Insbesondere die Verwaltung steht bei der Realisation dieses Großprojektes vor einer diffusen und riesigen Herausforderung: Ohne erkennbareTransparenz und Bürgerbeteiligung lassen sich solche Projekte immer schwieriger planen und verwirklichen. Die deutschen Großprojekte BER, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie sind prominente Beispiele. Zudem zieht sich die Politik auch hier deutlich auf die Position des Zaungastes zurück und überlässt erstaunlicherweise der Verwaltung den Vortritt bei der Gestaltung dieser Mammutaufgabe "Konversion". Man darf sich fragen, warum?
Nun ist zumindest ein erster Schritt erreicht: Der Konversionsbericht - erstellt von NRW-Urban - bietet eine Menge Anhaltspunkte für weitere Formen der Partizipation. Der Bericht ist zumindest teilweise durch Beteiligung enstanden und schon mal frei einsehbar online gestellt. Nicht zuletzt auf Druck über das Internetportal "FragdenStaat". Nun geht es um weitere konkrete Formen der Beteiligung - und das weitere Veröffentlichen von Daten. Im Hauptausschuss der Stadt Gütersloh bekräftigte die Bürgermeisterin der Stadt, eben diese Beteiligung der Bürgerschaft auch weiter zu betreiben.
Dass Gütersloher mit dem Wunsch nach mehr Beteiligung nicht alleine da stehen, belegt etwa eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag von SAS Deutschlande "Open Governement - Wünschen Bürger mehr Beteiligung?" unter der Rubrik Open Government, Open Data, Monitor 2013, der im Februar 2013 erschienen ist:
Ergebnisse
Demnach erwarten 92 % der Bundesbürger, dass der Staat sie umfassend über Projekte und Maßnahmen informiert, von denen sie in irgendeiner Art und Weise betroffen sind. Die meisten darunter interessieren sich bei staatlichen Großprojekten für die entstehenden Kosten: 88 % der Befragten wün schen sich Informationen dazu. 87% der Befragten möchten zudem über mögliche Alternativen informiert werden.
"Dass die Verantwortlichen bei geplanten Infrastrukturmaßnahmen oder anderen politischen Großpro jekten genügend Möglichkeiten bieten, sich zu beteiligen oder eigene Ideen einzubringen und Vorschläge zu machen, sehen nur wenige Bürgerinnen und Bürger (17 %). Die große Mehrheit sieht dies – unabhängig von Region, Alter und Bildungsgrad – nicht als gegeben an (insgesamt 78 %)."
Knapp die Hälfte der Befragten möchte gerne eigene Ideen oder Vorschläge bei geplanten Projekten einbringen (46%) die sie gerne den politisch Verantwortlichen unterbreiten
möchten.
Eine Frage, die berechtigt ist - die sich erfahrungsgemäß aber oft erst aus der minutiösen Betrachtung der Praxis ablesen und beantworten lässt. Was immer auch mein Fokus ist, nämlich, wie funktioniert Teilhabe und Transparenz konkret?
Unter diesen Aspekten seien drei Punkt aus der Gütersloher Konversionssicht besonders hervorgehoben:
1. Stadtentwicklung und Immobilien
Auch in Gütersloh herrscht ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Dazu steigen die Immobilienpreise in der Stadt, dies nicht nur gefühlt, sondern nun gerade durch die Ergebnisse des Gutachterausschusses für Grundstückswerte bestätigt.
"Die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sind insgesamt um 2,3 Prozent gestiegen. Bei gebrauchten Einzelhäusern betrugen die Kaufpreise im Durchschnitt 197.000 Euro, bei gebrauchten Doppel- und Reihenendhäusern 178.000 Euro und bei Erstverkäufen von Doppel- und Reihenendhäusern 261.000 Euro. Bei den Eigentumswohnungen nahmen die Preise im Jahr 2012 insgesamt um 7,4 Prozent zu. Bei den Erstverkäufen von Eigentumswohnungen war mit 10,3 Prozent der Preisanstieg am deutlichsten." - so steht es ganz aktuell auf der Homepage der Stadt Gütersloh.
Erkennbar ist auch in Gütersloh der Trend zu teuren Innenstadtwohnungen, die als Eigentumswohnungen gebaut und verkauft werden. Dies in großem Stil, zudem so teuer, dass sie in der Regel von den Menschen gekauft werden, die dafür ihr bisheriges Einfamilienhaus im Grünen verkauft haben und nach der Familienphase in eine Stadtwohnung ziehen wollen, weil hier die Infrastruktur boomt. Für Familien mit Kindern sind diese Wohungen nicht gemacht, auch für Ärmere sind sie nicht zu finanzieren. Wohnen künftig nur noch Reiche in der Innenstadt?
Im Rahmen der Konversion nun werden hier (gesamtes Stadtgebiet GT) rund 1.000 Wohnungen "frei". Da stellt sich die Frage, wer diese eigentlich "vermarkten" wird und zu welchen Zwecken, Konditionen, Bedingungen und Preisen dies geschieht. Transparenz ist hier bisher an keiner Stelle hergestellt, denn diese Themen sind bisher ausgeklammert gewesen. Insbesondere der Konversionsbericht zum Flughafen enthält zur Wohnsituation außerhalb der Kaserne keine Angaben, auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurden diese Areale explizit aus der Betrachtung ausgeklammert. Den Bürger aber interessiert es - die Mietpreise liegen deutlich im Zentrum seiner Wahrnehmung und Interessen. Hier gilt es, Transparenz herzustellen. Denn nirgends wäre der Vorwurf der Vorteilsnahme Einzelner so naheliegend wie hier.
In diesem Zusammenhang dürfte gerne auch öffentlich erläutert werden, was eigentlich hinter dem Abschlussbericht zur Vermarktung von städtischen Immobilien durch Makler
- DS-Nr.: 155/2012 1. Erg. - steht, welcher im Grundstücksausschuss am 11.12.2012 im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung diskutiert wurde.
Noch ein weiterer Grund spricht dafür, in Fragen des bezahlbaren Wohnraums in der Innenstadt deutlich mehr Licht zu bringen, denn Gütersloh wächst, wie jetzt das Bürgermeisterbüro die Einwohnerzahlen mitteilte. Mehr als 97 Tausend Einwohner und damit rund 700 mehr als im vergangen Jahr belegt die Sogkraft der Stadt - was schnell zum Boomerang werden könnte für all diejenigen, die am unteren Ende der Nahrungskette stehen und aus diesem Sog verdrängt werden. Eine soziale Schieflage verfestigte sich so.
Gerne möchte ich in dem Fall auch nochmal auf die geplante Bebauung des Quartiers des Rathauses und der Sparkasse hinweisen: Ein Zentrumsquartier, welches zukünftig nach Verwaltungs- und Kassenfeierabend nach 16 Uhr von keiner Menschenseele mehr bewohnt wird. Nur die Falkenkästen am Rathaus bieten Wohnraum für die gefiederten Freunde der Stadt.
Altlastenbericht
Auch die Altlast-Fragen im Konversionsbericht sind bisher nicht abschließend erläutert. In einer militärischen Fläche, die bereits im zweiten Weltkrieg als Flughafen genutzt wurde, finden sich nach reichlich 70 Jahren sicher mehr Altlasten als bisher vermutet. Diese sind aber bei weitem noch nicht so auf dem Radar, wie das notwendig wäre. Ist das Nutzungscredo "wo Grün ist, soll Grün bleiben" eine Antwort darauf, dass man hier gar nicht erst anfangen möchte, zu graben oder zu untersuchen? Das wäre falsch. Neben einer gründlichen Untersuchung möglicher Altlasten dürfte gleichzeitig mitgedacht und öffentlich geklärt werden, wer ggf. für diese Lastenentsorgung finanziell aufkommen wird.
All das lässt sich prima transparent gestalten. Denn die Öffentlichkeit ist mit Sicherheit an diesen Fragen der Umweltbelastung und deren Finazierung interessiert.
Konversions-Gremium
Die Bürgermeisterin kündigte an, zur weiteren Planung ein Gremium einzusetzen, welches sich dem Zeitplan und der Ausgestaltung der Konversion künftig widmen wird. Den Äußerungen entnehmen lässt sich zunächst, dass es sich vorwiegend um Funktionäre handelt. Hier wäre es nun generell sinnvoll, ein eigenes Konversions-Portal zu erstellen. In diesem könnte man nicht nur die Sachverhalte ablichten und Daten bereitstellen, den Worklfow ablichten und Kommunikationsmöglichkeiten schaffen, sondern auch das verantwortliche Gremium ablichten: Wer, was, wann und welche Interessen sind vertreten? Gelungen wäre es, wenn hier auch Initiativen oder Bürger nach dem Zufallsprinzip ausgewählt mit am Tisch sitzen würden. Es schließt sich an solchen Fragen der Kreis: Die Bürger wollen Informationen, die Bürger wollen sich beteiligen - nur muss man konkrete und ernstgemeinte Möglichkeiten schaffen. Die Gelegenheit ist da!
Open Data Portal - Best Practices
Open Data-Portale sind dabei nicht neu. Sie sind schon an zahlreichen anderen Stellen ausprobiert: ob auf Bundesebene, ob auf Landesebene oder in innovativen Kommunen. Es gibt sie, die Best Practices. Man kann sie suchen und wird schnell fündig. Außerdem gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Sachverstand aus dem eigenen Haus oder dem eigenen IT-Anbieter dafür zu nutzen.
Es wäre schön, wenn sich Gütersloh zu solch einem Schritt hin zu Open-Data entschließen könnte und damit dem Gedanken von Bürgerbeteiligung nicht nur sprachlich folgt, sondern auch im Handeln. Die Konversion wäre eine gute Spielwiese zum Üben.
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