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Sonntag, 3. Juni 2012

Anlass ist, wenn vorher Stillstand war....

Einen Entwurf zur "Anlassbezogenen Schulentwicklungsplanung" legt die Stadt Gütersloh dieser Tage vor. Bezugsrahmen ist die geplante Einführung der Sekundarschule im Norden der Stadt Gütersloh. Man beruft sich dabei auf das Schulgesetz NRW, § 80Schulentwicklungsplan, (6) "Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens gemäß § 81 Abs. 3 ist die Schulentwicklungsplanung anlassbezogen darzulegen." 

Anlassbezogen?
"Anlassbezogen" - was für ein schöner Begriff. Aber was offenbart dieser Begriff?

"Anlass" geht laut Duden wortgeschichtlich auf "lassen" mit der Bedeutung "matt, schlaff werden, nachlassen" zurück. Verwandt ist der Begriff mit der griechischen Bedeutung für "träge, müde sein". Zur gleichen Wurzel aus dem germanischen Sprachgebrauch gehören auch "lasch, lässig, letzten". Anlass ist daher "Anfang, etwas in Bewegung setzen, Beginnen".

Wenn der jetzige Entwurf "anlassbezogen" ist, liegt offensichtlich eine Phase der Ermattung, der Ermüdung - oder des Nicht-Beachtens, des Stillstandes hinter den Entscheidern. Und das genau ist die Kritik, die ich schon seit langem übe: 


Eine Gütersloher Bildungspolitik, die über das Steinemanagement hinaus ging, war in den letzten Jahren kaum erkennbar. Der Bildungs-Ausschuss hat sich selten mit langfristigen Konzepten oder Überlegungen zur Bildungslandschaft beschäftigt. Dieser Umstand ist ganz deutlich anhand aller Protokolle des Bildungsausschusses der letzten Jahre belegbar. Es grenzt schon an eine strategische Vermeidungspolitik, zukunftsgerichtete Diskussionen und Entscheidungen zu umgehen. Und dabei sagt das Schulgesetz NRW noch einen Paragraphen vorher folgendes: 
 
Schulgesetz NRW, § 80 Schulentwicklungsplan (5):
 "Die Schulentwicklungsplanung berücksichtigt
1. das gegenwärtige und zukünftige Schulangebot nach Schulformen,
Schularten, Schulgrößen (Schülerzahl, Klassen pro Jahrgang) und
Schulstandorten,
2. die mittelfristige Entwicklung des Schüleraufkommens, das ermittelte
Schulwahlverhalten der Eltern und die daraus abzuleitenden Schülerzahlen
nach Schulformen, Schularten und Jahrgangsstufen,
3. die mittelfristige Entwicklung des Schulraumbestands nach Schulformen,
Schularten und Schulstandorten."

Schon diese Mittelfristigkeit verliert an Bedeutung: Bereits vor knapp zwei Jahren hatten die Grünen einen Antrag zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule gestellt. Er wurde aber in der Sitzung des Bildungsausschusses zurückgezogen - nicht einmal ansatzweise diskutiert.

Damals schon saß der Schulleiter der (jetzt betroffenen) Freiherr-vom-Stein-Realschule zwei Sitze neben mir auf der Zuschauertribüne - und bekräftigte, dass diese Form der Gemeinschaftsschule eine mögliche Zukunft für seine Realschule sein könnte. Seine Bereitschaft und seine Signale, darüber nachzudenken, waren offensichtlich. Passiert ist: nichts. 

Schon damals war abzusehen:
Die Demographie wird auch in Gütersloh zuschlagen. Die Schülerentwicklung im Norden der Stadt zeigte deutliche Erosionserscheinungen. Das belegen die Zahlen:  Im Schuljahr 2002 waren noch 58 Anmeldungen an der Grundschule zu verzeichnen, bereits im Schuljahr 2012/13 liegen die Anmeldungen nur noch bei 41 Kindern. Das sind 17 Kinder weniger! = eine halbe Schulklasse. Die Anmeldezahlen an der Hauptschule sind noch drastischer: 2002 lagen sie bei 61, heute liegen sie bei 19 Kindern. Das ist ein Minus von 42 Kindern! Das entspricht 1,5 Klassenverbänden. Und auch bei der Realschule Freiherr vom Stein ist das nicht anders: 2002 waren es noch 89 Eingangskinder, aktuell liegen sie bei 56 Kindern. Ein Rückgang um 33 Kinder = eine komplette Klasse, die nicht existiert. Deutlich wird: Anhand der aktuellen Schülerzahlen an den drei Schulen würde man als nächstes über die Schulschließung reden müssen. Die Modellschule ist da lediglich Rettungsanker.

Die Vorlage der Verwaltung beruft sich auf Schulgesetz NRW § 81 "Errichtung, Änderung oder Auflösung von Schulen", Absatz 3, wonach es der Genehmigung des Ministeriums bedarf, um die geplante Sekundarschule zu errichten. Aber davor steht auch noch der Absatz 1: "Gemeinden und Kreise, die Schulträgeraufgaben erfüllen, sind verpflichtet, durch schulorganisatorische Maßnahmen angemessene Klassen- und Schulgrößen zu gewährleisten. Sie legen hierzu die Schulgrößen fest. Sie stellen sicher, dass in den Schulen Klassen nach den Vorgaben des Ministeriums (§ 93 Abs. 2 Nr. 3) gebildet werden können."

Haben die Verantwortlichen also die letzten 10 Jahre "ermattet, schlaff" den Anlass verpasst? Gab es 10 Jahre lang keinen solchen "Anlass" schon mal über zukünftige Weichenstellung zu sprechen?

Mein Petitum wäre also - abgesehen von den Inhalten - den Verwaltungs-Entwurf umzubenennen in: "Stillstand-bedingte Schulentwicklungsplanung" oder meintwegen auch in "Nachholende Schulentwicklungsplanung".  

Die Frage bleibt: wieviel "Anlass" schlummert noch?
















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