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Samstag, 30. Juli 2011

Drei Männer für die Zukunft der Stadt

Glosse

"Planen für Güterslohs Zukunft", berichtet heute (ein Segen erst auf Seite 4) die NW-Lokalzeitung. 

Es geht um die Klausurtagung der "Plattform plus", also CDU, Grüne und UWG.  Bei der Lektüre ist mir der Kaffeelöffel aus der Hand gefallen. 

Drei Männlein spielen Musketiere
Erstmal sehe ich drei Männer auf dem Foto. Die Zukunft Güterslohs muss also männlich sein? Damit wären 51 Prozent der Bevölkerung nicht repräsentiert. Zukunft geht anders.
Die drei Fraktionsvorsitzenden posieren nicht nur: Sie haben ihre Hände auf Höhe der männlichen Politikerlenden übereinander gelegt - wie zum Schwur. Ich fühle mich an die Parodie der drei Musketiere erinnert "einer für alle, alle für einen"; was impliziert, dass die Anderen nicht mitspielen dürfen. Nur mit Mühe bekomme ich dabei die Kindermelodie "nänänänänänö" aus dem Kopf - und sehe die Drei im Geiste sich munter im Kreis drehen....

Kochen für die Zukunft 
Meine Befürchtungen, was den Machismus angeht, werden leider in den folgenden Zeilen auch bestätigt: Ein Zukunftsziel für "Bildung und Schule" soll sein - das gemeinsame Kochen in Lernküchen und das Wirtschaften als Schulfach soll wieder eingeführt werden - wegen der guten Gesunheit für die Kinder. "Das sind Techniken, die die Kinder zuhause nicht mehr lernen", so der CDU-Mann. Zwischen den Zeilen klingt: Die Rabenmütter sind schuld. Die Frau muss wieder an den Herd zurück. Kinder erziehen! Mensch, da ist ja die CDU auf Bundesebene weiter als die Provinzableger.

Kochen und Wirtschaften für die Zukunft
Hatten wir nicht gerade einen erfolgreichen Bildungsgipfel in der Stadt? Mit sehr guten Ansätzen aus dem Gallery-Walk der Fachleute und Bürger? Die jedenfalls haben sich ganz andere Dinge für die Zukunft der Bildung vorgestellt: Chancengerechtigkeit, Förderung jeden Kindes, Übergänge zu weiterführenden Schulen verbessern, Jugendarbeitslosigkei und Endlosschleifen- abbau, den Ganztag mit Qualität verbinden.... Aber nein, für die Plattform muss es Kochen sein. Wo doch seit deren Zusammenarbeit die Schlüsselzuweisungen für Schulen drastisch gekürzt wurden, kein Personal, lieber Mittagessen aus der Retorte statt Qualität. Ein Wunsch aus dem Bürgerhaushalt war übrigens: ein kostenlosese Mittagessen für alle Schüler.... sei zu teuer, so die Politik. Und die Sache mit den Bildungsgutscheinen klappt auch noch nicht....

Schöner Shoppen als Zukunftsziel
Familienfreundlicher soll dann auch gleich die Innenstadt werden, damit der Aufenthalt in der Innenstadt attraktiver sei. Für wen? Für die, die samstags shoppen gehen? Erstens hätte hier ein Blick in den Familienbericht der Stadt genügt, der zeigt, wie wenige Eltern sich diesen Luxus überhaupt leisten können. Zweitens hätte ein Blick in den Kinder-Armutsbericht genügt, damit klar wird, worüber wir hier reden. Drittens reicht es, dass man mit Forderungen für eine attraktive Innenstadt aufwartet, schließlich ist ein CDU-Mann mit dem Antrag auf eine innerstädtische Boule-Bahn immerhin in den Deutschen Bundestag gelangt. (Die Restsandbahn dient heute als Hundeklo.) Und ein Sandkasten sollte es auch mal sein... auf dem zentralen Platz der Stadt.

Sparen geht baden 
Dass die Haushaltskonsolidierung oberstes Ziel sein soll, ist ja noch nachvollziehbar. Aber wenig glaubwürdig, wenn am Horizont schon der Neubau eines modernen Hallenbades auftaucht, der bisher kaum öffentlich diskutiert wurde - und Zahlen noch gar nicht auf dem Tisch liegen - CDU-Ratsherren aber im Hauptausschuss den Bau nach den Sommerferien ankündigen...

Messbar soll die Zukunft sein
Die Stadt solle sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, lese ich weiter. Dafür fordert der Grünenchef u.a. die Einführung einer Balanced Scorecard (BSC). Ein "Managementtool", also Handwerkszeug, zur Messung und Dokumentation und Steuerung von Aktivitäten eines Unternehmens in Hinblick auf seine Vision und Strategie. Im Kern stehen "Kennzahlen". (So steht es halbwegs im Gablers Wirtschaftslexikon). Dabei dachte ich immer, die Kommunalpolitik sei aufgerufen zu steuern und politisch zu messen. Übrigens schon durch die Umstellung der Haushaltsführung auf die Doppik. In der laufenden Legislaturperiode, in der die Plattform-plus-Männer-Musketiere die Einig-Hand am Ruder haben und damit Kapitäne auf der MS Gütersloh sein wollen, hat bisher lediglich die Verwaltung die wichtigen Impulse für die Stadt gegeben und in die Zukunft navigiert. Die "Regierung" in Gütersloh, also die Plattform, hechelt eigentlich nur den Verwaltungsvorlagen hinterher. Wer steuert da also wen?  

Zukunft heißt Stimmen
Liest man ein wenig mehr über BSC, stößt man auf den Bezug zur "Überlebensstrategie". Ja, damit kann ich was anfangen. Überlebensstrategie heißt hier wohl: Stimmen fangen für die nächste Wahl, um an Bord zu bleiben. Das also ist mit Zukunft gemeint?! 

Ich lege die Zeitung weg. Eigentlich bin ich ja Grüne. Aber ich muss das dringend überdenken.