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Montag, 2. Mai 2011

Wie hoch war die Qualität der Beiträge?

Wie erfolgreich war das Verfahren zum Bürgerhaushalt?
Eine Analyse anhand eines Kriterienkatalogs

HEUTE 
Kriterium 7 (von 14) Nutzerfreundlichkeit
Das Internet schließe eine große Zahl an Bürgern von vornherein aus, lautete die Grundkritik. Neben der Online-Nutzung gab es daher auch die Möglichkeit für Personen, die keinen Zugang zu Rechnern hatten, diese in handschriftlicher Form einzubringen. Diese ist jedoch kaum genutzt worden. Es sind lediglich rd. 10 Vorschläge über diesen Weg in der Stadtverwaltung eingegangen.
Die Gefahr einer digitalen Spaltung der Gesellschaft ist dabei wohl auch eine Generationsfrage: Auf der einen Seite wird allein die klassische repräsentative Demokratie als alleingültige Demokratieform akzeptiert, auf der anderen Seite der eher jüngeren Mitbürger ist die Akzeptanz offener, internetbasierter Partizipation stark ausgeprägt und wird als ein wirkungsvolles Instrument gegen die Politikverdrossenheit favorisiert. Einer solchen Spaltung spricht entgegen, dass kein Medium an sich, so schnell und direkt erreichbar ist, wie der Zugang zum Netz. Die Allgegenwart des Netzes, das es jedem ermöglicht, sich schnell und unbürokratisch in Prozesse einzuklinken beginnt ein breites Bedürfnis nach aktiver Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu erzeugen.
Die Nutzerfreundlichkeit des Online-Tools „Bürgerhaushalt“ war zudem sehr hoch. Das Anmelden, das Einbringen der Vorschläge war sehr einfach, ebenso die Kommentierung sowie das Voting. Insgesamt wurde die Seite 318.554 mal aufgerufen und 52.371 Bewertungen wurden abgegeben. Gewünscht wurde u.a. die fortlaufende Kennung der Kommentierungen der vorausgehenden Kommentare, eine Zuordnung war im laufenden Prozess mit vielen Kommentaren eher schwierig.
Problematisch zeigte sich allerdings am Ende das Voting, da hierzu natürlich alle Vorschläge und ggf. auch die Kommentare gelesen sein mussten. Die hohe Komplexität hat hier zu einer Streuung der Votes geführt, so dass es eine wenig sichtbare „Häufung“ von Stimmen gab. Hier gilt es sicher nachzubessern, um mehr Transparenz herzustellen. Andersherum ist vielleicht eine Häufung und damit ein Ranking von Vorschlägen nicht zwingend das Ziel, sondern eher die Möglichkeit für die Bürgerschaft, Ideen und kritische Beiträge zu liefern und sich mit ihrem eigenen Wissensstand abgeholt zu fühlen.
Für Menschen ohne eigenen Online-Zugang gab es die Möglichkeit der Nutzung von Online-Rechnern an öffentlichen Stellen wie in der Stadtbibliothek sowie im Bürgerbüro. Vielleicht sollte hier noch komplementierend die Möglichkeit in den jeweiligen Stadtvierteln eröffnet werden. Note: gut (plus)

Muster erkannt: Leicht zu bedienen
Kriterium 8 (von 14) Qualität der Beiträge
Über die Qualität der Beiträge wird gestritten. Die Urteile gehen da weit auseinander und sind deutlich politisch motiviert. Die Einen nennen den Bürgerhaushalt „Meckerkasten“, die Anderen kritisieren, dass auch Vorschläge eingegangen seien, die außerhalb der Handlungshoheit der Kommune liegen und attestieren der Bürgerschaft damit grobe Unkenntnis. Andere wiederum loben den hohen Wissensstand der Nutzer und sehen die Botschaften; erfahren, wo die Schwerpunkte und Schmerzpunkte der Bevölkerung sind, um diese dann in ihre Politik einflechten zu können. Diese offene Dialogform und das Angebot der Beteiligung hat es bisher in der Stadt so nicht gegeben. Welcher Qualtität denn die Vorschläge und Ideen sein sollten, wurde im Vorfeld nicht artikuliert. Durch die Möglichkeit auch andere Gedanken als nur Sparvorschläge einzureichen, ist diese Diskrepanz in der Beurteilung sicher normal und sollte daher als ein kreativer Beitrag zur Belebung der Demokratie im besten Sinne verstanden werden. Bürger wurden zu Experten in ihrer eigenen Kommune und konnten ihr Wissen einbringen, dies nicht ausschließlich in einer Oppositionshaltung, die der Bürgerschaft gerne attestiert wird, wenn sie sich einbringt, sondern in einer offenen, kreativen Art und Weise.
Note: gut

Kriterium 9 (von 14) Akzeptanz
Die Frage der Akzeptanz ist aus drei Blickwinkeln zu betrachten, welche die Trias Bürgerschaft, Stadtverwaltung und Politik widerspiegelt. Während die Verwaltung sowie die Politik ihre Bewertungen über das Format des Bürgerhaushaltes an vielen Stellen platzieren konnten, ist die Bürgerschaft dazu kein einziges Mal direkt befragt worden. Ein zentraler Beteiligter ist damit nicht zu Wort gekommen, weder mit einer Bewertung zum Verfahren an sich, noch (und das wiegt noch viel schwerer) mit einer Bewertung über den Umgang mit den Vorschlägen und damit über den anschließenden politischen Prozess. Und gerade die Bürgerschaft war die Zielgruppe des Bürgerhaushaltes. Damit fehlt das wichtigste Kriterium der Bewertung.
Auch das Begleitgremium, welches das Verfahren in drei Sitzungen begleiten und kommentieren sollte, hat sich als sehr ineffektiv gezeigt. Das mag an der u.a. parteipolitischen Besetzung gelegen haben, alle Fraktionen waren hier vertreten. Und sicher lag es auch an der personellen Besetzung durch „Multiplikatoren“, die für eine kommende Runde mit mehr Sorgfalt ausgesucht werden sollte. Dass einige Berufene überhaupt nicht teilgenommen haben, erschwert es zudem, diesem Gremium Gewicht zuzuordnen. Note: ausreichend

Morgen: Anschlussfähigkeit