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Sonntag, 6. Februar 2011

Demokratie ist nichts ohne Demokraten

Moderne heterogene Gesellschaften haben eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen, die weit über die klassischen staatlichen Ordnungsleistungen einer repräsentativen Demokratie hinausgehen. Gerade deshalb und gerade jetzt müsste sich zeigen, wie zukunftsfähig sich Politik gestaltet und wie Demokratie in der Einwanderungsgesellschaft vitalisiert und modernisiert werden kann, um diese Herausforderungen der Moderne annehmen zu können. Großen Teilen der Bevölkerung aber droht die Abkopplung von einer aktiven Teilhabe am demokratischen System: Ernste Probleme entstehen dabei in den "demokratiefreien Zonen" unserer Politik. Die sozialen Randgebiete, die der Ausgrenzung unterliegen, sind nur ein Teil davon. Hinzu kommen die zunemende Entwicklung von sozialer Unsicherheit und zahlreiche neue Formen von Armut, gepaart mit Perspektivlosigkeit.

Den Einstieg in diese Abwärtsspirale befördert dabei das ungleiche Bildungsniveau: Kinder von Zuwanderern besuchen überproportional häufig Hauptschulen, verlassen überproportional häufig die Schule ohne Abschulss und schließen gleichermaßen selten eine Berufsausbildung ab. Das Bildungssystem hat keine Antworten auf notwendige Veränderungen in unserer bestehenden Einwanderungsgesellschaft. Dieser Umstand gefährdet den Zusammenhalt, die Ausbildung von Identität mit den Werten eines Landes und schließlich die Demokratie. Neben den nach PISA aufgewerteten Bildungsinhalten gilt es auch, die sozialwissenschaftliche Werteerschließung im Blick zu behalten. Deutschland steht dabei nicht etwa vor einem Mangel an guten Beispielen. Was fehlt, ist jedoch ein umfassende Strategie, Demokratiewissen und Demokratieerleben als wesentliche Bestandteile in den grundlegenden Wissenskanon einzuflechten. Das Vitalisierungspotenzial der neuen Formen von Teilhabe mit Blick auf bildungs- und politikferne Akteure darf dabei nicht unterschätzt werden. In Anbetracht eines Fortschreitens des demographischen Wandels ist die Gesellschaft auf diese Qualifikationspotenziale besonders der jungen Generation angewiesen.

Notwendig wäre es, mehr "Paten der demokratischen Methode" an sich zu gewinnen. Demokratiekompetenz muss als eine Schlüsselqualifikation schon von Kindesbeinen an verstanden werden, denn zukunftsfähig sind nur Gesellschaften, die auch mit Vielfalt umgehen können. Nur so ist ein Erhalt des politisch zu gestaltenden öffentlichen Raumes und damit die Reichweite demokratischen Handelns zu gewährleisten. Fragen nach einer gelungenen Integration und fairen Bildungschancen scheinen dabei Schicksalsfragen für die Zukunft unseres Landes zu sein.

(Auszug aus meinem Beitrag "Demokratie ist nichts ohne Demokraten" in: Demokratie und Integration in Deutschland. Gütersloh 2009, S. 164 f)