Es hieß in der Ankündigung zur Veranstaltung zwar "Erneut Bürgerbeteiligung" - aber es war doch eher die Präsentation des Masterplanes des beauftragten Planungsbüros "Cityförster". Der Beteiligungscharakter lag deutlicher im vorausgehenden Urban Café am 6.12.2012, wo der Aktivpart der Bürgerschaft rein methodisch erkennbarer war als gestern Abend. Gestern ging es ums Zuhören und maximal Fragen stellen.
Die jungen Planer aber haben sich alle Mühe gegeben, das Konzept zu vermitteln. Interessant überhaupt, dass ein solch kreativ und ambitioniertes Unternehmen mit erkennbarer Haltung zur Nachhaltigkeit in Gütersloh zum Zuge gekommen ist. Das war schon mal erfrischend und lässt auf wirkliche Zukunftsimpulse hoffen. Die Moderation hatte Dr. Michael Zirbel, Leitung Stadtplanung der Stadt Gütersloh, als Auftraggeber.
Fotos ak 2013 |
Zum Inhalt:
Einen Masterplan Innenstadt gab es schon vor zehn Jahren. Der sei nun veraltet und teilweise abgearbeitet, so leitete Zirbel ein. Vieles habe sich in den Jahren entwickelt, jetzt komme nach und nach Neues hinzu. Etwa das Wellerdiek-Areal, die Aufgabe sei nun: Zusammenführen. Er verwies auf das Urban Café 1. Runde der Beteiligung, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen einzubringen. Auch Jugendliche und junge Erwachsene seien eigens im Prozess eingeladen gewesen, um einen gestalterischen Beitrag zu ihrer Stadt zu leisten. (Prima Idee, die gerne häufiger zum Zuge kommen kann.) Der Termin gestern sei als Abschlussredaktion des Masterplans zu verstehen. Im Juni 2013 soll dieser dann in den Planungsausschuss zur Diskussion kommen.... Ende offen.
Dann stellten die Planer Oliver Seidel, Hannover und Johannes Böttger, Köln den Werdegang zum Masterplan vor:
Bei ihrem Erkundungszug durch Gütersloh hatten die Planer drei Perspektiven eingenommen: die Innensicht, vertreten durch befragte Bürger = "einige Menschen wurden uns vorgeschlagen, die wir mal interviewen sollten, etwa Schüler, Stadtführer, Unternehmer). Die Eigenperspektive vertreten durch das Urban Café mit zahlreichen Kollegen aus der Verwaltung und dort aus den unterschiedlichen Ressorts quer Beet. Die Außenperspektive durch die Planer selbst, die u.a. eine reizvolle Fotosafari durch die Stadt gemacht hatten, denn die vorgestellten Ausschnitte zeigten bereits das Spannungsverhältnis zwischen groß und klein, zwischen leidlich hässlich und vorzeigbar der Stadt Gütersloh.
Ihre Aufgabe rankte sich zudem um die Begriffe Bürgerbeteiligung und gestaltenden Charakter, nicht nur um einen mahnenden Charakter. (Das Briefing zum Auftrag wäre doch wunderbar zum Veröffentlichen?)
Im Anschluss an die erste Bürgerbefragung habe man dann im Januar mit der Politik diskutiert. Die Politik habe definiert, welche die wichtigsten Themen seien. Wohnen, Mobilität, eine lebeindige Mischung sind als Thesen gefallen. Die Aufgabe: zukünftig über die Nutzung nachzudenken, die den Faktor Einkaufstadtd aber auch das Wohnen in der Innenstadt miteinander verbinde.
Die Jugendlichen hatten in der Diskussion den Fokus auf Mobilität, Arbeit, soziale Netzwerke gerichtet, die Themen waren vorgegeben. Hier stand der Bus und das Fahrrad im Zentrum, die Innenstadt habe ihrer Ansicht nach nichts mit "Arbeit" zu tun, sondern nur mit Shoppen - und die Innenstadt sei kein Ort der Freizeit war die Einschätzung.
Der Seniorenbeirat zeigte sich interessiert am "Nahraum Innenstadt als Wohnort" und an der Verbesserung der Qualität der Freiflächen.(Bisher haben eher solvente Alte Innenstadtwohnungen gekauft.)
Gefragt wurde auch nach a) starken Orten in der Innenstadt und b) nach identitätsstiftenden Orten in der Innenstadt. Doppelbelegungen wurden deutlich: unter a) positiv fallen das Theater, die Weberei, der Dreiecks-Platz, der Kolbeplatz, der Berliner Platz (HVP). Unter a) negativ fallen gleichfalls der Berliner Platz, die Bahnlinie, der Bahnhofsvorplatz und der Marktplatz. Die Kategorie b) wird vertreten ebenfalls durch den Berliner Platz und durch den Alten Kirchplatz. Somit könne ein einziger Platz gleich drei Bewertungen in der Wahrnehmung erhalten - was für eine multiple Nutzung spreche.
Der Masterplan
Es wurden nur Ausschnitte gezeigt. (Hoffentlich findet sich in der Online-Vorstellung dann alles!)
Es hieß, einfache Fragen habe Gütersloh gut gelöst. Fragen der Zukunft aber noch nicht, sie seien zu diskutieren. Hier stände künftig ein "bunterer Ansatz" zur Diskussion, ein Mix aus Privat, Öffentlichem.... Konkret wurde es an der Stelle leider noch nicht.
Die 10 Leitthesen im Masterplan
1. Bestand schärfen (Großstadt, Kleinstadt, was denn nun?)
2. Teilräume stärken (Charakterräume)
3. Verbindungen verbessern (Straßennetz, Pättken)
4. Mobilität vernetzen und organisieren (CO2, Bus, Bahn, Rad)
5. Grünräume qualifizieren (Rasen alleine reiche nicht)
6. Öffentliche Räume aktivieren
7. Kommunikation in der City verbessern (Bürgerbeteiligung)
8. Dichte differenzieren (Achtung Nachverdichtung)
9. Flexible Strukturen (Umnutzung von Gebäuden ermöglichen, Longlife)
10. Lebendige Mischung
Der "strategische Masterplan"
Unter der Rubrik Teilräume (mit einem Charakter, der sich von anderen Bereichen unterscheide) wurde der Innenstadtbereich anhand einer Karte grob gegliedert: der "Nachbarschaftsbereich" im Nordwesten (hier scheine eine Wohnsiedlung zu sein, die das Nachbarschaftliche noch pflege); das Theater; der Bahnhof als Mobilitätsbereich; der Bereich Kern mit Einzelhandel, Arbeit und Dienstleistung; der Bereich Dalke (den man unbedingt näher an die Innenstadt bringen müsste, also Wege etc. verbessern); der Bereich Bildung rund ums Städtische Gym und die Realschule, Altstadtschule.
Unter der Rubrik Potenzialräume summierte der Anspruch: Hier entsteht Handlungsbedarf! Diese Potenzialräume beziehen sich auf die oben skizzierten Teilräume. In der Diskussion waren "Angebotsräume", die potenzielle Investoren anzögen. Grünräume wurden diskutiert, wie etwa die im Bildungsraum mit den zahlreichen Grünflächen und Schulhöfen, die auch außerschulisch eine Aufenthaltsqualität entwickeln müssten und eine besser Verknüpfung der innerstädtischen und außerzentrischen Grünanlagen ermöglichen müssten.
Es wurden Fahrradstationen an zentralen Punkten vorgeschlagen.
Ein Leerflächenmanagement für Ladenfläche wurde kurz erwähnt.
Es wurde die "Torsituation" am Nordring (Ohlendorf) angesprochen, eine wenig einladende Ecke, die nicht dazu animiere, in die Innenstadt abzubiegen. Das seien Orte der Veränderung. Dort müssten Gebäude stehen oder entstehen, die ein Signal setzen könnten für den Einstieg in die Innenstadt. (Damit dürften die Marktwerte der Grundstücke Friedrich-Ebert-Straße/Nordring sprunghaft angestiegen sein.)
Gestaltungsnotwendigkeit sah man auch auf dem Rathausvorplatz, der dringend einer Überarbeitung bedürfe. (Nein, ich habe nicht thematisiert, dass die Stadt und die Sparkasse auf diesem Areal eh machen, was sie wollen und gern nicht-öffentlich.)
Zum Thema Bildung wurde ein Gebäudeband entlang der Friedrich-Ebert-Straße favorisiert, welches die hässliche VierspurStraße zumindest auffangen würde und in der Wertigkeit steigere.
Der "Kreativraum" um das Theater wurde angesprochen: hier die eben nicht so gelungene Anbindung von dort bis zum Dreiecksplatz. Hier könnte eine ansprechendere Bebauung folgen. (Klasse, auch hier also Impulse für Bagger und Bauten für Hochpreisiges. Was zu erwarten war.)
Die Nachfrage nach den ungelösten Fragen der Zukunft wurde seitens der Planer konkretisiert: Schwerpunkt sei hier der Punkt "Nachbarn" - eine lebendige Mischung der Lebensbedingungen in der City, mehr Kontakte durch Querungen, die Stadt auch als "Stadt" fühlbar machen und in der Wahrnehmung etablieren. Dann der Schwerpunkt Mobilität, hier seien weitere Untersuchungen der Stadt in Auftrag gegeben, GT sei ein Standort, der auf Autos abgestellt sei, aber das Fahrrad müsste mehr zum Zuge kommen schon aufgrund der CO2-Belastungen (denken Sie mal an die nachfolgenden Generationen!); die Demografie sei eine Frage, barrierefrei sei Thema und auch die Sozialstruktur; der Masterplan sei ein möglicher Rahmen bei der Beantwortung dieser offenen Fragen - keine Auflistung purer Selbstverständlichkeiten. Man kann ihn auch als Konfliktpotenzial in der Umsetzung verstehen.
In der Diskussion tauchten viele Fragen auf, teils Anliegergetrieben, teils Interessenbekundungen der Einzelhändler. Teils Fragen nach dem neuen Wellerdiek-Gelände, hier solle man darauf achten, dass sich das Zentrum nicht verschiebe. Durch eine Maßgabe wie diese solle sich nicht das Gesamtkonzept der Stadt kippen lassen, man müsse die richtige Balance finden, so die Planer. Es sei nicht angemessen für GT eine Shopping-Meile zu bauen. Das wäre eine Missinterpretation des Masterplanes. Das "Erlebnis Innenstadt" solle erhalten werden, ein Investor, der als "weißer Ritter" daherkomme, bringe meistens unvorhersehbare Veränderungen. (Eine deutliche Aussage. Prima.) Teils wurde nach dem Güterbahnhof gefragt (der allerdings nicht im Fokus des Auftrages stand - warum eigentlich nicht?). Hier bloß der Hinweis, welch großes Potenzial diese Fläche habe.
In der Diskussion deutlich wurde das ambivalente Gefühl der Anwesenden für die eigene Stadt, zwischen Kaff und Kosmos, zwischen Kleinstadt und Bald-Großstadt. Und die Rückmeldung, in Gütersloh sei Potenzial und schon Kleinod beieinander. Es erstaunte nicht, dass viele Einzelhändler anwesend waren, die ihre Erfahrungen mitteilten. Das passiert in jeder solcher Veranstaltungen, alarmierend aber war der Hinweis, man rede schon seit langem "mit der Stadt" - aber es ändere sich nichts.
Diesen Umstand griffen auch die Planer auf, die ermunterten, hier als Bürgerschaft auch selbst aktiver zu werden, Druck für Veränderung von Politik und Verwaltung einzufordern. Es komme aufs Engagement an.
Man wünschte der Stadt Gütersloh schließlich den Mut, die Eigenwilligkeit in den Kontrasten zu pflegen, die Binnenqualität zu erhalten - und den Charme oder Charakter der Kleinstadt zu behalten. Eine Großstadt sei GT nicht.
Auf die Frage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Internet antwortete Dr. Zirbel, die Veröffentlichung sei geplant. Und werde in Kürze vollzogen. Diese Antwort kennt man bereits - etwa von der Konversion - sie wird leider recht zögerlich umgesetzt. Oder gar nicht. Und leider sind viele Materialien von öffentlichem Planungsbelang nur mit guten Nerven auf der Homepage der Stadt Gütersloh zu finden und zu googeln. Da wäre deutlich mehr Planung und Realisierung von Nöten. Wie wäre es auch hier mit einem eigenen Portal dazu. Ansätze für gutes Gelingen in der Stadtentwicklung gibt es doch genug. Warum also nicht gleich öffentlich machen?
Fazit:
Die Stadt eröffnet auf den ersten Blick mehr und mehr Beteiligungsformate. Es sind aber nur erste Schritte - zumindest, was Stadtplanung angeht. Andere Bereiche liegen da gleich ganz im Dunkeln. Transparenz und Beteiligung hängt also auch mit den jeweilig verantwortlichen Personen an der Spitze der Verwaltung zusammen. Das ist der Stadtplaner mit den Workshops zur Konversion und Stadtentwicklung recht weit.
Die Stadt hat aber grundsätzlich ein Manko, wenn es um die Ernsthaftigkeit in der Fortführung dieser Impulsveranstaltungen geht. Leider verschwinden viele Ideen und Papiere, die bürgerschaftlich erarbeitet wurden schnell wieder in der Schublade. Oder es fehlt an der generellen Wertschätzung der Anregungen - denn in fast allen Fällen wünschen sich die Beteiligten Transparenz in der Folge, etwa durch Veröffentlichungen von Materialien und Prozessen im Internet, die dann in der Umsetzung aber eher mangelhaft ist. Der Bürgerhaushalt macht da keine Ausnahme, der startete einmal gut, um dann mit Stumpf und Stiel versenkt zu werden. Um diesem Ausbremsen entgegenzuwirken, braucht es offensichtlich noch mehr Nachdruck und mehr Mut. Von Seiten der Bürger. Und seitens der Verwaltung, die punktuell schon mal etwas anpackt. Weiter so. Ist ja schon ein Morgendämmern für das sonst so beteiligungsarme Städtchen Gütersloh, in dem gerne "geregelt" wird, wer denn dann überhaupt teilnehmen darf - "Anmeldung erwünscht".
Von der heimischen Politik ist in all diesen Beteiligungsverfahren leider nichts bis gar nichts zu hören oder zu lesen, weder in der altmedialen Berichterstattung der Lokalzeitungen noch auf den parteieigenen Kanälen der Homepages. Ausnehmen darf man da zumindest die Seite der BfGT, die wenigstens viele Inhalte online stellt. Ein offener Dialog politischer Art mit dem Bürger nach der Maßgabe "Bürgerbeteiligung" sieht wahrlich anders aus. Ist aber unausweichlich, wenn man die Aufgaben der Zukunft beantworten und bewältigen will. Fragen kommen, so oder so. Manchmal eben erst, wenn Fakten geschaffen werden. Der Wandel will auf jeden Fall moderiert werden.
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