einen Zusammenschnitt. Jeder Zuschauer hätte das verstanden und für gut geheißen. Auch, dass ein Sparkassendirektor nicht immer Zeit findet, hätte jeder nachvollziehen können. Das ist erklärbar und das Publikum freut sich, wenn der Mann seinen Job so ernst nimmt.
Nach außen hin soll aber das Bild des ubiquitären Kümmerers gezeigt werden. Was, wenn die Hemmschwelle "merkt doch keiner" sich ausweitetet, auf andere Bereiche übertragen wird?
Nicht so stehen lassen
Wir müssen reden! Zudem sind es gerade auch diese Entscheider und Einflussnehmer, die gerne das Internet und seinen demokratischen Einfluss verteufeln und das Netz an die Kette legen wollen. Ich bin froh, dass es das Internet gibt und einmal um die Welt die Möglichkeiten gibt, zu zeigen, was Fake ist. Ja, es gibt auch andere Beispiele, durchaus. Doch das Netz hilft Demokratie zu vitalisieren, diese Chancen werden ja offensichtlich genutzt.
Die Herausforderung besteht: treten wir ein in einen Diskurs, der Fake und Realtitäsverschiebung öffentlich beleuchtet. Bevor sich Spinner und Rechte in Dresden und anderswo diese Diskussion zu eigen machen und in ihrem undemokratischen Sinne auslegen. Dann ist Schluss mit Meinungsfreiheit und Wahrheit im Sinne von Demokratie.
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