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Donnerstag, 7. Juni 2012

Schwarz oder rosarot

Schwarz dort und rosarot hier
Da draußen in der EU tobt der Kampf ums Überleben des Euro, einzelner Staaten - Millionen Menschen bangen um ihre Existenz. Die Verschuldung ist gigantisch, die Transfers von Topf A nach Topf B kann keiner mehr nachvollziehen. Durchblick haben nur noch die Analysten der Banken, Politiker stehen regelmäßig mit dem Rücken zur Wand, Parlamentarismus wird ganz klein geschrieben, eine Fußnote der Moderne. Nach Griechenland folgt jetzt Spanien in die Kenterlage. 
Gut, Schwarzmalen ist eine Sache. Aber auch bei differenzierter Betrachtung unserer Umwelt ist das noch lange kein Grund, eine rosarote Brille aufzusetzen! So wie dieser Tage im Dalkedorf Gütersloh. Wir reden und jammern auf hohem Niveau, wo uns doch selbst gerade eben erst die Finanzkrise gestreift hatte. Gütersloh schmeißt das Geld mit vollen Händen für Luxusartikel raus:

Schwarz oder (rosa)rot


Stadthalle - 10 Mio. Euro
Gestern war die Sanierung der Stadthalle ein Thema. 10 Millionen soll es kosten. Bürger hatten sich wenige eingefunden, in der öffentlichen Versammlung. Kein Wunder: Erst sollte man sich anmelden, dann am Eingang "melden", dann wieder sollte freier Zugang sein und am Ende fand der Termin vor einem Feiertag statt... Deutschland ist das Reiseland Nr. 1, da kann man sich denken, wie wenige kommen werden. Aber immerhin... es wurde schon mal öffentlich eingeladen, obwohl sich der Kulturdezernent mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben soll, wie zu hören.
 
Darf man dazu einer Umfrage der NW vertrauen, ist ein Drittel der Bevölkerung eh für den ersatzlosen Abriss der 30-Jahre alten (!!) Stadthalle. (Übrigens eine schöne Anekdote, dass die zeitungseigene Umfrage aussagefähig sein soll, wenn sich nur eine Hundertschaft beteiligt hat, anonym - wenn die gleiche Zeitung gerade diese Kriterien beim Bürgerhaushalt in Grund und Boden stampft als nicht repräsentativ.)

Egal, zurück zum Thema. Die 10 Millionen stehen auf dem Deckel zukünftiger Kosten.

Hallenbadneubau  - 6,1 Mio. Euro
Gleichzeitig wird zwei Häuser weiter über den Hallenbadneubau diskutiert. Er soll nun noch teuerer werden, als bisher. Die Hausnummer liegt jetzt schon bei 6,1 Milliionen auf der nach oben offenen Richterskala. In den nächsten Tagen werden "die Gremien" dazu entscheiden, ob gebaut wird, oder nicht. Wer nun "die Gremien" sein sollen, steht immer noch nicht fest. Die Stadt Gütersloh etwa auch? Und auch, wenn die Stadtwerke das alleine zahlen, so liegt immer noch ein gültiger Ratsbeschluss vor, dass in den nächsten Jahren gespart werden muss. Es heißt hier am 25.3.2011 in den "strategischen Zielen für die Stadtwerke": "Begrenzung/Reduzierung der Verluste der Sparten Bäder und Verkehr als Beitrag zur städtischen Haushaltskonsolidierung." Wo ist da die Konsequenz? Und wo bleibt die ewig angekündigte "Bürgerbeteiligung"? Wenn die SWG-Veranstaltung am 11.6. gemeint sein sollte, so ist das eine Informationsveranstaltung - aber keine Beteiligung. Und: Zwei Seiten Lokalzeitung weiter wird über die Jahresbilanz der Stadtwerke berichtet, über den Rückgang an Wirtschaftlichkeit, über die nicht zustande gekommenen Aufträge, sprich: über weniger Einnahmen und schlechte Aussichten. Passt das dann mit einem Hallenbadneubau zusammen? Und einem um uns herum bröckelnden Finanzrahmen?

Unterm Strich liegen wir damit mit den Vorhaben bei rund 16 Millionen Euro an Ausgaben. Das scheint den kommunalpolitisch Verantwortlichen aber noch keine Schweißperlen auf die Stirn zu zaubern. Sie setzen künftig noch einen drauf: Die Feuerwehr bekommt einen Neubau.

Feuerwehrneubau - 20 Mio. Euro
 "Dass über die Großinvestition – es geht um immerhin 20 Millionen Euro – unaufgeregt und leise diskutiert wird, liegt nach Überzeugung der Fraktionen insbesondere am Vorgehen der Verwaltung um Dezernentin Christine Lang und Feuerwehrchef Joachim Koch. In der eigens eingerichteten Arbeitsgruppe sei auf alle kritischen Fragen eingegangen worden. Für dieses "hohe Maß an Transparenz" holten sich Lang und Koch mehrfach Sonderlob ab."- schreibt die NW.

Es haut mich ehrlich gesagt vom Hocker, wenn ich lese, dass in diesem Zusammenhang die politisch ehrwürdige Vokabel "Transparenz" bemüht wird - in einem Atemzug mit einer "Arbeitsgruppe", die sich intern dem Thema annehme und "leise" diskutiere. Ist "leise" und "hinter verschlossenen Türen" nicht eigentlich dem kommunalpolitischen Handeln völlig uneigen? Ist Politik nicht gerade das öffentliche Aushandeln von Positionen? Die Rechenschaftslegung über Meinungsbildung und von Entscheidungen?

Ich frage mich, warum es keine Prioritätenliste für städtische Ausgaben gibt. Die Ausgaben für die Feuerwehr wären ja sogar noch am ehesten erklärbar... 

Es bleibt insgesamt ein Kopfschütteln. Geld spielt keine Rolle, die Erfahrungen aus dem Bürgerhaushalt spielen keine Rolle. Es bleibt das Postulieren von "Bürgerbeteiligung" an Ausgabenverhalten auf der einen Seite, während in Wahrheit alles beim Alten bleibt: Eine ausgesuchte Handvoll entscheidet. Und setzt damit auch die Repräsentativität des politischen Systems unter Druck. Der Rest als "Stimmvieh" im Rat und in den Ausschüssen  - dafür müsste sich manch ein Gewählter echt zu schade sein. Heißt es nicht auch da: Jede Stimme zählt?

36,1 Mio. unterm Strich.... für was!
Unterm Strich liegen wir jetzt bei einer Summe von 36,1 Millionen Euro an geplanten Ausgaben - im Grunde für Luxus. Ja, auf viele Jahre verteilt. Und wie finanziert? Von wem? Von der nächsten Generation, die mit einer Bugwelle an Schulden für das "Gemeinwohl" an den Start geht.

Was schmerzt, ist dann allerdings der Ausspruch des CDU-Fraktionschefs: "Die neue Schule darf den Haushalt nicht belasten!" 

Sieht man schwarz, so wie oben, könnte man meinen, egal, wenn der Euro zusammenbricht, sind auch Schulden egal. Sieht man rosarot, könnten die Entscheider heute argumentieren, egal, müssen wir ja nicht mehr bezahlen....












6 Kommentare:

  1. Wir sollten uns diese Ausgaben ruhig leisten, solange der Euro noch etwas Wert ist. Wenn der Euro zusammengebrochen ist, haben wir wenigstens eine funktionierende, wenn auch etwas überdimensionierte Infrastruktur.

    In Betongold investieren lautet die wahre Devise!

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  2. Lieber Kommentator, vielen Dank für diese Einschätzung. Ich frage mal zurück: Wer ist denn "wir"? "Wir" haben dann zwar eine Halle, aber wer kann dann dort noch teilnehmen? Das "Wir" reduziert sich dann auf vielleicht 1,5 Prozent der Gütersloher. Der Rest doch eher nicht. Unter diesem Aspekt wird die Infrastruktur dann wirklich überdimensioniert sein. Um Missverständnissen vorzubauen: ich habe nichts gegen Kultur und ansprechende Räumlichkeiten dafür. Nur muss das leistbar sein: wer die Musik bestellt, muss zahlen. Nicht die, die nach uns kommen. Schulden machen unfrei. Das gilt auch für eine Stadt und ihre Einwohner. Aber vielleicht war Ihr Kommentar auch einfach ein wenig ironisch zu verstehen? Freue mich auf mehr!

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    1. Na irgendwie sollte die Stadt doch ihr Geld sinnvoll anlegen, bevor es die Inflation wegfrisst. Und beim Schuldenmachen frisst die Inflation die Schulden ganz schnell weg, zum Nutzen der die nach uns kommen. Nur die Gläubiger gucken dumm aus der Wäsche.
      Alternativ kann die Stadt ja auch Gold, Silber,... kaufen - von dem Gewinn nach Inflation wird Gütersloh dann auch eine doppelt so große Stadthalle bauen und das Theater sanieren können.

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  3. ....gegen sinnvolles Anlegen bin ich nicht. Muss es aber eine Investition sein ohne breiten Gemeinnutz? Es fehlt mir immer noch die Aussage, was genau dieser Gemeinnutz denn eigentlich für die Gewählten ist. Eine Sondersitzung des Finanzausschusses sollte es dazu ja geben...angeblich. Meine Wählerstimme bekommen jedenfalls nicht diejenigen, die sich für Stadthalle, Theater und Hallenbad einsetzen. Es gibt profundere Langfristinvestitionen, die in GT aber nicht einmal diskutiert werden: DemoWandel, Bildung, dezentrale Energie, Verbesserung der politischen Kultur, Strukturwandel....

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  4. Das relativiert vieles - wenn auch nicht alles:

    Der Haftungspegel – Haftungssummen für die Euroländer und der deutsche Anteil

    http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/B-politik/_Haftungspegel

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  5. Diese Einschätzung ist abhängig vom Standpunkt: Bin ich Politik, bin ich Lobbyist, bin ich Politiker. Wenn der "Haftungspegel" auch niedrig anmutet, so ist damit vielleicht die monetäre Schieflage auf den ersten Blick entkräftet, nach dem Motto: ist doch nicht so viel, stemmen wir schon! Was aber bleibt, ist die Ethik: kann es Deutschland egal sein, wenn die europäischen Nachbarn in die Knie gehen? Kann man das mit einem Achselzucken kommentieren und dabei auf einen Schuldenpegel verweisen? Und die Frage bleibt: Warum ist Deutschland noch so gut aufgestellt?

    Gleichzeitig bleibt: Das Kerngeschäft der Politik in Bund und EU ist seit Jahren gebunden an die aufgedrückte Aufgabe, Banken zu sanieren, zu retten. Ist das das Kerngeschäft der Politik? Wohl kaum. Es bleibt keine Zeit für die Gestaltung anderer Politikbereiche, die uns gleichzeitig beschäftigen müssten: Energie, Bildung, DemoWandel, Migration. Dürfen diese Felder Randerscheinungen des politischen Geschäftes werden, weil sich immer wieder Fiskalprobleme in den Mittelpunkt stellen? Es ist Zeit, Weichen zu stellen. Man darf dann gerne Banken an die Leine legen: Eigentümer werden? Die Verantwortlichen selbst zur Kasse bitten? Alles das, ja. Dann können wir nochmal über den Haftungspegel sprechen.

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