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Freitag, 24. Januar 2014

Schulentwicklungsplan - was fehlt

Der Bildungsausschuss tagte. Nach langer Wartezeit wurde nun auch der Schulentwicklungsplan vorgelegt, der den Zeitraum 2013 bis 2015 umfasst. Der Plan war bereits für 2012 vorgesehen - aber nicht realisiert worden. Siehe dazu mein Blogbeitrag bereits vor einem Jahr. 

Das vorliegende Werk ist durch Abwarten und Konservierung des Status quo gekennzeichnet und setzt damit eine alte Tradition fort. Von vorausschauender Gestaltung oder Zielsetzung in der zukünftigen Bildungspolitik ist keine Spur erkennbar. Der Unterschied: Dieses Jahr finden Kommunalwahlen statt. Spätestens jetzt werden Politik und Verwaltung an ihrer Bilanz der letzten fünf Jahre zur Gestaltung der Bildungslandschaft in Gütersloh gemessen werden. Bisher finden sich wenige Lichtquellen im Dunkeln.




Mit dem Fuß auf der Bremse 

Der vorgelegte Schulentwicklungsplan beginnt seine Geschichte sozusagen mit dem Fuß auf der Bremse. 


 
Das Einstimmen aufs Bremsen übernimmt dieser Anfangs-Passus: "Die vorstehenden Ausführungen (Geburtsprognosen im Zeichen des Demographischen Wandels, Abzug der britischen Streitkräfte, Schulpolitik der Nachbarkommunen, landespolitische Vorgaben zu Klassengröße; Anm. d.V.) zeigen auf, dass es gegenwärtig sehr schwierig ist, Schülerzahlen, das Schulwahlverhalten und somit die Auswirkungen auf das Vorhalten von Schulstandorten zu prognostizieren." Wer das beim Lesen der nächsten zwei Seiten vergessen haben sollte, findet unter dem nächsten Kapitel "Prognose" wiederholt: "Eine vorausschauende Planung kommt nicht ohne Prognosen aus. Allen Prognosen ist jedoch gemein, dass ihnen Berechnungen auf Basis von Unbekannten zugrunde liegen. Das macht den Umgang mit dem daraus resultierenden Zahlenmaterial nicht leichter, aber verständlicher und transparenter."

Geliefert wird Vages und Zukunftsangst:
 
Da wäre etwa die Schüleranzahl insgesamt: Hier ist vom Rückgang im Primarbereich um rund 380 Schüler im Planverlauf die Rede, was dem Schwinden von 2 ganzen Klassen gleichkomme. Im Sek I Bereich wird von 1.500 wegfallenden Schülern ausgegangen. Weitere gesicherte Daten müsse man abwarten. Eine weitere Schulschließung sei nicht auszuschließen. 

Später findet sich der Hinweis, die Nachbarkommunen bauten Realschulen ab, ggf. müsse man den Elternwillen der Kinder aus den Nachbarkommunen respektieren, die ihre KInder dann in die Nachbarkommune GT auf die dort weiterhin bestehenden Realschulen schicken könnten. Ob der Abzug der Briten zu weiteren Wohngebieten mit mehr Schülern führen werde, sei nicht bekannt. Bei Sek II müsse man die Übergangsquoten genau analysieren. In der Inklusion müsse man ungeklärte Rahmenbedingungen nachholen. Schreckgespenste und Abwehrhaltung werden künstlich produziert.

Besonders eingegangen wird auf das Scheitern der Primusschule und vor allem auf die ungeklärte Situation der Schulsozialarbeit, sie sich "aktuell in einer Art Wartestellung" befinde: "(...) Vor diesem Hintergrund kann immer noch festgestellt werden, „dass die Zuordnung von Ressourcen [der Schuljugend- /Schulsozialarbeit] in der Stadt Gütersloh [...] abhängig von den Ergebnissen der Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung neu bewertet werden muss." Der Bedarf werde größer ausfallen als die vorhandenen Ressourcen.

Dem Ausschuss scheint das vorliegende Werk zu genügen. In Frage gestellt wird von der Architektur nichts. Hinterfragt kaum etwas. Wichtiger wäre zu fragen, was jetzt darin eigentlich fehlt, um die Daten interpretieren zu können - um letztlich politische Ziele formulieren zu können.

Was fehlt?

Was in diesem Schulentwicklungsplan fehlt, ist die Einordnung der Zahlen in den Gesamtkontext der Stadtentwicklung - die Relevanz: etwa die Relation zwischen Schülerzahlenrückgang und Gesamtbevölkerung. Auch die Relation der Schülerjahrgänge zur Überalterung. Spannend wäre hier die Ausweisung, in welchen konkreten Stadtteilen denn der Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist. Der Rückgang wird sich nicht flächendeckend gleich in der Stadt verteilen. Die Zuordnung würde die Schulstandorte direkt berühren und vage Forderungen, nach einer flächendeckenden Versorgung konkreter machen. Außerdem wäre ein Blick in die Bevölkerungswanderung ganz interessant: in welchem Alter ziehen Kinder und Eltern hier weg, in welchem Alter ziehen Kinder und Eltern zu?

Was fehlt, ist zudem die Datenlage zu Einwohnern mit und ohne Migrationshintergrund, also auch die Anzahl der Kinder mit oder ohne ausländische Wurzeln. Das würde die Frage nach einer stillschweigenden Klassifizierung nach "abituraffinen" und "benachteiligten" Grundschulen nachsichziehen  - und damit die Frage deren Finanzierung aufwerfen. Wollen wir "alle Schulen gleich ausstatten?" Auch die Anbindung der Schulen an soziale Merkmale der Stadtteile, wie das Einkommen, fehlen. An der Stelle dürfte ein Blick auf die zunehmende Gentrifizierung in der Innenstadt interessant sein, hochpreisiger Lebensraum in der Innenstadt ist nicht gleichbedeutend mit hoher Anzahl von Kindern. Ohne diese Bezüge ist keine ausgewogene Schulentwicklung möglich.
 
Die soziale Segregation der Stadt zeigt sich zudem auch in der Datenlage der Kinder im Haushalt von Alleinerziehenden sehr deutlich und damit ggf.  verbunden mit den Beziehern von staatlichen Transferleistungen. Gütersloh mag eine auf den ersten Blick reiche Stadt sein, es täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Kinderarmut immer noch bei 13,3 Prozent liegt.

Gerade der Bezug zu den übrigen vorliegenden Daten wie dem Demographiebericht der Stadt oder dem Familienbericht gäbe deutliche Hinweise, wie sich Schulen zukünftig in ihren "Realbedarfen" entwickeln. Das und die vorherigen Punkte werfen natürlich die Frage auf, wie etwa künftig finanziert werden soll: alle Schulen gleich - oder gemäß ihrer Bedarfe unterschiedlich? Eine politische Frage. Eine von vielen politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Statt dessen finden sich Quadratmeterangaben für Klassenraumflächen im Zentrum der Aufstellung.


Übergänge

Es fehlt auch ein Blick auf die Übergänge zwischen der Primarschule und den weiterführenden Schulen: denn für die Bildungsbiografien der Kinder ist Schule von zentraler Bedeutung. 

Wie hoch ist etwa der Anteil der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, die auf das Gymnasium wechseln? Wie stellen sich die Empfehlungen zum Übergang dar in Relation zu den tatsächlichen Übergängen. Und wie sieht etwa hier die Relation zu den jeweiligen Stadtteilen in Gütersloh aus? Die Frage der Wiederholer und Schulabbrecher stellt sich. Auch die Frage nach der Anzahl der Jugendlichen, die die Schule in Gütersloh ohne Abschluss verlassen? Das kann man anhand der Schulformen zudem spezifizieren. Nicht jeder, der aufs Gymnasium kommt, bleibt dort auch bis zum Abschluss mit dem Abitur. Wie sieht die Abbrecherquote gerade hier aus? Und an welcher Jahrgangsstufe brechen sich die Schüler dann den Hals? 

Das alles und noch viel mehr (Berufswahl, Übergänge etc.) würde sicher nicht nur mich interessieren, sondern sollte auch die Mitglieder im Schulausschuss einnehmen. Denn es sind die Fragen der Differenziertheit und des Tiefgangs, die überhaupt Schul-  und Bildungspolitik erst möglich machen. 

Es geht um Datenzusammenhänge UND deren Interpretationsfähigkeit. Nur aus diesem Zweischritt heraus kann Bildungspolitik gestaltet werden, Ziele stecken, wohin man in Gütersloh in Sachen Bildung denn möchte. 

Vorhandensein heißt nicht, aussagefähig sein 
  
Der Ausschuss lobt also einstimmig das VORHANDENSEIN des Schulent-wicklungsplans. Hinter der Hand wird berichtet, man wolle jetzt kurz vor der Wahl keine Thermik mehr verursachen, da auch über Schulschließungen diskutiert werden müsse. Demnach stand aber der Ausschuss seit fünf Jahren vor der Wiederwahl, denn Thermik, die zur aktiven Gestaltung gedient hätte, ist zu keiner Zeit entstanden.

Die Zeit der Gestaltung aber läuft davon. Da zeigt ein Blick auf die Nachbarn, dass diese sich schon klar auf den Weg gemacht haben. Wenn ein Ausschuss sich zudem von einem Dezernat autoritär lenken lässt, darf man von diesem  deutlich mehr Führung und Richtlinienkompetenz erwarten, die aber leider komplett ausbleibt, wenn es um Zukunftsgestaltung geht.

Wer zudem eine Ausschussvorsitzende mit wenig Innovation wirken lässt ohne Aufforderung, eine alternative Agenda zu setzen und wenn sich die Mitglieder im Ausschuss ihrer eigenen Glücklosigkeit in der politischen Arbeit fügen, dann kann man auch nach der Wahl nichts Anderes erwarten als rudimentäre Zahlenspiele und eine ziellose Bildungspolitik. Ein Verweis auf einen Schulentwicklungsplan 2016 bis 2020, der mehr Ergebnisse bringe, beginnt da schon heute ein falsches Wahlversprechen zu sein.

Wenn das alles kein Argument ist, dann...

...sollte man Bildung in Gütersloh vielleicht nicht als inhaltliche Gestaltungsaufgabe wahrnehmen, sondern sollte sich diesem Thema ökonomisch nähern: 

Der Bildungsausschuss ist kein x-beliebiger Ausschuss. Einer Grafik zur Einbringung des Haushaltes für 2014 ist zu entnehmen: Von jedem Euro eingenommener Steuern fließen immerhin 14 Cent in "Schule und Bildung". Nach der Kreisumlage mit 30 Cent ist Bildung der größte Topf noch vor Jugend, Familie und Soziales. 





Bildung ist in keinem Fall allein ökonomisch zu betrachten! Es soll hier lediglich verdeutlicht werden, wie schwergewichtig das Thema ist, wenn es um kommunale Entscheidungen geht und welche Summen dahinter stehen, die vorausschauendes Handeln quasi notwendig machen, will man öffentliche Gelder nicht langfristig und großvolumig in den Sand setzen.


Auch die Summe der Investitionen in 2014 verdeutlicht, über welchen bedeutenden Anteil am Haushalt in diesem Ausschuss entschieden wird. Für 2014 sind es 3,571 Millionen Euro im Bereich Hochbaumaßnahmen.




Das alleine wäre Grund, hier ein deutlicheres Augenmerk und mehr politische Gestaltungskraft zu verwenden, wenn schon die Fragen der Bildungschancen-gerechtigkeit und die der Zukunftsfähigkeit von Bildungseinrichtungen bisher unbeantwortet geblieben sind. Das ist eine Aufgabe für alle Ratsmitglieder.


















 




















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