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Samstag, 25. Juni 2011

Politiker booten Bürgerbeteiligung aus

In der letzten Woche trafen sich Vertreter der Ratsfraktionen mit der Verwaltung zum Austausch über den Fortgang des Bürgerhaushaltes 2012. Das Treffen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Die Politik bootet Bürgerbeteiligung aus“, sagt Jürgen Droop, Sprecher der Bürgerinitiative „Demokratie wagen!“ Die offenen Fragen betrafen die Aufhebung der Anonymität und die Nutzung der Plattform bei möglichen Bürgerbefragungen zu Themen mit großem öffentlichem Interesse. Das wäre beim neuen Hallenbad oder einer Gemeinschaftsschule der Fall.

„Wir waren wohl mit unseren Forderungen nach direkter Beteiligung in der Vergangenheit zu anstrengend für die Politik“, so Droop. Auf Nachfrage der Initiative nach dem Verlauf kam die Antwort seitens der Fraktionen, die Entscheidung sei vertraulich und noch geheim. Auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung schrieb Kämmerin Christine Lang: “Die Politik wird am 04.07. im Hauptausschuss eine Entscheidung treffen, wie der Bürgerhaushalt 2012 konkret vorbereitet werden soll. Wir können uns auf Grundlage dieser Entscheidung dann gern mal wieder treffen, um uns auszutauschen.“


Der Wunsch nach Einbezug und Informiertheit seitens der Öffentlichkeit bewirkt offensichtlich einen Rückzug von Stadt und Politik in eine Wagenburgmentalität, in der alte Pfründe verteidigt werden. Damit verschwindet ein transparentes Verfahren wie die Online-Plattform wieder dahin, wo die Quelle des Unmuts der Bürgerschaft entspringt: Politik hinter geschlossenen Türen. Das „frühe Einbinden von Bürgern“ entpuppt sich als Lippenbekenntnis. Eine Teilhabe am konkreten Ausgestalten ist nur bis zu einem gewissen Punkt möglich. „Danach greift die Verlustangst“, so Detlef Fiedrich, ebenfalls Sprecher der Initiative. „Reden und Handeln klaffen weit auseinander“, resümiert Droop. Fordert die Politik im Bürgerhaushalt vehement Transparenz und Klarnamen, so handelt sie nun schon zum zweiten Mal selbst anonym: Über den Top 1 des Bürgerhaushaltes (Berufsfeuerwehr oder nicht) hat die Politik auf eigenen Wunsch geheim abgestimmt. Die CDU erklärte, die Fraktion sei in der Frage gespalten. Um die Mitglieder zu schützen, solle die Entscheidung geheim bleiben. Und nun ist die Diskussion über den Bürgerhaushalt geheim, um am Ende mit einer einstimmigen Entscheidung aufzuwarten, die Fakten schafft und politisch nicht mehr nachvollziehbar ist.
Auch in einem zweiten Punkt der Beteiligung wird das deutlich: Im Hauptausschuss hieß es, Meinungsabfragen der Bürger wären nur möglich, wenn die notwendigen Informationen für die Bevölkerung vorlägen. „Wann aber werden diese Informationen übermittelt?“, fragt Fiedrich. Mangelnde Transparenz und fehlende Informationen scheinen auch andere Institutionen zu irritieren, wie die Torpedierung des aktuellen Großbauprojekts (Porta) verdeutlicht. 

Bürgerbeteiligung bedeutet einen Kulturwandel in der Politik. „Wer schon ewig im Rat sitzt, kann vielleicht nicht mehr anders“, vermutet Droop. Die Bürgerschaft hat sich stark verändert. Sie ist kein kalkulierbares Klientel mehr, sondern eine freibewegliche, oft fließende Masse, die sich sehr schnell und vernetzt informiert. Damit wird sie zu einem Angstfaktor für die Politik. Am Ende reagiert diese mit dem Klammern an der Macht. Die Initiative hofft auf ein Umdenken. „Beteiligungsformate sollten keine Alibi-Veranstaltungen sein, das gilt auch für den ersten Bildungsgipfel. Die Bürger wollen ernst genommen werden. Ausbooten hilft nur auf kurze Sicht“, sagt Fiedrich.