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Sonntag, 2. März 2014

Kleinklein in der Haushaltspolitik

Der Haushalt der Stadt Gütersloh ist am Freitag verabschiedet worden. Nach der flächendeckenden Umstellung von der Kammeralistik auf die Doppik 2009 in ganz NRW steht das Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit dabei im Zentrum. Zentral ist das Ressourcenverbrauchskonzept wonach jede Generation die von ihr verbrauchten Ressourcen ersetzen und damit die Belastung von künftigen Generationen vermeiden soll. Das Prinzip gilt auch in Gütersloh. Oder sollte hier gelten. 


 
In Zeiten des demographischen Wandels und angesichts der knappen öffentlichen Mittel ist eine nachhaltige Haushalts- und Finanzwirtschaft wichtiger denn je. Die vorhandenen Ressourcen sind also effektiv einzusetzen und die finanziellen Auswirkungen jeder Entscheidung sollten mit Blick auf nachfolgende Generationen bedacht werden.


Bei allem Respekt vor der Leistung von Kommunalpolitikern, die immerhin am Freitag über fünf Stunden im fensterlosen Ratssaal verbracht haben - den Aspekt der Nachhaltigkeit sowie den Blick auf nachfolgende Generationen konnte man leider nicht erkennen. Ganz sicher ist dieser Umstand dem Wahljahr 2014 geschuldet: 



Die Parteien befinden sich bereits im Wahlkampfmodus, räumen ihre bisherigen kommoden Gefechtslagen der Bündnisse, um ihr eigenes Profil bis zur Wahl "zu schärfen" und bleiben unkonkret.


       Andrang: vor dem Fahrstuhl in den 8. Stock "Ratssaal"    
Die Erwartungshaltung an die Ratsleute war dabei groß, die Schuldenlast der Stadt beträgt minus 100 Millionen, ein Defizit von rund 6 Millionen steht aktuell auf dem Zettel. Zwar ist es der Stadt in den letzten Jahren gelungen, ihr Defizit abzubauen, angesichts der guten wirtschaftlichen Situation mutet das aber als Ergebnis gering an. Beängstigend sind die Schuldenprognosen für die Jahre 2015 bis 2017 mit bis zu 25 Millionen Euro weiterer Schulden. Die Ausgleichsrücklage von rund 40 Millionen Euro wird kein Rettungsschirm von großem Halt sein können. 

Um so mehr wäre die eigentliche Erwartung gewesen, zu erklären, wo man in Zukunft mit der Stadt hinmöchte. Wir wollen wir zukünftig zusammen leben? Und kann Kommunalpolitik das heute überhaupt noch ohne die Beteiligten, also die Bürger selbst zu befragen? Steuerung einer kommunalen Gesellschaft wäre gefragt, blieb aber in der Antwort aus. Das Aufstellen von Zielen ist ebenfalls eine tragende Säule der Doppik, sie übertragen Zahlen in Handeln. Diese Ziele finden sich im Haushaltsplan, in der Formulierung im besten ökonomischem Beraterdeutsch gehalten, sie scheinen aber in ihren Auswirkungen in der Politik nicht bekannt zu sein. Sonst wäre die Diskussion anders verlaufen.

So blieben dann auch die Haushaltsreden der Fraktionsspitzen und der Fraktionslosen im Kleinklein und im Mimikry hängen. Die Beiträge gestalteten sich zwar mal mehr mal weniger unterhaltsam in ihren  kleinteiligen Schuldzuweisungen und kurzfristigen Wahlkampfparolen als das in den vorausgehenden Jahren der Fall war. Etwa "Sie als Partei finden nicht statt" oder "Wir verteilen hier Narrenkappen" oder auch "bitte etwas weniger Grußworte der Bürgermeisterin" etc. Weitsicht und eben die Diskussion über den Ersatz des Ressourcenverbrauches aber wurden nicht thematisiert. Allenfalls war die Sicherung des Status quo zu erkennen, wenn parteiübergreifend von "wir müssen Gewerbeflächen ausweisen" die Rede war. Rein sprachlich wurde auch der demographische Wandel bemüht, aber in keinem einzigen realen Fall in die Zukunft verwiesen. Einen echten Zukunftsentwurf bekam keiner hin. Und der Bezug zu den Bürgern blieb gänzlich aus. Sie werden nicht gefragt.



Im Ergebnis verlangt die Mehrheitsfraktion der CDU nun eine strategische Aufgabenkritik und neue Organisationsplanung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung unter Hinzuziehung externer Berater. Dieser Ruf nach dem Retter von außen war schon vor 10 Jahren laut geworden  -  und hat außer Kosten nichts gebracht. Die zweitgrößte Fraktion SPD will eher im Konkreten arbeiten und detailgenau sagen, wo sie welche Weichen stellen möchte, einen großen Gesellschaftsentwurf brachte sie aber auch nicht auf den Weg. Wenngleich der Charme unbestritten rüberkam, dass eine Stadt und ihre Bürger eben nicht nur aus Zahlen bestehen, sondern das Zusammenspiel der Vielen bedeutet. Die kleinen Fraktionen versuchten sich als eigenständige Parteien und Gruppierungen zu positionieren, in dem sie einzelne Aspekte bemühten aber analog ihrer Sitze im Geiste auch nur in der Position der künftigen Mehrheitsbeschaffer verblieben.Eine Gemengelage wie immer also.
 
Rettungsanker für viele Redner war die Tatsache, dass sich Gütersloh immerhin rund 19 Millionen an Investitionen leistet. Aber die Beurteilung von Investitionsmaßnahmen blieb punktulell: sie verursachen künftig auch Aufwendungen für Abschreibungen, die periodengerecht zu erwirtschaften sind. Die Entscheidung für eine Investition ist nicht nur bedeutsam für den eigentlichen Investitionszeitpunkt, sondern zieht sich durch den gesamten Lebenszyklus eines Investitionsgutes. Gleiches gilt für Belastungen, die noch überhaupt nicht absehbar sind: die Pensionszahlungen etwa. Zumindest dieses Stichwort kam mehrmals über die Lippen der Haushaltsredner und die Zuhörer hatten hier für einen Augenblick das Junktim zur Generationengerechtigkeit ohne aber Neues erfahren zu können. Da ist einfach noch nichts.  Notwendige Investitionen wie etwa der Breitbandausbau als wirtschaftlicher Standortfaktor der Zukunft und Veränderungsfaktor für die Arbeit der Zukunft wurde übrigens von keinem mit keiner Silbe erwähnt.

Wenn nun Aufgabenkritik an der Verwaltungsleistung gewünscht ist, darf sich Politik diese Frage durchaus selbst stellen. Die Kommunalwahl wäre der richtige Zeitpunkt dafür: In den Kommunalwahlprogrammen können die Parteien ihre Leistungsschau ausbreiten. Zu erwarten ist, dass sie zumindest hier ihr Zukunftsvisionen darlegen, wenn die Haushaltsreden dafür schon nicht genutzt werden. Aber auch hier: sie könnten da mal die fragen, die sie künftig zu regieren gedenken.

Wird die Arbeit im Rat und in den Ausschüssen eigentlich künftigen Generationen in Gütersloh gerecht, oder bemisst sie sich nur von einer Ratsperiode in die andere mit gleichbleibendem Personal? Interessant dabei ist, dass im Teilplan 00 des Haushaltes für die Gemeindeorgane - also Rat und Ausschüsse sowie Bürgermeisterin und Verwaltungsvorstand - zwar allgemeine Ziele formuliert sind - nicht aber konkrete, die sich den jeweiligen "Produkten" Rat und Verwaltung zuordnen lassen. In der Formulierung der Gesamtziele bleibt man ebenfalls in den großen Begrifflichkeiten hängen, wie Erhalt und Weiterentwicklung der Lebensqualität in der Stadt, Erhalt und Ausbau der Wirtschaft, Stärkung als Mittelzentrum, Förderung von Bürgerengamgenet und Mitwirkung, Förderung der Chancengleichheit von Frau und Mann, Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Stadtverwaltung. 

Die drei wichtigsten Ziele im Haushaltsplan aber bleiben in den politischen Haushaltsreden unbeatmet und ohne Leben: Verbesserung der Zukunfschancen für die jüngere Generation in der Stadt, die Schonung der vorhandenen Ressourcen unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsfaktors und die nachhaltige Haushaltswirtschaft. Der letzte Punkt wird im Teilplan Finanzwirtschaft konkreter: Strukturell ausgeglichener Haushalt, Vermeidung von Kassenkrediten, Erwirtschaftung der ordentlichen Tilgung und Vermeidung einer Nettoneuverschuldung. Die Ziele sind also größtenteils eingerissen. 


              Morgenrot für den neuen Rat?     Fotos ak 2014
Und trotzdem hat es sich gelohnt, so lange auf der Tribüne zuzusehen und zuzuhören. Es vermittelt ein direktes Bild davon, wer wie in Gütersloh regiert. Sich ein solches Bild selbst zu verschaffen, kann man nur allen empfehlen, die künftig ihr Kreuz bei der Kommunalwahl machen wollen. Vielleicht wäre es aber auch empfehlenswert, neue Räume und Möglichkeiten zu schaffen, die Bürger von der Tribüne herunterzuholen und ins Geschehen einzubinden. Denn Parteien können nur eins: sie können an der politischen Willensbildung MITgestalten, das heißt, sie können es nicht alleine.






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