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Donnerstag, 6. Juni 2013

Wir sind Vielfalt - Medien haben Verantwortung

Heute ein Einblick in meinen beruflichen Blogbeitrag... weil das auch für Gütersloh von Interesse ist....

Wir sind viele. Wir sind Vielfalt.

Das sagen nicht die üblichen Nerds der Integrationsdebatte, sondern das formuliert der WDR, größter Sender in Nordrhein-Westfalen. Und nimmt das als Motto, um das 10-jährige Bestehen eines Integrationsbeauftragten im WDR zu feiern. Dieser Beauftragte heißt Dr. Gualtiero Zambonini, korrekt nennt sich das Amt „Beauftragter für Integration und kulturelle Vielfalt des WDR“.

Gekommen waren Viele zur Jubiläumsfeier ins Funkhaus am Walraffplatz in Köln. Damit hatte man wohl nicht wirklich gerechnet, denn der Saal war voll. Der Rest musste stehen, der Rest des Restes verfolgte die Veranstaltung im Foyer via livestream – ganz gemütlich im Sessel mit ausreichend Beinfreiheit.

                                                    Vielfalt unterm Dom diskutiert                       Fotos ak 2013
Die Bekenntnisse zu eben dieser Vielfalt zogen sich durch das Programm wie der berühmte rote Faden. 
  
Eva-Maria Michel, stellvertretende Intendantin des WDR eröffnete: Die Integration der Neuzuwanderer werde nur gelingen, wenn die Teilhabe der bereits hier lebenden Migranten anerkannt und gelebt werde. Dieser Prozess der Veränderung zöge sich durch alle Lebensbereiche der Menschen, Bildung, Kultur, Medien, der WDR stehe in besonderer Verantwortung, diesen Prozess abzubilden und zu begleiten.
Mit der Einrichtung von Funkhaus Europa, Cosmo TV, dem Journalistenprogramm Grenzenlos sei das geschehen.

Fritz Pleitgen als einer der Ideengeber für die Einrichtung eines Integrationsbeauftragten im Sender ging gleich zwei Schritte weiter. Einmal das Mikrophon in der Hand, ließ er dies nicht mehr los und formulierte neue Ziele: Er sei vor Jahren aus den USA zurückgekehrt und von der progressiveren Haltung dort beeindruckt gewesen, Affirmative Action habe ihn begeistert. „Man muss mehr machen als die Dinge auf sich zukommen zu lassen“, war ihm daher auch für Deutschland klar. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse eine Vorbildfunktion einnehmen und voran gehen. Die Frage stand im Raum, was es eigentlich bedeute, sich mit Vielfalt auseinander zu setzen. Durch die oben genannten Sendeformate habe man vieles erreicht. Dennoch habe er weitere Wünsche: jetzt sei der nächste Schritt an der Reihe – den Mitarbeitern mit Migra-Geschichte müsse der Weg in die Top-Positionen im Sender ermöglicht werden, es brauche dazu einen Masterplan. In 3 Jahren Abteilungsleiter, in 5 Jahren Hauptabteilungsleiter – in 10 Jahren eine Intendantin/ein Intendant mit Migra-Geschichte.... ? - stellte Pleitgen seine Vorstellungen in den Raum.

Die Bundesbeauftragte für Migration und Flüchtlinge, Prof. Maria Böhmer, war aus Berlin per livestream zugeschaltet – sie gratulierte. Und wurde als erstes mit der Frage der Moderatorin Elif Şenel konfrontiert, was sie denn zur Diskussion im Dt. Bundestag zur Doppelten Staatsbürgerschaft sage. Antwort: 95% der Betroffenen entschieden sich für die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft. In der 3. und 4. Generation gehöre man doch schließlich zu Deutschland. Die alten Wurzeln seien wichtig, jeder trage etwas von seiner Kultur ein, jeder müsse verantwortlich sein, um Heimat Deutschland sagen zu können. Wir wachsen zusammen auf, das sollten wir auch ja sagen zu Deutschland.
Auf die Frage, welche Rolle Medien für das Zusammenleben spielten, kam der Hinweis Böhmers auf die Entwicklungen, die sich aus dem Nationalen Aktionsplan Integration dazu ergeben hätten: Die Vielfaltfinder als Internetplattform für Experten mit Migra-Geschichte, das Mentorenprogramm für Journalisten, der Mediendienst Integration. Die Anstöße zu diesen Errungenschaften seien auch aus dem WDR gekommen.

Der Integrationsbeauftragte kam nun auch zu Wort, es waren artige Gedanken des Dankes.

 NRW-Integrationsminister Guntram Schneider nahm den Ball Pleitgens auf und unterstützte das Ziel: „Menschen mit Migrationshintergrund sollen nicht nur bei den Indianern zu finden sein, sondern auch bei den Häuptlingen.“ Schlüsselpositionen müssten mit Migranten besetzt werden, etwa die Programmverantwortlichen.
Ein Lob folgte gleich: „Der WDR sorgt dafür, dass der Laden (NRW) zusammenhält.“

Moderator Till Nassif hakte nach: Brauchen wir eine Quote?

im Saal und im Foyer: Vielfalt in der Diskussion   Foto ak 2013
Integrationsbeauftragter Zambonini vorsichtig: keine Quote, sondern Ziele. (Bei dem Thema merkt man als Zuschauer gleich, wie heiß das ist, eine konkrete Aussage dazu bekommt man selten bis nie.) Er führte aus, dass nicht die Zahl entscheidend sei, sondern die Einstellung. Es bedeute eine Kompetenzerweiterung für die Gesellschaft, die sich wandele.

Nassif gab den Ball an Minister Schneider: Mehr Migranten sollten doch auch im öffentlichen Dienst arbeiten, etwa bei der Polizei. Hier komme man nicht wirklich voran?

Schneider erklärte, man sei hier weiter als gedacht. Einer anonymen Befragung zufolge habe sich ergeben, dass 12 % der Menschen mit Migra in höheren Positionen beschäftigt seien. In der Polizei habe sich da viel getan. Schneider betonte in dem Zusammenhang, dass NRW mehr LehrerInnen mit Migrationsgeschichte brauche, da auch die Schülerschaft mit Migrahintergrund ansteige. Aber solche Steuerung falle nicht vom Himmel. Behörden müssten so strukturiert sein, dass man den Anteil an Migranten auch erkennen könne. Hier flocht er ein, der Begriff „Migrationshintergrund“ sei deutlich zu schwammig. „Wir sind weit davon entfernt, eine Mehrheitsgesellschaft zu sein, sondern wir sind eine Gesellschaft, die zunehmend aus vielen Minderheiten besteht.“

Ich kann nur ein paar Highlights an dieser Stelle wiedergeben, das Programm war umfassend!

Beeindruckt hat mich das Projekt der WDR-Bigband Global Dance Culture XL. Sängerinnen mit vielen Wurzeln zusammenzubringen.

Ein wenig Essig in die Feierstimmung kippte der Oberbürgermeister aus Dortmund, Ullrich Sierau in der Diskussion über die Vielfalt im Sendegebiet. Jörg Schönenborn, Chefredakteur Fernsehen, Politik und Zeitgeschehen, hatte zuvor vermittelt, die Integrationsgeschichte sei zu 90 % eine Erfolgsgeschichte, trotzdem hätten es Sarrazin und Buschkowsky geschafft, die Defizite in den Vordergrund zu rücken. „Die Showwirklichkeit ist immer noch Neukölln.“ Hier entstand die Frage, ob man dann nicht deutlicher auch die Normalität in den Medien abbilden müsste, eben ohne die negativen Bilder. Schönenborn antwortete, Journalismus funktioniere so, dass man genau dann hinschaue, wenn es Probleme gebe. „Wir müssen uns lösen von den Klischees.“ Hier setzte der OB an, Dortmund sei eine Stadt, die sich zu Vielfalt bekenne. Man habe nichts dagegen, dass Menschen aus anderen Ländern nach Dortmund kämen – Dortmund sei eine Integrationsmaschinerie seit dem Mittelalter - man dürfe die Kommunen damit aber nicht alleine lassen, das habe man sich bei den Beitrittsverhandlungen nicht überlegt. Er verwies darauf, Menschen brächten ihre Kultur und ihre Sprache mit. Und hier spielten Ängste eine große Rolle: die Art, wie diese Ängste ins Land getragen würden, sei auch eine Frage der Berichterstattung über Zuwanderung. Er nannte das Beispiel einer Preisverleihung im Fußball zu Vielfalt. Das sei zivilgesellschaftlich organisiert worden. Aber: Der WDR sei dazu nicht erschienen, das Positive sei keine Meldung wert gewesen. Hier müsse man deutlicher über die Rolle der Medien nachdenken.

Schönenborn als Antwort: Das Auswählen gehöre zum Wesen des Journalismus.

Schön noch ein paar Bemerkungen am Rande:

Der WDR 2- Sender hat keinen Moderator mit Migrationshintergrund.

Vielfalt findet über Themen statt.

Ein Fisch muss nicht immer nur über Fische berichten.

Durchaus viele Impulse an diesem Abend!

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