Wie wird die Kommunalpolitik entscheiden?
Die Anträge
Im Antrag zeichnen die Gütersloher Schulen unisono ein Bild, das mittlerweile allen bekannt sein dürfte: Dass gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten, Kinder mit Migrationsgeschichte und sozial benachteiligten Kinder deutliche Nachteile im Schulalltag erfahren. Es pfeiffen alle von den Dächern: die Weichen für spätere Bildungschancen werden heute schon im Kindergarten und in der Grundschule gestellt. Wer hier spart, zahlt am Ende doppelt. In fast jeder veröffentlichten Studie ist zudem belegt, dass Bildungserfolge in Deutschland so deutlich von der sozialen Herkunft abhängen wie in fast keinem anderen Land.
Die drei antragstellenden Schulen unterrichten einen Großteil dieser Kinder und meistern diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit wenigen Mitteln und oftmals nicht ausreichenden Fördermöglichkeiten. Durch die Schulsozialarbeit gelingt diese Aufgabe deutlich besser, die Schulen haben damit u.a. auch einen verlässlichen Ansprechpartner sowie die Möglichkeit der Vernetzung mit Behörden, Beratungsstellen etc.
Fallen die Fördermittel weg, fällt die gute Arbeit künftig flach. Ein Hohn, wenn es da in der Vorlage anfangs heißt: "Die Stadt Gütersloh schätzt den Bedarf für Schulsozialarbeit an Grundschulen insgesamt hoch und deren Durchführung als wirkungsvoll ein." Nach einer solchen Feststellung darf es keinen Vorschlag auf Einstellung der Förderung geben!
In GT angekommen
Aber damit wäre die bundesweite Diskussion auch auf Gütersloher Ebene angekommen: Der Bund hatte im Rahmen der Ermittlung von Regelbedarfen den Ländern mit dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) rund 400 Millionen Euro jährlich für die Zeit von 2011 bis 2013 bereit gestellt. Nicht, weil er das selbst so beschlossen hatte, sondern, weil das Bundesverfassungsgericht den Auftrag zur Nachbesserung erteilt hatte. Das BuT sollte also rund 2,5 Millionen bedürftigen Kindern und Jugendlichen aus Geringverdienerfamilien Zukunftschancen ermöglichen. Ende 2013 laufen die Gelder aus. Bereits seit Mitte des Jahres 2013 tobt ein Kampf über die Weiterfinanzierung zwischen dem Bund und den Ländern. Insbesondere in NRW, wo bekanntlich rot-grün regiert.
Bezüglich der Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit hatten einige Länder (auch NRW) einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht: die Bundesregierung wurde auffordert, über den 31.12.2013 hinaus Mittel für die SGB II-finanzierte Schulsozialarbeit bereitzustellen. Der Bundesrat hatte am 3. Mai den Gesetzentwurf beschlossen, die Finanzierung fortzuführen. Dieser Entwurf wurde von der Bundesregierung nach einer ersten Beratung im Juni 2013 im Bundestag abgelehnt und in die Ausschüsse verwiesen. Nun ist der 17. Dt. Bundestag mittlerweile nicht mehr im Amt. Eine Entscheidung durch den 18. Dt. Bundestag steht also noch aus.
Die Bundes-CDU hatte zudem ein beleidigtes Positionspapier aufgesetzt, der Bund müsse nicht weiter zahlen, das sei nun Ländersache (Verweis auf Grundgesetz, Trennung der Zuständigkeiten) und auch Sache der Kommunen, die aufgrund der besseren Finanzlage durchaus in der Lage seien, diese Kosten selbst zu tragen."Mit Auslauf der Anschubfinanzierung verfügen Länder und Kommunen also sehr wohl über die notwendigen Mittel, um Schulsozialarbeit (...) auf sichere Füße zu stellen." Damit wird die CDU-Bundespolitik im Zank mit den "rot-grün-bunten" Ländern auf den Schultern der Kinder ausgetragen.
Müsste sie aber nicht. Es wäre ein Einfaches für die entscheidenden Kommunalpolitiker in Gütersloh, hier Klarheit zu schaffen und Prioritäten zu setzen. Die Schulsozialarbeit muss fortgeführt werden - Bildungschancen für benachteiligte Kinder müssen der Stadt Gütersloh etwas wert sein.
Warum?
# Grund 1 - Wahlprogramm der CDU
Die CDU müsste der Weiterfinanzierung durch die Stadt zustimmen. Denn die größte Fraktion im Rat hat dies in ihrem Wahlprogramm zur Kommunalwahl so stehen. Hier findet sich im Wahlprogramm von 2009 unter dem Aspekt "Schulen sichern und ausbauen ist kommunale Kernaufgabe", der Punkt: "die Sicherung der besonderen Angebote für behinderte und benachteiligte Schülerinnen und Schüler".
Weiter heißt es im CDU-Wahlprogramm "der Familienbericht ist unsere konkrete Handlungsempfehlung". In diesem Familienbericht ist in Kapitel 9 deutlich zu lesen: "Der Bildungsverlauf und –erfolg wird wesentlich durch die
Familiensituation mitbestimmt. Faktoren sind die soziale Herkunft und
die Staatsangehörigkeit. Außerdem spielt der Übergang von der
Grundschule auf eine weiterführende Schule eine entscheidende Rolle. So
werden die Bildungs- und späteren Lebenschancen maßgeblich beeinflusst.
Bei dem Schulwechsel zu einer weiterführenden Schule lässt sich der Trend erkennen, dass nichtdeutsche Schüler/innen häufiger auf die Hauptschule (18 Prozent) oder die Gesamtschule (45 Prozent) wechseln als deutsche Schüler/innen (Hauptschule: sieben Prozent, Gesamtschule: 20 Prozent). Der Wechsel auf ein Gymnasium erfolgt bei deutschen Schülern/Schülerinnen viermal öfter (40 Prozent) als bei nichtdeutschen Schülern/Schülerinnen (zehn Prozent). Dies zeigt eine deutliche Schlechterstellung der nichtdeutschen Schüler/innen beim Übergang zu Schulen mit höheren Bildungsabschlüssen. 61 Prozent der deutschen Jugendlichen wechseln auf eine Schule mit höheren Bildungsabschlüssen, aber nur 55 Prozent der nichtdeutschen Jugendlichen.
Die CDU könnte also dafür eintreten und werben, dass die Fortführung beschlossen wird. Die SPD arbeitet zumindest mit der Maßgabe, kein Kind zurückzulassen, da wäre eine Mehrheit schon erreicht.
Bei dem Schulwechsel zu einer weiterführenden Schule lässt sich der Trend erkennen, dass nichtdeutsche Schüler/innen häufiger auf die Hauptschule (18 Prozent) oder die Gesamtschule (45 Prozent) wechseln als deutsche Schüler/innen (Hauptschule: sieben Prozent, Gesamtschule: 20 Prozent). Der Wechsel auf ein Gymnasium erfolgt bei deutschen Schülern/Schülerinnen viermal öfter (40 Prozent) als bei nichtdeutschen Schülern/Schülerinnen (zehn Prozent). Dies zeigt eine deutliche Schlechterstellung der nichtdeutschen Schüler/innen beim Übergang zu Schulen mit höheren Bildungsabschlüssen. 61 Prozent der deutschen Jugendlichen wechseln auf eine Schule mit höheren Bildungsabschlüssen, aber nur 55 Prozent der nichtdeutschen Jugendlichen.
Die CDU könnte also dafür eintreten und werben, dass die Fortführung beschlossen wird. Die SPD arbeitet zumindest mit der Maßgabe, kein Kind zurückzulassen, da wäre eine Mehrheit schon erreicht.
Gund 2 - Fördergelder laufen aus, Nachhaltigkeit ist gefragt
Dass die BuT-Gelder bis 2013 laufen, war bereits bei Einbringung klar formuliert. Wer Fördergelder einplant, muss wissen, ob und wie die Arbeit nach Ablauf der Zahlungen weitergetragen werden kann. Wer damals schon wusste, wie wertvoll die Schulsozialarbeit ist, musste sich bereits bei Beginn der Projekte Gedanken über deren Fortführung über den Stichtag hinaus machen. Das wäre die Aufgabe der Verwaltung gewesen, das wäre die Fürsorgepflicht der Politik gewesen. Dass sich die Problemlage nach 2013 verbessern würde, konnte nicht erwartet werden. Hierfür wäre ein Gütersloher Bildungsbericht die richtige Antwort gewesen. Oder ein Gütersloher Schulentwicklungsplan - den es immer noch nicht gibt. Politik und Verwaltung drücken sich vor ihren Kernaufgaben. Das darf den nächsten Generationen gegenüber als unverantwortlich bezeichnet werden. Übrigens parteiübergreifend. Es wäre also ein Zeichen des guten Willens, die Kosten jetzt als Stadt zu übernehmen.
Grund 3 - Alternativlos?
Wer sich um die Zukunft der Stadt Gedanken macht, muss irgendwann einmal einen Prioritätenliste aufstellen: was ist mir wichtig und was kann man aufschieben? Wenn der Gütersloher Kommunalpolitik und auch der Verwaltung eher innerstädtische Großprojekte am Herzen liegen als die Zukunftssicherung der Bildung, ist das legitim. Man muss es dann aber auch so deutlich formulieren. Die Stadt könnte mit einer Fortführung diese Alternativlosigkeit beenden. Oder eine Alternativfinanzierung vorschlagen. Oder ist so gedacht, dass die zahlreichen Stiftungen in der Stadt, die allesamt auch den Schwerpunkt "Bildung" verfolgen, hier einspringen sollen? Auch das müsste dann benannt werden, dass es politischer Wille ist, immer mehr Aufgaben in den dritten Sektor zu verschieben.
Grund 4 - Integration
Die antragstellenden Schulen verweisen insbesondere auf ihre Schülerschaft mit Migrationsgeschichte. Sie leisten mit ihrer (Schulsozial)Arbeit einen deutlichen Beitrag zur Integration. Fallen die Möglichkeiten zur Frühförderung auch in sprachlicher Hinsicht weg, kann das einen Einbruch in den Integrationsbemühungen bedeuten. Streichen die Kommunalpolitiker diese Mittel, ist das auch ein deutliches Votum gegen Integration. Ein solches Zeichen will sicher keiner der Gewählten setzen.
Grund 5 - Schulsozialarbeit der Zukunft
Die Gütersloher haben es versäumt, das Thema Schulsozialarbeit proaktiv aufzugreifen und diesen Ansatz positiv weiterzuentwickeln und zu einem Grundsatz in der städtischen Bildungspolitik zu gestalten. So könnte man nun noch die Gelegenheit ergreifen und Schulsozialpolitik als Angebotsprofil mit Mindeststandards zu verankern, sie als wichtiges Scharnier zwischen Schule und Gesellschaft zu begreifen - welche Bildungsbiografien gelingen lässt, eine strukturelle Absicherung der Kooperation
zwischen Schule und Jugendhilfe schafft, Schulsozialarbeit in einer regionale Bildungslandschaft integriert.
Und schließlich könnte man in Zukunft auch gerne über den heimischen Bundestagsabgeordneten oder die Landtagsabgeordneten darauf hinwirken, dass sich eine tragfähige Mischfinanzierung zwischen Bund, Land und Kommunen ergibt. Ungeachtet der bisherigen Trennung, denn alle drei Ebenen tragen Verantwortung. Für Kinder.
Gute Gründe, am Dienstag im Bildungsausschuss für eine Fortführung zu votieren.
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