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Mittwoch, 13. April 2011

Wieviel Augenmerk liegt auf den Kindern der Stadt?

Gütersloh ist eine reiche Stadt -  wird immer wieder erklärt. Nach Angaben u.a. des Statistischen Landesamtes kann man dem zustimmen, immerhin liegt die Stadt mit einer Kaufkraft von rund 47.000 Euro noch weit vor Münster mit rd. 274 Tausend Einwohnern und einer Kaufkraft von rd. 37.000 Euro. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten.

Und so kann das Thema Kinderarmut dieser Tage nicht ganz spurlos auch an der Stadt Gütersloh vorbeigehen. Kinderarmut bezeichnet den Anteil der Kinder unter 15 Jahren, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen.

Kinder und Jugendliche wachsen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen auf. Während die Mehrheit der Jugendlichen laut der aktuellen Shell-Studie optimistisch in die Zukunft blickt, trifft dies nicht für die Jugendlichen aus den sozial schwächsten Schichten zu, deren Zuversicht seit 2002 abgenommen hat. Das Ergebnis spiegelt die erschreckende Ungleichheit von Bildungs- und Teilhabechancen in Deutschland wieder. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen wissen das – und schätzen ihre eigene Situation auch so ein:

http://www-static.shell.com/static/deu/downloads/aboutshell/our_commitment/shell_youth_study/2010/youth_study_2010_graph_satisfaction.pdf

Die Shell-Studie findet sich hier:
http://www.shell.de/home/content/deu/aboutshell/our_commitment/shell_youth_study/downloads/#subtitle_2

Noch mehr als in vielen anderen OECD-Staaten sind die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien besonders schwierig, ihrer sozialen „Position“ zu entkommen. Strukturierte Ungleichheit nimmt zu und verfestigt sich in vielen Fällen von Generation zu Generation.
http://idw-online.de/pages/de/news403103

Besonders betroffen sind Berlin (mit einer Quote von 35,7 Prozent) sowie Bremen und Sachsen-Anhalt mit jeweils 30 Prozent. Es folgen Mecklenburg-Vorpommern (28,3 Prozent), Sachsen (24,1 Prozent), Brandenburg (23,2 Prozent), Hamburg (23 Prozent) und Thüringen (22,1 Prozent). Zum Teil deutlich niedriger liegt die Kinderarmutsquote in den westdeutschen Flächenländern Nordrhein-Westfalen (17,2 Prozent), Schleswig-Holstein (16,2 Prozent), dem Saarland (15,9 Prozent), Niedersachsen (15,6 Prozent), Hessen (14,6 Prozent) und Rheinland-Pfalz (12,1 Prozent). In Baden-Württemberg (8,3 Prozent) und Bayern (7,4 Prozent) ist Kinderarmut kaum anzutreffen.So die Ergebnisse auf dem Kommunalkongress 2011 der Bertelsmann Stiftung.
Und wie sieht das in Gütersloh aus? Die Kinderarmut beträgt 13 %. In Münster liegt sie bei 16,4 Prozent im Vergleich. Aber das Thema ist nicht neu. Bereits im Familienbericht von 2008 der Stadt Gütersloh, konkret im Kapitel 9 "Lebenssituationen von Kindern in Gütersloh" wird das deutlich. Denn hier steht schwarz auf weiß, dass gerade Kinder die am häufigsten von Armut betroffene Altersgruppe in Gütersloh ist. Einem besonders hohen Armutsrisiko sind Kinder aus Familien Alleinerziehender, kinderreichen Familien und Familien mit Migrationshintergrund ausgesetzt. Das ist in anderen Kommunen nicht anders. In Gütersloh sind 26 Prozent der Familien und 31 Prozent der Kinder von Armut bedroht oder konkret betroffen - so der Bericht.

Mit Blick auf diese prekäre Ausgangssituation wird auch die gesellschaftliche Teilhabe enorm in Frage gestellt. Dies belegt wiederum auch der Familienbericht der Stadt.
Die Kinderfreundlichkeit in der Stadt sei zwar sehr positiv ausgefallen, so der Bericht, aber es zeigen sich in den einzelnen Sozialräumen deutliche Unterschiede. Besonders kritisch werde dies im Stadtteil Paventstädt gesehen. Kulturelle Freizeitaktivitäten wie Theaterbesuche werden von 63 Prozent der Befragten nie und von 34 Prozent selten besucht. Von besonderem Interesse ist auch der Bildungsverlauf - und -erfolg. Die sind wie gesagt besonders eng an den sozialen Status gekoppelt. Hier spielt der Übergang von der Grundschule auf eine weiterführende Schule eine entscheidende Rolle. So werden die die Bildungs- und späteren Lebenschancen maßgeblich beeinflusst - liest man im Familienbericht.

"Bei dem Schulwechsel zu einer weiterführenden Schule lässt sich der Trend erkennen, dass nichtdeutsche Schüler häufiger auf die Hauptschule (18 %) oder die Gesamtschule (45%) wechseln als deutsche Schüler. (Hier:  7 % Hauptschule, Gesamtschule 20%) Der Wechsel auf ein Gymnasium erfolgt bei deutschen Schülern viermal öfter (40 Prozent)  als bei nichtdeutschen Schülern (10%). Dies zeigt eine deutliche Schlechterstellung der nichtdeutschen Schüler beim Übergang zu Schulen mit höheren Bildungsabschlüssen. 61 Prozent der deutschen Jugendlichen wechseln auf eine Schule mit höheren Bildungsabschlüssen, aber nur 55 Prozent der nichtdeutschen Jugendlichen." Zitiert nach Familienbericht der Stadt 2008.

Wenn wir also von Kinderarmut sprechen und von einem besonderen Handlungsbedarf zur Gegenstrategie in den Kommunen, ist gerade die Förderung der Kinder in den Kitas und Schulen der Stadt ein springender Punkt.

Hier fehlt nach wie vor die Analyse und eine sich daraus ergebende Handlungsstrategie für die Gütersloher. Bisher sind diese Themen nicht wirklich diskutiert worden. Es bleibt immer wieder bei Nennung der Zahlen von Schulzugängen auf die letzte Sekunde, bei der faktischen Hinnahme der Chancenungleichheit. Wie wäre es einmal mit der Diskussion, ob nicht "mehr Geld" in Schulen mit "sozialem Brennpunktcharakter" fließen sollte? Wie wäre es mit einer öffentlichen Diskussion dazu? Die Initiative "Demokratie wagen" hat hierzu einen Antrag gestellt, die Inhalte zur Frage "Welche Bildung will Gütersloh" des geplanten Bildungsgipfels in der Stadt auch auf der bestehenden Onlineplattform des Bürgerhaushaltes durch die Bürgerschaft diskutieren zu lassen. Wie heißt nochmal der schöne afrikanische Spruch, den die Stadt sich zur Bildungsoffensive erwählt hat? Es braucht ein ganzes Dorf, um Kinder zu erziehen. Wie wahr. Wie wäre es also mit dem ausgesprochenen Mut zur Veränderung? Ein erster Schritt wäre mal, den Planungsstand zum Bildungsgipfel darzustellen. Der fehlt nämlich bis heute. Da lässt sich ja schon ablesen, ob auch Kinderarmut auf dem Programm steht - wie gesehen: ein wesentlicher Faktor für Bildungserfolge.

"Die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt wird nicht zuletzt daran gemessen, welche Aufmerksamkeit wir bei unseren politischen Entscheidungen unseren Kindern zukommen lassen," sagt dazu Bürgermeisterin Maria Unger bereits 2008.