Bild

Bild

Samstag, 27. September 2014

Industrie 4.0 - Menschen sind Mehrwert der Unternehmen

TEIL 2: 

Die Pro Wirtschaft Gütersloh hatte geladen: zum Austausch über "Industrie 4.0". Gastgeber für das gut besuchte Forum war die Bio-Circle-Surface-Technology GmbH in Gütersloh/Verl. Das "Internet der Dinge", die "smarte Fabrik" nahmen das Publikum rund zwei Stunden in den Bann: 

proWirtschaft GT

# IT´s OWL

Nach Prof. Wilhelm Bauer sprach Dr. Roman Dumitrescu (Fraunhofer und IT´s OWL) über den Spitzencluster IT´s OWL. IT´s OWL ist einer von 15 Spitzenclustern in ganz Deutschland. In diesem Technologie-Netzwerk haben sich 174 Unternehmen, Hochschulen und weitere Partner aus der Region zusammengeschlossen. Als Spitzencluster vom Bundesministerium für BIldung und Forschung ausgezeichnet versteht es sich als Wegbereiter hin zu Industrie 4.0.



Auf dem historischen Weg von der Mechanik, über die Mechatronik hin zu intelligenten Systemen ist das Ziel heute: Systeme entwickeln, die dem Menschen dienen - unter den Aspekten "adaptiv, robust, vorausschauend, benutzerfreundlich". Ziel des Clusters IT´s OWL ist sehr ambitioniert: 80.000 Arbeitsplätze sichern, 10.000 neue Arbeistplätze schaffen, 50 neue Unternehmen ansiedeln, 5 neue Forschungsinstitute errichten, Studiengänge einführen, wissenschaftlich forschen.

Dumitrescu gab einen kurzen aber informativen Einblick in die Vielfältigkeit des Clusters, vom energieeffizienten Bohren bis hin zur intelligenten Sortierung im Bereich "Wäschevereinzelung" und Sparen von Reinigungswasser. Diese Themen muten nur auf den ersten Blick kleinteilig an. Als Leseempfehlung hier das 
Positionspapier "Auf dem Weg zu Industrie 4.0 - präsentiert OWL Ansätze und Lösungen", um zu verstehen, wie ostwestfälische Ideen gestrickt sind.

# Wissenstransfer

Interessant war hier zudem die Frage, wie sich Wissen in einem solchen Cluster verbreitet, teilen lässt. Zum einen durch einen Clustermanager wie Dumitrescu einer ist, aber es wurde auch deutlich, dies geht immer noch durch reale Treffen, durch reale Einladungen und den direkten Austausch miteinander. Hier wäre es spannend, mehr zu erfahren, wie ein solcher Transfer auch digital erleichtert, effizienter gemacht wird. Ein Einwurf eines Zuhörers wies auf die Einrichtung von FortschrittCollegs hin, in der Wissenschaftler an einem Projekt zusammenarbeiten: dies nicht nur interdisziplinär, sondern auch transdisziplinär. Auch "Betroffene" würden beteiligt: Zivilgesellschaft, Gewerkschaften wie der DGB, die IG Metall, auch die Energiewirtschaft. Eine Frage sei dabei auch die Frage nach der Technologieakzeptanz, mit der sich etwa Soziologen und Psychologen beschäftigten. Durch die Vernetzung auf dieser Ebene seien nochmal 2,6 Mio. Euro Gelder nach OWL geholt worden. 

Zudem war die Frage nach dem Geschäftsmodell ganz aufschlussreich, das Cluster ist im Grunde von der Produktion her ähnlich, aber die Märkte, die bedient werden, unterscheiden sich deutlich. Daher fällt auch eine Konkurrenzsituation untereinander im Grunde weg, was die Zusammenarbeit ermöglicht. Weiter stellte sich die Frage, ob die Nutzung von Cloudbasierten Dienstleistungen auch Geld einbringen kann, wenn Datenaustausch oder die Weitergabe nach Nutzung Grundlage des Schaffens sei.  


# Welt smartisiert sich 

Als dritter Referent war Gerd Hoppe (Beckhoff/Verl) geladen. Hoppe stellte die Firma Beckhoff vor als einen Ort der Innovation und einen Antrieb für Cyber-Physical-Systems - den Verbund informatischer, softwaretechnischer Komponenten mit mechanischen und elektronischen Teilen, die über eine Dateninfrastruktur, wie z. B. das Internet, kommunizieren -  also nichts anderes als Industrie 4.0 als Kernaufgabe hat. Offensichtlich ist das Unternehmen echter Treiber, weil eher am Markt als die Konkurrenz.

Noch interessanter an seinem Vortrag waren allerdings die philosphischen Grundbetrachtungen, die eine gewisse Essenz in die Vortragsreihe des Abends brachten.

Hier kurze Einblicke:

Hoppe erklärte, die Konvergenz der Technologie alter Tage zur Industrie 4.0 heute seien ganz klar die Konsumenten selbst: Jeder Konsument möchte heute ein Produkt kaufen, welches nur für ihn gemacht sei. Ein Beispiel: ein Tablet, auf dem bereits ein Fingerabdruck eines vorherigen Nutzers erkennbar sei, würde zurückgewiesen, weil man selbst ein "unberührtes" Produkt für sich wünsche. Gleiches sei bei Büchern und vielen anderen Konsumgütern der Fall, bis hin zu Lebensmitteln. Das führe zur Notwendigkeit, dies auch in der Produktion, Lieferung und Verpackung zu berücksichtigen, mit den Folgen des Einsatzes intelligenter Technik. "Die Welt smartisiert sich", sagte Hoppe.

Er thematisierte die Frage der Polarität der Hardware und der Software - und warf meines Erachtens damit eine zentrale Frage auf, wenn nicht die zentrale Frage: Software ist für ihn demnach der Wettbewerbsfaktor an sich, es beginne der Wettbewerb um Kreativität und der Ideen, was man alles damit anstellen kann. Das Gehäuse wird blutleer, wenn die Idee fehlt.

Zudem erklärte er, die ubiquitäre Kommunikation sei die essentielle Grundlage für Industrie 4.0. Die Information sei ohne konkreten Ort abrufbar. Die Pyramide der Kommunikation werde dadurch aufgebrochen. Systeme verschiedener Hersteller könnten daher direkt in einer Cloud liegen - das müsse nicht zwangsläufig Google sein. Damit löse sich die Produktionspyramide auf. Im Internet findet sich die Verschmelzung von Tools. Künftig gehe es um die Interoperationalität quer durch alle Industrieen und die Überwindung von Grenzen. 

Auf meine Frage, ob die Unternehemen  in der Region OWL auch ein ähnliches Schicksal wie Nokia erleben könnten, herrschte einen kurzen Moment Schweigen, dann Grinsen.

# Auf gutem Weg 

Hoppe erklärte, die Menschen seien der Mehrwert des Unternehmens. Und in OWL gäbe es sehr viele bodenständige und kreative Menschen, die Besonderes leisten könnten, manchmal etwas dickköpfig, eigen, aber viel Potenzial. Er mache sich keine Sorgen darüber, dass sich das ändern könnte. OWL und seine Unternehmen seien mit diesem Potenzial auf gutem Weg.

Einen guten Weg beschreitet proWirtschaftGütersloh mit diesem Format der Vorträge. Ich war Neuling hier - und fand viele Impulse, die an der richtigen Stelle ankommen. 










Industrie 4.0 - Evolution vor Revolution

Die Pro Wirtschaft Gütersloh hatte geladen: zum Austausch über "Industrie 4.0". Gastgeber für das gut besuchte Forum war die Bio-Circle-Surface-Technology GmbH in Gütersloh/Verl. Das "Internet der Dinge", die "smarte Fabrik" nahmen das Publikum rund zwei Stunden in den Bann: 





Prokuristin Anne-Catrin Schürer begrüßte und eröffnete direkt: "Internet der Dinge" bedeute auch in der eigenen Firma darüber nachzudenken, wie man etwa ein handelsüblichen Kanister mit biologischem Reinigungsmittel "smart" ausrüsten könnte, um etwa dessen Leerstand zu melden. 



Damit war das Auditorium (fast ausschließlich männlich, Durchschnittsalter rund 45 Jahren, Führungskräfte) mitten im Thema: "Industrie 4.0". Prof. Dr. Wilhelm Bauer (Fraunhofer IAO und IAT Uni Stuttgart) eröffnete den Reigen von drei Vorträgen zum Thema. 

(Morgen im Blog: Referent Dr. Roman Dumitrescu (Fraunhofer und IT´s OWL) und Gerd Hoppe (Beckhoff/Verl).)


# Digitale Transformation

Bauer machte keine langen Umwege und deklarierte, die digitale Transformation der Gesellschaft sei zu gestalten. 


Er nahm das Publikum mit in die Zukunft, skizzierte eine Idee aus den USA, wonach in 20 Jahren keine Ärzte mehr am Werk seien, sondern Digitalsensoren, die durch die intelligente Auswertung von körperbezogenen Big Data deren Arbeit dann ersetzt hätten. 

Er fokussierte schließlich auf Industrie 4.0. "Die Kunden haben verstanden, was "smart" und mobil alles möglich ist und erwarten dies auch im produzierenden Gewerbe." Diese sei bereits in der Entwicklung, der Produktion und besonders in der Lieferung notwendig. Der Trend zu immer kürzeren Lieferzeiten sei besonders deutlich. Bauer skizzierte die personalisierte Produktentstehung: Konfigurierbar sei ein für den Kunden passgenaues Produkt, welches in Echtzeit auch lieferbar sei. Standard sei künftig die Anpassung an die Individualisierung, der Fokus auf den Customer mit einer großen Varianz an Produkten.

Die Elektronik schaffe unendliche Möglichkeiten, das zeige etwa der "Appstore": Durch das Laden von Apps könnte jeder Nutzer sein Smartphone individuell bestücken, umd damit passgenau auf eigene Bedarfe umprogrammieren. In einer IAO-Studie u.a. zu Lieferungszeiten werde deutlich, dass die Dynamik zunimmt, es sei hyperschnell zu reagieren, die Kapazitäten seien anzupassen und diese müssten auf den Markt reagieren. Komplexität nimmt zu, bereits dort, wo zunächst konfiguriert werde, dann wo produziert werde und schließlich, wo geliefert werde. "Künftig muss man anders mit Wertschöpfung umgehen", so Bauer.

Die Zukunft werde mobil vernetzt, Big Data spiele dabei eine essentielle Rolle. Was künftig passiere, werde in Daten sichtbar, die analysiert werden und in Veränderung münden. Dabei werden nicht nur die Daten von Menschen verarbeitet und analysiert, sondern auch die von Gegenständen. Ein Vergleich machte deutlich: Gestern noch gab es 8,4 IP-Adressen pro Quadratkilometer/Erdoberfläche. Heute gibt es 667 Billiarden IP-Adressen pro Quadratmillimeter/Erdoberfläche. (Einfügung: kann diese Zahl stimmen?) Mit dem Internet der Dinge kann jeder Gegenstand eine eigene IP-Adresse haben. Ausweitbar sei das auch auf Einzelteile in den Maschinen, die jeweils miteinander kommunizieren können. Wenn Menschen miteinander kommunizieren, können das auch Maschinen zu Maschinen oder auch Menschen mit Maschinen. "Das Produkt mit intelligenter Vernetzungs- und Dialogfähigkeit wird das Geschchäftsmodell der Zukunft werden." Von Smart City zur Smarten Fabrik ist es damit nur ein kleiner Schritt, allerdings frage ich mich, wer die wirklichen Treiber dieser Veränderung seien werden, die diese Impulse aufgreifen und forcieren - die Idee, Produktionsstätten würden im Kern so bleiben, wie man sie jetzt kennt eben "nur durch intelligente Technik erweitert", ist glaube ich abwegig. Die Möglichkeiten der autonomen Community etwa im Umgang mit einem 3-D-Drucker werden im Vortrag von Prof. Bauer nicht thematisiert.


# Schlüsseltechnologien

Nach Bauer werden die Schlüsseltechnologien für 2025 das Mobile Internet sein, die Automatisierung der Wissensarbeit, das Internet der Dinge, die Cloudtechnologie sowie Advanced robotics. 

Google mache es bereits vor, sagt er. - Das stimmt, das autonome Auto ist bereits in Testung, die ersten Prototypen fahren bereits. Aber Google hat hier einen ganz anderen Ansatz gewählt, es ist eine Koproduktion der Community, es geht nicht um die Technik alleine, sondern um die neue "Haltung" dem Auto gegenüber, das Nutzerverhalten, das Teilen etwa. Diese Bestandteile sind keine Konfiguration der Ingenieursleistung. Und gerade dieser Tage lese ich, wird auch über die ethischen Fragen des autonomen Autos diskutiert: Wer programmiert mögliche Entscheidungen, etwa in der Frage der Gefahrenabwehr (wessen Leben nehme ich in Kauf, in Falle eines Unfalls, das des Fahrers oder das der Menschen außerhalb des Fahrzeugs?) - hier wird der Ruf nach dem Gesetzgeber laut, der entscheiden müsse, nicht der Hersteller, nicht der Halter des Fahrzeuges. Auch nicht gefragt wird dabei nach Ingenieursleistung, sondern nach Ethik. 

Als Leseempfehlung kann ich hier nur auf den Blogpost von Dr. Ole Wintermann verweisen, der sich die Frage stellt, ob zukünftige Autofirmen nicht bald Google, Intel oder Apple heißen - weil die traditionellen Autobauer die Weichenstellungen der Digitalisierung und der SocialMedia-Implikationen der Zukunft verschlafen haben? 

# Evolution vor Revolution 

Die 4. industrielle Revolution der Intelligenz sei bereits im Gang, sagt Bauer und bremst dabei den Begriff der "Revolution" auf "Evolution". Ganz so schnell wie befürchtet, werde es nicht gehen. "Wir wollen ja nicht, dass diese Entwicklung die Unternehmen verschüttet", sagt Bauer, "aber die Entwicklung wird schneller gehen als die vorherigen Entwicklungen."

Der Übergang zur nächsten Stufe sei: Produktion on demand, Individualisierung, mobile, online. Ob dieses Abbremsen überhaupt in der Hand der Industrie wie wir sie heute kennen, liegt, wurde nicht thematisiert. Allein die Verschiebung hin zu Customerverhalten wird die Industrie förmlich dazu zwingen, sich zu verändern. Noch vor fünf Jahren hätte etwa keiner geglaubt, dass man mit einem Handy den eigenen Hausflur per Kamera überprüfen kann - Telefonie ist dabei das geringste Können. 


                                                     Fotos ak 2014 

# Menschen mitnehmen

Bauer erklärt, nicht nur die technische Entwicklung sei wichtig, notwendig und wichtig sei auch, die Menschen in diesem Prozess mitzunehmen. Unter dem Stichwort Rationalisierung bedeute das deutlich, Kosteneinsparnisse, Arbeit falle weg. Besonders niedrigqualifizierte Arbeit könne die Technik besser ausführen. Zukünftig werde sich zudem ein Wandel des Seins abzeichnen: Privat, Wirtschaft, Technologie, Ökonomie - das Miteinander der Menschen werde sich ändern. Bis zu 45 % der Arbeitsplätze werden wegfallen. Aber, was hier abgebaut werde, könne an anderer Stelle ersetzt werden. "Intelligente Algorithmen werden sich nicht selbst entwickeln," so Bauer. Die Verschiebung gehe dahin, dass künftig mehr Beschäftige in der Entwicklung gebraucht würden, mehr Qualifikation sei nötig. Lebenslanges Lernen und smart im Umgang mit Technik waren seine Stichworte. "Wir können nicht warten, bis die Studenten aus der Uni kommen", so Bauer. 

An diesen Stellen fallen mir mindestens drei Punkte ein, die aber nie in solchen Runden thematisiert werden: wie soll eine höhere Qualifikation erreicht werden, was Digitalisierung angeht, wenn heute Smartphones und Tablets in Schulen weitestgehend tabuisiert und kriminalisiert werden? Kann man auf lange Sicht die "Haltungsfrage" so deutlich ausklammern, wenn es um neue Formen der Zusammenarbeit (Matrix) geht? Und wäre es nicht jetzt an der Zeit, das bedingungslose Grundeinkommen in einer Volkswirtschaft mal positiv zu diskutieren? 

# Deutschland im Kontext 

Natürlich brachte Prof. Bauer auch einen Blick über den Tellerrand hinaus, die Einordnung Deutschlands in den internationalen Kontext muss aufrütteln. Deutschland müsse Vollgas geben in der Technologieentwicklung, um hier die Führerschaft (halten?) und übernehmen zu können. Die Nationen der Welt verschlafen diesen Trend auch nicht. Bauer spielte ein Video der Kanzlerin Angela Merkel ein, die dieser Tage gleiches erklärt. Mein Fazit: Ingenieure treffen auf Neuland, die Schnittstelle von offline-Welt und online-Welt sind noch lange nicht ausgelotet, es fehlen deutlich die Kontakte zwischen beiden Welten, die Öffnung auch in der Entscheidungsfindung weg von Top-down und hin zu hierarchieentferntem kooperativem Handeln fehlt.

Bauer erklärte, die Fabrik der Zukunft müsse aussehen wie ein Büro, smart steuerbar. Der Mensch werde Sensor, Entscheider und Akteur. Die Veränderungen zeichneten sich ab in Lernen, eher in innovativ und qualifizierend, die Produktionsstrutkur sei eher dezentral, vernetzes Arbeiten werde kommen, notwendig seien demografiefeste Arbeitsplätze.

Meine Frage war die nach den sozialen Implikationen dieser Entwicklungen, wie sich etwa Führung verändern werde? Ja, Führung werde sich ändern hin zu mehr Coaching, zu mehr Transparenz, Führung werde Kommunikationsaufgabe. Und meine Frage nach Koproduktion beantwortete er: ja, das ist ein zentrales Thema.

Schade, dass eine Diskussion nicht möglich war, das Zeitpensum mit zwei weiteren Referenten war ambitioniert. Aber gut, dass es solche Impulsvorträge gibt - das belebt die Diskussion danach und sensibilisiert, in welchem Veränderungsprozess wir uns befinden. Ob wir das nach alten Mustern steuern können... diese Frage ist aber längst geklärt: Nein. 


Teil 2 folgt im nächsten Blog 













Mittwoch, 24. September 2014

#owldigital - Netzwerk mit digitaler DNA

Digitalisierung ist eine Frage der Haltung. Immer mehr Menschen befassen sich damit, immer mehr dringt das Thema in den Altag vor. Veränderung steht auf dem Plan. Auch in Gütersloh, auch in OWL.

Gestern traf sich die Initiative #owldigital  zum dritten Mal in der Weberei: Eingeladen wird über Facebook und weitere Social Media. Das Format etabliert sich langsam aber stetig. Es spricht sich rum - und an. 




Freifunk Gütersloh

Für mich am spannendsten war diesmal das Netzwerken mit den Kollegen vom Freifunk Gütersloh, Detlev Buschkamp und Kai Siering. Nicht nur ihre Homepage ist lesenswert, sondern auch ihre Seite auf facebook. Ihr Wirken verändert Gütersloh.

Die beiden haben kurz darüber berichtet, was Freifunk Gütersloh im Kern macht:

"Freifunk ist ein Projekt, über das Menschen wie du und ich ein stadtweites drahtloses Datennetz aufbauen. Das Netz soll die freie Kommunikation innerhalb der ganzen Stadt und, mithilfe von Links zu anderen Städten, auch überregional ermöglichen." So findet sich eine kurze Beschreibung auf der Seite. 


Thema war, wie stark die Vernetzung und der Zugang zum Internet in Gütersloh schon ist - wie flächig dieses Netz bereits anmutet, sieht man hier im Netzgraph. Die Knotenliste findet sich hier.  

Diskutiert haben wir kurz die Idee, die Innenstadt, vor allem die Fußgängerzone komplett zu vernetzen, so dass jeder Besucher in der Innenstadt Internet zur Verfügung hat. Spaßigerweise wurde das Freifunkformat mit dem Breitband-Konzept des Masterplans Gütersloh in Westfalen Blatt vermischt. Es ist aber nicht nur eine Frage des technischen Verständnisses, sondern weit mehr. Es geht um Teilhabe.

Bürgerbeteiligung - ohne Netz?

Unter dem Aspekt der Bürgerbeteiligung war die Frage interessant, warum die Zuschauer auf der Tribüne im Ratssaal kein WLAN nutzen können. Die Ratsleute unten im Saal verfügen über WLAN. Technisch möglich ist das etwa über Freifunk. Die Stadt macht da aber nicht mit. Technische Gründe, Schnittstellenfragen und Datensicherheit sind die Blocker. Das aber wäre verhandelbar und mit einigen Überlegungen in den Griff zu bekommen. Ich selbst ärgere mich jedes Mal, wenn ich von dort oben gerne ein Netz mit Kapazität nutzen möchte - aber keine Chance habe. Bürgerfreundlich wäre genau das: WLAN. Meines Erachtens nach müssten die Freifunkleute und der Anbieter der Stadt da gemeinsam an einen Tisch. An Detlev Buschkamp und Kai Siering liegt es nicht.

Innenstadt mit Netz versorgen 

Ein weiteres Beispiel ist die flächendeckende Versorgung der Innenstadt mit Netzkapazität: Das hat gerade Arnsberg vorgemacht. Mit nur 2.000 Euro ist es dem Verkehrsverein Arnsberg gelungen, die gesamte Fußgängerzone zur Netzzone zu machen. Mit Freifunk. Selbst Bürgermeister Hans-Josef Vogel ist zurecht stolz auf seine Stadt, immerhin ist er selbst auf Twitter sehr aktiv und vertritt als ein digital Progressiver seine Stadt in Fragen der Digitalisierung sehr gut nach außen:  



Vielleicht sollte einmal die erste ISG in Gütersloh, Untere Berliner Straße, über diese Möglichkeit nachdenken? 


... und es geht weiter

Das nächste Treffen #owldigital wird wahrscheinlich am 25. November stattfinden, dann ist Willi Kaczorowski eingeladen, der wohl zur Zeit bekannteste Autor zum Thema SmartCity in Deutschland. 






Sonntag, 21. September 2014

Wegducken vor Bildungsfragen und Sozialpolitik

Nein, Steuerung und Weitsichtigkeit ist ihre Sache nicht: Sowohl ein Bildungsbericht als auch die Fortschreibung eines Familienberichtes sind offensichtlich von der Mehrheit der Ratspolitik in Gütersloh nicht gewollt. Argumente dagegen: "Warten wir mal ab, zu teuer, brauchen wir nicht." Fakt: Abgelehnt, runtergeredet, weg vom Tisch.


                                                                  Fotos ak 2013


Dieser Tage hat die SPD-Fraktion zwei gute Anträge gestellt. a) ein erneuter Antrag zur Erstellung eines Bildungsberichtes, der die bestehenden Bildungsdaten in Korrelation setzt zu den Sozialdaten und sonstigen Parametern wie der demografischen Entwicklung; b) die Fortschreibung des Familienberichtes aus dem Jahr 2008. Beide Anträge finden keine Mehrheit. 

Nein, keine Angst, ich bin dieser Partei nicht beigetreten. Sie ist mit diesen Anträgen auch nicht sonderlich innovativ - um uns herum im Land sind andere Kommunen schon deutlich reflektierter, was die Steuerung und die Datenlage angeht. Was die SPD aber auszeichnet: sie macht was! Und das ist in der Philosophie des Wegduckens vor einer komplexen Aufgabe wie die Gestaltung (!) von Bildungspolitik und einer Sozialpolitik, die die Spaltung der Gesellschaft im Blick haben sollte, schon ein großer Schritt. Das Beharrungsvermögen der Ausschüsse auf dem Status Quo macht mich immer wieder sprachlos, wie gerade diese beiden wichtigsten Themen politisch so verwaisen können.


Ungelöste Probleme

Dabei steht die Stadt vor ungelösten Problemen, um nur zwei zu nennen:

- Die Armut gerade bei Kindern steigt - auch in Gütersloh. Jedes dritte Kind in Gütersloh gilt als arm. Zwar ist dies nicht flächendeckend in allen Stadtteilen gleich, aber schon merklich vor allem in den Stadtteilen mit sozial schwächergestellten Einwohnern. Diese Stadtteile sind in Gütersloh zumindest bekannt. In Blankenhagen leben 35 % der Kinder in Armut und weitere 14 % in armutsnahen Verhältnissen. Die Problematik ballt sich also. Ein Familienbericht mit einer validen Datenlage würde dazu beitragen, konkreter handeln zu können und ins Auge zu nehmen, was noch kommen wird.




- Die Bildungslandschaft in Gütersloh ist alles andere als gut aufgestellt. Die Problematik der Schulen im Norden der Stadt ist nicht gelöst. Im Gegenteil, das Modell der Kooperation zwischen der Grundschule, der Realschule sowie der Hauptschule ist gegen die Wand gefahren, die Trümmer keinesfalls beseitigt. Von einem neuen Anlauf ist nichts zu sehen.



Was jetzt geschehen wird

- Politik wird sich ad hoc von Thema zu Thema hangeln, eine gemeinsame Idee, wohin es gehen könnte, wird nicht erarbeitet. Die Entscheidungen stehen für sich allein, ein Zusammenhang wird fehlen, der Blick aufs Ganze durchs KleinKlein vernebelt. Wie wollen wir künftig in Gütersloh zusammenleben, wenn immer erkennbarer wird, dass nicht alle gute Ausgangschancen haben - ein Familienbericht hätte diese Diskussion beleben können. 

- Bereits die GPA hatte der Stadt diktiert, künftig Schulen zu schließen. Es wird dazu kommen. Allein die Anzahl der Grundschulen wird nicht aufrechterhalten werden können. Der Ausschuss wird sich auf Blindfahrt auch hier durchhangeln und sich überrascht zeigen, wenn dann plötzlich "das Signal" aus Detmold kommt, wir müssen wieder eine Schule schließen. Dann schauen alle Verantwortlichen betreten auf die Tischplatte, heben ihre Finger trotzdem zum Todesstoß und bekunden, wie bedauerlich, aber doch unabwendbar dies sei. Daran, dass man solche Prozesse auch offen und weitsichtig planen kann - und eine Schließung kommunizieren muss, daran denkt kaum jemand. Dieser Trend ist nun schon seit Jahren zu beobachten. Nur die Glaubwürdigkeit dieser politischen Erklärungen wird dadurch nicht besser.

Was wir brauchen wäre: 

Eine öffentliche Debatte darüber, wie Gütersloh künftig aufgestellt sein will, wenn sich etwa die Bildung radikal ändern wird. Wir stehen hier vor einem Umbruch, der in seinen Ausmaßen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Digitalisierung, Inklusion, Demographie. Wie ist die Stadt darauf vorbereitet? Wie will sie künftig reagieren? Ein zweiter (echter) Bildungsgipfel sollte diese Fragen thematisieren. Wenn nicht die Politik diese Frage stellt, werden es sehr bald die Eltern tun, die mit dieser Strategie des Wegduckens nicht mitgehen werden. Es braucht den Diskurs der Vielen, das Einmischen.


Schade, dass Politik hier so tut als sei sie nicht zuständig. Sich das Heft aus der Hand nehmen lässt. Und das sogar mit einer möglichen neuen Mehrheit im Rat. 

Schade auch, dass die Bürgermeisterin hier nicht noch die letzten Monate ihrer Amtszeit nutzt, um Spuren zu hinterlassen, die einer ganzen Generation zugute kommen können. Das war ihr doch auch mal wichtig. Ist ihre Vergangenheit als Sozialdemokratin dahin?















Montag, 15. September 2014

Ländlicher Raum wird SmartCountry

Zur Zeit arbeite ich in der 10. Initiative des Co:llaboratory - Internet & Gesellschaft mit. Unser Thema: "SmartCountry" - digitale Strategien für den ländlichen Raum". Meine Arbeitsgruppe ist "Politik und Verwaltung".


                                         SmartCountry                            Fotos: ak 2014


Am 4. September hatten wir die Gelegenheit, unsere ersten Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen vorzustellen: Im Rahmen der Reihe "Zukunftsdialog Digitale Gesellschaft" diskutierten rund 80 Teilnehmer aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Vewaltungn zum Thema digitaler Wandel auf dem Land. Gastgeber waren das Bundesministerium des Innern (BMI) und das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT), Staatssekretärin Rogall-Grothe begrüßte:


Deutlich sind die Herausforderungen bereits zu spüren: die Menschen werden weniger, älter - insbesondere die schwach besiedelten ländlichen Landstriche sind da gefragt, Antworten zu finden, wenn sie nicht zukünftig "Wolfserwartungsland" werden oder sein möchten. In der Arbeitsgruppe Politik und Verwaltung fragen wir uns daher u.a.: Was wäre Deutschland ohne seine ländlichen Räume? Deutschland wäre sehr viel ärmer - zumindest an kultureller und naturverbundener Vielfalt und vor allem an Kreativität und Eigenheit der Menschen, die im ländlichen Raum leben. Ein Stück Identität ginge verloren. Potenziale lägen brach. Wie also kann der ländliche Raum aktiv bleiben?




Eine Form, diese Aufgabe zu lösen, ist der Einbezug der Menschen vor Ort. Wie beteiligen? wird eine der Herausforderungen sein. Die digitale Technik wird komplexer und könnte viele Lösungen mit sich bringen, die die Lebensqualität vor Ort trotz dieser Entwicklungen stabilisieren oder halten können - aber gerade im ländlichen Raum fehlt der Anschluss daran: In der Folge verlieren die Menschen in diesen ländlichen Lebensräumen ihre Daseinssicherheit, ihre soziale Stabilität sowie ihre Selbstbestimmtheit - eine Entwicklung des Ausschlusses, die gesellschaftspolitisch nicht gewollt ist.


Der digitale Wandel bietet die Chance des Zugangs, der Gestaltbarkeit sowie der Flexibilisierung. Um Menschen in ländlichen Räumen zu halten, ihre Heimat zu sichern, ihnen künftig gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, müssen sie offensichtlich an die Lebensader des Worldwideweb angeschlossen werden oder daran in angemessener Frequenz angeschlossen bleiben. In der Diskussion ergaben sich zahlreiche Hinweise und konkrete Beispiele, wie diese Möglichkeiten schon jetzt genutzt werden.


Die konkreten Ergebnisse werden am 9. Oktober vorgestellt, dann mit vielen Beispielen und Handlungsempehlungen. Jetzt gehen wir erst mal in die nächste Runde der Verschriftlichung und Ausarbeitung.



Im Bild sind: Franz-Reinhard Habbel (DStGB), Dirk Arendt (Good), Lena-Sophie Müller (D21), Martin Fuchs (Hamburger Wahlbeobachter).



Sonntag, 7. September 2014

Kommunen unter Druck von TTIP

Gütersloh muss öffentlich über TTIP nachdenken: Durch das Abkommen steht die verfassungsrechtlich verankerte kommunale Selbstverwaltung auf dem Spiel. Bundesländer und Kommunen werden durch TTIP künftig massiv in ihrer politischen Entscheidung eingeschränkt sein. 





Gütersloh hat ein Städtisches Klinikum, ein Hallenbad, ein Freibad, eine Sparkasse und vergibt öffentliche Aufträge.... Das ist in vielen anderen bundesdeutschen Kommunen nicht anders. Und gerade deshalb sollte die Stadt Gütersloh jetzt aktiv werden, wenn es um die weiteren Verhandlungen über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) geht -das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Weitreichende Konsequenzen für die autonome Handlungsfähigkeit zeichnen sich ab. Wie steht die Stadt dazu, welche Möglichkeiten der Intervention gibt es, und nutzt die Stadt diese schon?


# Studie: Kommunen im Würgegriff von TTIP 

Eine aktuelle Studie von Thomas Fritz, im Auftrag von Campact, liegt dazu vor, wie sehr Kommunen künftig unter Druck geraten können:

Hier die wichtigsten Punkte aus der Zusammenfassung der Studie:


von der Homepage Campact fotografiert

1. Kommunale Entscheidungen, die Geschäftsinteressen transatlantisch tätiger Investoren beeinträchtigen, würden vermehrt zu Entschädigungsklagen vor internationalen Tribunalen führen. 

2. Regelungen zu Dienstleistungen etc. berühren die kommunalen Hoheitsrechte wie die Organisationsfreiheit der Kommune. Siehe hier besonders die Marktzugangs- , Nichtdiskriminierungs- und Investitionsregeln. Maßnahmen etwa zur Beschränkung von Gewerbeansiedlungen, zum Schutz vor Verdrängungskonkurrenz, zum Erhalt von Sparkassen oder zum Mieterschutz könnten als TTIP-Verstöße unter Druck geraten. 
 Kommunale Auseinandersetzungen über Bauprojekte etwa könnten künftig zu Klagen vor internationalen Schiedstribunalen führen. 

3. Da es keine grundsätzliche Ausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge von TTIP gibt, 
ist eine weitere Privatisierung kommunaler Leistungen zu befürchten. Zudem werden durch sogenannte Standstill- und Ratchet-Klauseln Rekommunalisierungen zu Vertragsverstößen.

4. Folgt TTIP dem Muster des Handelsabkommens mit Kanada (CETA) wären möglicherweise Ausgleichszahlungen für öffentliche Aufgaben angreifbar. Etwa im Gesundheitswesen, hier klagen bereits große Klinikketten gegen solche Ausgleichszahlungen.

5.  Durch die Fixierung von Schwellenwerten, ab denen transatlantisch ausgeschrieben werden muss, verliert die öffentliche Hand Spielräume für eine autonome Einkaufspolitik. Aufgrund einer mangelnden Verankerung von Sozialstandards, wie es in CETA bereits der Fall ist, würden gerade soziale Vergabekriterien wie z. B. die Einhaltung von Tarifverträgen angreifbar.


#Schiedsgerichte

Besonders zu beachten sind dabei die "Schiedsgerichte": Diese sind i.d.R. mit drei Personen besetzt, die aber keine hauptamtlichen Richter sind, sondern Anwälte oder Juristen. "Nach Angaben der OECD sind mehr als die Hälfte der Entscheider dort im Hauptberuf Firmenanwälte. Und mehr als 60 Prozent von diesen vertreten auch Investoren.

Trotzdem haben diese die gleiche Macht wie Gerichte: Sie erhalten Einblick in Gesetzentwürfe oder in Urteile. Und ihre Urteile sind bindend für den Staat. Gleichzeitig können diese Schiedsgerichte aber nur von den ausländischen Investoren angerufen werden - nicht von Staaten."



#Diskussion auch in GT ? 

Gründe genug, sich auch in Gütersloh mit der Thematik zu befassen. Sollten die Einflussmöglichkeiten auch gering sein, sensibilisieren sollten sich Politik und Verwaltung dafür schon. Diese Abkommen werden künftig in ihrer Wirkung deutlich bis nach Gütersloh hineinwirken. Andere Kommunen sind da schon aufmerksam: Der OB von Tübingen, Boris Palmer (Grüne) hat dazu ein sehr aufschlussreiches Kurzinterview gegeben, das findet sich hier











Montag, 1. September 2014

Übersetzerin für den digitalen Brückenschlag

Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten. Auch Gütersloh ist auf dem Weg, sich hier Stück für Stück neu aufzustellen. Das gerade online-gestellte Portal "LittleBird" zur Anmeldung für einen Kita-Platz ist ein weiteres Beispiel dafür, wie man die moderne Lebenswelt der Menschen auch mit den Verwaltungsprozessen verzahnen kann. 

Wie man Verwaltungsaufgaben deutlicher als bisher digitalisieren kann, dafür braucht man "Übersetzer", die Impulse in eine Verwaltung hineinbringen. Solche Brücken schlägt etwa Karin Engelhardt, Onlinemanagerin in der Stadt Coburg, die bereits 2011 den "Open Government Hero" des Netzwerkes Open Government 2.0 gewonnen hat.

Am Rande der 2. Tagung des Colab "Digitale Strategien für den ländlichen Raum" hatte ich Gelegenheit, Karin zu befragen, wie dieser Wandel eigentlich in Coburg begann. Ganz simpel, mit einer Ausschreibung. Gute Idee auch für Gütersloh?




Gefragt danach, was eigentlich im Zentrum ihrer Arbeit steht, ist das Rezept schnell erzählt:


Gütersloh ist seit letztem Jahr Modellkommune des Bundesministeriums des Innern, was E-Government angeht. Diese hier skizzierte Offenheit könnte auch ein Baustein für Gütersloh werden.