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Freitag, 6. April 2012

Thänk you for trevelling with Deutsche Bahn

Was haben Ostern und die Deutsche Bahn gemeinsam? Das Suchen: Die Osterfans suchen Eier - die Bahnfahrer suchen Sitzplätze. Während die glücklichen Eiersucher fündig werden, bleibt für Zug-Reisende zu Ostern die Illusion.

Schon beim Einsteigen in den ICE wird klar: mehr Menschen passen hier nicht rein. Indische Verhältnisse, so wie man sie aus den Dokus im Bildungsbürgerkanal von der anderen Seite der Erde kennt, beherrschen das Bild. Außer, dass Passagiere auf dem Dach sitzen, ist alles belegt. Jeder Quadratzentimeter - vom WC bis vor die Tür der 1. Klasse. Wenigstens hier kann man zumindest den Teppich erkennen. 

Wer an einen Sitzplatz denkt, träumt. Selbst die, die reserviert haben, müssen sich durch die Reihen quetschen, über Gepäck und Menschenköpfe - und körper springen, hüpfen, heben. Man kommt sich nahe in der Deutschen Bahn. Ob man will oder nicht.

 

Ich bleibe an der Glasschiebetür stecken, bis ins Abteil kann ich nicht mehr vordringen. Drei- bis viermal gleitet sie zu, bleibt gerade noch einen knappen Zentimeter vor meiner Schulter stehen. In den nächsten zwanzig Minuten mache ich es mir zur Aufgabe, diese lautlose Tür an der Ausübung ihrer alleinigen Absperrfunktion zu hindern. Mit dem Fuß unten quer davor gestellt. Meine Mitreisenden wissen das zu schätzen, ich ernte siebzehn Mal ein Danke, denn so können die Mitsuchenden zumindest an diesem Hinderniss ohne zusätzliche Mühe vorbeischieben. Die Gesichter der Menschen sind angestrengt, um es milde auszusprechen. Dann erobere ich mir einen Stehplatz hinter der letzten Sitzreihe und die Tür darf endlich zugleiten.

Die Stimmung im Zug ist gereizt. Wenn sich jetzt ein Angestellter in Bahnuniform sehen lässt, wird das kein Vergnügen. Obwohl allen klar ist, sie können am wenigsten dafür. Das Abteil organisiert sich selbst. Es gibt die Sitzenden, es gibt die deutliche Mehrzahl an Suchenden. Beide Einstiegsseiten sind von Verstopfung regiert. Im Gang selbst bewegt sich nichts mehr. Auch die Sitzinhaber können ihr Glück nicht genießen, sie müssen befürchten, dass jemand stolpert und auf sie fällt. 

Ein Sitzplatz allerdings ist herrenlos. Nur ein einsamer Rucksack steht drauf. Alle Augen spähen dahin. Daneben eine junge Frau, Marke "verwöhnte Tochter". Affektiert hält sie ein I-phone in der Hand und telefoniert. Demonstrativ genervt, weil ab und an auch noch die Netzverbindung ausfällt.
Ihr gehört der Rucksack, sie greift hinein. Eine ältere Dame, die direkt im Gang neben ihr stecken geblieben ist und damit fast wie eine Lottokönigin wirkt, wagt es, die Telefonierende anzusprechen. "Ist der Platz neben Ihnen noch frei?" Die I-phoneFrau: "Haben Sie den reserviert?" Die Ältere: "Nein, haben Sie den reserviert? " I-phone antwortet: "Der Platz ist reserviert, steht doch oben dran." "Ja, das lese ich, aber haben SIE den reserviert?" fragt die Gestrandete nochmal. "Der muss frei bleiben, der ist reserviert," so die höhere Tochter. Das Schauspiel unterhält mittlerweile den gesamten Mittelteil des Abteils. Die Verwöhnte glaubt offensichtlich an den Luxus, einen freien Platz neben sich behaupten zu können. Grotesk angesichts der Überfüllung wie in einem Walmagen. Ich frage mich, wer dieses Weltbild in der Göre verankert hat.

Die Stehende schon kraftlos:" Wenn das nicht IHR Platz ist, möchte ICH mich dahin setzen." "Wenn noch jemand kommt, müssen sie aufstehen", die irrige Antwort der Sitzenden. "Also ist das nicht Ihr Platz?", ein letzter Versuch der Dame. Keine Antwort von der Telefoniererin, sie räumt wortlos ihren Rucksack weg und dröhnt ins Handy "so viel zur Deutschen Bahn - dass man hier nicht mal telefonieren kann". 

Der Zug setzt sich in Bewegung. Jeder Stehende oder Teppichokkupant muss sich festhalten, damit er nicht umkippt und dann im Dominosystem unter den Trollies und Koffern um sich herum verschüttet wird.

Die Lautsprecheranalage im Abteil bringt eine Botschaft wie aus Geisterhand: "Willkommen an Bord des ICE nach Berlin Ost...." Lautes Murren der feststeckenden Insassen. "Den folgenden Text höre ich nur in Bruchstücken. "Unser Boardrestaurant.. in Wagen.... adenkuchen....Wir freuen uns auf ihren Besuch." Lautes Gejohle im Waggon, die Menge wie ein Scharm: "Schafft doch erst mal Plätze, dann Kuchen." Die Menge ist sich einig. Einige "lange Finger" werden in die Luft gehalten. Jetzt macht Bahnfahren plötzlich Spaß, das Volk ist ein Volk.

Kaum ist diese Welle der Empörung abgeebbt, hat die I-Phone-Frau wieder das Wort, unüberhörbar. Wer keine eigenen Ohrstöpsel eingesteckt hat, MUSS ihr zuhören, gewollt oder nicht. Sie komme von einem Eignungstest bei der Bundeswehr. Nur eine Handvoll sei am Ende übriggeblieben. Sie sei eine hervorragende Führungspersönlichkeit, habe man ihr bescheinigt. Könne Menschen führen. Für das Studium der Humanmedizin bestens geeignet. Große Karriere vor sich. Wollte ich schon "mein ganzes Leben" machen, sie sei die Elite der Armee von morgen. Ein mitreisender Mann in Uniform winkt kopfschüttelnd ab. So muss ich das nicht mehr machen.

Auf einen Schlag habe ich die Nase gestrichen voll von den deutschen "Institutionen". Die Eine kann keine Anzahl passender Waggons zum Osterverkehr bereitstellen, die Andere nimmt selbstverliebte Rotznasen im postpubertären Alter auf und wässert deren Flausen, sie seien die Führungspersönlichkeiten von morgen.

Noch bevor ich zu einem abschließenden Meinungsbild gelangen kann, hält der ICE in Hamm. 
Zunächst rein fahrplanmäßig. Als aus den neun Minuten schon fünfzehn Halteminuten werden, wird die Menge unruhig. Dann schaltet sich wieder die Geisterstimme aus dem Lautsprecher ein: "Der Zug ist überfüllt. Wir dürfen so nicht weiterfahren. Wir bitten alle diejenigen, die NICHT reserviert haben, den Zug zu verlassen. Den nächsten Anschluss in Richtung Berlin erreichen Sie in einer Stunde."

Eine spärliche Zahl Freiwilliger verlässt den Zug. Mit großer Mühe, denn der Ausstieg über Mensch und Koffer will erstmal bewältigt sein. Ich gehöre auch dazu. Eine Reservierung hätte ich für einen anderen Zug gehabt, der aber kam nicht, weil der Anschluss verspätet war... Ich durfte in diesem aus Nettigkeit mitfahren. Draußen vor dem Zug erscheint die erste Person in Bahnuniform. Sie schaute die Aussteiger an: "Sie hätten garnicht aussteigen müssen. Es handelt sich eher um Passagiere aus dem hinteren Zugteil."

Thänk you fohr travelling whith Deutsche Bahn...

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