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Dienstag, 12. Juli 2011

Misserfolg auch anderswo

Nicht nur Gütersloh zieht beim Bürgerhaushalt zurück. Beim Blick über den Tellerrand sieht das in anderen Kommunen ähnlich aus, wenn auch die Gründe unterschiedlich sind.

Bürgerhaushalt in Lüdenscheid
In Lüdenscheid zum Beispiel, will man den Bürgerhaushalt in der nächsten Runde "abspecken". Warum? Für die öffentlichen Bürgerversammlungen sei in diesem Jahr kaum mehr Zeit, da bereits im Herbst 2012 die Beratungen zum Haushalt beginnen. Ein Trost sei jedoch, dass die Bürger ihre Vorschläge das ganze Jahr über einreichen könnten: bei den Ratsmitgliedern, in der Verwaltung, in den Ausschüssen und in den Sprechstunden.
Auch Vorschläge aus dem vergangenen Jahr kommen dieses Jahr nicht zum Tragen. Auch hier sind die Gründe unterschiedlicher Natur. ....

Bürger "von oben" herab gesehen?
Ellwangen
In Ellwangen etwa wird erst gar kein Bürgerhaushalt eingeführt, weil die dortige Fraktion der Freien Bürger die Meinung vertritt, die Bürger hätten in der überschaubaren Stadt eh die Gelegenheit, sich mit ihren Anliegen direkt an die Räte zu wenden....Zudem wurde hier kritisiert, dass die Vorschläge nicht repräsentativ seien - und die Möglichkeit zur Manipulation gegeben seien. 
Auch Esslingen stand vor Problemen: Die Vorschläge hatten zu viel Arbeitsaufwand nach sich gezogen. Wer viel fragt, muss also auf der anderen Seite auch Antworten geben können. Und zu Haushaltsfragen könnten zudem nicht alle Aussagen machen. Es sei eine Schwierigkeit, die Gemeinderäte und den Bürgerhaushalt nicht in Konkurrenz zueinander treten zu lassen....Die Repräsentanz der Politik sei damit gefährdet.

Diese wenigen Beispiele machen deutlich, vor welchem grundsätzlichen Wandel besonders die Kommunalpolitik steht: Formate der Beteiligung werden zunächst eingeführt, dann aber im laufenden Prozess kritisiert, problematisiert und als zukünftig undurchführbar klassifiziert. Zufall oder Strategie? Es etabliert sich ein Spannungsfeld zwischen repräsentativer und direkter Demokratie.
 
Da stellt sich am Ende die Frage, wieso ein Bürgerhaushalt in Recife, Brasilien, funktioniert, an dem mehrere tausend Menschen teilnehmen - dies schon seit Jahren und sehr erfolgreich.
Ist es der fehlende soziale Druck? Dass hier in Deutschland (noch) nicht zwingend die Frage im Vordergrund steht, ob nun Wasserkanäle in die "Slumviertel" gelegt werden? 
Es wäre schade, wenn Instrumente der Beteiligung immer erst dann greifen, wenn ein Teil der Gesellschaft vor der Frage des eigenen Überlebens steht: Kann ein Teil überleben, wenn es dem anderen Teil schlechter geht? Die Frage nach Ausgewogenheit ist damit gestellt.