Thema Schule: Während in den umliegenden Kommunen eine wahre Aufbruchwelle zum Thema Bildung und Schulentwicklung zu erkennen ist, bleibt Gütersloh mal wieder in einer reinen "Mauerdiskussion" stecken.
Denn unter "Bildung" wird in Gütersloh verstanden: Schulgebäude, Raumflächen, Teilnehmerzahlen und Zügigkeiten. Diese rein technische Betrachtung ist falsch. Sie hat weder die Kinder, noch Qualität, noch Inhalte im Blick. Längst müsste sich eine Kommune von 97 Tausend Einwohnern und rund 1000 I-Männchen pro Jahr auf den Weg gemacht haben, vom reinen Schulgebäudemanagement der 50er Jahre hin zur Qualitäts- und Strategientwicklung. Es gilt, Zahlen und Daten sowie die städitschen Besonderheiten in Gütersloh mit Bildungszielen und Maßnahmen gemeinsam zu denken. Dieser politischen Positionsbestimmung wird immer wieder ausgewichen.
Bildungspolitik: Zahlen allein reichen nicht! |
Ein Beispiel: Raumkapazitäten
Im kommenden Bildungsausschuss am 29.3. wird die Bestandsaufnahme zur Offenen Ganztagsschule auf der politischen Tagesordnung stehen. Diese ist Ergebnis aus einem Gemeinschaftsantrag der Fraktionen SPD, CDU, BfGT und Grünen aus dem letzten Jahr. Hierin ging es um die Bestandsaufnahme der Raumsituation an den Gütersloher Grundschulen im Offenen Ganztag sowie um die "Priorisierung ggf. erforderlicher Investitionen zur Entspannung der räumlichen Situation unter Berücksichtigung verschiedener Parameter".
Bereits in der ersten Beratungsrunde bei Antragstellung im Oktober 2011 zeigt sich die Marschrichtung. So postuliert der zuständige Dezernent für Bildung Martensmeier:
"Auch wenn er sich mit dem Hinweis, dass für Lösungen Flexibilität und guter Wille
notwendig seien und die tatsächliche Errichtung zusätzlicher Baukörper das letzte Mittel sei,
das die Verwaltung anstrebt, nicht beliebt mache, muss beachtet werden, dass Investitionen
langfristig vertretbar sein müssen und unter dem Aspekt des demografischen Wandels nicht mittelfristig zu Überkapazitäten führen dürfen. Daher gelte es zunächst, alle möglichen Maßnahmen, von der Verzahnung des Vormittags- und Nachmittagsbereiches, über die Nutzung von Klassenräumen, die flexiblere Gestaltung bei erforderlichen Neuanschaffungen von Mobiliar und die Einrichtung von Ganztagsklassen, bis hin zur Wiedereinführung der Schulbezirke nachzudenken."
notwendig seien und die tatsächliche Errichtung zusätzlicher Baukörper das letzte Mittel sei,
das die Verwaltung anstrebt, nicht beliebt mache, muss beachtet werden, dass Investitionen
langfristig vertretbar sein müssen und unter dem Aspekt des demografischen Wandels nicht mittelfristig zu Überkapazitäten führen dürfen. Daher gelte es zunächst, alle möglichen Maßnahmen, von der Verzahnung des Vormittags- und Nachmittagsbereiches, über die Nutzung von Klassenräumen, die flexiblere Gestaltung bei erforderlichen Neuanschaffungen von Mobiliar und die Einrichtung von Ganztagsklassen, bis hin zur Wiedereinführung der Schulbezirke nachzudenken."
Daten liegen vor: Zahlenfriedhof
Nun liegt das fertige Werk vor: Offener Ganztag - eine Bestandsanalyse. Wie zu erwarten, wimmelt das gesamte Werk von technokratischen Rahmendaten. Und am Ende folgt die Zusammenfassung, die genau das belegt, was der Dezernent eigentlich schon im Oktober 2011 avisiert hat:
- "Die nachstehende Betrachtung macht deutlich, dass mit Ausnahme der Grundschule Nordhorn alle Schulen über ausreichend Flächen für den Offenen Ganztag verfügen. Durch die am jeweiligen Standort vorhandenen Räumlichkeiten verfügen einige Schulen gar über Flächenüberhänge in größerem Umfang. Deutlich wird, dass - insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie des auch langfristig vertretbaren Umgangs mit Ressourcen - von baulichen Erweiterungen abgesehen werden kann." (Seite 9)
- Als problematisch erweist sich an vielen Standorten die Mittagssituation. In dieser Zeit werden neben den Ganztagskindern auch die Kinder der sog. Randstunde betreut, wodurch sich vorhandene Raumkapazitäten reduzieren. Hier gilt es gemeinsam mit den Schulen nach Lösungen zu suchen.
- Bevor darüber nachgedacht wird, ob und welche Notwendigkeiten / Möglichkeiten für Flächenreduzierungen sich ergeben, sollte die Verabschiedung des neuen Raumprogramms durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung abgewartet werden. Noch ist nicht bekannt, ob hierin künftig auch Empfehlungen für den Offenen Ganztag verankert werden. Ggf. müsste die Bestandsanalyse an die sich dann ergebenen Anforderungen angepasst werden.
- Und punktuell folgt noch der Hinweis: man müsse in Gütersloh abwarten, welche Raumkonzepte und Kapazitäten sich noch durch die bevorstehende Konversion (also den Abzug der britischen Streitkräfte) ergäben...
"Es könne auch festgestellt werden, dass viele Kinder im Offenen Ganztag an den
20 Schulstandorten in Gütersloh gut aufgehoben seien. Zum Anstieg der Teilnehmerzahlen erinnert er daran, dass mit Beginn der Maßnahme im Schuljahr 2003/04 insgesamt 50 Teilnehmer zu verzeichnen gewesen seien. Aktuell werden 1.530 Kinder im Ganztag betreut, wobei die Zahl für das laufende Schuljahr noch ansteigen könne, da die endgültigen Zahlen erst unmittelbar nach den Herbstferien feststehen. Dieser Anstieg sei zum einen auf die gesellschaftlichen Entwicklungen, zum anderen aber auch auf die Qualität des Ganztagsangebotes, die von allen Beteiligten durch ihr hohes Engagement erzielt werde, zurückzuführen."
20 Schulstandorten in Gütersloh gut aufgehoben seien. Zum Anstieg der Teilnehmerzahlen erinnert er daran, dass mit Beginn der Maßnahme im Schuljahr 2003/04 insgesamt 50 Teilnehmer zu verzeichnen gewesen seien. Aktuell werden 1.530 Kinder im Ganztag betreut, wobei die Zahl für das laufende Schuljahr noch ansteigen könne, da die endgültigen Zahlen erst unmittelbar nach den Herbstferien feststehen. Dieser Anstieg sei zum einen auf die gesellschaftlichen Entwicklungen, zum anderen aber auch auf die Qualität des Ganztagsangebotes, die von allen Beteiligten durch ihr hohes Engagement erzielt werde, zurückzuführen."
Genau diese behauptete Qualität wäre einmal zu messen - und dann kann man die Daten zu Raumgröße und Flächen in Beziehung zueinander setzen. Das bedarf allerdings ein wenig mehr Anstrenung in Bildungsfragen als das bisher zu erkennen ist. Wie gesagt: Bildungspolitik heute ist keine simple Verwaltung von Mauern und Mensen mehr.
Prozess ist langfristig angelegt
Solch einen komplexen Prozess aber kann man nicht übers Knie brechen, einmal beraten ist keinmal beraten. Schulentwicklungsplanung und -entwicklung ist ein ständiger Prozess - die gesetzlich vorgeschriebenen Planungsintervalle reichen bei weitem nicht mehr aus. Es geht hierbei zudem nicht nur um das Schachern von Quadratmetern, sondern um die konkrete Zukunftsgestaltung einer Stadt. Nichts trägt dazu mehr bei als Bildung und Kinder.
Schade wäre es, wenn die Vorlage der Vewaltung reflexartig dazu führen würde, was wir schon kennen: Jeder Kommunalpolitiker schaut auf die Grundschule in seinem/ihrem Wahlbezirk. Das wäre fatal. Das wäre deutlich am Gemeinwohl vorbeigeschaut und der Sache nicht dienlich.
Schade wäre es auch, wenn analog der parteipolitischen Welt- und Familienanschauung der Ausschussmitglieder diskutiert würde. Der Bildungsausschuss sollte sich zunächst auf einen ergebnisoffenen Dialog und Gestaltungsprozess einigen. Wenn schon gleich zu Beginn der unterschwellige Vorwurf im Mittelpunkt steht, dass es Kindern schade, über Mittag bis in den Nachmittag betreut zu werden, dann ist dies eine denkbar schlechte Ausgangssituation. Und höchstens rückwärtsgerichtet und ignorierend der Alltagsbewältigung vieler Familien gegenüberstehend. Gleiches wird sich in der Diskussion um Kitaplätze wiederfinden.
Aber Sie wollten doch immer Zahlen. Die finden sich doch in der Vorlage. ?
AntwortenLöschenJa, stimmt. Ich bleibe auch dabei, dass ein eigener Bildungsbericht einmal im Jahr erstellt werden muss. Grundlage hierfür sind schon Daten und Fakten.
AntwortenLöschenDiese gilt es allerdings in einen Zusammenhang zu stellen. Ziele zu formulieren, Ansätze herauszuarbeiten, was man eigentlich in der Bildugnspolitik erreichen will.
Schwierig wird es, wenn "die" Politik lediglich nach Raumgrößen fragt - und die Verwaltung diesen engen Blickwinkel bedient. Wenn dieses Zahlenmaterial lediglich dazu dient zu belegen, dass man hier nicht investieren muss, ist das politisch mager. Da wird über das Theater und die Stadthalle deutlich mehr Bohei gemacht.
Es wäre auch fatal, wenn diese nackten Zahlen am Ende so in den Schulentwicklungspaln einfließen - und das ist zu befürchten - ohne irgendeine weitere Weichenstellung als: wir brauchen uns nicht zu bewegen, die Kinder haben Überkapazität an qm.
Zahlen und Mathematik im weitesten Sinn suggerieren Logik, Richtigkeit oder auch Rechtschaffenheit. So werden nicht nur Kommunalpolitiker von Verwaltungsbeamten über den Tisch gezogen, auch wir Bürger werden mit Statistiken, grafischen Darstellungen und Zahlenspielen in die Irre "gerechnet".
AntwortenLöschenDabei sind die Zahlen doch nur "Äpel", die man mit "Birnen" überhaupt nicht gleichsetzen oder vergleichen kann!
Im Falle der "Offenen Ganztagsschule" (Begriffsverklitterung) müsste es pädagogisch und politisch zunächst um die Qualität der Anbieter und Angebote, die Vernetzung zwischen Vor- und Nachmittagsbetrieb, um individuelle Förderungsmöglichkeiten, um Pflicht- oder Wahlganztag und vieles mehr gehen. Denn der Ganztagsgedanke beinhaltet spätestens seit dem Pisa-Schock Chancen"ungerechtigkeiten" kompensieren zu können.
Wer sich in der Öffentlichkeit (NW vom 30.3.2012) oder im Bildungsausschuss überwiegend mit Schülerzahlen und Raumkapazitäten präsentiert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Schule nur zu verwalten.
Allgemein und im Besonderen in Gütersloh ist es notwendig, dass alle Bildungsinteressierten zur zukünftigen Entwicklung der Schullandschaft (sprich Schulentwicklungsplanung) Stellung beziehen können. Der Bildungsgipfel war nur ein kleiner Hügel in Anbetracht der großen Aufgaben, die wie zahlreiche Berge vor uns liegen.
Rheda-Wiedenbrück zeigt, dass es anders geht: hier wird Bildungsentwicklung öffentlich diskutiert.