Der Planungsamtsleiter der Stadt Gütersloh, Dr. Michael Zirbel, hat Wort gehalten. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung und der bürgerschaftlichen Stellungnahme zur Konversion wurde vor allem eine Besichtigung des Militärflughafens und der Princess Royal Barracks gefordert.
Heute war es soweit. Die Einladung der Stadt Gütersloh zur Bustour über das Gelände erfolgte per mail, ein übersichtlicher Verteiler, hauptsächlich an die, die in den Workshops mitgearbeitet hatten. Anmeldung war erforderlich. Mit dem Hinweis, die britischen Streitkäfte würden auch eine Passkontrolle durchführen. Fotografieren sei strengstens verboten. Filmen gleichfalls.
Drei Bustouren fanden statt. Die erste Rund begann um 9:30 Uhr am Marktplatz.
Auf der Fahrt zum Flughafengelände führte Zirbel mit ein paar Zahlen ins Thema ein: 120 Millionen Euro Kaufkraftverlust werden prognostiziert, wenn die britischen Streitkräfte und ihre Familien aus Gütersloh wegziehen. 25.000 Personen werden Gütersloh verlassen, allein in Gütersloh werden rund 1.000 Wohneinheiten frei. 4.500 Wohneinheiten betrifft es in ganz OWL (Ostwestfalen-Lippe). Die Fläche, über die wir allein an diesem Standort Flughafen sprechen, ist 380 ha groß. Das innerstädtische Bartelsgelände, welches gerade überplant wurde, misst ca. 3 ha. Und allein da habe schon viel Veränderung stattgefunden, so Zirbel.
Er verweist auf das vorliegende Grobkonzept zur Nachnutzung von NRW-Urban, erinnert an ein Motto der möglichen Folgenutzung "grün bleibt grün". Wir werden gleich sehen, wie wichtig das ist, denn die Flächen, über die wir fahren werden, sind oberirdisch enorm begrünt.
Dann biegen wir von der Marienfelder Straße ein in den Eingangsbereich der Kaserne.
Die Besichtigung wird eine Rundfahrt einmal um das gesamte Flughafen-Gelände beinhalten.
Am Eingangstor empfangen uns zunächst die Wachposten, bewaffnet. Ab jetzt ist das Fotografieren nicht mehr erlaubt. Alle halten sich dran. Unter anderem auch, deshalb, weil wir hier Gäste sind. Verbindungsoffizier "Mr. Crayton" empfängt uns nämlich freundlich mit den Worten "liebe Gäste" und erinnert deutlich daran, dass es sich um militärisches Gelände handelt. Die Kaserne sei weder Zoo noch Museum. In den Princess Royal Barracks leben rund 800 Soldaten, "die es nicht gerne sehen, wenn sie und ihre Einrichtung fotografiert werden". (Mit einem Lächeln nehme ich das zur Kenntnis und denke an #Tempora, #NSA und #PRISM.) Begleitet wird der Verbindungsoffizier (übrigens in zivil) von seiner Mitarbeiterin und ihrem Sohn Joe. Familiärer Touch oder dezente Kontrollverstärkung?
Ein Offizier (?) mit den Insignien "Germany Guard Service" auf der Schulter steigt ebenfalls in den Bus. Er kontrolliert unsere Pässe. Sehr genau. Und gleicht die Insassen mit seiner Namensliste ab. Sehr freundlich. Aber bestimmt. Spätestens jetzt ist es mit dem Fotografieren vorbei.
Dann wird es für einen Momente historisch und königlich, der Verbindungsoffizier erklärt, dass Prinzessin Anne der britischen Königfamilie Ehrenoberst der Logistiker in Gütersloh ist. Bis 1994 war die Kaserne im Besitz der britischen Luftwaffe. Ohne die Stimme zu verändert, erklärt er, zwischen 1933 und 1945 sei hier eine andere Luftwaffe stationiert gewesen. Das Headquarter heißt heute immer noch von-Richthofen, der Schriftzug ist lesbar. 800 Soldaten und Soldatinnen leben hier. Wir fahren durch die Wohnquartiere. Übrigens entgegen aller Erwartung im Rechtsverkehr. Die Blocks auf der rechten Seite der Fahrtrichtung werden wohl immer noch "Hitler-Blocks" genannt. Auf der linken Seite finden sich Neubauten, eingeweiht 2004 von der Prinzessin. Bezahlt und investiert wurde alles aus "Heimatmitteln", dafür habe der britische Steuerzahler in die Tasche greifen müssen. Nur wenn eine Folgenutzung durch die Deutschen absehbar wird, werden diese Investitionen durch die Deutschen bezahlt werden müssen - wenn keine Nachnutzung erfolgt, wird auch nichts gezahlt.
Es gibt einen Zahnarzt und eine Poliklinik, für größere "Sachen" habe man einen Vertrag mit dem Krankenhaus in Bielefeld Bethel.
Wir fahren an einem Recyclinghof vorbei, man müsse an die Umwelt denken, "das machen wir auch!", sagt der Offizier.
Die Werkstatt für Hubschrauber ist ein riesiger Hangar. Ende des Jahres wird dieser Teil geschlossen. Im Oktober fliegen die letzten stationierten Hubschrauber zurück nach England.
Es reihen sich Bunker aus dem 2. Weltkrieg und Bunker aus dem "Kalten Krieg" aneinander. Ein Kaleidoskop der Beherbergung von Vernichtungspotenzial.
Ein Klärwerk - nicht mehr in Betrieb. Es finden Sicherheitstrainings der Verkehrswacht und der Polizei auf dem Gelände statt. Dann kommt die 3 Kilometer lange Startbahn in Sicht. Sie wird seit 10 Jahren nicht mehr benutzt. Man kann ein paar Stängel grün erkennen, die sich durch die Piste gewachsen haben. Die "Befeuerung" der Lichtanlage ist mobil. Man kann die gesamte Beleuchtung also komplett mitnehmen. Und anderswo zum Einsatz bringen, etwa im Irak, in Afghanistan. "Für den Fall der Fälle", so der O-Ton.
Bisher zeigte sich das Areal hoch gesichert durch Zäune und Stacheldraht. Im südlichen Teil findet sich nur noch ein harmlos aussehender Lattenzaun zur Abgrenzung. Und ein Flüsschen, die Ems. Gerade noch haben wir einen hochgesicherten Hangar passiert, mit Videoüberwachung und allem drum herum.
Wir passieren einen Golfplatz. Freundliche Golfer mit Caddy und echtem Golferoutfit winken uns zu. Der Golfclub hat auch ein eigenes Vereinsheim.
Neben den unzähligen Bunkern, die mit sattem Grün überwuchert sind, finden sich ein Platz für Tontaubenschießen (clay pigeon shooting area), eine Übungsstrecke für Motocross, ein Hundeplatz, ein Übungsgelände für die Feuerwehr. Und ein Denkmal für 17 russische Zwangsarbeiter, die im 2. Weltkrieg für die Deutschen zu großer Zahl arbeiten mussten und von denen 17 Verstorbene hier offenbar beigesetzt sind.
Wir passieren nochmal die Landepiste und denken an die zahllosen Harrier, die hier vor zehn Jahren noch gestartet sind. Die Logistiker der britischen Streitkräfte bereiten sich für einen weiteren Einsatz vor. In Afghanistan. Dieser wird 9 Monate dauern. Der noch in Aktion befindliche Tower regelt nach wie vor den Luftverkehr für die Hubschrauber.
Die Rundtour endet nach rund 20 Minuten vor einer Schranke: stop here - book out.
Noch Fragen? fragt der Verbindungsoffizier? Nur die nach dem Casino. Das gibt es auch, ebenso wie ein Kino, eine Bar, viele Pommesbuden. Es ist wie ein kleines Dorf.
Dass Fragen erlaubt waren, war nicht bekannt.
Wir verlassen das militärische Gelände. Auf der Rückfahrt zum Marktplatz erläutert Zirbel den weiteren Werdegang. Das vorliegende Konzept von NRW-Urban werde nun verfeinert. Es lägen bereits Einzelergebnisse vor: Bericht zur Ornithologie, zu Altlasten, Umweltfragen. Im Fokus sei auch die Frage, wie die Wohneinheiten zu nutzen seien, wie etwa energetisch sanierbar. Überlegt werde auch, wie die Nachbarkommunen eingebunden werden sollen. Wie die interkommunale Zusammenarbeit aussehen könne. Wie auch die Bürgerbeteiligung weitergehen werde. Diese werden in Anlehnung an den weiteren Prozess geschehen.
Am Marktplatz wartet die nächste Staffel Interessierter.
Jetzt beginnt der Prozess der weiteren Informationsbeschaffung für die Interessierten, der Prozess der Beteiligung kann nicht beendet sein.
Der Fachbereich Stadtplanung hat dem Lageplan einige Links beigefügt:
Flughafen Gütersloh
Spotting Group Gütersloh
BFGnet - Supporting the British Forces Germany Community
Bundesministerium der Verteidigung
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
NRW.Urban
Konversion in Osnabrück
Konversion in Münster
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