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Donnerstag, 20. Dezember 2012

Verwaltungsbühne und Wirklichkeit

Streit um einen Dezernenten, der für KulturGütersloher zuständig ist, Streit um eine Pension, die einem in der Summe Respekt abringt. Die Seifenoper um einen städtischen Beamten und Wechselwilligen in Gütersloh und Bielefeld geht in den nächsten Aufzug.

Zwei Sozialdemokraten (!) zerren und zetern: in Gütersloh die Herzdame, in Bielefeld der Piekbube. Jetzt mischt sich auch noch ein Ex ein, der ehemaliger Stadtdirektor, er mahnt zur Besserung und verweist auf früher, als noch alles gut war in der Provinz und im Oberzentrum. Ist er jetzt Kapellmeister im Stück?

Die zuschauende Bevölkerung reibt sich die Augen, ob dieser Groteske. Eine entsittlichende Wirkung stellt sich im Publikum ein. Der lebenswirkliche Kontext, in dem sich dieses Singspiel auf den Verwaltungsbühnen abspielt, ist nämlich dieser:

 Ohne: Pensionen



 
1.
Pensionszahlungen in der Höhe über 4.000 Euro und Beihilfen im Krankheitsfall (also Privatversicherungen) pro Monat ! wird in naher Zukunft für viele Normalbürger ein Traum sein. Auch, wenn die Pension nach langen Jahren "qua Gesetz verdient" ist. 
Der Armutsbericht der Bundesregierung etwa weist, obwohl noch deutlich geschönt, auf einen zukünftig dramatischen Verlauf der Normalrenten nach unten. Die Passagen "Die Einkommensspreizung hat zugenommen." Diese verletze "das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung" und könne "den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden" - sind wohl überlegt schon mal gestrichen worden.
Grund für die schleichende Verarmung sind u.a. Niedriglöhne, Geringverdiener, Alleinerziehende, kinderreiche Normalverdiener, Praktika-Hopping, Zeitverträge. Jeder Versicherte erhält einmal im Jahr seinen ganz privaten Rentenbescheid. Die Prognosezahlen sagen schon jetzt: Die Renten Vieler werden kaum noch reichen, um Miete, Ernährung und Energie überhaupt bezahlen zu können. 

Die Renten der Frauen wären hier nochmals deutlich hervorzuheben: Wenn der Babyboomer-Jahrgang in Rente geht, frage ich: Will man zukünftig über Herden bettelnder Frauen auf den öffentlichen Plätzen hinweggehen? "Die-hätten-dann-mehr-arbeiten-sollen-und-vorsorgen-Nummer" bitte nicht formulieren. Das würde sich schlecht machen vor den jahrelang postulierten Formulierungen in Deutschland: "kümmere Dich um die Kinder, die brauchen die Mutter". Von den fehlenden Kita- und Kindergartenplätzen ganz zu schweigen. Und auch von den fehlenden Möglichkeiten der Teilzeitarbeit mit hohem Verdienst.

Vor diesem Hintergrund ist eine öffentliche Posse um fette Pensionen kaum dazu angetan, die Bevölkerung für gutes Verwaltungshandeln zu gewinnen.

2. 
Die kommunale Finanzsituation in Deutschland ist nicht zum Besten bestellt. Man gräbt sich gerne das Wasser ab, hängt doch die Finanzierung der Kommunen an der Gewerbesteuer. Das ist auch in OWL, in Gütersloh und Bielefeld nicht anders. Wandert dieses Gewerbe über die Ortsgrenzen hinweg, fehlen dem Nachbarn die Taler im Stadtsäckel. Da hilft auch alles Gerede über Regionen und Verbund nichts. Jedem seinen Kirchturm, jedem sein Theater, seine Bibliothek... Das zeichnet die sogenannte "Kirchtumpolitik" der letzten Jahrzehnte aus. So lange Geld da ist, offensichtlich kein Problem.
Zeitgleich müssen die Kommunen Rücklagen bilden, um die anstehenden Pensionszahlungen der Beamten später zahlen zu können. Eine Herausforderung, die noch nicht wirklich auf dem Zettel steht. Dieser Akt ist erst der Erste. 
Jetzt wäre Zeit, über neue Formen der Finanzierung nachzudenken, über Lösungsansätze, die wirkliche Verbundenheit, Clusterung, Weitblick mit sich bringen. Dafür könnte man die städtische Energie zweier Hauptverantwortlichen gut gebrauchen, die aber müssen sich um einen einzigen Mann kümmern.

3.
Wenn schon beide Häuser die beamtenrechtlichen Fallstricke übersehen haben, welche Kompetenz darf man dann erwarten, wenn es um "richtige" Herausforderungen geht? Etwa die, Grundvoraussetzungen für die nachrückende Generation zu schaffen, nämlich in frühe Bildung zu investieren - damit die Kinder in der Region eine Chance haben, auch einmal so satte Rentenempfänger sein zu können? So viel Thermik und so viel Öffentlichkeit gepaart mit den lauten Stimmen der Ehemaligen und Alten würde ich mir gerade in diesen Zukunftsthemen wünschen.

Da sage noch einer, es werden keine Opern mehr geschrieben. Gütersloh hat reichlich Stoff dafür. Und offensichtlich ein passendes Theater zu deren Aufführung. Wer das aber sehen will?






4 Kommentare:

  1. Die geklaute Wurst aus Aldi hat mich über diesen scheißtag gebracht. Es geht nicht anders, seit 4 Jahren nur Almosen von euromont und jetzt: finito zum Jahresende. ich kann nicht mehr, versorge mich selbst, denn auch im Knast ist es wärmer als auf der Straße - von den Reichen, von Aldi - wie auch immer. Schöne Weihnachten!

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  2. Hi, das ist eine Lebensgeschichte. Aufschreiben, rate ich. Es hat keiner gesagt, dass Leben schön sein muss. Es werden immer mehr, für die das gilt.

    Sagen ja nicht nur wir. Auch die Daten.

    Alles Gute.

    Paritätischer Wohlfahrtsverband: Armut
    http://www.der-paritaetische.de/245/?tx_ttnews[tt_news]=7329&cHash=4b84cc5019029c624d7604b1b231c406

    NW Gütersloh: Renten und Armut im Kreis
    http://www.nw-news.de/lokale_news/guetersloh/guetersloh/7471216_Wenn_die_Rente_nicht_reicht.html

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  3. Die beiden Bürgermeister von Gütersloh und Bielefeld sind Sozialdemokraten, schreiben Sie. Das scheinen beide vergessen zu haben! Sind mittlerweile unter die oberen 1.000 ihrer Städte gejubelt. Das Parteiprogramm der SPD in NRW ignorieren sie daher gleich auch mit. Hier steht nämlich, dass sie sich gerade um Armut kümmern wollen. Und kein Kind soll zurückgelassen werden. Bei der nächsten Bürgermeisterwahl muss man die vielleicht mal fragen, wie hoch ihr Einsatz dafür war. Wenn man denn Audienz bei ihnen bekommt.

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  4. Liebe Frau Gabler, Ihrer Kommentierung kann ich gut folgen. Das mit den Oberen 1.000 gefällt mir am besten - da ist was dran. Vielleicht deformiert so ein Posten auf längere Sicht. Meiner Auffassung nach, darf solch ein Amt gerne auch zeitlich begrenzt sein, wie auch das von Ratsmitgliedern. 30 Jahre in der gleichen Funktion ist wie Feudalismus mit Erbfolge von politischem Stimmrecht. Zurück zum Thema Armut: Es ist erschreckend, wie schnell dieser Wandel sich vollzogen hat, die Ankündigung, hier gegen zu wirken, hinkt der Wirklichkeit deutlich hinterher. Man muss wirklich fragen, welche KOnzepte die Städte haben, um Armut zu begegnen. Zeit wäre es jetzt schon - nicht erst bei einer möglichen Wiederwahl.

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