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Samstag, 7. Januar 2012

Beauftragter für Bürgerbeteiligung unerwünscht - Aber einer für´s Fahrrad!

Ein Beauftragter für Bürgerbeteiligung wird in der Stadt Gütersloh nicht gewünscht!
"Die Verwaltung beabsichtigt, der Anregung nicht zu folgen." So lautet die Vorlage der Verwaltung für den Hauptausschuss am 16.1.2012. Gestellt hatte den Antrag die Bürgerinitiative "Demokratie wagen".

Politik ohne Beauftragten für Beteiligung?
Bisher läuft doch alles....
Die Stadt widerspricht, Ansprechpartner für Beteiligungsfragen seien die jeweiligen Geschäfts- und Fachbereichsleitungen. Bei Bedarf könnten sich die Bürger jederzeit an die Bürgermeisterin bzw. das Büro des Rates und der Bürgermeisterin wenden. Beteiligung solle möglichst wirkungsvoll und wirtschaftlich gestaltet werden. Die bisherigen Instrumente und Organisationsabläufe seien hierfür gut geeignet und sie würden adäquat weiterentwickelt.

Stiefkind   
Bürgerbeteiligung ist gelebte Demokratie - ein stets komplexer werdendes Terrain der politischen Willensbildung. Es reicht nicht, dieses offensichtlich unliebsame Thema immer wieder als Stiefkind von Fall zu Fall zu behandeln. 

Jeder Bürger wird das kennen: "Bisherige Instrumente" sind oftmals das Labyrinth der Verantwortlichkeiten (ein Telefonat jagt das andere), wo schnell mit vagen Versprechungen abgespeist wird ("Wir kümmern uns darum"/"Alternativlos" / "Dafür sind wir nicht zuständig"), die Bürgerschaft möglichst kleinteilig in Einzelbehandlungen separiert werden ("Rufen Sie mich an"), fachliche und interdisziplinäre, öffentliche Diskussionen ausgebremst sind ("Verschiebung von Bürgeranträgen = siehe Dienstaufsichtsbeschwerde in Detmold"). 



Wenn es mit dem Bürger schon nicht richtig klappt, wer stellt eigentlich sicher, dass etwa bei Großprojekten alle beteiligten Fachbereiche im Rathaus selbst informiert und beteiligt werden? Die Praxis zeigt, dass Vielen daran gelegen ist, möglichst keine Absprachen mit anderen Kollegen zu treffen - alleine handeln ist bekanntlich schneller erledigt. Stiefkind Beteiligung - in den eigenen Reihen und extern. Da ist wohl Blut im Schuh.
An anderer Stelle schon aktiv
Dabei leistet sich die Stadt eine Menge anderer Beauftragter, teilweise ehrenamtlich, teilweise gesetzlich vorgeschrieben - alle zum Wohle des Gemeinwohles: Etwa der Beauftragte für Stadtarchäologie, die (noch) Ehremamtsbeautragte der Stadt, der "Lernort-Natur-Beauftragte" Kreis Gütersloh der Kreisjägerschaft, die Jugendschutzbeauftragte der Stadt, der Behindertenbeauftragte. (Hauptamtlich leisten der Integrationsbeauftragte, die Gleichstellungsbeauftragte, die Jugendschutzbeauftragte, der Datenschutzbeauftragte ihren Beitrag.) 

Hat das Fahrrad Vorfahrt?
Und dann wäre da noch der 2008 ernannte Fahrradbeauftragte der Stadt Gütersloh. Ein enorm wichtiger Posten, will man meinen. In der Begründung für seine Einführung ist den Mehrheitsparteien CDU und Grüne zu entnehmen: 

"Das gut besuchte Fahrradhearing der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die GRÜNEN hat
gezeigt, dass Gütersloh Fahrradstadt ist. Das Verkehrsaufkommen der Radfahrer beträgt zirka
23,6 %. Die jährlichen Ausgaben für ca. 150 km Radwege betragen etwa 150-250 T€. Die
Belange des Fahrradverkehrs berühren die tägliche Arbeit vieler Fachbereiche –insbesondere die Belange der Bereiche Planung und Umwelt/Sicherheit. Durch die Benennung einer/eines Fahrradbeauftragten tragen wir der Bedeutung dieses Themas Rechnung und stellen sicher, dass fahrradspezifische Belange regelmäßig angemessenen Raum in der Arbeit von Verwaltung und Politik finden." 

Am 9.6.2008 wurde der Antrag einstimmig mit 15 Stimmen angenommen. Seither koordiniert (!) der Fahrradbeauftragte die Fahrradspezifika der Bürgerschaft mit den entsprechenden Stellen und stimmt die weitere Vorgehensweise ab.

Wie viel Wert sind 100 Prozent?
Wenn 23,6 Prozent als Fahrradfahrer-Zielgruppe eine Grundlage für die Einführung eines Fahrradbeauftragten darstellen - wie wichtig ist es dann erst, wenn es um 100 Prozent geht, nämlich die Gesamtbevölkerung, die von Demokratiefragen täglich betroffen sind?

Man darf auf die politische Diskussion und die Antwort sehr gespannt sein. Am Abend des 16.1.2012 wissen wir, wie viel Herzblut für Demokratie durch die Adern des Rates fließt.

2 Kommentare:

  1. 100%?? Woher nehmen Sie diese Legitimation? Schaffen Sie erstmal die 5%-Hürde bzw. stellen Sie Ihre über einen X-beliebigen Webblogger hinausgehende Relevanz unter Beweis. Z.B. in einer demokratischen Wahl... Aber das haben Sie ja schon die alten Griechen so gemacht und ist folglich zu altmodisch. Occupy und Co, ganz nett, aber nicht nachhaltig oder direkt ernstzunehmen.

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  2. Die 100 Prozent beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung, für die ein Beauftragter für Beteiligung zuständig wäre - wenn er denn eingesetzt würde. Es geht nicht darum, eine neue Partei einzuführen, die erst die 5 % Hürde nehmen müsste. Die schon jetzt gewählten Parteien, die im Rat vertreten sind, täten gut daran, den Beteiligungsgedanken ernster zu nehmen als das bisher der Fall ist. Immerhin haben alle durchgehend in den Wahlprogrammen formuliert, sie wollten Beteiligung. Diese ist allerdings in unterschiedlichen Denkmustern in den Parteien vorhanden. Wie das zu verstehen ist, bleibt immer wieder Auslegungssache. Da kann ein Beauftragter Transparenz schaffen, wie (!) Beteiligung in Gütersloh abläuft.
    Dieser Gedanke hat zunächst mit Occupy nichts zu tun. Aber bitte - wenn das Ihr neues Feindbild ist - nur zu. Der Stachel scheint zu sitzen und hat wohl ins Schwarze getroffen.

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