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Samstag, 18. Juni 2011

Recife: Schülerin als Botschafterin der Inhalte

OWL ist eine Entwicklungsregion, was Bürgerbeteiligung angeht, so Marcus Werner, Moderator von Lokalzeit OWL (WDR) bei seiner Anmoderation zur Reinhard-Mohn-Preisverleihung in Gütersloh. Recife in Brasilien hat den Preis für seine "Vitalisierung der Demokratie - Teilhabe stärken" mit dem Format "Bürgerhaushalt" gewonnen.

Vom Süden lernen
OWl ist also Entwicklungsland, Lateinamerika dagegen hat für die Bürgerbeteiligung am Haushalt weltweit eine zentrale Bedeutung. Die Idee wurde in den 1980er Jahren auf dem Kontinent geboren und die Hälfte aller Bürgerhaushalte ist heute hier zu finden. Legt man den Fokus auf die sich am dynamischsten entwickelndden Beispiele, ist der Anteil sogar noch größer. (siehe Bericht Internationale Weiterentwicklung, Bürgerhaushalte weltweit, 2011)

Wir können also viel vom Süden lernen. Eine der Botschaften ist die einer dringend notwendigen Verbesserung der Bürgerpartizipation hin zu einer "horizontalen" Verständigung. In Lateinamerika waren die politischen und vor allem sozialen Aspekte von Bedeutung, die zur Verbreitung der Bürgerhaushalte beigetragen haben. Brasilien etwa gehört zu den Ländern mit den größten Einkommensunterschieden weltweit. Soziale Spannungen und Demokratiebewegungen prägten die Politik. Hinzu kamen Korruption und Klientelpolitik in großem Stil. Bürgerhaushalte waren zentraler Bestandteil für grundlegende Systemänderungen.

Verteilungsgerechtigkeit als Motor
Nun geht es in Deutschland nicht um Systemänderungen - aber immer mehr um eine notwendige Verteilungsgerechtigkeit. Noch schauen "wir" mit Kopfschütteln nach Griechenland und rümpfen die Nase über die EU-Partner Protugal, Irland, Spanien ob ihrer desolaten Finanzsituation. Aber längst klopft auch bei uns die soziale Spaltung an die Türen. Da ist zwar der Wirtschaftsboom, der kommt aber längst nicht bei allen an. Noch mag auch in den Kommunen der wirtschaftliche Frieden herrschen, aber die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander. Unmerklich erst, aber mit fatalen Folgen.

Der Bürgerhaushalt Gütersloh ist genau aus diesen Beweggründen entstanden. Nicht weil "die" Parteien das als weitsichtiges, demokratiestärkendes Instrument gewollt hätten. Nein: Die Spardiktion von Rödl&Partner als externes Beratungsunternehmen für die Politik hatte drastische Einschnitte im Haushalt der Stadt verordnet, die viele Gütersloher empfindlich treffen sollten. Gleichzeitig wurde eine Haushaltssicherung diskutiert. Das hatte zu öffentlichen Protesten geführt. Und erst auf Druck der Straße schließlich zur Einführung des Bürgerhaushaltes als ein Instrument für Transparenz und Beteiligung aller Schichten. Nun ist der Pleitegeier erst einmal abgewendet. Das bedeutet aber nicht, ein Weiter so wie bisher. Verteilungsgerechtigkeit muss auch weiterhin ein zentraler Punkt bleiben. 

Gesicht einer Schülerin steht für Generationengerechtigkeit
Doch nach der ersten Runde Bürgerhaushalt Gütersloh ist nicht mehr viel übrig von den guten Vorsätzen. Da wird zwar in den Fraktionen über die Fortführung diskutiert, aber unterm Strich bleibt eine große Ernüchterung: Angekommen ist das Format in der Bevölkerung nicht. Die Preisverleihung zum Bürgerhaushalt in Recife hat deutlich gemacht: Die Anderen können es einfach besser als wir - weil das Konzept auf vielen Schultern wirklich getragen wird - und weil es überlebensnotwendig ist für viele Tausende.

Wir im schönen Gütersloh dagegen halten uns am "Bambi"-Faktor fest: Eine junge Schülerin, die den Schülerbürgerhaushalt auf der Bühne zum Reinhard-Mohn-Preis erläutert und zurecht hohes Lob erntet. Aber wenn dieses junge Gesicht allein hängengeblieben ist, weil es gute Bilder produziert, dann wäre das schade. Es wäre wünschenswert, wenn dieses junge Gesicht Ansporn bliebe, noch mehr Anstrengungen in das Gelingen von Bürgerhaushalten und frühzeitige Beteiligung zu investieren. Und wenn das Gesicht als Gütesiegel bliebe, für eine nachhaltigere Generationengerechtigkeit. Für mehr Verteilungsgerechtigkeit für die, die weniger Chancen haben. Auch bei uns. Schließlich musste auch Keila für ihr Anliegen kämpfen, bevor sie auf der Bühne stehen konnte. Wie wäre es, wenn die nächste preisgekrönte Schülerin, die für Bürgerbeteiligung eintritt, aus Gütersloh kommen würde?